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|  Georg Trakl
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|  Im Winter
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   Georg Trakl
   IM WINTER


   Im Winter


     Der Acker leuchtet weiß und kalt.
     Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
     Dohlen kreisen über dem Weiher
     Und Jäger steigen nieder vom Wald.


     Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
     Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
     Bisweilen schnellt sehr fern ein Schlitten
     Und langsam steigt der graue Mond.


     Ein Wild verblutet sanft am Rain
     Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
     Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
     Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.



   In einem verlassenen Zimmer


     Fenster, bunte Blumenbeeten,
     eine Ogel spielt herein.
     Schatten tanzen an Tapeten,
     Wunderlich ein toller Reihn.


     Lichterloh die Büsche wehen
     Und ein Schwarm von Mücken schwingt
     Fern im Acker Sensen mähen
     Und ein altes Wasser singt.


     Wessen Atem kommt mich kosen?
     Schwalben irre Zeichen ziehn.
     Leise fließt im Grenzenlosen
     Dort das goldne Waldland hin.


     Flammen flackern in den Beeten.
     Wirr verzuckt der tolle Reihn
     An den gelblichen Tapeten.
     Jemand schaut zur Tür herein.


     Weihrauch duftet süß und Birne
     Und es dämmern Glas und Truh.
     Langsam beugt die heiße Stirne
     Sich den weißen Sternen zu.



   Trompeten


     Unter verschnittenen Weiden, wo braune Kinder spielen
     Und Blätter treiben, tönen Trompeten. Ein Kirchhofsschauer.
     Fahnen von Scharlach stürzen durch des Ahorns Trauer,
     Reiter entlang an Roggenfeldern, leeren Mühlen.


     Oder Hirten singen nachts und Hirsche treten
     In den Kreis ihrer Feuer, des Hains uralte Trauer,
     Tanzende heben sich von einer schwarzen Mauer;
     Fahnen von Scharlach, Lachen, Wahnsinn, Trompeten.



   Frühling der Seele


     Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind,
     Das Blau des Frühlings winkt durch brechendes Geäst,
     Purpurner Nachttau und es erlöschen rings die Sterne.
     Grünlich dämmert der Fluß, silbern die alten Alleen
     Und die Türme der Stadt. O sanfte Trunkenheit
     Im gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der Amsel
     In kindlichen Gärten. Schon lichtet sich der rosige Flor.


     Feierlich rauschen die Wasser. O die feuchten Schatten der Au,
     Das schreitende Tier; Grünendes, Blütengezweig
     Rührt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukelkahn.
     Leise tönt die Sonne im Rosengewölk am Hügel.
     Groß ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten am Fluß.


     Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes,
     Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht
     Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund.


     Schwester, da ich dich fand an einsamer Lichtung
     Des Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers;
     Weiße unter wilder Eiche, und es blühte silbern der Dorn.
     Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen.


     Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische.
     Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne;
     Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmert
     Bläue über dem verhauenen Wald und es läutet
     Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit.
     Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten.


     Leise tönen die Wasser im sinkenden Nachmittag
     Und es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind;
     Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel.



   Die Bauern


     Vorm Fenster tönendes Grün un Rot.
     Im schwarzverräucherten, niederen Saal
     Sitzen die Knechte und Mägde beim Mahl;
     Und sie schenken den Wein und sie brechen das Brot.


     Im tiefen Schweigen der Mittagszeit
     Fällt bisweilen ein karges Wort.
     Die Äcker flimmern in einem fort
     Und der Himmel bleiern und weit.


     Fratzenhaft flackert im Herd die Glut
     Und ein Schwarm von Fliegen summt.
     Die Mägde lauschen blöd und verstummt
     Und ihre Schläfen hämmert das Blut.


     Und manchmal treffen sich Blicke voll Gier,
     Wenn tierischer Dunst die Stube durchweht.
     Eintönig spricht ein Knecht das Gebet
     Und ein Hahn kräht unter der Tür.


     Und wieder ins Feld. Ein Grauen packt
     Sie oft im tosenden Ährengebraus
     Und klirrend schwingen ein und aus
     Die Sensen geisterhaft im Takt.



   De profundis


     Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.
     Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.
     Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist —
     Wie traurig dieser Abend.


     Am Weiler vorbei
     Sammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein.
     Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung
     Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams.


     Bei ihrer Heimkehr
     Fanden die Hirten den süßen Leib
     Verwest im Dornenbusch.


     Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.
     Gottes Schweigen
     Trank ich aus dem Brunnen des Hains.


     Auf meine Stirne tritt kaltes Metall.
     Spinnen suchen mein Herz.
     Es ist ein Licht, das meinen Mund erlöscht.


     Nachts fand ich mich auf einer Heide,
     Starrend von Unrat und Staub der Sterne.
     Im Haselgebüsch
     Klangen wieder kristallne Engel.



   Confiteor


     Die bunten Bilder, die das Leben malt
     Seh‘ ich umdüstert nur von Dämmerungen,
     Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,
     Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.


     Und da von jedem Ding die Maske fiel,
     Seh‘ ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,
     Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,
     Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.


     Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.
     Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,
     Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,
     Gezwungen, voll Verzweiflung – Langeweile!



   Die schöne Stadt


     Alte Plätze sonnig schweigen.
     Tief in Blau und Gold versponnen
     Traumhaft hasten sanfte Nonnen
     Unter schwüler Buchen Schweigen.


     Aus den braun erhellten Kirchen
     Schaun des Todes reine Bilder,
     Großer Fürsten schöne Schilder.
     Kronen schimmern in den Kirchen.


     Rösser tauchen aus dem Brunnen.
     Blütenkrallen drohn aus Bäumen.
     Knaben spielen wirr von Träumen
     Abends leise dort am Brunnen.


     Mädchen stehen an den Toren,
     Schauen scheu ins farbige Leben.
     Ihre feuchten Lippen beben
     Und sie warten an den Toren.


     Zitternd flattern Glockenklänge,
     Marschtakt hallt und Wacherufen.
     Fremde lauschen auf den Stufen.
     Hoch im Blau sind Orgelklänge.


     Helle Instrumente singen.
     Durch der Gärten Blätterrahmen
     Schwirrt das Lachen schöner Damen.
     Leise junge Mütter singen.


     Heimlich haucht an blumigen Fenstern
     Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.
     Silbern flimmern müde Lider
     Durch die Blumen an den Fenstern.



   Frauensegen


     Schreitest unter deinen Frau‘n
     Und du lächelst oft beklommen:
     Sind so bange Tage kommen.
     Weiß verblüht der Mohn am Zaun.


     Wie dein Leib so schön geschwellt
     Golden reift der Wein am Hügel.
     Ferne glänzt des Weihers Spiegel
     Und die Sense klirrt im Feld.


     In den Büschen rollt der Tau,
     Rot die Blätter niederfließen.
     Seine liebe Frau zu grüßen
     Naht ein Mohr dir braun und rauh.



   Winkel am Wald

   An Karl Minnich


     Braune Kastanien. Leise gleiten die alten Leute
     In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.
     Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,
     Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.


     Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;
     Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.
     Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.
     Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.


     In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.
     Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.
     Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;
     Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.


     Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.
     Bescheiden ist ihre Stätte wohl bereitet.
     Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;
     Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.



   Psalm

 //-- Karl Kraus zugeeignet --// 

     Es ist ein Licht, das der Wind ausgelöscht hat.
     Es ist ein Heidekrug, den am Nachmittag ein Betrunkener verläßt.
     Es ist ein Weinberg, verbrannt und schwarz mit Löchern voll Spinnen.
     Es ist ein Raum, den sie mit Milch getüncht haben.
     Der Wahnsinnige ist gestorben. Es ist eine Insel der Südsee,
     Den Sonnengott zu empfangen. Man rührt die Trommeln.
     Die Männer führen kriegerische Tänze auf.
     Die Frauen wiegen die Hüften in Schlinggewächsen und Feuerblumen,
     Wenn das Meer singt. O unser verlorenes Paradies.


     Die Nymphen haben die goldenen Wälder verlassen.
     Man begräbt den Fremden. Dann hebt ein Flimmerregen an.
     Der Sohn des Pan erscheint in Gestalt eines Erdarbeiters,
     Der den Mittag am glühenden Asphalt verschläft.
     Es sind kleine Mädchen in einem Hof in Kleidchen voll herzzerreißender Armut!
     Es sind Zimmer, erfüllt von Akkorden und Sonaten.
     Es sind Schatten, die sich vor einem erblindeten Spiegel umarmen.
     An den Fenstern des Spitals wärmen sich Genesende.
     Ein weißer Dampfer am Kanal trägt blutige Seuchen herauf.


     Die fremde Schwester erscheint wieder in jemands bösen Träumen.
     Ruhend im Haselgebüsch spielt sie mit seinen Sternen.
     Der Student, vielleicht ein Doppelgänger, schaut ihr lange vom Fenster nach.
     Hinter ihm steht sein toter Bruder, oder er geht die alte Wendeltreppe herab.
     Im Dunkel brauner Kastanien verblaßt die Gestalt des jungen Novizen.
     Der Garten ist im Abend. Im Kreuzgang flattern die Fledermäuse umher.
     Die Kinder des Hausmeisters hören zu spielen auf und suchen das Gold des Himmels.
     Endakkorde eines Quartetts. Die kleine Blinde läuft zitternd durch die Allee,
     Und später tastet ihr Schatten an kalten Mauern hin, umgeben von Märchen und heiligen Legenden.


