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|  Heinrich Kleist von
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|  Der zerbrochene Krug
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   Heinrich von Kleist
   DER ZERBROCHENE KRUG


   Personen

   Walter, Gerichtsrat
   Adam, Dorfrichter
   Licht, Schreiber
   Frau Marthe Rull
   Eve, ihre Tochter
   Veit Tümpel, ein Bauer
   Ruprecht, sein Sohn
   Frau Brigitte
   Ein Bedienter, Büttel, Mägde usw.
   Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorf bei Utrecht


   Erster Auftritt

   Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.
   Licht

     Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
     Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?

   Adam

     Ja, seht. Zum Straucheln brauchts doch nichts als Füße.
     Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
     Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
     Den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

   Licht

     Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher —?

   Adam

     Ja, in sich selbst!

   Licht

     Verflucht das!

   Adam

     Was beliebt?

   Licht

     Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
     Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
     Und wegen seines Falls berühmt geworden;
     Ihr seid doch nicht —?

   Adam

     Nun?

   Licht

     Gleichfalls —?

   Adam

     Ob ich —? Ich glaube —!
     Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.

   Licht

     Unbildlich hingeschlagen?

   Adam

     Ja, unbildlich.
     Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

   Licht

     Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

   Adam

     Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett
     Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied
     Im Mund, da stolpr ich in den Morgen schon,
     Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,
     Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

   Licht

     Und wohl den linken obenein?

   Adam

     Den linken?

   Licht

     Hier, den gesetzten?

   Adam

     Freilich!

   Licht

     Allgerechter!
     Der ohnehin schwer den Weg der Sünde wandelt?

   Adam

     Der Fuß! Was? Schwer! Warum?

   Licht

     Der Klumpfuß?

   Adam

     Klumpfuß!
     Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

   Licht

     Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten unrecht.
     Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,
     Und wagt sich ehr aufs Schlüpfrige.

   Adam

     Ach, was!
     Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.

   Licht

     Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?

   Adam

     Mir das Gesicht?

   Licht

     Wie? Davon wißt Ihr nichts?

   Adam

     Ich müßt ein Lügner sein – wie siehts denn aus?

   Licht

     Wie’s aussieht?

   Adam

     Ja, Gevatterchen.

   Licht

     Abscheulich!

   Adam

     Erklärt Euch deutlicher.

   Licht

     Geschunden ists,
     Ein Greul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
     Wie groß? Nicht ohne Waage kann ichs schätzen.

   Adam

     Den Teufel auch!

   Lichtbringt einen Spiegel.

     Hier! Überzeugt Euch selbst!
     Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
     Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,
     Als Ihr – Gott weiß wo? – Fleisch habt sitzen lassen.

   Adam

     Hm! Ja! ‘s ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
     Die Nas hat auch gelitten.

   Licht

     Und das Auge.

   Adam

     Das Auge nicht, Gevatter.

   Licht

     Ei, hier liegt
     Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
     Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.

   Adam

     Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,
     Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.

   Licht

     Ja, ja! So gehts im Feuer des Gefechts.

   Adam

     Gefecht! Was? – Mit dem verfluchten Ziegenbock
     Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ichs.
     Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
     Ertrunken in den Lüften um mich greife,
     Fass’ ich die Hosen, die ich gestern abend
     Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing.
     Nun fass’ ich sie, versteht Ihr, denke mich,
     Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt
     Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,
     Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr ich auf
     Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
     Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

   Lichtlacht.

     Gut, gut.

   Adam

     Verdammt!

   Licht

     Der erste Adamsfall,
     Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.

   Adam

     Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibts
     Neues?

   Licht

     Ja, was es Neues gibt! Der Henker hols,
     Hätt ichs doch bald vergessen.

   Adam

     Nun?

   Licht

     Macht Euch bereit auf unerwarteten
     Besuch aus Utrecht.

   Adam

     So?

   Licht

     Der Herr Gerichtsrat kömmt.

   Adam

     Wer kömmt?

   Licht

     Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.
     Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern,
     Und heut noch trifft er bei uns ein.

   Adam

     Noch heut! Seid Ihr bei Trost?

   Licht

     So wahr ich lebe.
     Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,
     Hat das Justizamt dort schon revidiert.
     Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
     Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

   Adam

     Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!
     Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
     Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.
     Nach Huisum kommen und uns kujonieren!

   Licht

     Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
     Nehmt Euch in acht.

   Adam

     Ach, geht!

   Licht

     Ich sag es Euch.

   Adam

     Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.

   Licht

     Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

   Adam

     Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
     Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
     Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
     Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,
     Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
     So hält so’n Schubjak ihn, für wen Ihr wollt.

   Licht

     Wohlan, so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
     Bis er zur Tür hier eintritt.

   Adam

     Er, eintreten! —
     Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

   Licht

     Der Unverstand! Als obs der vorige
     Revisor noch, der Rat Wacholder, wäre!
     Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.

   Adam

     Wenn gleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden.
     Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
     Und praktisiert, wie wir, nach den
     Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

   Licht

     Nun, ich versichr Euch, der Gerichtsrat Walter
     Erschien in Holla unvermutet gestern,
     Vis’tierte Kassen und Registraturen,
     Und suspendierte Richter dort und Schreiber,
     Warum? ich weiß nicht, ab officio.

   Adam

     Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

   Licht

     Dies und noch mehr —

   Adam

     So?

   Licht

     Wenn Ihrs wissen wollt.
     Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
     Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,
     Und findet hinten in der Scheuer ihn
     Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

   Adam

     Was sagt Ihr?

   Licht

     Hilf inzwischen kommt herbei,
     Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
     Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

   Adam

     So? Bringt man ihn?

   Licht

     Doch jetzo wird versiegelt
     In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
     Es ist, als wär er eine Leiche schon,
     Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

   Adam

     Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund wars —
     Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
     Ein Kerl, mit dem sichs gut zusammen war;
     Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.
     Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,
     So gings ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.

   Licht

     Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
     Sei schuld, daß der Gerichtsrat noch nicht hier;
     Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.

   Adam

     Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilts Freundschaft.
     Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.
     Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
     Und Ihr verdients, bei Gott, so gut wie einer.
     Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
     Heut laßt Ihr noch den Kelch vorübergehn.

   Licht

     Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

   Adam

     Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
     Und Euren Cicero habt Ihr studiert
     Trotz Einem auf der Schul in Amsterdam.
     Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?
     Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
     Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.

   Licht

     Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

   Adam

     Zu seiner Zeit, Ihr wißts, schwieg auch der große
     Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
     Und bin ich König nicht von Mazedonien,
     Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

   Licht

     Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.
     Hab ich jemals —?

   Adam

     Seht, ich, ich, für mein Teil,
     Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe
     Von Depositionen sich und Zinsen
     Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
     Wer wollte solche Perioden drehn?

   Licht

     Nun, also!

   Adam

     Von solchem Vorwurf bin ich rein,
     Der Henker hols! Und alles, was es gilt,
     Ein Schwank ists etwa, der, zur Nacht geboren,
     Des Tags vorwitz’gen Lichtstrahl scheut.

   Licht

     Ich weiß.

   Adam

     Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
     Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
     Soll gravitätisch wie ein Eisbär sein.

   Licht

     Das sag ich auch.

   Adam

     Nun denn, so kommt, Gevatter,
     Folgt mir ein wenig zur Registratur;
     Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,
     Die liegen wie der Turm zu Babylon.



   Zweiter Auftritt

   Ein Bedienter tritt auf. Die Vorigen. – Nachher zwei Mägde.
   Der Bediente

     Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter
     Läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

   Adam

     Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla
     Schon fertig?

   Der Bediente

     Ja, er ist in Huisum schon.

   Adam

     He! Liese! Grete!

   Licht

     Ruhig, ruhig jetzt.

   Adam

     Gevatterchen!

   Licht

     Laßt Euern Dank vermelden.

   Der Bediente

     Und morgen reisen wir nach Hussahe.

   Adam

     Was tu ich jetzt? Was laß ich?

   Er greift nach seinen Kleidern.
   Erste Magdtritt auf.

     Hier bin ich, Herr.

   Licht

     Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

   Zweite Magdtritt auf.

     Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

   Licht

     Nehmt den Rock.

   Adamsieht sich um.

     Wer? Der Gerichtsrat?

   Licht

     Ach, die Magd ist es.

   Adam

     Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

   Erste Magd

     Erst die Weste!

   Adam

     Was? – Rock aus? Hurtig!

   Lichtzum Bedienten.

     Der Herr Gerichtsrat werden
     Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich
     Bereit, ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

   Adam

     Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich
     Entschuldigen.

   Licht

     Entschuldigen!

   Adam

     Entschuld’gen.
     Ist er schon unterwegs etwa?

   Der Bediente

     Er ist
     Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmied bestellt;
     Der Wagen ging entzwei.

   Adam

     Gut. Mein Empfehl!
     Der Schmied ist faul. Ich ließe mich entschuldigen.
     Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,
     Schaut selbst, ‘s ist ein Spektakel, wie ich ausseh;
     Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.
     Ich wäre krank.

   Licht

     Seid Ihr bei Sinnen? —
     Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.
     – Wollt Ihr?

   Adam

     Zum Henker!

   Licht

     Was?

   Adam

     Der Teufel soll mich holen,
     Ists nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!

   Licht

     Das fehlt noch, daß Ihr auf den Weg ihm leuchtet.

   Adam

     Margarete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

   Die beiden Mägde

     Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?

   Adam

     Fort! sag ich.
     Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen
     Aus der Registratur geschafft! Und flink! —
     Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du, ja!
     – Gotts Blitz, Margarete! Liese soll, die Kuhmagd,
     In die Registratur!

   Die erste Magd geht ab.
   Die zweite Magd

     Sprecht, soll man Euch verstehn!

   Adam

     Halts Maul jetzt, sag ich —! Fort! schaff mir die Perücke!
     Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!

   Die zweite Magd ab.
   Lichtzum Bedienten.

     Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,
     Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

   Der Bediente

     Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

   Adam

     Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln —

   Licht

     Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?
     Doch keinen Schaden weiter —?

   Der Bediente

     Nichts von Bedeutung.
     Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.
     Die Deichsel brach.

   Adam

     Daß er den Hals gebrochen!

   Licht

     Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmied schon?

   Der Bediente

     Ja, für die Deichsel.

   Licht

     Was?

   Adam

     Ihr meint, der Doktor.

   Licht

     Was?

   Der Bediente

     Für die Deichsel?

   Adam

     Ach, was! Für die Hand.

   Der Bediente

     Adies, ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll.

   Ab.
   Licht

     Den Schmied meint ich.

   Adam

     Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

   Licht

     Wieso?

   Adam

     Ihr seid verlegen.

   Licht

     Was!

   Die erste Magd tritt auf.
   Adam

     He! Liese!
     Was hast du da?

   Erste Magd

     Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

   Adam

     Das sind Pupillenakten.

   Licht

     Ich, verlegen!

   Adam

     Die kommen wieder zur Registratur.

   Erste Magd

     Die Würste?

   Adam

     Würste! Was! Der Einschlag hier.

   Licht

     Es war ein Mißverständnis.

   Die zweite Magdtritt auf.

     Im Bücherschrank,
     Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

   Adam

     Warum nicht?

   Zweite Magd

     Hm! Weil Ihr —

   Adam

     Nun?

   Zweite Magd

     Gestern abend —
     Glock elf —

   Adam

     Nun? Werd ichs hören?

   Zweite Magd

     Ei, Ihr kamt ja,
     Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.

   Adam

     Ich, ohne die Perücke?

   Zweite Magd

     In der Tat.
     Da ist die Liese, die’s bezeugen kann.
     Und Eure andr ist beim Perückenmacher.

   Adam

     Ich wär —?

   Erste Magd

     Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!
     Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;
     Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wißt Ihr nicht?
     Das Blut mußt ich Euch noch vom Kopfe waschen.

   Adam

     Die Unverschämte!

   Erste Magd

     Ich will nicht ehrlich sein.

   Adam

     Halts Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.

   Licht

     Habt Ihr die Wund seit gestern schon?

   Adam

     Nein, heut.
     Die Wunde heut und gestern die Perücke.
     Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,
     Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,
     Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.
     Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.
     – Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!
     In die Registratur!

   Erste Magd ab.

     Geh, Margarete!
     Gevatter Küster soll mir seine borgen;
     In meine hätt die Katze heute morgen
     Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet
     Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

   Licht

     Die Katze? Was? Seid Ihr —?

   Adam

     So wahr ich lebe.
     Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.
     Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.
     Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?

   Licht

     In die Perücke?

   Adam

     Der Teufel soll mich holen!
     Ich hatte die Perücke aufgehängt,
     Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,
     Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt —

   Licht

     Drauf nimmt die Katze sie ins Maul —

   Adam

     Mein Seel —

   Licht

     Und trägt sie unters Bett und jungt darin.

   Adam

     Ins Maul? Nein —

   Licht

     Nicht? Wie sonst?

   Adam

     Die Katz? Ach, was!

   Licht

     Nicht? Oder Ihr vielleicht?

   Adam

     Ins Maul! Ich glaube
     Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,
     Als ich es sah.

   Licht

     Gut, gut.

   Adam

     Kanaillen die!
     Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

   Zweite Magd kichernd.