     Es ist ein leeres Boot, das am Abend den schwarzen Kanal heruntertreibt.
     In der Düsternis des alten Asyls verfallen menschliche Ruinen.
     Die toten Waisen liegen an der Gartenmauer.
     Aus grauen Zimmern treten Engel mit kotgefleckten Flügeln.
     Würmer tropfen von ihren vergilbten Lidern.
     Der Platz vor der Kirche ist finster und schweigsam, wie in den Tagen der Kindheit.
     Auf silbernen Sohlen gleiten frühere Leben vorbei
     Und die Schatten der Verdammten steigen zu den seufzenden Wassern nieder.
     In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen.


     Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich Gottes goldene Augen.



   Die Ratten


     Im Hof scheint weiß der herbstliche Mond.
     Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.
     Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;
     Da tauchen leise herauf die Ratten.


     Und huschen pfeifend hier und dort
     Und ein gräulicher Dunsthauch wittert
     Ihnen nach aus dem Abort,
     Den geisterhaft der Mondschein durchzittert.


     Und sie keifen vor Gier wie toll
     Und erfüllen Haus und Scheunen,
     Die von Korn und Früchten voll.
     Eisige Winde im Dunkel greinen.



   Ballade


     Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,
     Eine bleiche Magd da vor ihm stand.
     Laut sang, o sang das Meer.
     Sie hielt einen Becher in der Hand,


     Der schimmerte bis auf zum Rand,
     Wie Blut so rot und schwer.
     Kein Wort ward gesprochen – die Sonne schwand,
     Da nahm der Narre aus ihrer Hand


     Den Becher und trank ihn leer.
     Da löschte sein Licht in ihrer Hand,
     Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand —
     Laut sang, o sang das Meer.



   Im Osten


     Den wilden Orgeln des Wintersturms
     Gleicht des Volkes finstrer Zorn,
     Die purpurne Woge der Schlacht,
     Entlaubter Sterne.


     Mit zerbrochnen Brauen, silbernen Armen
     Winkt sterbenden Soldaten die Nacht.
     Im Schatten der herbstlichen Esche
     Seufzen die Geister der Erschlagenen.


     Dornige Wildnis umgürtet die Stadt.
     Von blutenden Stufen jagt der Mond
     Die erschrockenen Frauen.
     Wilde Wölfe brachen durchs Tor.



   Herbstseele


     Jägerruf und Blutgebell;
     Hinter Kreuz und braunem Hügel
     Blendet sacht der Weiherspiegel,
     Schreit der Habicht hart und hell.


     Über Stoppelfeld und Pfad
     Banget schon ein schwarzes Schweigen;
     Reiner Himmel in den Zweigen;
     Nur der Bach rinnt still und stad.


     Bald entgleitet Fisch und Wild.
     Blaue Seele‘ dunkles Wandern
     Schied uns bald von Lieben, Andern.
     Abend wechselt Sinn und Bild.


     Rechten Lebens Brot und Wein,
     Gott in deine milden Hande
     Legt der Mensch das dunkle Ende,
     Alle Schuld und rote Pein.



   Elis

 //-- 1 --// 

     Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
     Unter alten Eichen
     Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.


     Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
     An deinem Mund
     Verstummten ihre rosigen Seufzer.


     Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.
     Ein guter Hirt
     Führt seine Herde am Waldsaum hin.
     O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.


     Leise sinkt
     An kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille,
     Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.


     Ein goldener Kahn
     Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.


 //-- 2 --// 

     Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis‘ Brust —.
     Am Abend,
     Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.


     Ein blaues Wild
     Blutet leise im Dornengestrüpp.


     Ein brauner Baum steht abgeschieden da;
     Seine blauen Früchte fielen von ihm.


     Zeichen und Sterne
     Versinken leise im Abendweiher.


     Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.


     Blaue Tauben Trinken nachts den eisigen Schweiß,
     Der von Elis‘ kristallener Stirne rinnt.


     Immer tönt
     An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.



   Menschliche Trauer


     Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt —
     Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen.
     Im Abendgarten morsche Bäume sausen;
     Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.


     Vielleicht daß diese Stunde stillesteht.
     Vor trüben Augen nächtige Bilder gaukeln
     Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln;
     Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht.


     Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei,
     Im Garten einen Sarg zusammenzimmern.
     Gebeine durch verfallne Mauern schimmern
     Und schwärzlich schwankt ein Irrer dort vorbei.


     Ein blauer Strahl im Herbstgewölk erfriert.
     Die Liebenden im Schlafe sich umschlingen,
     Gelehnet an der Engel Sternenschwingen,
     Des Edlen bleiche Schläfe Lorbeer ziert.



   Rondel


     Verflossen ist das Gold der Tage,
     Des Abends braun und blaue Farben:
     Des Hirten sanfte Flöten starben
     Des Abends blau und braune Farben
     Verflossen ist das Gold der Tage.



   Klage


     Schlaf und Tod, die düstern Adler
     Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
     Des Menschen goldnes Bildnis
     Verschlänge die eisige Woge
     Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
     Zerschellt der purpurne Leib
     Und es klagt die dunkle Stimme
     Über dem Meer.
     Schwester stürmischer Schwermut
     Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
     Unter Sternen,
     Dem schweigenden Antlitz der Nacht.



   Am Moor

 //-- (2. Fassung) --// 

     Mantel im schwarzen Wind. Leise flüstert das dürre Rohr
     In der Stille des Moors; am grauen Himmel
     Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
     Quere über finsteren Wassern.


     Knöchern gleiten die Hände durch kahle Birken,
     Knickt der Schritt in braunes Gehölz,
     Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.


     Aufruhr. In verfallener Hütte
     Flattert mit schwarzen Flügeln ein gefallener Engel,
     Schatten der Wolke; und der Wahnsinn des Baums;


     Schrei der Elster. Altes Weiblein kreuzt den Weg
     Ins Dorf. Unter schwarzem Geäst
     O was bannt mit Fluch und Feuer den Schritt
     Stummes Glockengeläut; Nähe des Schnees.


     Sturm. Der dunkle Geist der Fäulnis im Moor
     Und die Schwermut grasender Herden.
     Schweigend jagt
     Den Himmel mit zerbrochnen Masten die Nacht.



   Träumerei am Abend

 //-- Aus: Dichtungen und Briefe --// 

     Wo einer abends geht, ist nicht des Engels Schatten
     Und Schönes! Es wechseln Gram und sanfteres Vergessen;
     Des Fremdlings Hände tasten Kühles und Zypressen
     Und seine Seele faßt ein staunendes Ermatten.


     Der Markt ist leer von roten Früchten und Gewinden.
     Einträchtig stimmt der Kirche schwärzliches Gepränge,
     In einem Garten tönen sanften Spieles Klänge,
     Wo Müde nach dem Mahle sich zusammenfinden.


     Ein Wagen rauscht, ein Quell sehr fern durch grüne Pfühle.
     Da zeigt sich eine Kindheit traumhaft und verflossen,
     Angelens Sterne, fromm zum mystischen Bild geschlossen,
     Und ruhig rundet sich die abendliche Kühle.


     Dem einsam Sinnenden löst weißer Mohn die Glieder,
     Daß er Gerechtes schaut und Gottes tiefe Freude.
     Vom Garten irrt sein Schatten her in weißer Seide
     Und neigt sich über trauervolle Wasser nieder.


     Gezweige stießen flüsternd ins verlaßne Zimmer
     Und Liebendes und kleiner Abendblumen Beben.
     Der Menschen Stätte gürten Korn und goldne Reben,
     Den Toten aber sinnet nach ein mondner Schimmer.



   Abendmuse


     Ans Blumenfenster wieder kehrt des Kirchturms Schatten
     Und Goldnes. Die heiße Stirn verglüht in Ruh und Schweigen.
     Ein Brunnen fällt im Dunkel von Kastanienzweigen —
     Da fühlst du: es ist gut! in schmerzlichem Ermatten.


     Der Markt ist leer von Sommerfrüchten und Gewinden.
     Einträchtig stimmt der Tore schwärzliches Gepränge.
     In einem Garten tönen sanften Spieles Klänge,
     Wo Freunde nach dem Mahle sich zusammenfinden.


     Des weißen Magiers Märchen lauscht die Seele gerne.
     Rund saust das Korn, das Mäher nachmittags geschnitten.
     Geduldig schweigt das harte Leben in den Hütten;
     Der Kühe linden Schlaf bescheint die Stallaterne.


     Von Lüften trunken sinken balde ein die Lider
     Und öffnen leise sich zu fremden Sternenzeichen.
     Endymion taucht aus dem Dunkel alter Eichen
     Und beugt sich über trauervolle Wasser nieder.



   Verfall


     Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
     Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
     Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
     Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.


     Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
     Träum ich nach ihren helleren Geschicken
     Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
     So folg ich über Wolken ihren Fahrten.


     Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
     Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
     Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,


     Indes wie blasser Kinder Todesreigen
     Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
     Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.



   Der Herbst des Einsamen


     Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
     Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
     Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
     Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
     Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
     Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.


     Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
     Im roten Wald verliert sich eine Herde.
     Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
     Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
     Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
     Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.


     Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
     In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
     Und Engel treten leise aus den blauen
     Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
     Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
     Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.



   Romanze zur Nacht


     Einsamer unterm Stenenzelt
     Geht durch die Mitternacht.
     Der Knab aus Träumen wirr erwacht,
     Sein Antlitz grau im Mond verfällt.


     Die Närrin weint mit offnem Haar
     Am Fenster, das vergittert starrt.
     Im Teich vorbei auf süßer Fahrt
     Ziehn Liebende sehr wunderbar.


     Der Mörder lächelt bleich im Wein,
     Die Kranken Todesgrausen packt.
     Die Nonne betet wund und nackt
     Vor des Heilands Kreuzespein.


     Die Mutter leis‘ im Schlafe singt.
     Sehr friedlich schaut zur Nacht das Kind
     Mit Augen, die ganz wahrhaft sind.
     Im Hurenhaus Gelächter klingt.


     Beim Talglicht drunt‘ im Kellerloch
     Der Tote malt mit weißer Hand
     Ein grinsend Schweigen an die Wand.
     Der Schläfer flüstert immer noch.



   Seele des Lebens


     Verfall, der weich das Laub umdüstert,
     Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.
     Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.
     Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.


     Der Einsame wird bald entgleiten,
     Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.
     Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,
     Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.


     Der blaue Fluß rinnt schön hinunter,
     Gewölke sich am Abend zeigen;
     Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.
     Vergängliche Gebilde gehen unter.



   Der Spaziergang

 //-- 1 --// 

     Musik summt im Gehölz am Nachmittag.
     Im Korn sich ernste Vogelscheuchen drehn.
     Holunderbüsche sacht am Weg verwehn;
     Ein Haus zerflimmert wunderlich und vag.


     In Goldnem schwebt ein Duft von Thymian,
     Auf einem Stein steht eine heitere Zahl.
     Auf einer Wiese spielen Kinder Ball,
     Dann hebt ein Baum vor dir zu kreisen an.


     Du träumst: Die Schwester kämmt ihr blondes Haar,
     Auch schreibt ein ferner Freund dir einen Brief.
     Ein Schober fliegt durchs Grau vergilbt und schief
     Und manchmal schwebst du leicht und wunderbar.


 //-- 2 --// 

     Die Zeit verrinnt. O süßer Helios!
     O Bild im Krötentümpel süß und klar;
     Im Sand versinkt ein Eden wunderbar.
     Goldammern wiegt ein Busch in seinem Schoß.


     Ein Bruder stirbt dir in verwunschnem Land
     Und stählern schaun dich seine Augen an.
     In Goldnem dort ein Duft von Thymian.
     Ein Knabe legt am Weiler einen Brand.


     Die Liebenden in Faltern neu erglühn
     Und schaukeln heiter hin um Stein und Zahl.
     Aufflattern Krähen um ein ekles Mahl
     Und deine Stirne tost durchs sanfte Grün.


     Im Dornenstrauch verendet weich ein Wild.
     Nachgleitet dir ein heller Kindertag,
     Der graue Wind, der flatterhaft und vag
     Verfallne Düfte durch die Dämmerung spült.


 //-- 3 --// 

     Ein altes Wiegenlied macht dich sehr bang.
     Am Wegrand fromm ein Weib ihr Kindlein stillt.
     Traumwandelnd hörst Du wie ihr Bronnen quillt.
     Aus Apfelzweigen fällt ein Weiheklang.


     Und Brot und Wein sind süß von harten Mühn.
     Nach Früchten tastet silbern deine Hand.
     Die tote Rahel geht durchs Ackerland.
     Mit friedlicher Geberde winkt das Grün.


     Gesegnet auch blüht armer Mägde Schoß,
     Die träumend dort am alten Brunnen stehn.
     Einsame froh auf stillen Pfaden gehn
     Mit Gottes Kreaturen sündelos.



   In Hellbrunn


     Wieder folgend der blauen Klage des Abends
     Am Hügel hin, am Frühlingsweiher —
     Als schwebten darüber die Schatten lange Verstorbener,
     Die Schatten der Kirchenfürsten, edler Frauen —
     Schon blühen ihre Blumen, die ernsten Veilchen
     Im Abendgrund, rauscht des blauen Quells
     Kristallne Woge. So geistlich ergrünen
     Die Eichen über den vergessenen Pfaden der Toten,
     Die goldene Wolke über dem Weiher.



   Im roten Laubwerk voll Guitarren


     Im roten Laubwerk voll Guitarren
     Der Mädchen gelbe Haare wehen
     Am Zaun, wo Sonnenblumen stehen.
     Durch Wolken fährt ein goldener Karren.


     In brauner Schatten Ruh verstummen
     Die Alten, die sich blöd umschlingen.
     Die Waisen süß zur Vesper singen.
     In gelben Dünsten Fliegen summen.


     Am Bache waschen noch die Frauen.
     Die aufgehängten Linnen wallen.
     Die Kleine, die mir lang gefallen,
     Kommt wieder durch das Abendgrauen.


     Vom lauen Himmel Spatzen stürzen
     In grüne Löcher voll Verwesung.
     Dem Hungrigen täuscht vor Genesung
     Ein Duft von Brot und herben Würzen.



   Anif


     Erinnerung: Möven, gleitend über den dunklen Himmel
     Männlicher Schwermut.
     Stille wohnst du im Schatten der herbstlichen Esche,
     Versunken in des Hügels gerechtes Maß;


     Immer gehst du den grünen Fluß hinab,
     Wenn es Abend geworden,
     Tönende Liebe; friedlich begegnet das dunkle Wild,


     Ein rosiger Mensch. Trunken von bläulicher Witterung
     Rührt die Stirne das sterbende Laub
     Und denkt das ernste Antlitz der Mutter;
     O, wie alles ins Dunkel hinsinkt;


     Die gestrengen Zimmer und das alte Gerät
     Der Väter.
     Dieses erschüttert die Brust des Fremdlings.
     O, ihr Zeichen und Sterne.


     Groß ist die Schuld des Geborenen. Weh, ihr goldenen Schauer
     Des Todes,
     Da die Seele kühlere Blüten träumt.


     Immer schreit im kahlen Gezweig der nächtliche Vogel
     Über des Mondenen Schritt,
     Tönt ein eisiger Wind an den Mauern des Dorfs.



   An die Verstummten


     O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend
     An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren,
     Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut;
     Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt.
     O, das versunkene Läuten der Abendglocken.


     Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt.
     Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne des Besessenen,
     Purpurne Seuche, Hunger, der grüne Augen zerbricht.
     O, das gräßliche Lachen des Golds.


     Aber stille blutet in dunkler Höhle stummere Menschheit,
     Fügt aus harten Metallen das erlösende Haupt.
     Dämmerung


     Im Hof, verhext von milchigem Dämmerschein,
     Durch Herbstgebräuntes weiche Kranke gleiten.
     Ihr wächsern-runder Blick sinnt goldner Zeiten,
     Erfüllt von Träumerei und Ruh und Wein.


     Ihr Siechtum schließt geisterhaft sich ein.
     Die Sterne weiße Traurigkeit verbreiten.
     Im Grau, erfüllt von Täuschung und Geläuten,
     Sieh, wie die Schrecklichen sich wirr zerstreun.


     Formlose Spottgestalten huschen, kauern
     Und flattern sie auf schwarz-gekreuzten Pfaden.
     O! trauervolle Schatten an den Mauern.


     Die andern fliehn durch dunkelnde Arkaden;
     Und nächtens stürzen sie aus roten Schauern
     Des Sternenwinds, gleich rasenden Mänaden.



   Gesang einer gefangenen Amsel


     Für Ludwig von Ficker
     Dunkler Odem im grünen Gezweig.
     Blaue Blumchen umschweben das Antlitz
     Des Einsamen, den goldnen Schritt
     Ersterbend unter dem Ölbaum.
     Aufflattert mit trunknem Flugel die Nacht.
     So leise blutet Demut,
     Tau, der langsam tropft vom blühenden Dorn.
     Strahlender Arme Erbarmen
     Umfängt ein brechendes Herz.



   Vorstadt im Föhn


     Am Abend liegt die Stätte öd und braun,
     Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.
     Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen –
     Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.


     Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,
     In Gärten Durcheinander und Bewegung,
     Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,
     In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.


     Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.
     In Körben tragen Frauen Eingeweide,
     Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,
     Kommen sie aus der Dämmerung hervor.


     Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut
     Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.
     Die Föhne färben karge Stauden bunter,
     Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.


     Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.
     Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,
     Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,
     Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.


     Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,
     Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.
     Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern
     Und manchmal rosenfarbene Moscheen.



   Menschheit


     Menschheit vor Feuerschlünden aufgestellt,
     Ein Trommelwirbel, dunkler Krieger Stirnen,
     Schritte durch Blutnebel; schwarzes Eisen schellt,
     Verzweiflung, Nacht in traurigen Gehirnen:
     Hier Evas Schatten, Jagd und rotes Geld.
     Gewölk, das Licht durchbricht, das Abendmahl.
     Es wohnt in Brot und Wein ein sanftes Schweigen
     Und jene sind versammelt zwölf an Zahl.
     Nachts schrein im Schlaf sie unter Ölbaumzweigen;
     Sankt Thomas taucht die Hand ins Wundenmal.