     Soll ich hingehn?

   Adam

     Ja, und meinen Gruß
     An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.
     Ich schickt ihr die Perücke unversehrt
     Noch heut zurück, ihm brauchst du nichts zu sagen.
     Verstehst du mich?

   Zweite Magd

     Ich werd es schon bestellen.

   Ab.


   Dritter Auftritt

   Adam und Licht.
   Adam

     Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

   Licht

     Warum?

   Adam

     Es geht bunt alles über Ecke mir.
     Ist nicht auch heut Gerichtstag?

   Licht

     Allerdings.
     Die Kläger stehen vor der Türe schon.

   Adam

     – Mir träumt’, es hätt ein Kläger mich ergriffen
     Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,
     Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,
     Und schält’ und hunzt’ und schlingelte mich herunter,
     Und judiziert’ den Hals ins Eisen mir.

   Licht

     Wie? Ihr Euch selbst?

   Adam

     So wahr ich ehrlich bin.
     Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn,
     Und mußten in den Fichten übernachten.

   Licht

     Nun? Und der Traum, meint Ihr —?

   Adam

     Der Teufel hols.
     Wenns auch der Traum nicht ist: ein Schabernack,
     Sei’s, wie es woll, ist wider mich im Werk!

   Licht

     Die läpp’sche Furcht! Gebt Ihr nur vorschriftsmäßig,
     Wenn der Gerichtsrat gegenwärtig ist,
     Recht den Parteien auf dem Richterstuhle,
     Damit der Traum vom ausgehunzten Richter
     Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.



   Vierter Auftritt

   Der Gerichtsrat Walter tritt auf. Die Vorigen.
   Walter

     Gott grüß Euch, Richter Adam.

   Adam

     Ei, willkommen!
     Willkommen, gnäd’ger Herr, in unserm Huisum!
     Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte
     So freudigen Besuches sich gewärt’gen.
     Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
     Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

   Walter

     Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß
     Auf dieser Reis’, in unsrer Staaten Dienst,
     Zufrieden sein, wenn meine Wirte mich
     Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen.
     Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,
     Ich meins von Herzen gut, schon wenn ich komme.
     Das Obertribunal in Utrecht will
     Die Rechtspfleg auf dem platten Land verbessern,
     Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
     Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten.
     Doch mein Geschäft auf dieser Reis’ ist noch
     Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,
     Und find ich gleich nicht alles, wie es soll,
     Ich freue mich, wenn es erträglich ist.

   Adam

     Fürwahr, so edle Denkart muß man loben.
     Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl ich,
     Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;
     Und wenn er in den Niederlanden gleich
     Seit Kaiser Karl dem Fünften schon besteht:
     Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?
     Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
     Und alles liest, ich weiß, den Puffendorf;
     Doch Huisum ist ein kleiner Teil der Welt,
     Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Teil nur
     Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.
     Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,
     Und überzeugt Euch, gnäd’ger Herr, Ihr habt
     Ihr noch so bald den Rücken nicht gekehrt,
     Als sie auch völlig Euch befried’gen wird;
     Doch fändet Ihr sie heut im Amte schon,
     Wie Ihr es wünscht, mein Seel, so wärs ein Wunder,
     Da sie nur dunkel weiß noch, was Ihr wollt.

   Walter

     Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr
     Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.

   Adam

     Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!

   Walter

     Das ist dort der Herr Schreiber?

   Licht

     Der Schreiber Licht,
     Zu Eurer Gnaden Diensten. Pfingsten
     Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.

   Adambringt einen Stuhl.

     Setzt Euch.

   Walter

     Laßt sein.

   Adam

     Ihr kommt von Holla schon.

   Walter

     Zwei kleine Meilen – Woher wißt Ihr das?

   Adam

     Woher? Ew. Gnaden Diener —

   Licht

     Ein Bauer sagt’ es,
     Der eben jetzt von Holla eingetroffen.

   Walter

     Ein Bauer?

   Adam

     Aufzuwarten.

   Walter

     – Ja! Es trug sich
     Dort ein unangenehmer Vorfall zu,
     Der mir die heitre Laune störte,
     Die in Geschäften uns begleiten soll. —
     Ihr werdet davon unterrichtet sein?

   Adam

     Wärs wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,
     Weil er Arrest in seinem Haus empfing,
     Verzweiflung hätt den Toren überrascht,
     Er hing sich auf?

   Walter

     Und machte Übel ärger.
     Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,
     Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,
     Die das Gesetz, Ihr wißts, nicht mehr verschont. —
     Wie viele Kassen habt Ihr?

   Adam

     Fünf, zu dienen.

   Walter

     Wie, fünf? Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen?
     Ich stand im Wahn, daß Ihr nur vier —

   Adam

     Verzeiht!
     Mit der Rhein-Inundations-Kollekten-Kasse?

   Walter

     Mit der Inundations-Kollekten-Kasse!
     Doch jetzo ist der Rhein nicht inundiert,
     Und die Kollekten gehn mithin nicht ein.
     – Sagt doch, Ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?

   Adam

     Ob wir —?

   Walter

     Was?

   Licht

     Ja, den ersten in der Woche.

   Walter

     Und jene Schar von Leuten, die ich draußen
     Auf Eurem Flure sah, sind das —?

   Adam

     Das werden —

   Licht

     Die Kläger sinds, die sich bereits versammeln.

   Walter

     Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.
     Laßt diese Leute, wenns beliebt, erscheinen.
     Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe,
     Wie er in Eurem Huisum üblich ist.
     Wir nehmen die Registratur, die Kassen
     Nachher, wenn diese Sache abgetan.

   Adam

     Wie Ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede!



   Fünfter Auftritt

   Die zweite Magd tritt auf. Die Vorigen.
   Zweite Magd

     Gruß von Frau Küsterin, Herr Richter Adam;
     So gern sie die Perück Euch auch —

   Adam

     Wie? Nicht?

   Zweite Magd

     Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute;
     Der Küster hätte selbst die eine auf,
     Und seine andre wäre unbrauchbar,
     Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.

   Adam

     Verflucht!

   Zweite Magd

     Sobald der Küster wieder kömmt,
     Wird sie jedoch sogleich Euch seine schicken.

   Adam

     Auf meine Ehre, gnäd’ger Herr —

   Walter

     Was gibts?

   Adam

     Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide
     Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir
     Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:
     Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten.

   Walter

     Kahlköpfig!

   Adam

     Ja, beim ew’gen Gott! So sehr
     Ich ohne der Perücke Beistand um
     Mein Richteransehn auch verlegen bin.
     – Ich müßt es auf dem Vorwerk noch versuchen,
     Ob mir vielleicht der Pächter —?

   Walter

     Auf dem Vorwerk!
     Kann jemand anders hier im Orte nicht —?

   Adam

     Nein, in der Tat —

   Walter

     Der Prediger vielleicht.

   Adam

     Der Prediger? Der —

   Walter

     Oder Schulmeister.

   Adam

     Seit der Sackzehnte abgeschafft, Ew. Gnaden,
     Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,
     Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.

   Walter

     Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag?
     Denkt Ihr zu warten, bis die Haar Euch wachsen?

   Adam

     Ja, wenn Ihr mir erlaubt, schick ich aufs Vorwerk.

   Walter

     – Wie weit ists auf das Vorwerk?

   Adam

     Ei! Ein kleines Halbstündchen.

   Walter

     Eine halbe Stunde, was!
     Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits.
     Macht fort! Ich muß noch heut nach Hussahe.

   Adam

     Macht fort! ja —

   Walter

     Ei, so pudert Euch den Kopf ein!
     Wo Teufel auch, wo ließt Ihr die Perücken?
     – Helft Euch, so gut Ihr könnt. Ich habe Eile.

   Adam

     Auch das.

   Der Bütteltritt auf.

     Hier ist der Büttel!

   Adam

     Kann ich inzwischen
     Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig,
     Ein Gläschen Danziger etwa —

   Walter

     Danke sehr.

   Adam

     Ohn Umständ!

   Walter

     Dank, Ihr hörts, habs schon genossen.
     Geht Ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie,
     In meinem Büchlein etwas mir zu merken.

   Adam

     Nun, wenn Ihr so befehlt – Komm, Margarete!

   Walter

     – Ihr seid ja bös verletzt, Herr Richter Adam.
     Seid Ihr gefallen?

   Adam

     – Hab einen wahren Mordschlag
     Heut früh, als ich dem Bett entstieg, getan:
     Seht, gnäd’ger Herr Gerichtsrat, einen Schlag
     Ins Zimmer hin, ich glaubt, es wär ins Grab.

   Walter

     Das tut mir leid. – Es wird doch weiter nicht
     Von Folgen sein?

   Adam

     Ich denke nicht. Und auch
     In meiner Pflicht solls weiter mich nicht stören. Erlaubt!

   Walter

     Geht, geht!

   Adamzum Büttel.

     Die Kläger rufst du – Marsch!

   Adam, die Magd und der Büttel ab.


   Sechster Auftritt

   Frau Marthe, Eve, Veit und Ruprecht treten auf. – Walter und Licht im Hintergrunde.
   Frau Marthe

     Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!
     Ihr sollt mir büßen, ihr!

   Veit

     Sei Sie nur ruhig,
     Frau Marth! Es wird sich alles hier entscheiden.

   Frau Marthe

     O ja. Entscheiden. Seht doch! Den Klugschwätzer!
     Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden!
     Wer wird mir den geschiednen Krug entscheiden?
     Hier wird entschieden werden, daß geschieden
     Der Krug mir bleiben soll. Für so’n Schiedsurteil
     Geb ich noch die geschiednen Scherben nicht.

   Veit

     Wenn Sie sich Recht erstreiten kann, Sie hörts,
     Ersetz ich ihn.

   Frau Marthe

     Er mir den Krug ersetzen.
     Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.
     Setz Er den Krug mal hin, versuch Ers mal,
     Setz Er’n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!
     Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,
     Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!

   Veit

     Sie hörts! Was geifert Sie? Kann man mehr tun?
     Wenn einer Ihr von uns den Krug zerbrochen,
     Soll Sie entschädigt werden.

   Frau Marthe

     Ich entschädigt!
     Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.
     Meint Er, daß die Justiz ein Töpfer ist?
     Und kämen die Hochmögenden und bänden
     Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,
     Die könnten sonst was in den Krug mir tun,
     Als ihn entschädigen. Entschädigen!

   Ruprecht

     Laß Er sie, Vater. Folg Er mir. Der Drache!
     ‘s ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,
     Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,
     Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.
     Ich aber setze noch den Fuß eins drauf:
     Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.

   Frau Marthe

     Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!
     Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen,
     Nicht Einen von des Kruges Scherben wert.
     Und stünd die Hochzeit blankgescheuert vor mir,
     Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,
     So faßt ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,
     Und schlüg sie gellend Ihm am Kopf entzwei,
     Nicht aber hier die Scherben möcht ich flicken!
     Sie flicken!

   Eve

     Ruprecht!

   Ruprecht

     Fort, du —!

   Eve

     Liebster Ruprecht!

   Ruprecht

     Mir aus den Augen!

   Eve

     Ich beschwöre dich.

   Ruprecht

     Die liederliche —! Ich mag nicht sagen, was.

   Eve

     Laß mich ein einz’ges Wort dir heimlich —

   Ruprecht

     Nichts!

   Eve

     Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,
     Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,
     Ob ich dich je im Leben wieder sehe.
     Krieg ists, bedenke, Krieg, in den du ziehst:
     Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?

   Ruprecht

     Groll? Nein, bewahr mich Gott, das will ich nicht.
     Gott schenk dir so viel Wohlergehn, als er
     Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege
     Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück,
     Und würd in Huisum achtzig Jahre alt,
     So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze!
     Du willsts ja selber vor Gericht beschwören.

   Frau Marthezu Eve.

     Hinweg! Was sagt ich dir? Willst du dich noch
     Beschimpfen lassen? Der Herr Korporal
     Ist was für dich, der würd’ge Holzgebein,
     Der seinen Stock im Militär geführt,
     Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock
     Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist
     Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute,
     Es wär mir recht, und mein Begräbnis leid ich,
     Wenn ich dem Hochmut erst den Kamm zertreten,
     Der mir bis an die Krüge schwillet.

   Eve

     Mutter!
     Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen,
     Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben
     Nicht wieder Euch zur Lust zusammenfügt.
     Und wärs um ihn geschehn, nehmt meine ganze
     Sparbüchse hin, und kauft Euch einen neuen.
     Wer wollte doch um einen irdnen Krug,
     Und stammt’ er von Herodes’ Zeiten her,
     Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften.

   Frau Marthe

     Du sprichst, wie du’s verstehst. Willst du etwa
     Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche
     Am nächsten Sonntag reuig Buße tun?
     Dein guter Name lag in diesem Topfe,
     Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen,
     Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir.
     Der Richter ist mein Handwerksmann, der Scherge,
     Der Block ists, Peitschenhiebe, die es braucht,
     Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel,
     Wenns unsre Ehre weiß zu brennen gilt,
     Und diesen Krug hier wieder zu glasieren.



   Siebenter Auftritt

   Adam im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf. Die Vorigen.
   Adamfür sich.

     Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt’ge Schlingel,
     Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft!
     – Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

   Eve

     O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör Euch,
     Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen!

   Adam

     Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?

   Licht

     Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien.
     Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör ich.

   Adam

     Ein Krug! So! Ei! – Ei, wer zerbrach den Krug?

   Licht

     Wer ihn zerbrochen?

   Adam

     Ja, Gevatterchen.

   Licht

     Mein Seel, setzt Euch: so werdet Ihrs erfahren.

   Adamheimlich.

     Evchen!

   Evegleichfalls.

     Geh Er.

   Adam

     Ein Wort.

   Eve

     Ich will nichts wissen.

   Adam

     Was bringt ihr mir?

   Eve

     Ich sag Ihm, Er soll gehn.

   Adam

     Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten?

   Eve

     Wenn Er nicht gleich —! Ich sags Ihm, laß Er mich.

   Adamzu Licht.

     Gevatter, hört, mein Seel, ich halts nicht aus.
     Die Wund am Schienbein macht mir Übelkeiten;
     Führt Ihr die Sach, ich will zu Bette gehn.

   Licht

     Zu Bett —? Ihr wollt —? Ich glaub, Ihr seid verrückt.

   Adam

     Der Henker hols. Ich muß mich übergeben.

   Licht

     Ich glaub, Ihr rast, im Ernst. Soeben kommt Ihr —?
     – Meinethalben. Sagts dem Herrn Gerichtsrat dort.
     Vielleicht erlaubt ers. – Ich weiß nicht, was Euch fehlt.

   Adamwieder zu Even.

     Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!
     Was ists, das ihr mir bringt?

   Eve

     Er wirds schon hören.

   Adam

     Ists nur der Krug dort, den die Mutter hält,
     Den ich, soviel —?

   Eve

     Ja, der zerbrochne Krug nur.

   Adam

     Und weiter nichts?

   Eve

     Nichts weiter.

   Adam

     Nichts? Gewiß nichts?

   Eve

     Ich sag Ihm, geh Er. Laß Er mich zufrieden.

   Adam

     Hör du, bei Gott, sei klug, ich rat es dir.

   Eve

     Er Unverschämter!

   Adam

     In dem Attest steht
     Der Name jetzt, Frakturschrift, Ruprecht Tümpel.
     Hier trag ichs fix und fertig in der Tasche;
     Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,
     Auf meine Ehr, heut übers Jahr dir holen,
     Dir Trauerschürz und Mieder zuzuschneiden,
     Wenns heißt: der Ruprecht in Batavia
     Krepiert’– ich weiß an welchem Fieber nicht,
     Wars gelb, wars scharlach, oder war es faul.

   Walter

     Sprecht nicht mit den Parteien, Herr Richter Adam,
     Vor der Session! Hier setzt Euch, und befragt sie.

   Adam

     Was sagt er? – Was befehlen Ew. Gnaden?

   Walter

     Was ich befehl? – Ich sagte deutlich Euch,
     Daß Ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt
     Mit den Parteien zweideut’ge Sprache führen.
     Hier ist der Platz, der Eurem Amt gebührt,
     Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.

   Adamfür sich.

     Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen —!
     Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm —

   Lichtihn aufschreckend.

     Herr Richter! Seid Ihr —!

   Adam

     Ich? Auf Ehre nicht!
     Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,
     Und müßt ein Ochs gewesen sein —

   Licht

     Was?

   Adam

     Was?

   Licht

     Ich fragte —!

   Adam

     Ihr fragtet, ob ich —?

   Licht

     Ob Ihr taub seid, fragt ich.
     Dort Sr. Gnaden haben Euch gerufen.

   Adam

     Ich glaubte —! Wer ruft?

   Licht

     Der Herr Gerichtsrat dort.

   Adamfür sich.

     Ei! Hols der Henker auch! Zwei Fälle gibts,
     Mein Seel, nicht mehr, und wenns nicht biegt, so brichts.
     – Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden?
     Soll jetzt die Prozedur beginnen?

   Walter

     Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt Euch?

   Adam

     – Auf Ehr! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,
     Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
     Den Pips: ich soll es nudeln, und verstehs nicht,
     Und fragte dort die Jungfer bloß um Rat.
     Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,
     Und meine Hühner nenn ich meine Kinder.

   Walter

     Hier. Setzt Euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.
     Und Ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.

   Adam

     Befehlen Ew. Gnaden den Prozeß
     Nach den Formalitäten, oder so,
     Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?

   Walter

     Nach den gesetzlichen Formalitäten,
     Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.

   Adam

     Gut, gut. Ich werd Euch zu bedienen wissen.
     Seid Ihr bereit, Herr Schreiber?

   Licht

     Zu Euren Diensten.

   Adam

     – So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!
     Kläger trete vor.

   Frau Marthe

     Hier, Herr Dorfrichter!

   Adam

     Wer seid Ihr?

   Frau Marthe

     Wer —?

   Adam

     Ihr.

   Frau Marthe

     Wer ich —?

   Adam

     Wer Ihr seid!
     Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.

   Frau Marthe

     Ich glaub, Er spaßt, Herr Richter.

   Adam

     Spaßen, was!
     Ich sitz im Namen der Justiz, Frau Marthe,
     Und die Justiz muß wissen, wer Ihr seid.

   Lichthalblaut.

     Laßt doch die sonderbare Frag —

   Frau Marthe

     Ihr guckt
     Mir alle Sonntag in die Fenster ja,
     Wenn Ihr aufs Vorwerk geht!

   Walter

     Kennt Ihr die Frau?

   Adam

     Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden,
     Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;
     Witw’ eines Kastellans, Hebamme jetzt,
     Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.

   Walter

     Wenn Ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,
     So sind dergleichen Fragen überflüssig.
     Setzt ihren Namen in das Protokoll,
     Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

   Adam

     Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.
     Tut so, wie Sr. Gnaden anbefohlen.

   Walter

     Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.

   Adam

     Jetzt soll ich —?

   Walter

     Ja, den Gegenstand ermitteln!

   Adam

     Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.

   Walter

     Wie? Gleichfalls!

   Adam

     Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,
     Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

   Licht

     Auf meine hingeworfene Vermutung
     Wollt Ihr, Herr Richter —?

   Adam

     Mein Seel, wenn ichs Euch sage,
     So schreibt Ihrs hin. Ists nicht ein Krug, Frau Marthe?

   Frau Marthe

     Ja, hier der Krug —

   Adam

     Da habt Ihrs.

   Frau Marthe

     Der zerbrochne —

   Adam

     Pedantische Bedenklichkeit.

   Licht

     Ich bitt Euch —

   Adam

     Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel —?

   Frau Marthe

     Ja, er, der Schlingel dort —

   Adamfür sich.

     Mehr brauch ich nicht.

   Ruprecht

     Das ist nicht wahr, Herr Richter.

   Adamfür sich.

     Auf, aufgelebt, du alter Adam!

   Ruprecht

     Das lügt sie in den Hals hinein —

   Adam

     Schweig, Maulaffe!
     Du steckst den Hals noch früh genug ins Eisen.
     – Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,
     Zusamt dem Namen des, der ihn zerschlagen.
     Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.

   Walter

     Herr Richter! Ei! Welch ein gewaltsames Verfahren.

   Adam

     Wieso?

   Licht

     Wollt Ihr nicht förmlich

   Adam

     Nein! sag ich;
     Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.

   Walter

     Wenn Ihr die Instruktion, Herr Richter Adam,
     Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,
     Ist hier der Ort jetzt nicht, es Euch zu lehren.
     Wenn Ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,
     So tretet ab: vielleicht kanns Euer Schreiber.

   Adam

     Erlaubt! Ich gabs, wie’s hier in Huisum üblich;
     Ew. Gnaden habens also mir befohlen.

   Walter

     Ich hätt —?

   Adam

     Auf meine Ehre!

   Walter

     Ich befahl Euch,
     Recht hier nach den Gesetzen zu erteilen;
     Und hier in Huisum glaubt ich die Gesetze
     Wie anderswo in den vereinten Staaten.

   Adam

     Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!
     Wir haben hier, mit Euerer Erlaubnis,
     Statuten, eigentümliche, in Huisum,
     Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch
     Bewährte Tradition uns überliefert.
     Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,
     Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.
     Doch auch in Eurer andern Form bin ich,
     Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.
     Verlangt Ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!
     Ich kann Recht so jetzt, jetzo so erteilen.

   Walter

     Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.
     Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. —

   Adam

     Auf Ehr! Gebt acht, Ihr sollt zufrieden sein.
     – Frau Marthe Rull! Bringt Eure Klage vor.

   Frau Marthe

     Ich klag, Ihr wißts, hier wegen dieses Krugs;
     Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde,
     Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe,
     Was er vorher mir war.

   Adam

     Das Reden ist an Euch.

   Frau Marthe

     Seht ihr den Krug, ihr wertgeschätzten Herren?
     Seht ihr den Krug?

   Adam

     O ja, wir sehen ihn.

   Frau Marthe

     Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;
     Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.
     Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,
     Sind die gesamten niederländischen Provinzen
     Dem span’schen Philipp übergeben worden.
     Hier im Ornat stand Kaiser Karl der Fünfte:
     Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.
     Hier kniete Philipp und empfing die Krone;
     Der liegt im Topf, bis auf den Hinterteil,
     Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
     Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
     Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
     Gerührt die Augen aus; wenn man die eine
     Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
     So ists, als weinete sie über sich.
     Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
     Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
     Noch auf das Schwert; doch jetzo müßt er fallen,
     So gut wie Maximilian: der Schlingel!
     Die Schwerter unten jetzt sind weggeschlagen.
     Hier in der Mitte, mit der heil’gen Mütze,
     Sah man den Erzbischof von Arras stehn;
     Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
     Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
     Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
     Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
     Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
     Hier guckt noch ein Neugier’ger aus dem Fenster:
     Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

   Adam

     Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Paktum,
     Wenn es zur Sache nicht gehört.
     Uns geht das Loch – nichts die Provinzen an,
     Die darauf übergeben worden sind.

   Frau Marthe

     Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache!
     Den Krug erbeutete sich Childerich,
     Der Kesselflicker, als Oranien
     Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.
     Ihn hatt ein Spanier, gefüllt mit Wein,
     Just an den Mund gesetzt, als Childerich
     Den Spanier von hinten niederwarf,
     Den Krug ergriff, ihn leert’ und weiterging.

   Adam

     Ein würd’ger Wassergeuse.

   Frau Marthe

     Hierauf vererbte
     Der Krug auf Fürchtegott, den Totengräber;
     Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,
     Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.
     Das erstemal, als er im Sechzigsten
     Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,
     Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;
     Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,
     Trank er zum dritten Male, als sie starb.

   Adam

     Gut. Das ist auch nicht übel.

   Frau Marthe

     Drauf fiel der Krug
     An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,
     Der meinem sel’gen Mann, was ich euch jetzt
     Berichten will, mit eignem Mund erzählt.
     Der warf, als die Franzosen plünderten,
     Den Krug, samt allem Hausrat, aus dem Fenster,
     Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,
     Und dieser irdne Krug, der Krug von Ton,
     Aufs Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.

   Adam

     Zur Sache, wenns beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!

   Frau Marthe

     Drauf in der Feuersbrunst von sechsundsechzig,
     Da hatt ihn schon mein Mann, Gott hab ihn selig —

   Adam

     Zum Teufel! Weib! So seid Ihr noch nicht fertig?

   Frau Marthe

     – Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,
     So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,
     Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.

   Walter

     Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,
     Die Eurer Klage fremd. Wenn Ihr uns sagt,
     Daß jener Krug Euch wert, so wissen wir
     So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.

   Frau Marthe

     Wie viel ihr brauchen möget, hier zu richten,
     Das weiß ich nicht, und untersuch es nicht;
     Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,
     Muß vor euch sagen dürfen, über was.

   Walter

     Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?
     Was? – Was geschah dem Krug im Feuer
     Von Anno sechsundsechzig? Wird mans hören?
     Was ist dem Krug geschehn?

   Frau Marthe

     Was ihm geschehen?
     Nichts ist dem Krug, ich bitt euch sehr, ihr Herren,
     Nichts Anno sechsundsechzig ihm geschehen.
     Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,
     Und aus des Hauses Asche zog ich ihn
     Hervor, glasiert, am andern Morgen, glänzend,
     Als käm er eben aus dem Töpferofen.

   Walter

     Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen
     Wir alles, was dem Krug geschehn, was nicht.
     Was gibts jetzt weiter?

   Frau Marthe

     Nun, diesen Krug jetzt, seht – den Krug,
     Zertrümmert einen Krug noch wert, den Krug
     Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst
     Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,
     Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,
     Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.

   Adam

     Wer?

   Frau Marthe

     Er, der Ruprecht dort.

   Ruprecht

     Das ist gelogen, Herr Richter.

   Adam

     Schweig Er, bis man Ihn fragen wird.
     Auch heut an Ihn noch wird die Reihe kommen.
     – Habt Ihrs im Protokoll bemerkt?

   Licht

     O ja.

   Adam

     Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.