   Passion


     Wenn Orpheus silbern die Laute rührt,
     Beklagend ein Totes im Abendgarten,
     Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen?
     Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
     Der blaue Teich,
     Hinsterbend unter grünenden Bäumen
     Und folgend dem Schatten der Schwester;
     Dunkle Liebe
     Eines wilden Geschlechts,
     Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht.
     Stille Nacht.


     Unter finsteren Tannen
     Mischten zwei Wölfe ihr Blut
     In steinerner Umarmung; ein Goldnes
     Verlor sich die Wolke über dem Steg,
     Geduld und Schweigen der Kindheit.
     Wieder begegnet der zarte Leichnam
     Am Tritonsteich
     Schlummernd in seinem hyazinthenen Haar.
     Daß endlich zerbräche das kühle Haupt!


     Denn immer folgt, ein blaues Wild,
     Ein Äugendes unter dämmernden Bäumen,
     Dieser dunkleren Pfaden
     Wachend und bewegt von nächtigem Wohllaut,
     Sanftem Wahnsinn;
     Oder es tönte dunkler Verzückung
     Voll das Saitenspiel
     Zu den kühlen Füßen der
     Büßerin in der steinernen Stadt.



   Zu Abend mein Herz


     Am Abend hört man den Schrei der Fledermäuse,
     Zwei Rappen springen auf der Wiese,
     Der rote Ahorn rauscht.
     Dem Wanderer erscheint die kleine Schenke am Weg.
     Herrlich schmecken junger Wein und Nüsse,
     Herrlich: betrunken zu taumeln in dämmernden Wald.
     Durch schwarzes Geäst tönen schmerzliche Glocken,
     Auf das Gesicht tropft Tau.



   Afra


     Ein Kind mit braunem Haar. Gebet und Amen
     Verdunkeln still die abendliche Kühle
     Und Afras Lacheln rot in gelbem Rahmen
     Von Sonnenblumen, Angst und grauer Schwüle.


     Gehüllt in blauen Mantel sah vor Zeiten
     Der Mönch sie fromm gemalt an Kirchenfenstern;
     Das will in Schmerzen freundlich noch geleiten,
     Wenn ihre Sterne durch sein Blut gespenstern.


     Herbstuntergang; und des Holunders Schweigen.
     Die Stirne rührt des Wassers blaue Regung,
     Ein harnes Tuch gelegt auf eine Bahre.


     Verfaulte Früchte fallen von den Zweigen;
     Unsäglich ist der Vogel Flug, Begegnung
     Mit Sterbenden; dem folgen dunkle Jahre.



   Die Sonne


     Täglich kommt die gelbe Sonne uber den Hügel.
     Schön ist der Wald, das dunkle Tier,
     Der Mensch; Jäger oder Hirt.


     Rötlich steigt im grünen Weiher der Fisch.
     Unter dem runden Himmel
     Fährt der Fischer leise im blauen Kahn.


     Langsam reift die Traube, das Korn.
     Wenn sich stille der Tag neigt,
     Ist ein Gutes und Böses bereitet.


     Wenn es Nacht wird,
     Hebt der Wanderer leise die schweren Lider;
     Sonne aus finsterer Schlucht bricht.



   Abendlied


     Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn,
     Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns.


     Wenn uns dürstet,
     Trinken wir die weißen Wasser des Teichs,
     Die Süße unserer traurigen Kindheit.


     Erstorbene ruhen wir unterm Holundergebüsch,
     Schaun den grauen Möven zu.


     Früblingsgewölke steigen über die finstere Stadt,
     Die der Mönche edlere Zeiten schweigt.


     Da ich deine schmalen Hände nahm
     Schlugst du leise die runden Augen auf,
     Dieses ist lange her.


     Doch wenn dunkler Wohllaut die Seele heimsucht,
     Erscheinst du Weiße in des Freundes herbstlicher Landschaft.



   Verwandlung


     Entlang an Gärten, herbstlich rotversengt:
     Hier zeigt im Stillen sich ein tüchtig Leben.
     Des Menschen Hände tragen braune Reben,
     Indes der sanfte Schmerz im Blick sich senkt.


     Am Abend: Schritte gehn durch schwarzes Land
     Erscheinender in roter Buchen Schweigen.
     Ein blaues Tier will sich vorm Tod verneigen
     Und grauenvoll verfällt ein leer Gewand.


     Geruhiges vor einer Schenke spielt,
     Ein Antlitz ist berauscht ins Gras gesunken.
     Hollunderfrüchte, Flöten weich und trunken,
     Resedenduft, der Weibliches umspült.



   Musik im Mirabell


     Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
     Im klaren Blau, die weißen, zarten.
     Bedächtig stille Menschen gehn
     Am Abend durch den alten Garten.


     Der Ahnen Marmor ist ergraut.
     Ein Vogelzug streift in die Weiten.
     Ein Faun mit toten Augen schaut
     Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.


     Das Laub fällt rot vom alten Baum
     Und kreist herein durchs offne Fenster.
     Ein Feuerschein glüht auf im Raum
     Und malet trübe Angstgespenster.


     Ein weißer Fremdling tritt ins Haus.
     Ein Hund stürzt durch verfallene Gänge.
     Die Magd löscht eine Lampe aus,
     Das Ohr hört nachts Sonatenklänge.



   Der Schlaf


     Verflucht ihr dunklen Gifte,
     Weißer Schlaf!
     Dieser höchst seltsame Garten
     Dämmernder Bäume
     Erfüllt von Schlangen, Nachtfaltern,
     Spinnen, Fledermäusen.
     Fremdling! Dein verlorner Schatten
     Im Abendrot,
     Ein finsterer Korsar
     Im salzigen Meer der Trübsal.
     Aufflattern weiße Vögel am Nachtsaum
     Uber stürzenden Städten
     Von Stahl.



   Verklärter Herbst


     Gewaltig endet so das Jahr
     Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
     Rund schweigen Wälder wunderbar
     Und sind des Einsamen Gefährten.


     Da sagt der Landmann: Es ist gut.
     Ihr Abendglocken lang und leise
     Gebt noch zum Ende frohen Mut.
     Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.


     Es ist der Liebe milde Zeit.
     Im Kahn den blauen Fluß hinunter
     Wie schön sich Bild an Bildchen reiht —
     Das geht in Ruh und Schweigen unter.



   Ruh und Schweigen


     Hirten begruben die Sonne im kahlen Wald.
     Ein Fischer zog
     In härenem Netz den Mond aus frierendem Weiher.


     In blauem Kristall
     Wohnt der bleiche Mensch, die Wang‘ an seine Sterne gelehnt;
     Oder er neigt das Haupt in purpurnem Schlaf.


     Doch immer rührt der schwarze Flug der Vogel
     Den Schauenden, das Heilige blauer Blumen,
     Denkt die nahe Stille Vergessenes, erloschene Engel.


     Wieder nachtet die Stirne in mondenem Gestein;
     Ein strahlenderJüngling
     Erscheint die Schwester in Herbst und schwarzer Verwesung.



   Traum des Bösen


     Verhallend eines Gongs braungoldne Klänge
     Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern
     Die Wang‘ an Flammen, die im Fenster flimmern.
     Am Strome blitzen Segel, Masten, Strange.


     Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge
     Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.
     Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
     Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.


     Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
     Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;
     Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.


     Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
     Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
     Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.



   Traum des Bösen


     Verhallend eines Sterbeglöckchens Klänge —
     Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern,
     Die Wang‘ an Sternen, die im Fenster flimmern.
     Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge.


     Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.
     Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.
     Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
     Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.


     Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
     Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;
     Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.


     Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
     Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
     Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.



   Die tote Kirche


     Auf dunklen Bänken sitzen sie gedrängt
     Und heben die erloschnen Blicke auf
     Zum Kreuz. Die Lichter schimmern wie verhängt,
     Und trüb und wie verhängt das Wundenhaupt.
     Der Weihrauch steigt aus güldenem Gefäß
     Zur Höhe auf, hinsterbender Gesang
     Verhaucht, und ungewiß und süß verdämmert
     Wie heimgesucht der Raum. Der Priester schreitet
     Vor den Altar; doch übt mit müdem Geist er
     Die frommen Bräuche – ein jämmerlicher Spieler,
     Vor schlechten Betern mit erstarrten Herzen,
     In seelenlosem Spiel mit Brot und Wein.
     Die Glocke klingt! Die Lichter flackern trüber —
     Und bleicher, wie verhängt das Wundenhaupt!
     Die Orgel rauscht! In toten Herzen schauert
     Erinnerung auf! Ein blutend Schmerzensantlitz
     Hüllt sich in Dunkelheit und die Verzweiflung
     Starrt ihm aus vielen Augen nach ins Leere.
     Und eine, die wie aller Stimmen klang,
     Schluchzt auf – indes das Grauen wuchs im Raum,
     Das Todesgrauen wuchs: Erbarme dich unser —
     Herr!



   Verklärung


     Wenn es Abend wird,
     Verläßt dich leise ein blaues Antlitz.
     Ein kleiner Vogel singt im Tamarindenbaum.


     Ein sanfter Mönch
     Faltet die erstorbenen Hände.
     Ein weißer Engel sucht Marien heim.