   Frau Marthe

     Es war Uhr elfe gestern —

   Adam

     Wann, sagt Ihr?

   Frau Marthe

     Uhr elf.

   Adam

     Am Morgen?

   Frau Marthe

     Nein, verzeiht, am Abend —
     Und schon die Lamp im Bette wollt ich löschen,
     Als laute Männerstimmen, ein Tumult,
     In meiner Tochter abgelegnen Kammer,
     Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt.
     Geschwind die Trepp eil ich hinab, ich finde
     Die Kammertür gewaltsam eingesprengt,
     Schimpfreden schallen wütend mir entgegen,
     Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,
     Was find ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find ich?
     Den Krug find ich zerscherbt im Zimmer liegen,
     In jedem Winkel brüchig liegt ein Stück,
     Das Mädchen ringt die Händ, und er, der Flaps dort,
     Der trotzt, wie toll, Euch in des Zimmers Mitte.

   Adam

     Ei, Wetter!

   Frau Marthe

     Was?

   Adam

     Sieh da, Frau Marthe!

   Frau Marthe

     Ja! —
     Drauf ists, als ob, in so gerechtem Zorn,
     Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen
     Fühl ich mir wie ein Geier ausgerüstet.
     Ihn stell ich dort zur Rede, was er hier
     In später Nacht zu suchen, mir die Krüge
     Des Hauses tobend einzuschlagen habe;
     Und er, zur Antwort gibt er mir, jetzt ratet —
     Der Unverschämte! Der Halunke, der!
     Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich
     Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen;
     Er spricht, es hab ein anderer den Krug
     Vom Sims gestürzt – ein anderer, ich bitt Euch,
     Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;
     – Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.

   Adam

     O! faule Fische – Hierauf?

   Frau Marthe

     Auf dies Wort
     Seh ich das Mädchen fragend an; die steht
     Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve!
     Sie setzt sich. – Ists ein anderer gewesen?
     Frag ich. Und »Joseph und Marie«, ruft sie,
     »Was denkt Ihr, Mutter, auch?« – So sprich! Wer wars?
     »Wer sonst«, sagt sie, – und wer auch konnt es anders?
     Und schwört mir zu, daß ers gewesen ist.

   Eve

     Was schwor ich Euch? Was hab ich Euch geschworen?
     Nichts schwor ich, nichts Euch —

   Frau Marthe

     Eve!

   Eve

     Nein! Dies lügt Ihr —

   Ruprecht

     Da hört Ihrs.

   Adam

     Hund, jetzt, verfluchter, schweig,
     Soll hier die Faust den Rachen dir nicht stopfen!
     Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

   Frau Marthe

     Du hättest nicht —?

   Eve

     Nein, Mutter! Dies verfälscht Ihr.
     Seht, leid tuts in der Tat mir tief zur Seele,
     Daß ich es öffentlich erklären muß:
     Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab ich geschworen.

   Adam

     Seid doch vernünftig, Kinder.

   Licht

     Das ist ja seltsam.

   Frau Marthe

     Du hättest mir, o Eve, nicht versichert
     Nicht Joseph und Maria angerufen?

   Eve

     Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht, dies jetzt schwör ich,
     Und Joseph und Maria ruf ich an.

   Adam

     Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht Sie?
     Wie schüchtert Sie das gute Kind auch ein!
     Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben,
     Erinnert ruhig dessen, was geschehen,
     – Ich sage, was geschehen ist, und was,
     Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann:
     Gebt acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern,
     Gleichviel, ob sie’s beschwören kann, ob nicht.
     Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele.

   Walter

     Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den
     Parteien so zweideut’ge Lehren geben.

   Frau Marthe

     Wenn sie ins Angesicht mir sagen kann,
     Schamlos, die liederliche Dirne, die,
     Daß es ein andrer als der Ruprecht war,
     So mag meinetwegen sie – ich mag nicht sagen, was.
     Ich aber, ich versichr es Euch, Herr Richter,
     Und kann ich gleich nicht, daß sie’s schwor, behaupten,
     Daß sie’s gesagt hat gestern, das beschwör ich,
     Und Joseph und Maria ruf ich an.

   Adam

     Nun weiter will ja auch die Jungfer —

   Walter

     Herr Richter!

   Adam

     Ew. Gnaden? Was sagt er? – Nicht, Herzens-Evchen.

   Frau Marthe

     Heraus damit! Hast du’s mir nicht gesagt?
     Hast du’s mir gestern nicht, mir nicht gesagt?

   Eve

     Wer leugnet Euch, daß ichs gesagt —

   Adam

     Da habt Ihrs.

   Ruprecht

     Die Metze, die!

   Adam

     Schreibt auf.

   Veit

     Pfui, schäm Sie sich.

   Walter

     Von Eurer Aufführung, Herr Richter Adam,
     Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn Ihr selbst
     Den Krug zerschlagen hättet, könntet Ihr
     Von Euch ab den Verdacht nicht eifriger
     Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt.
     Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,
     Als nur der Jungfer Eingeständnis, hoff ich.
     Vom gestrigen Geständnis, nicht vom Fakto.
     – Ists an die Jungfer jetzt schon, auszusagen?

   Adam

     Mein Seel, wenns ihre Reihe noch nicht ist,
     In solchen Dingen irrt der Mensch, Ew. Gnaden.
     Wen hätt ich fragen sollen jetzt? Beklagten?
     Auf Ehr! Ich nehme gute Lehre an.

   Walter

     Wie unbefangen! – Ja, fragt den Beklagten.
     Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt Euch sehr:
     Dies ist die letzte Sache, die Ihr führt.

   Adam

     Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!
     Wohin auch, alter Richter, dachtest du?
     Verflucht das pips’ge Perlhuhn mir! Daß es
     Krepiert wär an der Pest in Indien!
     Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.

   Walter

     Was liegt? Was für ein Kloß liegt Euch —?

   Adam

     Der Nudelkloß,
     Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.
     Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,
     Mein Seel, so weiß ich nicht, wie’s werden wird.

   Walter

     Tut Eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

   Adam

     Beklagter trete vor.

   Ruprecht

     Hier, Herr Dorfrichter.
     Ruprecht, Veits, des Kossäten, Sohn, aus Huisum.

   Adam

     Vernahm Er dort, was vor Gericht soeben
     Frau Marthe gegen Ihn hat angebracht?

   Ruprecht

     Ja, Herr Dorfrichter, das hab ich.

   Adam

     Getraut Er sich
     Etwas dagegen aufzubringen, was?
     Bekennt Er, oder unterfängt Er sich,
     Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu leugnen?

   Ruprecht

     Was ich dagegen aufzubringen habe,
     Herr Richter? Ei! Mit Euerer Erlaubnis,
     Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat.

   Adam

     So? Und das denkt Er zu beweisen?

   Ruprecht

     O ja.

   Adam

     Die würdige Frau Marthe, die —
     Beruhige Sie sich. Es wird sich finden.

   Walter

     Was geht Ihm die Frau Marthe an, Herr Richter?

   Adam

     Was mir —? Bei Gott! Soll ich als Christ —?

   Walter

     Bericht’
     Er, was Er für sich anzuführen hat. —
     Herr Schreiber, wißt Ihr den Prozeß zu führen?

   Adam

     Ach, was!

   Licht

     Ob ich – ei nun, wenn Ew. Gnaden —

   Adam

     Was glotzt Er da? Was hat Er aufzubringen?
     Steht nicht der Esel wie ein Ochse da?
     Was hat Er aufzubringen?

   Ruprecht

     Was ich aufzubringen?

   Walter

     Er, ja, Er soll den Hergang jetzt erzählen.

   Ruprecht

     Mein Seel, wenn man zu Wort mich kommen ließe.

   Walter

     ‘s ist in der Tat, Herr Richter, nicht zu dulden.

   Ruprecht

     Glock zehn Uhr mocht es etwa sein zu Nacht,
     Und warm just diese Nacht des Januars
     Wie Mai, – als ich zum Vater sage: Vater!
     Ich will ein bissel noch zur Eve gehn.
     Denn heuren wollt ich sie, das müßt Ihr wissen;
     Ein rüstig Mädel ists, ich habs beim Ernten
     gesehn, wie alles von der Faust ihr ging,
     Und ihr das Heu man flog, als wie gemaust.
     Das sagt ich: Willst du? Und sie sagte: »Ach!
     Was du da gakelst.« Und nachher sagt’ sie: »Ja.«

   Adam

     Bleib Er bei seiner Sache. Gakeln! Was!
     Ich sagte: Willst du? Und sie sagte: Ja.

   Ruprecht

     Ja, meiner Treu, Herr Richter.

   Walter

     Weiter! Weiter!

   Ruprecht

     Nun —
     Da sagt ich: Vater, hört Er? Laß Er mich.
     Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.
     »Na«, sagt er, »lauf; bleibst du auch draußen?« sagt er.
     Ja, meiner Seel, sag ich, das ist geschworen.
     »Na«, sagt er, »lauf, um elfe bist du hier.«

   Adam

     Na, so sag du, und gakle, und kein Ende.
     Na, hat er bald sich ausgesagt?

   Ruprecht

     Na, sag ich,
     Das ist ein Wort, und setz die Mütze auf,
     Und geh; und übern Steig will ich, und muß
     Durchs Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.
     Ei, alle Wetter, denk ich, Ruprecht, Schlag!
     Nun ist die Gartentür bei Marthens zu:
     Denn bis um zehn läßts Mädel sie nur offen,
     Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

   Adam

     Die liederliche Wirtschaft, die.

   Walter

     Drauf weiter?

   Ruprecht

     Drauf – wie ich übern Lindengang mich näh’re,
     Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt
     Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,
     Hör ich die Gartentüre fernher knarren.
     Sieh da! Da ist die Eve noch! sag ich,
     Und schicke freudig Euch, von wo die Ohren
     Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach
     – Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,
     Für blind, und schicke auf der Stelle sie
     Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,
     Und schimpfe sie nichtswürdige Verleumder,
     Aufhetzer, niederträcht’ge Ohrenbläser,
     Und schicke sie zum drittenmal, und denke,
     Sie werden, weil sie ihre Pflicht getan,
     Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,
     Und sich in einen andern Dienst begeben:
     Die Eve ists, am Latz erkenn ich sie,
     Und einer ists noch obenein.

   Adam

     So? Einer noch? Und wer, Er Klugschwätzer?

   Ruprecht

     Wer? Ja, mein Seel, da fragt Ihr mich —

   Adam

     Nun also!
     Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

   Walter

     Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!
     Was unterbracht Ihr ihn, Herr Dorfrichter?

   Ruprecht

     Ich kann das Abendmahl darauf nicht nehmen,
     Stockfinster wars, und alle Katzen grau.
     Doch müßt Ihr wissen, daß der Flickschuster,
     Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,
     Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.
     Ich sagte vor’gen Herbst schon: Eve, höre,
     Der Schuft schleicht mir ums Haus, das mag ich nicht;
     Sag ihm, daß du kein Braten bist für ihn,
     Mein Seel, sonst werf ich ihn vom Hof herunter.
     Die spricht: »Ich glaub, du schierst mich«, sagt ihm was,
     Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:
     Drauf geh ich hin und werf den Schlingel herunter.

   Adam

     So? Lebrecht heißt der Kerl?

   Ruprecht

     Ja, Lebrecht.

   Adam

     Gut.
     Das ist ein Nam. Es wird sich alles finden.
     – Habt Ihrs bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

   Licht

     O ja, und alles andere, Herr Richter.

   Adam

     Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

   Ruprecht

     Nun schießt,
     Da ich Glock elf das Pärchen hier begegne,
     – Glock zehn Uhr zog ich immer ab – das Blatt mir.
     Ich denke: halt, jetzt ists noch Zeit, o Ruprecht,
     Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht;
     Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,
     Ob dir von fern hornartig etwas keimt.
     Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,
     Und berg in einem Strauch von Taxus mich,
     Und hör Euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,
     Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,
     Mein Seel, ich denk, ich soll vor Lust —

   Eve

     Du Bösewicht!
     Was das, o, schändlich ist von dir!

   Frau Marthe

     Halunke!
     Dir weis ich noch einmal, wenn wir allein sind,
     Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir
     Die Haare wachsen! Du sollsts erfahren!

   Ruprecht

     Ein Viertelstündchen dauerts so; ich denke:
     Was wirds doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?
     Und eh ich den Gedanken ausgedacht,
     Husch! sind sie beid ins Haus schon, vor dem Pastor.

   Eve

     Geht, Mutter, mag es werden, wie es will —

   Adam

     Schweig du mir dort, tat ich, das Donnerwetter
     Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!
     Wart, bis ich auf zur Red dich rufen werde.

   Walter

     Sehr sonderbar, bei Gott!

   Ruprecht

     Jetzt hebt, Herr Richter Adam,
     Jetzt hebt sichs, wie ein Blutsturz, mir. Luft!
     Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!
     Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt, sag ich!
     Und geh, und drück, und tret und donnere,
     Da ich der Dirne Tür verriegelt finde,
     Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

   Adam

     Blitzjunge, du!

   Ruprecht

     Just da sie auf jetzt rasselt,
     Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,
     Und husch! springt einer aus dem Fenster Euch:
     Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

   Adam

     War das der Leberecht?

   Ruprecht

     Wer sonst, Herr Richter?
     Das Mädchen steht, die werf ich übern Haufen,
     Zum Fenster eil ich hin, und find den Kerl
     Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,
     Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.
     Und da die Klinke in der Hand mir blieb,
     Als ich die Tür eindonnerte, so reiß ich
     Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm:
     Den just, Herr Richter, konnt ich noch erreichen.

   Adam

     Wars eine Klinke?

   Ruprecht

     Was?

   Adam

     Obs —

   Ruprecht

     Ja, die Türklinke.

   Adam

     Darum.

   Licht

     Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen?

   Adam

     Ein Degen? Ich – wieso?

   Ruprecht

     Ein Degen!

   Licht

     Je nun!
     Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke
     Hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Degen.

   Adam

     Ich glaub —!

   Licht

     Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter?

   Adam

     Der Stiel!

   Ruprecht

     Der Stiel! Der wars nun aber nicht.
     Der Klinke umgekehrtes Ende wars.

   Adam

     Das umgekehrte Ende wars der Klinke!

   Licht

     So! So!

   Ruprecht

     Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen
     Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen.

   Adam

     Ja, wie ein Griff.

   Licht

     Gut. Wie ein Degengriff.
     Doch irgendeine tück’sche Waffe mußt es
     Gewesen sein. Das wußt ich wohl.

   Walter

     Zur Sache stets, Ihr Herren, doch! Zur Sache!

   Adam

     Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! – Er, weiter!

   Ruprecht

     Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden,
     Als ichs im Dunkeln auf sich rappeln sehe.
     Ich denke: lebst du noch? und steig aufs Fenster
     Und will dem Kerl das Gehen unten legen:
     Als jetzt, Ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol,
     Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes —
     Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett,
     Worauf ich steh, denk ich nicht, straf mich Gott,
     Das alles fällt in einen Sack zusammen —
     Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt.

   Adam

     Verflucht! Sieh da! Wer tat das?

   Ruprecht

     Wer? Der Lebrecht.

   Adam

     Halunke!

   Ruprecht

     Meiner Treu! Wenn ers gewesen.

   Adam

     Wer sonst!

   Ruprecht

     Als stürzte mich ein Schloßenregen
     Von eines Bergs zehn Klaftern hohem Abhang,
     So schlag ich jetzt vom Fenster Euch ins Zimmer:
     Ich denk, ich schmettere den Boden ein.
     Nun brech ich mir den Hals doch nicht, auch nicht
     Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen
     Konnt ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,
     Und sitze auf, und wische mir die Augen.
     Die kommt, und: »Ach, Herr Gott!« ruft sie, und: »Ruprecht!
     Was ist dir auch?« Mein Seel, ich hob den Fuß,
     Gut wars, daß ich nicht sah, wohin ich stieß.

   Adam

     Kam das vom Sande noch?

   Ruprecht

     Vom Sandwurf, ja.

   Adam

     Verdammt! Der traf!

   Ruprecht

     Da ich jetzt aufersteh, —
     Was sollt ich auch die Fäuste hier mir schänden? —
     So schimpf ich sie, und sage: Liederliche Metze,
     Und denke, das ist gut genug für sie.
     Doch Tränen, seht, ersticken mir die Sprache.
     Denn da Frau Marthe jetzt ins Zimmer tritt,
     Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort
     Jetzt schlotternd, zum Erbarmen, vor mir sehe,
     Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah,
     So sag ich zu mir: blind ist auch nicht übel.
     Ich hätte meine Augen hingegeben,
     Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen.

   Eve

     Er ist nicht wert, der Bösewicht —

   Adam

     Sie soll schweigen!

   Ruprecht

     Das Weitre wißt Ihr.

   Adam

     Wie, das Weitere?

   Ruprecht

     Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,
     Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,
     Und Muhme Sus’ und Muhme Liese kamen.
     Und Knecht’ und Mägd’ und Hund’ und Katzen kamen,
     ‘s war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte
     Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen,
     Und die, die sprach, Ihr wißts, daß ichs gewesen.
     Mein Seel, sie hat so unrecht nicht, Ihr Herren.
     Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich,
     Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch.

   Adam

     Frau Marthe! Was entgegnet Ihr der Rede?
     Sagt an!

   Frau Marthe

     Was ich der Red entgegene?
     Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,
     Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt.
     Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen,
     Um dieses Ungetüm der Nacht zu tilgen.

   Adam

     Da wird Sie den Beweis uns führen müssen.

   Frau Marthe

     O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. – Rede!

   Adam

     Die Tochter? Nein, Frau Marthe.

   Walter

     Nein? Warum nicht?

   Adam

     Als Zeugin, gnädiger Herr? Steht im Gesetzbuch
     Nicht titulo, ists quarto? – oder quinto!
     Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?
     Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,
     So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

   Walter

     In Eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum
     Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;
     Mit jedem Schnitte gebt Ihr mir von beidem.
     Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklariert jetzt;
     Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,
     Wird erst aus der Erklärung sich ergeben.

   Adam

     Ja, deklarieren. Gut. Titulo sexto.
     Doch was sie sagt, das glaubt man nicht.

   Walter

     Tritt vor, mein junges Kind.

   Adam

     He! Lies’-! – Erlaubt!
     Die Zunge wird sehr trocken mir – Margrete!



   Achter Auftritt

   Eine Magd tritt auf. Die Vorigen.
   Adam

     Ein Glas mit Wasser! —

   Die Magd

     Gleich!

   Ab.
   Adam

     Kann ich Euch gleichfalls —?

   Walter

     Ich danke.

   Adam

     Franz? oder Mos’ler? Was Ihr wollt.
     Walter verneigt sich; die Magd bringt Wasser und entfernt sich.



   Neunter Auftritt

   Walter. Adam. Frau Marthe usw. ohne die Magd.
   Adam

     – Wenn ich freimütig reden darf, Ihr Gnaden,
     Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

   Walter

     Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.
     Vernünft’ge Leute können sich vergleichen;
     Doch wie Ihr den Vergleich schon wollt bewirken,
     Da noch durchaus die Sache nicht entworren,
     Das hätt ich wohl von Euch zu hören Lust.
     Wie denkt Ihrs anzustellen, sagt mir an?
     Habt Ihr ein Urteil schon gefaßt?

   Adam

     Mein Seel!
     Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt,
     Philosophie zu Hilfe nehmen soll,
     So wars – der Leberecht —

   Walter

     Wer?

   Adam

     Oder Ruprecht —

   Walter

     Wer?

   Adam

     Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug.

   Walter

     Wer also wars? Der Lebrecht oder Ruprecht?
     Ihr greift, ich seh, mit Eurem Urteil ein,
     Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen.

   Adam

     Erlaubt!

   Walter

     Schweigt, schweigt, ich bitt Euch.

   Adam

     Wie Ihr wollt.
     Auf meine Ehr, mir wärs vollkommen recht,
     Wenn sie es alle beid gewesen wären.

   Walter

     Fragt dort, so werdet Ihrs erfahren.

   Adam

     Sehr gern.
     Doch wenn Ihrs herausbekommt, bin ich ein Schuft.
     – Habt Ihr das Protokoll da in Bereitschaft?

   Licht

     Vollkommen.

   Adam

     Gut.

   Licht

     Und brech ein eignes Blatt mir,
     Begierig, was darauf zu stehen kommt.

   Adam

     Ein eignes Blatt? Auch gut.

   Walter

     Sprich dort, mein Kind!

   Adam

     Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!
     Gib Gotte, hörst du, Herzchen, gib, mein Seel,
     Ihm und der Welt, gib ihm was von der Wahrheit.
     Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,
     Und daß du deinen Richter nicht mit Leugnen,
     Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,
     Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.
     Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,
     Und einer braucht ihn heut, und einer morgen.
     Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;
     Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!
     Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,
     Es wird sich alles, wie du wünschest, finden.
     Willst du mir hier von einem andern trätschen,
     Und dritten etwa, dumme Namen nennen:
     Sieh, Kind, nimm dich in acht, ich sag nichts weiter.
     In Huisum, hols der Henker, glaubt dirs keiner,
     Und keiner, Evchen, in den Niederlanden;
     Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,
     Der auch wird zu verteidigen sich wissen:
     Und deinen Ruprecht holt die Schwerenot!

   Walter

     Wenn Ihr doch Eure Reden lassen wolltet.
     Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.

   Adam

     Verstehens Ew. Gnaden nicht?

   Walter

     Macht fort!
     Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.

   Adam

     Auf Ehr! Ich habe nicht studiert, Ew. Gnaden.
     Bin ich Euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,
     Mit diesem Volk vielleicht verhält sichs anders:
     Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.

   Frau Marthe

     Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache!

   Eve

     O liebste Mutter!

   Frau Marthe

     Du —! Ich rate dir!

   Ruprecht

     Mein Seel, ‘s ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen,
     Wenn das Gewissen an der Kehl uns sitzt.

   Adam

     Schweig Er jetzt, Nasweis, mucks Er nicht.

   Frau Marthe

     Wer wars?

   Eve

     O Jesus.

   Frau Marthe

     Maulaffe, der! Der niederträchtige!
     O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre.
     Wars der Herr Jesus?

   Adam

     Frau Marthe! Unvernunft!
     Was das für —! Laß Sie die Jungfer doch gewähren!
     Das Kind einschrecken – Hure – Schafsgesicht!
     So wird uns nichts. Sie wird sich schon besinnen.

   Ruprecht

     O ja, besinnen.

   Adam

     Flaps dort, schweig Er jetzt.

   Ruprecht

     Der Flickschuster wird ihr schon einfallen.

   Adam

     Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede!

   Ruprecht

     Nun, nun! Ich schweig, Herr Richter, laßts nur sein.
     Sie wird Euch schon auf meinen Namen kommen.

   Frau Marthe

     Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag ich.
     Hör, neunundvierzig bin ich alt geworden
     In Ehren: funfzig möcht ich gern erleben.
     Den dritten Februar ist mein Geburtstag;
     Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer wars?

   Adam

     Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!

   Frau Marthe

     Der Vater sprach, als er verschied: »Hör, Marthe,
     Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann;
     Und wird sie eine liederliche Metze,
     So gib dem Totengräber einen Groschen,
     Und laß mich wieder auf den Rücken legen:
     Mein Seel, ich glaub, ich kehr im Grab mich um.

   Adam

     Nun, das ist auch nicht übel.

   Frau Marthe

     Willst du Vater
     Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten
     Gebot hoch ehren, gut, so sprich: in meine Kammer
     Ließ ich den Schuster, oder einen dritten,
     Hörst du? Der Bräut’gam aber war es nicht.

   Ruprecht

     Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt Euch;
     Ich will ‘n nach Utrecht tragen. Solch ein Krug —
     Ich wollt, ich hätt ihn nur entzwei geschlagen.

   Eve

     Unedelmüt’ger, du! Pfui, schäme dich,
     Daß du nicht sagst: gut, ich zerschlug den Krug!
     Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du
     Mir nicht in meiner Tat vertrauen kannst.
     Gab ich die Hand dir nicht, und sagte: ja,
     Als du mich fragtest: »Eve, willst du mich?«
     Meinst du, daß du den Flickschuster nicht wert bist?
     Und hättest du durchs Schlüsselloch mich mit
     Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,
     Du hättest denken sollen: Ev ist brav,
     Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen,
     Und ists im Leben nicht, so ist es Jenseits,
     Und wenn wir auferstehn, ist auch ein Tag.

   Ruprecht

     Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.
     Was ich mit Händen greife, glaub ich gern.

   Eve

     Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,
     Warum – des Todes will ich ewig sterben,
     Hätt ichs dir Einzigen nicht gleich vertraut;
     Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht’ und Mägden —
     Gesetzt, ich hätte Gründ, es zu verbergen,
     Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt ich
     Auf dein Vertraun hin sagen, daß du’s warst?
     Warum nicht sollt ichs? Warum sollt ichs nicht?

   Ruprecht

     Ei, so zum Henker, sags, es ist mir recht,
     Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.

   Eve

     O du Abscheulicher! Du Undankbarer!
     Wert, daß ich mir die Fiedel spare! Wert,
     Daß ich mit Einem Wort zu Ehren mich,
     Und dich in ewiges Verderben bringe.

   Walter

     Nun —? Und dies einz’ge Wort —? Halt uns nicht auf.
     Der Ruprecht also war es nicht?

   Eve

     Nein, gnäd’ger Herr, weil ers denn selbst so will,
     Um seinetwillen nur verschwieg ich es:
     Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,
     Wenn ers Euch selber leugnet, könnt Ihrs glauben.

   Frau Marthe

     Eve! Der Ruprecht nicht?

   Eve

     Nein, Mutter, nein!
     Und wenn ichs gestern sagte, wars gelogen.

   Frau Marthe

     Hör, dir zerschlag ich alle Knochen!

   Sie setzt den Krug nieder.
   Eve

     Tut, was Ihr wollt.