     Ein nächtiger Kranz
     Von Veilchen, Korn und purpurnen Trauben
     Ist das Jahr des Schauenden.


     Zu deinen Füßen
     Öffnen sich die Gräber der Toten,
     Wenn du die Stirne in die silbernen Hände legst.


     Stille wohnt
     An deinem Mund der herbstliche Mond,
     Trunken von Mohnsaft dunkler Gesang;


     Blaue Blume,
     Die leise tönt in vergilbtem Gestein.



   Sebastian im Traum

   Für Adolf Loos


 //-- 1 --// 

     Mutter trug das Kindlein im weißen Mond,
     Im Schatten des Nußbaums, uralten Holunders,
     Trunken vom Safte des Mohns, der Klage der Drossel;
     Und stille
     Neigte in Mitleid sich über jene ein bärtiges Antlitz


     Leise im Dunkel des Fensters; und altes Hausgerät
     Der Väter
     Lag im Verfall; Liebe und herbstliche Träumerei.


     Also dunkel der Tag des Jahrs, traurige Kindheit,
     Da der Knabe leise zu kühlen Wassern, silbernen Fischen hinabstieg,
     Ruh und Antlitz;
     Da er steinern sich vor rasende Rappen warf,
     In grauer Nacht sein Stern über ihn kam;


     Oder wenn er an der frierenden Hand der Mutter
     Abends über Sankt Peters herbstlichen Friedhof ging,
     Ein zarter Leichnam stille im Dunkel der Kammer lag
     Und jener die kalten Lider über ihn aufhob.


     Er aber war ein kleiner Vogel im kahlen Geäst,
     Die Glocke lang im Abendnovember,
     Des Vaters Stille, da er im Schlaf die dämmernde Wendeltreppe hinabstieg.


 //-- 2 --// 

     Frieden der Seele. Einsamer Winterabend,
     Die dunklen Gestalten der Hirten am alten Weiher;
     Kindlein in der Hütte von Stroh; o wie leise
     Sank in schwarzem Fieber das Antlitz hin.
     Heilige Nacht.


     Oder wenn er an der harten Hand des Vaters
     Stille den finstern Kalvarienberg hinanstieg
     Und in dämmernden Felsennischen
     Die blaue Gestalt des Menschen durch seine Legende ging,
     Aus der Wunde unter dem Herzen purpurn das Blut rann.
     O wie leise stand in dunkler Seele das Kreuz auf.


     Liebe; da in schwarzen Winkeln der Schnee schmolz,
     Ein blaues Lüftchen sich heiter im alten Holunder fing,
     In dem Schattengewölbe des Nußbaums;
     Und dem Knaben leise sein rosiger Engel erschien.


     Freude; da in kühlen Zimmern eine Abendsonate erklang,
     Im braunen Holzgebälk
     Ein blauer Falter aus der silbernen Puppe kroch.


     O die Nähe des Todes. In steinerner Mauer
     Neigte sich ein gelbes Haupt, schweigend das Kind,
     Da in jenem März der Mond verfiel.


 //-- 3 --// 

     Rosige Osterglocke im Grabgewölbe der Nacht
     Und die Silberstimmen der Sterne,
     Daß in Schauern ein dunbler Wahnsinn von der Stirne des Schläfers sank.


     O wie stille ein Gang den blauen Fluß hinab
     Vergessenes sinnend, da im grünen Geäst
     Die Drossel ein Fremdes in den Untergang rief.


     Oder wenn er an der knöchernen Hand des Greisen
     Abends vor die verfallene Mauer der Stadt ging
     Und jener in schwarzem Mantel ein rosiges Kindlein trug,
     Im Schatten des Nußbaums der Geist des Bösen erschien.


     Tasten über die grünen Stufen des Sommers. O wie leise
     Verfiel der Garten in der braunen Stille des Herbstes,
     Duft und Schwermut des alten Holunders,
     Da in Sebastians Schatten die Silberstimme des Engels erstarb.



   Amen


     Verwestes gleitend durch die morsche Stube;
     Schatten an gelben Tapeten; in dunklen Spiegeln wölbt
     Sich unserer Hände elfenbeinerne Traurigkeit.


     Braune Perlen rinnen durch die erstorbenen Finger.
     In der Stille
     Tun sich eines Engels blaue Mohnaugen auf.


     Blau ist auch der Abend;
     Die Stunde unseres Absterbens, Azraels Schatten,
     Der ein braunes Gärtchen verdunkelt.



   Trübsinn


     Weltunglück geistert durch den Nachmittag.
     Baraken fliehn durch Gärtchen braun und wüst.
     Lichtschnuppen gaukeln um verbrannten Mist,
     Zwei Schläfer schwanken heimwärts, grau und vag.


     Auf der verdorrten Wiese läuft ein Kind
     Und spielt mit seinen Augen schwarz und glatt.
     Das Gold tropft von den Büschen trüb und matt
     Ein alter Mann dreht traurig sich im Wind.


     Am Abend wieder über meinem Haupt
     Saturn lenkt stumm ein elendes Geschick.
     Ein Baum, ein Hund tritt hinter sich zurück
     Und schwarz schwankt Gottes Himmel und entlaubt.


     Ein Fischlein gleitet schnell hinab den Bach;
     Und leise rührt des toten Freundes Hand
     Und glättet liebend Stirne und Gewand.
     Ein Licht ruft Schatten in den Zimmern wach.



   Abendland

 //-- Else Lasker-Schüler in Verehrung --// 

 //-- 1 --// 

     Mond, als träte ein Totes
     Aus blauer Höhle,
     Und es fallen der Bluten
     Viele über den Felsenpfad.
     Silbern weint ein Krankes
     Am Abendweiher,
     Auf schwarzem Kahn
     Hinüberstarben Liebende.


     Oder es läuten die Schritte
     Elis‘ durch den Hain
     Den hyazinthenen
     Wieder verhallend unter Eichen.
     O des Knaben Gestalt
     Geformt aus kristallenen Tränen,
     Nächtigen Schatten.
     Zackige Blitze erhellen die Schläfe
     Die immerkühle,
     Wenn am grünenden Hügel
     Frühlingsgewitter ertönt.


 //-- 2 --// 

     So leise sind die grünen Wälder
     Unsrer Heimat,
     Die kristallene Woge
     Hinsterbend an verfallner Mauer
     Und wir haben im Schlaf geweint;
     Wandern mit zögernden Schritten
     An der dornigen Hecke hin Singende
     im Abendsommer, In heiliger Ruh
     Des fern verstrahlenden Weinbergs;
     Schatten nun im kühlen Schoß
     Der Nacht, trauernde Adler.
     So leise schließt ein mondener Strahl
     Die purpurnen Male der Schwermut.


 //-- 3 --// 

     Ihr großen Städte
     Steinern aufgebaut
     In der Ebene! So sprachlos folgt
     Der Heimatlose
     Mit dunbler Stirne dem Wind,
     Kahlen Bäumen am Hügel.
     Ihr weithin dämmernden Ströme!
     Gewaltig ängstet
     Schaurige Abendröte
     Im Sturmgewölk.
     Ihr sterbenden Völker!
     Bleiche Woge
     Zerschellend am Strande der Nacht,
     Fallende Sterne.



   Der Gewitterabend


     O die roten Abendstunden!
     Flimmernd schwankt am offenen Fenster
     Weinlaub wirr ins Blau gewunden,
     Drinnen nisten Angstgespenster.


     Staub tanzt im Gestank der Gossen.
     Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
     Einen Zug von wilden Rossen
     Blitze grelle Wolken treiben.


     Laut zerspringt der Weiherspiegel.
     Möven schrein am Fensterrahmen.
     Feuerreiter sprengt vom Hügel
     Und zerschellt im Tann zu Flammen.


     Kranke kreischen im Spitale.
     Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.
     Glitzernd braust mit einem Male
     Regen auf die Dächer nieder.



   * * *

   An Karl Hauer


     Die Männlein, Weiblein, traurige Gesellen,
     Sie streuen heute Blumen blau und rot
     Auf ihre Grüfte, die sich zag erhellen.
     Sie tun wie arme Puppen vor dem Tod.


     O! wie sie hier voll Angst und Demut scheinen,
     Wie Schatten hinter schwarzen Büschen stehn.
     Im Herbstwind klagt der Ungebornen Weinen,
     Auch sieht man Lichter in die Irre gehn.


     Das Seufzen Liebender haucht in Gezweigen
     Und dort verwest die Mutter mit dem Kind.
     Unwirklich scheinet der Lebendigen Reigen
     Und wunderlich zerstreut im Abendwind.


     Ihr Leben ist so wirr, voll trüber Plagen.
     Erbarm‘ dich Gott der Frauen Höll‘ und Qual,
     Und dieser hoffnungslosen Todesklagen.
     Einsame wandeln still im Sternensaal.



   Heiterer Frühling


 //-- 1 --// 

     Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,
     Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.
     Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,
     Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.


     An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,
     Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.
     Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,
     Ein Kind steht in Konturen weich und lind.


     Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,
     Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.
     Hell Grünes blüht und anderes verwest
     Und Kröten schliefen durch den grünen Lauch.