   Walterdrohend.

     Frau Marthe!

   Adam

     He! Der Büttel! —
     Schmeißt sie heraus dort, die verwünschte Vettel!
     Warum solls Ruprecht just gewesen sein?
     Hat Sie das Licht dabei gehalten, was?
     Die Jungfer, denk ich, wird es wissen müssen:
     Ich bin ein Schelm, wenns nicht der Lebrecht war.

   Frau Marthe

     War es der Lebrecht etwa? Wars der Lebrecht?

   Adam

     Sprich, Evchen, wars der Lebrecht nicht,
     mein Herzchen?

   Eve

     Er Unverschämter, Er! Er Niederträcht’ger!
     Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht —

   Walter

     Jungfer!
     Was untersteht Sie sich? Ist das mir der
     Respekt, den Sie dem Richter schuldig ist?

   Eve

     Ei, was! Der Richter dort! Wert, selbst vor dem
     Gericht, ein armer Sünder, dazustehn —
     – Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen!
     Sich zum Dorfrichter wendend.
     Hat Er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern
     Geschickt nach Utrecht, vor die Kommission,
     Mit dem Attest, der die Rekruten aushebt?
     Wie kann Er sagen, daß es Lebrecht war,
     Wenn Er wohl weiß, daß der in Utrecht ist?

   Adam

     Nun, wer denn sonst? Wenns Lebrecht nicht, zum Henker —
     Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist – – Was machst du?

   Ruprecht

     Mein Seel, Herr Richter Adam, laßt Euch sagen,
     Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen.
     Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern,
     Als er nach Utrecht ging, früh wars Glock acht,
     Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud,
     Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist,
     Glock zehn Uhr nachts noch nicht zurückgehaspelt.
     Es kann ein dritter wohl gewesen sein.

   Adam

     Ach was! Krummbeinig! Schafsgesicht! Der Kerl
     Geht seinen Stiefel, der, trotz einem.
     Ich will von ungespaltnem Leibe sein,
     Wenn nicht ein Schäferhund von mäß’ger Größe
     Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen.

   Walter

     Erzähl den Hergang uns.

   Adam

     Verzeihn Ew. Gnaden!
     Hierauf wird Euch die Jungfer schwerlich dienen.

   Walter

     Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?

   Adam

     Ein twatsches Kind. Ihr sehts. Gut, aber twatsch.
     Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch,
     Wenns einen Bart von weitem sieht. So ‘n Volk,
     Im Finstern leiden sie’s, und wenn es Tag wird,
     So leugnen sie’s vor ihrem Richter ab.

   Walter

     Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam,
     Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht.

   Adam

     Die Wahrheit Euch zu sagen, Herr Gerichtsrat,
     Ihr Vater war ein guter Freund von mir.
     Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein,
     So tun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,
     Und lassen seine Tochter gehn.

   Walter

     Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,
     Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. —
     Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.
     Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,
     Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.

   Eve

     Mein lieber, würdiger und gnäd’ger Herr,
     Erlaßt mir, Euch den Hergang zu erzählen.
     Von dieser Weigrung denkt uneben nicht.
     Es ist des Himmels wunderbare Fügung,
     Die mir den Mund in dieser Sache schließt.
     Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich
     Mit einem Eid, wenn Ihrs verlangt,
     Auf heiligem Altar bekräftigen.
     Jedoch die gestrige Begebenheit,
     Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,
     Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,
     Um eines einz’gen Fadens willen, fordern,
     Der, ihr gehörig, durchs Gewebe läuft.
     Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,
     Geheimnisse, die nicht mein Eigentum,
     Müßt ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.
     Früh oder spät will ichs ihr anvertrauen,
     Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,
     Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.

   Adam

     Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre, nicht.
     Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.
     Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,
     So fällt der Mutter Klage weg:
     Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.

   Walter

     Was sagt zu der Erklärung Sie, Frau Marthe?

   Frau Marthe

     Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbringe
     Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt Euch sehr,
     Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.
     Beispiele gibts, daß ein verlorner Mensch,
     Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,
     Den Meineid vor dem Richtstuhl wagt; doch daß
     Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil’gem
     Altar, um an den Pranger hinzukommen,
     Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.
     Wär, daß ein andrer, als der Ruprecht, sich
     In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,
     Wärs überall nur möglich, gnäd’ger Herr,
     Versteht mich wohl, – so säumt ich hier nicht länger.
     Den Stuhl setzt ich, zur ersten Einrichtung,
     Ihr vor die Tür, und sagte: geh, mein Kind,
     Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miete,
     Und lange Haare hast du auch geerbt,
     Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rat, kannst hängen.

   Walter

     Ruhig, ruhig, Frau Marthe.

   Frau Marthe

     Da ich jedoch
     Hier den Beweis noch anders führen kann,
     Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert,
     Und überzeugt bin völlig, daß nur er
     Mir, und kein anderer, den Krug zerschlug,
     So bringt die Lust, es kurzhin abzuschwören,
     Mich noch auf einen schändlichen Verdacht.
     Die Nacht von gestern birgt ein anderes
     Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung.
     Ich muß Euch sagen, gnäd’ger Herr, daß Ruprecht
     Zur Konskription gehört, in wenig Tagen
     Soll er den Eid zur Fahn in Utrecht schwören.
     Die jungen Landessöhne reißen aus.
     Gesetzt, er hätte gestern nacht gesagt:
     »Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß.
     Zu Kist und Kasten hast du ja die Schlüssel«
     Und sie, sie hätt ein wenig sich gesperrt:
     So hätte ohngefähr, da ich sie störte,
     – Bei ihm aus Rach, aus Liebe noch bei ihr —
     Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können.

   Ruprecht

     Das Rabenaas! Was das für Reden sind!
     Zu Kist und Kasten —

   Walter

     Still!

   Eve

     Er, austreten!

   Walter

     Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede.
     Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!

   Frau Marthe

     Gut, gnäd’ger Herr. Erst will ich hier beweisen,
     Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug,
     Und dann will ich im Hause untersuchen. —
     Seht, eine Zunge, die mir Zeugnis redet,
     Bring ich für jedes Wort auf, das er sagte,
     Und hätt in Reihen gleich sie aufgeführt,
     Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese
     Die ihrige für mich nicht brauchen würde.
     Doch wenn Ihr Frau Brigitte jetzo ruft,
     Die ihm die Muhm ist, so genügt mir die,
     Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird.
     Denn die, die hat Glock halb auf elf im Garten,
     Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden,
     Wortwechselnd mit der Ev ihn schon getroffen;
     Und wie die Fabel, die er aufgestellt,
     Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird,
     Durch diese einz’ge Zung, ihr hohen Richter:
     Das überlaß ich selbst euch einzusehn.

   Ruprecht

     Wer hat mich

   Veit

     Schwester Briggy?

   Ruprecht

     Mich mit Ev? Im Garten?

   Frau Marthe

     Ihn mit der Ev, im Garten, Glock halb elf,
     Bevor er noch, wie er geschwätzt, um elf
     Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt:
     Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend,
     Als wollt er sie zu etwas überreden.

   Adamfür sich.

     Verflucht! Der Teufel ist mir gut.

   Walter

     Schafft diese Frau herbei.

   Ruprecht

     Ihr Herrn, ich bitt euch:
     Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich.

   Adam

     O wart, Halunke! – He! Der Büttel! Hanfried! —
     Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge —
     – Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt herbei!

   Veit

     Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du?
     Dir brech ich alle Knochen noch.

   Ruprecht

     Weshalb auch?

   Veit

     Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne
     Glock halb elf im Garten schon scharwenzt?
     Warum verschwiegst du’s?

   Ruprecht

     Warum ichs verschwieg?
     Gotts Schlag und Donner, weils nicht wahr ist, Vater!
     Wenn das die Muhme Briggy zeugt, so hängt mich.
     Und bei den Beinen sie meinthalb dazu.

   Veit

     Wenn aber sie’s bezeugt – nimm dich in acht!
     Du und die saubre Jungfer Eve dort,
     Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt
     Doch unter einer Decke noch. ‘s ist irgend
     Ein schändliches Geheimnis noch, von dem
     Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt.

   Ruprecht

     Geheimnis? Welches?

   Veit

     Warum hast du eingepackt?
     He? Warum hast du gestern abend eingepackt?

   Ruprecht

     Die Sachen?

   Veit

     Röcke, Hosen, ja, und Wäsche;
     Ein Bündel, wie’s ein Reisender just auf
     Die Schultern wirft?

   Ruprecht

     Weil ich nach Utrecht soll!
     Weil ich zum Regiment soll! Himmel-Donner —!
     Glaubt Er, daß ich —?

   Veit

     Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht!
     Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen!
     Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du
     Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen.

   Walter

     Weiß Er zur Sache was zu melden, Vater?

   Veit

     – Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten.
     Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug,
     Und auch von einer andern Unternehmung
     Hab ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts,
     Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge,
     Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt.
     Von seiner Unschuld völlig überzeugt,
     Kam ich hierher, nach abgemachtem Streit
     Sein ehelich Verlöbnis aufzulösen,
     Und ihm das Silberkettlein einzufordern,
     Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer
     Bei dem Verlöbnis vor’gen Herbst verehrt.
     Wenn jetzt von Flucht was und Verräterei
     An meinem grauen Haar zu Tage kommt,
     So ist mir das so neu, Ihr Herrn, als Euch:
     Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen.

   Walter

     Schafft Frau Brigitt herbei, Herr Richter Adam.

   Adam

     – Wird Ew. Gnaden diese Sache nicht
     Ermüden? Sie zieht sich in die Länge.
     Ew. Gnaden haben meine Kassen noch,
     Und die Registratur – Was ist die Glocke?

   Licht

     Es schlug soeben halb.

   Adam

     Auf elf?

   Licht

     Verzeiht, auf zwölfe.

   Walter

     Gleichviel.

   Adam

     Ich glaub, die Zeit ist, oder Ihr verrückt.

   Er sieht nach der Uhr.

     Ich bin kein ehrlicher Mann – Ja, was befehlt Ihr?

   Walter

     Ich bin der Meinung —

   Adam

     Abzuschließen? Gut —!

   Walter

     Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren.

   Adam

     Ihr seid der Meinung – Auch gut. Sonst würd ich
     Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache
     Zu Euerer Zufriedenheit beendigen.

   Walter

     Ihr wißt um meinen Willen.

   Adam

     Wie Ihr befehlt.
     Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen
     Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden.

   Walter

     Und nehmt Euch – Zeit, die mir viel wert, zu sparen —
     Gefälligst selbst der Sach ein wenig an.

   Licht ab.


   Zehnter Auftritt

   Die Vorigen ohne Licht. Späterhin einige Mägde.
   Adamaufstehend.

     Inzwischen könnte man, wenns so gefällig,
     Vom Sitze sich ein wenig lüften —?

   Walter

     Hm! O ja.
     Was ich sagen wollt —

   Adam

     Erlaubt Ihr gleichfalls,
     Daß die Partein, bis Frau Brigitt erscheint —?

   Walter

     Was? Die Partein?

   Adam

     Ja, vor die Tür, wenn Ihr —

   Walterfür sich.

     Verwünscht!

   Laut.

     Herr Richter Adam, wißt Ihr was?
     Gebt ein Glas Wein mir in der Zwischenzeit.

   Adam

     Von ganzem Herzen gern. He! Margarete!
     Ihr macht mich glücklich, gnäd’ger Herr. – Margrete!

   Die Magd tritt auf.
   Die Magd

     Hier.

   Adam

     Was befehlt Ihr! – Tretet ab, ihr Leute.
     Franz? – Auf den Vorsaal draußen. – Oder Rhein?

   Walter

     Von unserm Rhein.

   Adam

     Gut. – Bis ich rufe. Marsch!

   Walter

     Wohin?

   Adam

     Geh, vom versiegelten, Margrete. —
     Was? Auf den Flur bloß draußen. – Hier. Der Schlüssel.

   Walter

     Hm! Bleibt.

   Adam

     Fort! Marsch, sag ich! – Geh, Margarete!
     Und Butter, frisch gestampft, Käs’ auch aus Limburg,
     Und von der fetten pommerschen Räuchergans.

   Walter

     Halt! Einen Augenblick! Macht nicht so viel
     Umständ, ich bitt Euch sehr, Herr Richter.

   Adam

     Schert
     Zum Teufel euch, sag ich! Tu, wie ich sagte.

   Walter

     Schickt Ihr die Leute fort, Herr Richter?

   Adam

     Ew. Gnaden?

   Walter

     Ob Ihr —?

   Adam

     Sie treten ab, wenn Ihr erlaubt.
     Bloß ab, bis Frau Brigitt erscheint.
     Wie, oder solls nicht etwa —?

   Walter

     Hm! Wie Ihr wollt.
     Doch obs der Mühe sich verlohnen wird?
     Meint Ihr, daß es so lange Zeit wird währen,
     Bis man im Ort sie trifft?