 //-- 2 --// 

     Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.
     Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.
     Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
     Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.


     In Gärten sinken Glocken lang und leis
     Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
     Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt
     Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.


     Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!
     In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
     Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl
     Und Knospen knistern heiter dann und wann.


 //-- 3 --// 

     Wie scheint doch alles Werdende so krank!
     Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
     Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
     Und öffnet das Gemüte weit und bang.


     Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
     Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
     Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
     Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.


     So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
     Und leise rührt dich an ein alter Stein:
     Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
     O Mund! der durch die Silberweide bebt.



   Am Moor


     Wanderer im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
     In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
     Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
     Quere über finsteren Wassern.


     Aufruhr. In verfallener Hütte
     Aufflattert mit schwarzen Flügeln die Fäulnis;
     Verkrüppelte Birken seufzen im Wind.


     Abend in verlassener Schenke. Den Heimweg umwittert
     Die sanfte Schwermut grasender Herden,
     Erscheinung der Nacht: Kröten tauchen aus silbernen Wassern.



   In ein altes Stammbuch


     Immer wiederkehrst du, Melancholie,
     O Sanftmut der einsamen Seele.
     Zu Ende glüht ein goldener Tag.


     Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige
     Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
     Siehe! es dämmert schon.


     Wiederkehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches,
     Und es leidet ein anderes mit.


     Schauernd unter herbstlichen Sternen
     Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.



   Nachts


     Die Bläue meiner Augen ist erloschen in dieser Nacht,
     Das rote Gold meines Herzens. O! wie stille brannte das Licht.
     Dein blauer Mantel umfing den Sinkenden;
     Dein roter Mund besiegelte des Freundes Umnachtung.



   In den Nachmittag geflüstert


     Sonne, herbstlich dünn und zag,
     Und das Obst fällt von den Bäumen.
     Stille wohnt in blauen Räumen
     Einen langen Nachmittag.


     Sterbeklänge von Metall;
     Und ein weißes Tier bricht nieder.
     Brauner Mädchen rauhe Lieder
     Sind verweht im Blätterfall.


     Stirne Gottes Farben träumt,
     Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
     Schatten drehen sich am Hügel
     Von Verwesung schwarz umsäumt.


     Dämmerung voll Ruh und Wein;
     Traurige Guitarren rinnen.
     Und zur milden Lampe drinnen
     Kehrst du wie im Traume ein.



   Kleines Konzert


     Ein Rot, das traumhaft dich erschüttert —
     Durch deine Hände scheint die Sonne.
     Du fühlst dein Herz verrückt vor Wonne
     Sich still zu einer Tat bereiten.


     In Mittag strömen gelbe Felder.
     Kaum hörst du noch der Grillen Singen,
     Der Mäher hartes Sensenschwingen.
     Einfältig schweigen goldene Wälder.


     Im grünen Tempel glüht Verwesung.
     Die Fische stehen still. Gottes Odem
     Weckt sacht ein Saitenspiel im Brodem.
     Aussätzigen winkt die Flut Genesung.


     Geist Dädals schwebt in blauen Schatten,
     Ein Duft von Milch in Haselzweigen.
     Man hört noch lang den Lehrer geigen,
     Im leeren Hof den Schrei der Ratten.


     Im Krug an scheußlichen Tapeten
     Blühn kühlere Violenfarben.
     Im Hader dunkle Stimmen starben,
     Narziß im Endakkord von Flöten.



   Die junge Magd

 //-- Ludwig von Ficker zugeeignet --// 

 //-- 1 --// 

     Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
     Sieht man sie verzaubert stehen
     Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
     Eimer auf und nieder gehen.


     In den Buchen Dohlen flattern
     Und sie gleichet einem Schatten.
     Ihre gelben Haare flattern
     Und im Hofe schrein die Ratten.


     Und umschmeichelt von Verfalle
     Senkt sie die entzundenen Lider.
     Dürres Gras neigt im Verfalle
     Sich zu ihren Füßen nieder.


 //-- 2 --// 

     Stille schafft sie in der Kammer
     Und der Hof liegt längst verödet.
     Im Hollunder vor der Kammer
     Kläglich eine Amsel flötet.


     Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
     Fremd sie an im Zwielichtscheine
     Und verdämmert fahl im Spiegel
     Und ihr graut vor seiner Reine.


     Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
     Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
     Röte träufelt durch das Dunkel
     Jäh am Tor der Südwind rüttelt.


 //-- 3 --// 

     Nächtens übern kahlen Anger
     Gaukelt sie in Fieberträumen.
     Mürrisch greint der Wind im Anger
     Und der Mond lauscht aus den Bäumen.


     Balde rings die Sterne bleichen
     Und ermattet von Beschwerde
     Wächsern ihre Wangen bleichen.
     Fäulnis wittert aus der Erde.


     Traurig rauscht das Rohr im Tümpel
     Und sie friert in sich gekauert.
     Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel
     Hart und grau der Morgen schauert.


 //-- 4 --// 

     In der Schmiede dröhnt der Hammer
     Und sie huscht am Tor vorüber.
     Glührot schwingt der Knecht den Hammer
     Und sie schaut wie tot hinüber.


     Wie im Traum trifft sie ein Lachen;
     Und sie taumelt in die Schmiede,
     Scheu geduckt vor seinem Lachen,
     Wie der Hammer hart und rüde.


     Hell versprühn im Raum die Funken
     Und mit hilfloser Geberde
     Hascht sie nach den wilden Funken
     Und sie stürzt betäubt zur Erde.


 //-- 5 --// 

     Schmächtig hingestreckt im Bette
     Wacht sie auf voll süßem Bangen
     Und sie sieht ihr schmutzig Bette
     Ganz von goldnem Licht verhangen,


     Die Reseden dort am Fenster
     Und den bläulich hellen Himmel.
     Manchmal trägt der Wind ans Fenster
     Einer Glocke zag Gebimmel.


     Schatten gleiten übers Kissen,
     Langsam schlägt die Mittagsstunde
     Und sie atmet schwer im Kissen
     Und ihr Mund gleicht einer Wunde.


 //-- 6 --// 

     Abends schweben blutige Linnen,
     Wolken über stummen Wäldern,
     Die gehüllt in schwarze Linnen.
     Spatzen lärmen auf den Feldern.


     Und sie liegt ganz weiß im Dunkel.
     Unterm Dach verhaucht ein Girren.
     Wie ein Aas in Busch und Dunkel
     Fliegen ihren Mund umschwirren.


     Traumhaft klingt im braunen Weiler
     Nach ein Klang von Tanz und Geigen,
     Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler,
     Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.



   Helian


     In den einsamen Stunden des Geistes
     Ist es schön‘ in der Sonne zu gehn
     An den gelben Mauern des Sommers hin.
     Leise klingen die Schritte im Gras; doch immer schläft
     Der Sohn des Pan im grauen Marmor.


     Abends auf der Terrasse betranken wir uns mit braunem Wein.
     Rötlich glüht der Pfirsich im Laub;
     Sanfte Sonate‘ frohes Lachen.


     Schön ist die Stille der Nacht.
     Auf dunklem Plan
     Begegnen wir uns mit Hirten und weißen Sternen.


     Wenn es Herbst geworden ist
     Zeigt sich nüchterne Klarheit im Hain.
     Besänftigte wandeln wir an roten Mauern hin
     Und die runden Augen folgen dem Flug der Vögel.
     Am Abend sinkt das weiße Wasser in Graburnen.


     In kahlen Gezweigen feiert der Himmel.
     In reinen Händen trägt der Landmann Brot und Wein
     Und friedlich reifen die Früchte in sonniger Kammer.


     O wie ernst ist das Antlitz der teueren Toten.
     Doch die Seele erfreut gerechtes Anschaun.


     Gewaltig ist das Schweigen des verwüsteten Gartens,
     Da der junge Novize die Stirne mit braunem Laub behränzt,
     Sein Odem eisiges Gold trinkt.


     Die Hände rühren das Alter bläulicher Wasser
     Oder in kalter Nacht die weißen Wangen der Schwestern.


     Leise und harmonisch ist ein Gang an freundlichen Zimmern hin,
     Wo Einsamkeit ist und das Rauschen des Ahorns,
     Wo vielleicht noch die Drossel singt.


     Schön ist der Mensch und erscheinend im Dunkel,
     Wenn er staunend Arme und Beine bewegt,
     Und in purpurnen Höhlen stille die Augen rollen.


     Zur Vesper verliert sich der Fremdling in schwarzer
     Novemberzerstörung,
     Unter morschem Geäst, an Mauern voll Aussatz hin,
     Wo vordem der heilige Bruder gegangen,
     Versunken in das sanfte Saitenspiel seines Wahnsinns,


     O wie einsam endet der Abendwind.
     Ersterbend neigt sich das Haupt im Dunkel des Ölbaums.


     Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts.
     In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden
     Mit dem Gold seine Sterne.


     Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt,
     Verfallen die schwarzen Mauern am Platz,
     Ruft der tote Soldat zum Gebet.


     Ein bleicher Engel
     Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter.


     Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen.
     Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur,
     Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften.


     O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar,
     Da er darein mit silbernen Füßen steht,
     Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten.


     O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,
     Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,
     Die kindlichen Früchte des Holunders
     Sich staunend neigen über ein leeres Grab.