   Adam

     ‘s ist heute Holztag,
     Gestrenger Herr. Die Weiber größtenteils
     Sind in den Fichten, Sträucher einzusammeln.
     Es könnte leicht —

   Ruprecht

     Die Muhme ist zu Hause.

   Walter

     Zu Haus. Laßt sein.

   Ruprecht

     Die wird sogleich erscheinen.

   Walter

     Die wird uns gleich erscheinen. Schafft den Wein.

   Adam für sich.

     Verflucht!

   Walter

     Macht fort. Doch nichts zum Imbiß, bitt ich,
     Als ein Stück trocknen Brotes nur, und Salz.

   Adamfür sich.

     Zwei Augenblicke mit der Dirn allein —

   Laut.

     Ach, trocknes Brot! Was! Salz! Geht doch.

   Walter

     Gewiß.

   Adam

     Ei, ein Stück Käs’ aus Limburg mindestens. – Käse
     Macht erst geschickt die Zunge, Wein, zu schmecken.

   Walter

     Gut. Ein Stück Käse denn, doch weiter nichts.

   Adam

     So geh. Und weiß, von Damast, aufgedeckt.
     Schlecht alles zwar, doch recht.

   Die Magd ab.

     Das ist der Vorteil
     Von uns verrufnen hagestolzen Leuten,
     Daß wir, was andre, knapp und kummervoll,
     Mit Weib und Kindern täglich teilen müssen,
     Mit einem Freunde, zur gelegnen Stunde,
     Vollauf genießen.

   Walter

     Was ich sagen wollte —
     Wie kamt Ihr doch zu Eurer Wund, Herr Richter?
     Das ist ein böses Loch, fürwahr, im Kopf, das!

   Adam

     – Ich fiel.

   Walter

     Ihr fielt. Hm! So. Wann? Gestern abend?

   Adam

     Heut, Glock halb sechs, verzeiht, am Morgen, früh,
     Da ich soeben aus dem Bette stieg.

   Walter

     Worüber?

   Adam

     Über – gnäd’ger Herr Gerichtsrat,
     Die Wahrheit Euch zu sagen, über mich.
     Ich schlug Euch häuptlings an den Ofen nieder,
     Bis diese Stunde weiß ich nicht, warum?

   Walter

     Von hinten?

   Adam

     Wie? Von hinten —

   Walter

     Oder vorn?
     Ihr habt zwo Wunden, vorne ein’ und hinten.

   Adam

     Von vorn und hinten. – Margarete!

   Die beiden Mägde mit Wein usw. Sie decken auf und gehen wieder ab.
   Walter

     Wie?

   Adam
   Erst so, dann so. Erst auf die Ofenkante,

     Die vorn die Stirn mir einstieß, und sodann
     Vom Ofen rückwärts auf den Boden wieder,
     Wo ich mir noch den Hinterkopf zerschlug.

   Er schenkt ein.

     Ists Euch gefällig?

   Walternimmt das Glas.

     Hättet Ihr ein Weib,
     So würd ich wunderliche Dinge glauben,
     Herr Richter.

   Adam

     Wieso?

   Walter

     Ja, bei meiner Treu,
     So rings seh ich zerkritzt Euch und zerkratzt.

   Adamlacht.

     Nein, Gott sei Dank! Fraun-Nägel sind es nicht.

   Walter

     Glaubs. Auch ein Vorteil noch der Hagestolzen.

   Adamfortlachend.

     Strauchwerk, für Seidenwürmer, das man trocknend
     Mir an dem Ofenwinkel aufgesetzt. —
     Auf Euer Wohlergehn!

   Sie trinken.
   Walter

     Und grad auch heut
     Noch die Perücke seltsam einzubüßen!
     Die hätt Euch Eure Wunden noch bedeckt.

   Adam

     Ja, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling.
     Hier – von dem fetten jetzt – kann ich —?

   Walter

     Ein Stückchen.
     Aus Limburg?

   Adam

     Rect’ aus Limburg, gnäd’ger Herr.

   Walter

     —Wie Teufel aber, sagt mir, ging das zu?

   Adam

     Was?

   Walter

     Daß Ihr die Perücke eingebüßt.

   Adam

     Ja, seht. Ich sitz und lese gestern abend
     Ein Aktenstück, und weil ich mir die Brille
     Verlegt, duck ich so tief mich in den Streit,
     Daß bei der Kerze Flamme lichterloh
     Mir die Perücke angeht. Ich, ich denke,
     Feur fällt vom Himmel auf mein sündig Haupt,
     Und greife sie, und will sie von mir werfen;
     Doch eh ich noch das Nackenband gelöst,
     Brennt sie wie Sodom und Gomorrha schon.
     Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette.

   Walter

     Verwünscht! Und Eure andr ist in der Stadt?

   Adam

     Bei dem Perückenmacher. – Doch zur Sache.

   Walter

     Nicht allzu rasch, ich bitt, Herr Richter Adam.

   Adam

     Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen. Hier.

   Er schenkt ein.
   Walter

     Der Lebrecht – wenn der Kauz dort wahr gesprochen
     Er auch hat einen bösen Fall getan.

   Adam

     Auf meine Ehr.

   Er trinkt.
   Walter

     Wenn hier die Sache,
     Wie ich fast fürchte, unentworren bleibt,
     So werdet Ihr, in Eurem Ort, den Täter
     Leicht noch aus seiner Wund entdecken können.

   Er trinkt.

     Niersteiner?

   Adam

     Was?

   Walter

     Oder guter Oppenheimer?

   Adam

     Nierstein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr verstehts.
     Aus Nierstein, gnäd’ger Herr, als hätt ich ihn geholt.

   Walter

     Ich prüft ihn, vor drei Jahren, an der Kelter.

   Adam schenkt wieder ein.

     – Wie hoch ist Euer Fenster? – Dort! Frau Marthe!

   Frau Marthe

     Mein Fenster?

   Walter

     Das Fenster jener Kammer, ja,
     Worin die Jungfer schläft?

   Frau Marthe

     Die Kammer zwar
     Ist nur vom ersten Stock, ein Keller drunter,
     Mehr als neun Fuß das Fenster nicht vom Boden;
     Jedoch die ganze, wohlerwogene
     Gelegenheit sehr ungeschickt zum Springen.
     Denn auf zwei Fuß steht von der Wand ein Weinstock,
     Der seine knot’gen Äste rankend hin
     Durch ein Spalier treibt, längs der ganzen Wand:
     Das Fenster selbst ist noch davon umstrickt.
     Es würd ein Eber, ein gewaffneter,
     Müh mit den Fängern haben, durchzubrechen.

   Adam

     Es hing auch keiner drin.

   Er schenkt sich ein.
   Walter

     Meint Ihr?

   Adam

     Ach, geht!

   Er trinkt.
   Walterzu Ruprecht.

     Wie traf Er denn den Sünder? Auf den Kopf,

   Adam

     Hier.

   Walter

     Laßt.

   Adam

     Gebt her.

   Walter

     ‘s ist halb noch voll.

   Adam

     Wills füllen.

   Walter

     Ihr hörts.

   Adam

     Ei, für die gute Zahl.

   Walter

     Ich bitt Euch.

   Adam

     Ach, was! Nach der Pythagoräeer-Regel.

   Er schenkt ihm ein.
   Walterwieder zu Ruprecht.

     Wie oft traf Er dem Sünder denn den Kopf?

   Adam

     Eins ist der Herr; Zwei ist das finstre Chaos;
     Drei ist die Welt. Drei Gläser lob ich mir.
     Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen,
     Und Firmamente mit den übrigen.

   Walter

     Wie oftmals auf den Kopf traf Er den Sünder?
     Er, Ruprecht, Ihn dort frag ich!

   Adam

     Wird mans hören?
     Wie oft trafst du den Sündenbock? Na, heraus!
     Gotts Blitz, seht, weiß der Kerl wohl selbst, ob er —
     Vergaßt du’s?

   Ruprecht

     Mit der Klinke?

   Adam

     Ja, was weiß ich.

   Walter

     Vom Fenster, als Er nach ihm herunter hieb?

   Ruprecht

     Zweimal, Ihr Herrn.

   Adam

     Halunke! Das behielt er!

   Er trinkt.
   Walter

     Zweimal! Er konnt ihn mit zwei solchen Hieben
     Erschlagen, weiß er —?

   Ruprecht

     Hätt ich ihn erschlagen,
     So hätt ich ihn. Es wär mir grade recht.
     Läg er hier vor mir, tot, so könnt ich sagen,
     Der wars, Ihr Herrn, ich hab Euch nicht belogen.

   Adam

     Ja, tot! Das glaub ich. Aber so —

   Er schenkt ein.
   Walter

     Konnt Er ihn denn im Dunkeln nicht erkennen?

   Ruprecht

     Nicht einen Stich, gestrenger Herr. Wie sollt ich?

   Adam

     Warum sperrtst du nicht die Augen auf? – Stoßt an!

   Ruprecht

     Die Augen auf! Ich hatt sie aufgesperrt.
     Der Satan warf sie mir voll Sand.

   Adamin den Bart.

     Voll Sand, ja!
     Warum sperrtst du deine großen Augen auf?
     – Hier. Was wir lieben, gnäd’ger Herr! Stoßt an!

   Walter

     – Was recht und gut und treu ist, Richter Adam!

   Sie trinken.
   Adam

     Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefällig ist.

   Er schenkt ein.
   Walter

     Ihr seid zuweilen bei Frau Marthe wohl,
     Herr Richter Adam. Sagt mir doch,
     Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein?

   Adam

     Nicht allzu oft, gestrenger Herr, verzeiht.
     Wer aus und ein geht, kann ich Euch nicht sagen.

   Walter

     Wie? Solltet Ihr die Witwe nicht zuweilen
     Von Eurem sel’gen Freund besuchen?

   Adam

     Nein, in der Tat, sehr selten nur.

   Walter

     Frau Marthe!
     Habt Ihrs mit Richter Adam hier verdorben?
     Er sagt, er spräche nicht mehr bei Euch ein?

   Frau Marthe

     Hm! Gnäd’ger Herr, verdorben? Das just nicht.
     Ich denk, er nennt mein guter Freund sich noch.
     Doch daß ich oft in meinem Haus ihn sähe,
     Das vom Herrn Vetter kann ich just nicht rühmen.
     Neun Wochen sinds, daß ers zuletzt betrat,
     Und auch nur da noch im Vorübergehn.

   Walter

     Wie sagt Ihr?

   Frau Marthe

     Was?

   Walter

     Neun Wochen wärens —?

   Frau Marthe

     Neun,
     Ja – Donnerstag sinds zehn. Er bat sich Samen
     Bei mir, von Nelken und Aurikeln, aus.

   Walter

     Und – Sonntags – wenn er auf das Vorwerk geht —?

   Frau Marthe

     Ja, da – da guckt er mir ins Fenster wohl,
     Und saget guten Tag zu mir und meiner Tochter;
     Doch dann so geht er wieder seiner Wege.

   Walterfür sich.

     Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl —

   Er trinkt.

     Ich glaubte,
     Weil Ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen
     In Eurer Wirtschaft braucht, so würdet Ihr
     Zum Dank die Mutter dann und wann besuchen.

   Adam

     Wieso, gestrenger Herr?

   Walter

     Wieso? Ihr sagtet,
     Die Jungfer helfe Euren Hühnern auf,
     Die Euch im Hof erkranken. Hat sie nicht
     Noch heut in dieser Sach Euch Rat erteilt?

   Frau Marthe

     Ja, allerdings, gestrenger Herr, das tut sie.
     Vorgestern schickt’ er ihr ein krankes Perlhuhn
     Ins Haus, das schon den Tod im Leibe hatte.
     Vorm Jahr rettete sie ihm eins vom Pips,
     Und dies auch wird sie mit der Nudel heilen:
     Jedoch zum Dank ist er noch nicht erschienen.

   Walterverwirrt.

     – Schenkt ein, Herr Richter Adam, seid so gut.
     Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken.

   Adam

     Zu Eurem Dienst. Ihr macht mich glücklich. Hier.

   Er schenkt ein.
   Walter

     Auf Euer Wohlergehn! – Der Richter Adam,
     Er wird früh oder spät schon kommen.

   Frau Marthe

     Meint Ihr? Ich zweifle.
     Könnt ich Niersteiner, solchen, wie Ihr trinkt,
     Und wie mein sel’ger Mann, der Kastellan,
     Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte,
     Vorsetzen dem Herrn Vetter, wärs was anders:
     Doch so besitz ich nichts, ich arme Witwe,
     In meinem Hause, das ihn lockt.

   Walter

     Um so viel besser.



   Elfter Auftritt

   Licht, Frau Brigitte mit einer Perücke in der Hand, die Mägde treten auf. Die Vorigen.
   Licht

     Hier, Frau Brigitt, herein.

   Walter

     Ist das die Frau, Herr Schreiber Licht?

   Licht

     Das ist die Frau Brigitte, Ew. Gnaden.

   Walter

     Nun denn, so laßt die Sach uns jetzt beschließen.
     Nehmt ab, ihr Mägde. Hier.