     Leise rollen vergilbte Monde
     Uber die Fieberlinnen des Jünglings,
     Eh dem Schweigen des Winters folgt.


     Die Stufen des Wahnsinns in schwarzen Zimmern,
     Die Schatten der Alten unter der offenen Tür,
     Da Helians Seele sich im rosigen Spiegel beschaut
     Und Schnee und Aussatz von seiner Stirne sinken.


     An den Wänden sind die Sterne erloschen
     Und die weißen Gestalten des Lichts.


     Dem Teppich entsteigt Gebein der Gräber,
     Das Schweigen verfallener Kreuze am Hügel,
     Des Weihrauchs Suße im purpurnen Nachtwind.


     O ihr zerbrochenen Augen in schwarzen Mündern,
     Da der Enkel in sanfter Umnachtung
     Einsam dem dunkleren Ende nachsinnt,
     Der stille Gott die blauen Lider über ihn senkt.



   Geistliches Lied


     Zeichen, seltne Stickerein
     Malt ein flatternd Blumenbeet.
     Gottes blauer Odem weht
     In den Gartensaal herein,
     Heiter ein.
     Ragt ein Kreuz im wilden Wein.


     Hör‘ im Dorf sich viele freun,
     Gärtner an der Mauer mäht,
     Leise eine Orgel geht,
     Mischet Klang und goldenen Schein,
     Klang und Schein.
     Liebe segnet Brot und Wein.


     Mädchen kommen auch herein
     Und der Hahn zum letzten kräht.
     Sacht ein morsches Gitter geht
     Und in Rosen Kranz und Reihn,
     Rosenreihn
     Ruht Maria weiß und fein.


     Bettler dort am alten Stein
     Scheint verstorben im Gebet,
     Sanft ein Hirt vom Hügel geht
     Und ein Engel singt im Hain,
     Nah im Hain
     Kinder in den Schlaf hinein.



   Melancholie


     Bläuliche Schatten. O ihr dunklen Augen,
     Die lang mich anschaun in Vorübergleiten.
     Guitarrenklänge sanft den Herbst begleiten
     Im Garten, aufgelöst in braunen Laugen.
     Des Todes ernste Düsternis bereiten
     Nymphische Hände, an roten Brüsten saugen
     Verfallne Lippen und in schwarzen Laugen
     Des Sonnenjünglings feuchte Locken gleiten.



   Winterdämmerung

   An Max von Esterle


     Schwarze Himmel von Metall.
     Kreuz in roten Stürmen wehen
     Abends hungertolle Krähen
     Über Parken gram und fahl.


     Im Gewölk erfriert ein Strahl;
     Und vor Satans Flüchen drehen
     Jene sich im Kreis und gehen
     Nieder siebenfach an Zahl.


     In Verfaultem süß und schal
     Lautlos ihre Schnäbel mähen.
     Häuser dräu‘n aus stummen Nähen;
     Helle im Theatersaal.


     Kirchen, Brücken und Spital
     Grauenvoll im Zwielicht stehen.
     Blutbefleckte Linnen blähen
     Segel sich auf dem Kanal.



   Ein Winterabend


     Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
     Lang die Abendglocke läutet,
     Vielen ist der Tisch bereitet
     Und das Haus ist wohlbestellt.


     Mancher auf der Wanderschaft
     Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
     Golden blüht der Baum der Gnaden
     Aus der Erde kühlem Saft.


     Wanderer tritt still herein;
     Schmerz versteinerte die Schwelle.
     Da erglänzt in reiner Helle
     Auf dem Tische Brot und Wein.



   Ballade


     Es klagt ein Herz: Du findest sie nicht,
     Ihre Heimat ist wohl weit von hier,
     Und seltsam ist ihr Angesicht!
     Es weint die Nacht an einer Tür!


     Im Marmorsaal brennt Licht an Licht,
     O dumpf, o dumpf! Es stirbt wer hier!
     Es flüstert wo: O kommst du nicht?
     Es weint die Nacht an einer Tür!


     Ein Schluchzen noch: O säh‘ er das Licht!
     Da ward es dunkel dort und hier —
     Ein Schluchzen: Bruder, o betest du nicht?
     Es weint die Nacht an einer Tür.



   Sommer


     Am Abend schweigt die Klage
     Des Kuckucks im Wald.
     Tiefer neigt sich das Korn,
     Der rote Mohn.


     Schwarzes Gewitter droht
     Über dem Hügel.
     Das alte Lied der Grille
     Erstirbt im Feld.


     Nimmer regt sich das Laub
     Der Kastanie.
     Auf der Wendeltreppe
     Rauscht dein Kleid.


     Stille leuchtet die Kerze
     Im dunklen Zimmer;
     Eine silberne Hand
     Löschte sie aus;


     Windstille, sternlose Nacht.



   Im Herbst


     Die Sonnenblumen leuchten am Zaun,
     Still sitzen Kanke im Sonnenschein.
     Im Acker mühn sich singend die Frau‘n,
     Die Klosterglocken läuten darein.


     Die Vögel sagen dir ferne Mär‘,
     Die Klosterglocken läuten darein.
     Vom Hof tönt sanft die Geige her.
     Heut keltern sie den braunen Wein.


     Da zeigt der Mensch sich froh und lind.
     Heut keltern sie den braunen Wein.
     Weit offen die Totenkammern sind
     Und schön bemalt vom Sonnenschein.



   Melancholie des Abends


     – Der Wald, der sich verstorben breitet —
     Und Schatten sind um ihn, wie Hecken.
     Das Wild kommt zitternd aus Verstecken,
     Indes ein Bach ganz leise gleitet


     Und Farnen folgt aus alten Steinen
     Und silbern glänzt aus Laubgewinden.
     Man hört ihn bald in schwarzen Schlünden —
     Vielleicht, daß auch schon Sterne scheinen.


     Der dunkle Plan scheint ohne Maßen,
     Verstreute Dörfer, Sumpf und Weiher,
     Und etwas täuscht dir vor ein Feuer.
     Ein kalter Glanz huscht über Straßen.


     Am Himmel ahnet man Bewegung,
     Ein Heer von wilden Vögeln wandern
     Nach jenen Ländern, schönen, andern.
     Es steigt und sinkt des Rohres Regung.



   Ballade


     Ein schwüler Garten stand die Nacht.
     Wir verschwiegen uns, was uns grauend erfaßt.
     Davon sind unsre Herzen erwacht
     Und erlagen unter des Schweigens Last.


     Es blühte kein Stern in jener Nacht
     Und niemand war, der für uns bat.
     Ein Dämon nur hat im Dunkel gelacht.
     Seid alle verflucht! Da ward die Tat.



   Abendländisches Lied


     O der Seele nächtlicher Flügelschlag:
     Hirten gingen wir einst an dämmernden Wäldern hin
     Und es folgte das rote Wild, die grüne Blume und der lallende Quell
     Demutsvoll. O, der uralte Ton des Heimchens,
     Blut blühend am Opferstein
     Und der Schrei des einsamen Vogels über der grünen Stille des Teichs.


     O, ihr Krenzzüge und glühenden Martern
     Des Fleisches, Fallen purpurner Früchte
     Im Abendgarten, wo vor Zeiten die frommen Jünger gegangen,
     Kriegsleute nun, erwachend aus Wunden und Sternenträumen.
     O, das sanfte Zyanenbündel der Nacht.


     O, ihr Zeiten der Stille und goldener Herbste,
     Da wir friedliche Mönche die purpurne Traube gekeltert;
     Und rings erglänzten Hügel und Wald.
     O, ihrJagden und Schlösser; Ruh des Abends,
     Da in seiner Kammer der Mensch Gerechtes sann,
     In stummem Gebet um Gottes lebendiges Haupt rang.


     O, die bittere Stunde des Untergangs,
     Da wir ein steinernes Antlitz in schwarzen Wassern beschaun.
     Aber strahlend heben die silbernen Lider die Liebenden:
     Ein Geschlecht. Weihrauch strömt von rosigen Kissen
     Und der süße Gesang der Auferstandenen.



   Die Raben


     Über den schwarzen Winkel hasten
     Am Mittag die Raben mit hartem Schrei.
     Ihr Schatten streift an der Hirschkuh vorbei
     Und manchmal sieht man sie mürrisch rasten.


     O wie sie die braune Stille stören,
     In der ein Acker sich verzückt,
     Wie ein Weib, das schwere Ahnung berückt,
     Und manchmal kann man sie keifen hören.


     Um ein Aas, das sie irgendwo wittern,
     Und plötzlich richten nach Nord sie den Flug
     Und schwinden wie ein Leichenzug
     In Lüften, die von Wollust zittern.



   Klage


     Jüngling aus kristallnem Munde
     Sank dein goldner Blick ins Tal;
     Waldes Woge rot und fahl
     In der schwarzen Abendstunde.
     Abend schlägt so tiefe Wunde!


     Angst! des Todes Traumbeschwerde,
     Abgestorben Grab und gar
     Schaut aus Baum und Wild das Jahr;
     Kahles Feld und Ackererde.
     Ruft der Hirt die bange Herde.


     Schwester, deine blauen Brauen
     Winken leise in der Nacht.
     Orgel seufzt und Hölle lacht
     Und es faßt das Herz ein Grauen;
     Möchte Stern und Engel schauen.


     Mutter muß ums Kindlein zagen:
     Rot ertönt im Schacht das Erz,
     Wollust, Tränen, steinern Schmerz,
     Der Titanen dunkle Sagen.
     Schwermut! einsam Adler klagen.



   Der Abend


     Mit toten Heldengestalten
     Erfüllst du Mond
     Die schweigenden Wälder,
     Sichelmond —
     Mit der sanften Umarmung
     Der Liebenden,
     Den Schatten berühmter Zeiten
     Die modernden Felsen rings;
     So bläulich erstrahlt es
     Gegen die Stadt hin,
     Wo kalt und böse
     Ein verwesend Geschlecht wohnt,
     Der weißen Enkel
     Dunkle Zukunft bereitet.
     Ihr mondverschlungnen Schatten
     Aufseufzend im leeren Kristall
     Des Bergsees.



   Die Verfluchten


 //-- 1 --// 

     Es dämmert. Zum Brunnen gehn die alten Fraun.
     Im Dunkel der Kastanien lacht ein Rot.
     Aus einem Laden rinnt ein Duft von Brot
     Und Sonnenblumen sinken übern Zaun.


     Am Fluß die Schenke tönt noch lau und leis.
     Guitarre summt; ein Klimperklang von Geld.
     Ein Heiligenschein auf jene Kleine fällt,
     Die vor der Glastür wartet sanft und weiß.


     O! blauer Glanz, den sie in Scheiben weckt,
     Umrahmt von Dornen, schwarz und starrverzückt.
     Ein krummer Schreiber lächelt wie verrückt
     Ins Wasser, das ein wilder Aufruhr schreckt.


 //-- 2 --// 

     Am Abend säumt die Pest ihr blau Gewand
     Und leise schließt die Tür ein finstrer Gast.
     Durchs Fenster sinkt des Ahorns schwarze Last;
     Ein Knabe legt die Stirn in ihre Hand.


     Oft sinken ihre Lider bös und schwer.
     Des Kindes Hände rinnen durch ihr Haar
     Und seine Tränen stürzen heiß und klar
     In ihre Augenhöhlen schwarz und leer.


     Ein Nest von scharlachfarbnen Schlangen bäumt
     Sich träg in ihrem aufgewühlten Schoß.
     Die Arme lassen ein Erstorbenes los,
     Das eines Teppichs Traurigkeit umsäumt.


 //-- 3 --// 

     Ins braune Gärtchen tönt ein Glockenspiel.
     Im Dunkel der Kastanien schwebt ein Blau,
     Der süße Mantel einer fremden Frau.
     Resedenduft; und glühendes Gefühl


     Des Bösen. Die feuchte Stirn beugt kalt und bleich
     Sich über Unrat, drin die Ratte wühlt,
     Vom Scharlachglanz der Sterne lau umspült;
     Im Garten fallen Äpfel dumpf und weich.


     Die Nacht ist schwarz. Gespenstisch bläht der Föhn
     Des wandelnden Knaben weißes Schlafgewand
     Und leise greift in seinen Mund die Hand
     Der Toten. Sonja lächelt sanft und schön.



   Drei Blicke in einen Opal

   An Erhard Buschbeck


 //-- 1 --// 

     Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein,
     Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel
     Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel
     Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein.


     Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein,
     Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen.
     Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen
     Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain.


     Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein
     Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester,
     Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster
     Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein.


 //-- 2 --// 

     Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau
     Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,
     Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.
     Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.


     In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,
     Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,
     Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen
     Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.


     Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.
     Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.
     Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen
     Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.


 //-- 3 --// 

     Die Blinden streuen in eiternde Wunden Weiherauch.
     Rotgoldene Gewänder; Fackeln; Psalmensingen;
     Und Mädchen, die wie Gift den Leib des Herrn umschlingen.
     Gestalten schreiten wächsernstarr durch Glut und Rauch.


     Aussätziger mitternächtigen Tanz führt an ein Gauch
     Dürrknöchern. Garten wunderlicher Abenteuer;
     Verzerrtes; Blumenfratzen, Lachen; Ungeheuer
     Und rollendes Gestirn im schwarzen Dornenstrauch.


     O Armut, Bettelsuppe, Brot und süßer Lauch;
     Des Lebens Träumerei in Hütten vor den Wäldern.
     Grau härtet sich der Himmel über gelben Feldern
     Und eine Abendglocke singt nach altem Brauch.



   Kaspar Hauser Lied


     Für Bessie Loos


     Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,
     Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel
     Und die Freude des Grüns.


     Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums
     Und rein sein Antlitz.
     Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen:
     O Mensch!


     Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend;
     Die dunkle Klage seines Munds:
     Ich will ein Reiter werden.


     Ihm aber folgte Busch und Tier,
     Haus und Dämmergarten weißer Menschen
     Und sein Mörder suchte nach ihm.


     Frühling und Sommer und schön der Herbst
     Des Gerechten, sein leiser Schritt
     An den dunklen Zimmern Träumender hin.
     Nachts blieb er mit seinem Stern allein;


     Sah, daß Schnee fiel in kahles Gezweig
     Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.


     Silbern sank des Ungebornen Haupt hin.



   In Venedig


     Stille in nächtigem Zimmer.
     Silbern flackert der Leuchter
     Vor dem singenden Odem
     Des Einsamen;
     Zaubrisches Rosengewölk.


     Schwärzlicher Fliegenschwarm
     Verdunkelt den steinernen Raum,
     Und es starrt von der Qual
     Des goldenen Tags das Haupt
     Des Heimatlosen.


     Reglos nachtet das Meer.
     Stern und schwärzliche Fahrt
     Entschwand am Kanal.
     Kind, dein kränkliches Lächeln
     Folgte mir leise im Schlaf.



   An einen Frühverstorbenen


     O, der schwarze Engel, der leise aus dem Innern des Baums trat,
     Da wir sanfte Gespielen am Abend waren,
     Am Rand des blänlichen Brunnens.
     Ruhig war unser Schritt, die runden Augen in der braunen Kühle des Herbstes,
     O, die purpurne Süße der Sterne.


     Jener aber ging die steinernen Stufen des Mönchsbergs hinab,
     Ein blaues Lächeln im Antlitz und seltsam verpuppt
     In seine stillere Kindheit und starb;
     Und im Garten blieb das silberne Antlitz des Freundes zurück,
     Lauschend im Laub oder im alten Gestein.


     Seele sang den Tod, die grüne Verwesung des Fleisches
     Und es war das Rauschen des Walds,
     Die inbrünstige Klage des Wildes.
     Immer klangen von dämmernden Turmen die blauen Glocken des Abends.


     Stunde kam, da jener die Schatten in purpurner Sonne sah,
     Die Schatten der Fänlnis in kahlem Geäst;
     Abend, da an dämmernder Mauer die Amsel sang,
     Der Geist des Frühverstorbenen stille im Zimmer erschien.


     O, das Blut, das aus der Kehle des Tönenden rinnt,
     Blaue Blume; o die feurige Träne
     Geweint in die Nacht.


     Goldene Wolke und Zeit. In einsamer Kammer
     Lädst du öfter den Toten zu Gast,
     Wandelst in trautem Gespräch unter Ulmen den grünen Fluß hinab.



   Grodek


     Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
     Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
     Und blauen Seen, darüber die Sonne
     Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
     Sterbende Krieger, die wilde Klage
     Ihrer zerbrochenen Münder.
     Doch stille sammelt im Weidengrund
     Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
     Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
     Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
     Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
     Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
     Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
     Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes.
     O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
     Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
     Die ungebornen Enkel.



   Untergang


     An Karl Borromaeas Heinrich
     Über den weißen Weiher
     Sind die wilden Vögel fortgezogen.
     Am Abend weht von unseren Sternen ein eisiger Wind.


     Über unsere Gräber
     Beugt sich die zerbrochene Stirne der Nacht.
     Unter Eichen schaukeln wir auf einem silbernen Kahn.


     Immer klingen die weißen Mauern der Stadt.
     Unter Dornenbogen
     O mein Bruder klimmen wir blinde Zeiger gen Mitternacht.



   Das Herz


     Das wilde Herz ward weiß am Wald;
     O dunkle Angst
     Des Todes, so das Gold
     In grauer Wolke starb.
     Novemberabend.
     Am kahlen Tor am Schlachthaus stand
     Der armen Frauen Schar;
     In jeden Korb
     Fiel faules Fleisch und Eingeweid;
     Verfluchte Kost!


     Des Abends blaue Taube
     Brachte nicht Versöhnung.
     Dunkler Trompetenruf
     Durchfuhr der Ulmen
     Nasses Goldlaub,
     Eine zerfetzte Fahne
     Vom Blute rauchend,
     Daß in wilder Schwermut
     Hinlauscht ein Mann.
     O! ihr ehernen Zeiten
     Begraben dort im Abendrot.


     Aus dunklem Hausflur trat
     Die goldne Gestalt
     Der Jünglingin
     Umgeben von bleichen Monden,
     Herbstlicher Hofstaat,
     Zerknickten schwarze Tannen
     Im Nachtsturm,
     Die steile Festung.
     O Herz
     Hinüberschimmernd in schneeige Kühle.