   Die Mägde mit Gläsern usw. ab.
   Adamwährenddessen.

     Nun, Evchen, höre,
     Dreh du mir deine Pille ordentlich,
     Wie sichs gehört, so sprech ich heute abend
     Auf ein Gericht Karauschen bei euch ein.
     Dem Luder muß sie ganz jetzt durch die Gurgel,
     Ist sie zu groß, so mags den Tod dran fressen.

   Waltererblickt die Perücke.

     Was bringt uns Frau Brigitte dort für eine
     Perücke?

   Licht

     Gnäd’ger Herr?

   Walter

     Was jene Frau uns dort für eine
     Perücke bringt?

   Licht

     Hm!

   Walter

     Was?

   Licht

     Verzeiht —

   Walter

     Werd ichs erfahren?

   Licht

     Wenn Ew. Gnaden gütigst
     Die Frau, durch den Herrn Richter, fragen wollen,
     So wird, wem die Perücke angehört,
     Sich, und das Weitre, zweifl ich nicht, ergeben.

   Walter

     – Ich will nicht wissen, wem sie angehört.
     Wie kam die Frau dazu? Wo fand sie sie?

   Licht

     Die Frau fand die Perücke im Spalier
     Bei Frau Margrete Rull. Sie hing gespießt,
     Gleich einem Nest, im Kreuzgeflecht des Weinstocks,
     Dicht unterm Fenster, wo die Jungfer schläft.

   Frau Marthe

     Was? Bei mir? Im Spalier?

   Walterheimlich.

     Herr Richter Adam,
     Habt Ihr mir etwas zu vertraun,
     So bitt ich, um die Ehre des Gerichtes,
     Ihr seid so gut, und sagt mirs an.

   Adam

     Ich Euch —?

   Walter

     Nicht? Habt Ihr nicht —?

   Adam

     Auf meine Ehre —

   Er ergreift die Perücke.
   Walter

     Hier die Perücke ist die Eure nicht?

   Adam

     Hier die Perück, ihr Herren, ist die meine!
     Das ist, Blitz-Element, die nämliche,
     Die ich dem Burschen vor acht Tagen gab,
     Nach Utrecht sie zum Meister Mehl zu bringen.

   Walter

     Wem? Was?

   Licht

     Dem Ruprecht?

   Ruprecht

     Mir?

   Adam

     Hab ich Ihm, Schlingel,
     Als Er nach Utrecht vor acht Tagen ging,
     Nicht die Perück hier anvertraut, sie zum
     Friseur, daß er sie renoviere, hinzutragen?

   Ruprecht

     Ob Er —? Nun ja. Er gab mir —

   Adam

     Warum hat er
     Nicht die Perück, Halunke, abgegeben?
     Warum nicht hat Er sie, wie ich befohlen,
     Beim Meister in der Werkstatt abgegeben?

   Ruprecht

     Warum ich sie —? Gotts Himmel-Donner-Schlag!
     Ich hab sie in der Werkstatt abgegeben.
     Der Meister Mehl nahm sie —

   Adam

     Sie abgegeben?
     Und jetzt hängt sie im Weinspalier bei Marthens?
     O wart, Canaille! So entkommst du nicht.
     Dahinter steckt mir von Verkappung was,
     Und Meuterei, was weiß ich? – Wollt Ihr erlauben,
     Daß ich sogleich die Frau nur inquiriere?

   Walter

     Ihr hättet die Perücke —?

   Adam

     Gnäd’ger Herr,
     Als jener Bursche dort, vergangnen Dienstag,
     Nach Utrecht fuhr mit seines Vaters Ochsen,
     Kam er ins Amt, und sprach: »Herr Richter Adam,
     Habt Ihr im Städtlein etwas zu bestellen?«
     Mein Sohn, sag ich, wenn du so gut willst sein,
     So laß mir die Perück hier auftoupieren —
     Nicht aber sagt ich ihm: geh und bewahre
     Sie bei dir auf, verkappe dich darin,
     Und laß sie im Spalier bei Marthens hängen.

   Frau Brigitte

     Ihr Herrn, der Ruprecht, mein’ ich, halt zu Gnaden,
     Der wars wohl nicht. Denn da ich gestern nacht
     Hinaus aufs Vorwerk geh, zu meiner Muhme,
     Die schwer im Kindbett liegt, hört ich die Jungfer
     Gedämpft, im Garten hinten, jemand schelten:
     Wut scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben.
     »Pfui, schäm Er sich, Er Niederträchtiger,
     Was macht Er? Fort! Ich werd die Mutter rufen«;
     Als ob die Spanier im Lande wären.
     Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf ich.
     Was hast du? Was auch gibts? – Und still wird es:
     Nun? Wirst du antworten? – »Was wollt Ihr, Muhme?«
     Was hast du vor? frag ich. – »Was werd ich haben?«
     Ist es der Ruprecht? – »Ei so ja, der Ruprecht.
     Geht Euren Weg doch nur.« – So koch dir Tee.
     Das liebt sich, denk ich, wie sich andre zanken.

   Frau Marthe

     Mithin —?

   Ruprecht

     Mithin —?

   Walter

     Schweigt! Laßt die Frau vollenden.

   Frau Brigitte

     Da ich vom Vorwerk nun zurückekehre,
     Zur Zeit der Mitternacht etwa, und just,
     Im Lindengang, bei Marthens Garten bin,
     Huscht Euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlköpfig,
     Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm
     Erstinkts wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel.
     Ich sprech ein Gottseibeiuns aus, und drehe
     Entsetzensvoll mich um, und seh, mein Seel,
     Die Glatz, Ihr Herren, im Verschwinden noch,
     Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten.

   Ruprecht

     Was! Himmel – Tausend

   Frau Marthe

     Ist Sie toll, Frau Briggy?

   Ruprecht

     Der Teufel, meint Sie, wärs —?

   Licht

     Still! Still!

   Frau Brigitte

     Mein Seel!
     Ich weiß, was ich gesehen und gerochen.

   Walterungeduldig.

     Frau, obs der Teufel war, will ich nicht untersuchen,
     Ihn aber, ihn denunziert man nicht.
     Kann Sie von einem andern melden, gut:
     Doch mit dem Sünder da verschont Sie uns.

   Licht

     Wollen Ew. Gnaden sie vollenden lassen.

   Walter

     Blödsinnig Volk, das!

   Frau Brigitte

     Gut, wie Ihr befehlt.
     Doch der Herr Schreiber Licht sind mir ein Zeuge.

   Walter

     Wie? Ihr ein Zeuge?

   Licht

     Gewissermaßen, ja.

   Walter

     Fürwahr, ich weiß nicht —

   Licht

     Bitte ganz submiß,
     Die Frau in dem Berichte nicht zu stören.
     Daß es der Teufel war, behaupt ich nicht;
     Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze
     Und hinten Dampf, wenn ich nicht sehr mich irre,
     Hat seine völl’ge Richtigkeit! – Fahrt fort!

   Frau Brigitte

     Da ich nun mit Erstaunen heut vernehme,
     Was bei Frau Marthe Rull geschehn, und ich,
     Den Krugzertrümmerer auszuspionieren,
     Der mir zu Nacht begegnet’ am Spalier,
     Den Platz, wo er gesprungen, untersuche,
     Find ich im Schnee, Ihr Herrn, Euch eine Spur —
     Was find ich euch für eine Spur im Schnee?
     Rechts fein und scharf und nett gekantet immer,
     Ein ordentlicher Menschenfuß,
     Und links unförmig grobhin eingetölpelt
     Ein ungeheurer klotz’ger Pferdefuß.

   Walterärgerlich.

     Geschwätz, wahnsinniges, verdammenswürd’ges

   Veit

     Es ist nicht möglich, Frau!

   Frau Brigitte

     Bei meiner Treu!
     Erst am Spalier, da, wo der Sprung geschehen,
     Seht, einen weiten, schneezerwühlten Kreis,
     Als ob sich eine Sau darin gewälzt;
     Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier,
     Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß,
     Quer durch den Garten, bis in alle Welt.

   Adam

     Verflucht! – Hat sich der Schelm vielleicht erlaubt,
     Verkappt des Teufels Art —?

   Ruprecht

     Was! Ich!

   Licht

     Schweigt! Schweigt!

   Frau Brigitte

     Wer einen Dachs sucht und die Fährt entdeckt,
     Der Weidmann, triumphiert nicht so, als ich.
     Herr Schreiber Licht, sag ich, denn eben seh ich,
     Von Euch geschickt, den Würd’gen zu mir treten,
     Herr Schreiber Licht, spart Eure Session,
     Den Krugzertrümmrer judiziert Ihr nicht,
     Der sitzt nicht schlechter Euch, als in der Hölle:
     Hier ist die Spur, die er gegangen ist.

   Walter

     So habt Ihr selbst Euch überzeugt?

   Licht

     Ew. Gnaden,
     Mit dieser Spur hats völl’ge Richtigkeit.

   Walter

     Ein Pferdefuß?

   Licht

     Fuß eines Menschen, bitte,
     Doch praeter propter wie ein Pferdehuf.

   Adam

     Mein Seel, Ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft.
     Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,
     Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen;
     Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß,
     Kein Atheist noch bündig wegbewiesen.
     Der Fall, der vorliegt, scheint besonderer
     Erörterung wert. Ich trage darauf an,
     Bevor wir ein Konklusum fassen,
     Im Haag bei der Synode anzufragen,
     Ob das Gericht befugt sei, anzunehmen,
     Daß Belzebub den Krug zerbrochen hat.

   Walter

     Ein Antrag, wie ich ihn von Euch erwartet.
     Was wohl meint Ihr, Herr Schreiber?

   Licht

     Ew. Gnaden werden
     Nicht die Synode brauchen, um zu urteiln.
     Vollendet – mit Erlaubnis! – den Bericht,
     Ihr, Frau Brigitte, dort; so wird der Fall
     Aus der Verbindung, hoff ich, klar konstieren.

   Frau Brigitte

     Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag ich, laßt uns
     Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn,
     Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein.
     »Gut«, sagt er, »Frau Brigitt, ein guter Einfall;
     Vielleicht gehn wir uns nicht weit um,
     Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn.«

   Walter

     Nun? Und jetzt fand sich —?

   Frau Brigitte

     Zuerst jetzt finden wir
     Jenseits des Gartens, in dem Lindengange,
     Den Platz, wo, Schwefeldämpfe von sich lassend,
     Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis,
     Wie scheu ein Hund etwa zur Seite weicht,
     Wenn sich die Katze prustend vor ihm setzt.

   Walter

     Drauf weiter?

   Frau Brigitte

     Nicht weit davon jetzt steht ein Denkmal seiner,
     An einem Baum, daß ich davor erschrecke.

   Walter

     Ein Denkmal? Wie?

   Frau Brigitte

     Wie? ja, da werdet Ihr —

   Adamfür sich.

     Verflucht, mein Unterleib.

   Licht

     Vorüber, bitte,
     Vorüber, hier, ich bitte, Frau Brigitte.

   Walter

     Wohin die Spur Euch führte, will ich wissen!

   Frau Brigitte

     Wohin? Mein Treu, den nächsten Weg zu Euch,
     Just wie Herr Schreiber Licht gesagt.

   Walter

     Zu uns? Hierher?

   Frau Brigitte

     Vom Lindengange, ja,
     Aufs Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang,
     Den Steg, quer übern Gottesacker dann,
     Hier, sag ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam.

   Walter

     Zum Herrn Dorfrichter Adam?

   Adam

     Hier zu mir?

   Frau Brigitte

     Zu Euch, ja.

   Ruprecht

     Wird doch der Teufel nicht
     In dem Gerichtshof wohnen?

   Frau Brigitte

     Mein Treu, ich weiß nicht,
     Ob er in diesem Hause wohnt; doch hier,
     Ich bin nicht ehrlich, ist er abgestiegen:
     Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle.

   Adam

     Sollt er vielleicht hier durchpassiert —?

   Frau Brigitte

     Ja, oder durchpassiert. Kann sein. Auch das.
     Die Spur vornaus —

   Walter

     War eine Spur vornaus?

   Licht

     Vornaus, verzeihn Ew. Gnaden, keine Spur.

   Frau Brigitte

     Ja, vornaus war der Weg zertreten.

   Adam

     Zertreten. Durchpassiert. Ich bin ein Schuft.
     Der Kerl, paßt auf, hat den Gesetzen hier
     Was angehängt. Ich will nicht ehrlich sein,
     Wenn es nicht stinkt in der Registratur.
     Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,
     Verwirrt befunden werden sollten,
     Auf meine Ehr, ich stehe für nichts ein.

   Walter

     Ich auch nicht.

   Für sich.

     Hm! Ich weiß nicht, wars der Linke,
     War es der Rechte? Seiner Füße einer —
     Herr Richter! Eure Dose! – Seid so gefällig.

   Adam

     Die Dose?

   Walter

     Die Dose. Gebt! Hier!

   Adamzu Licht.

     Bringt dem Herrn Gerichtsrat.

   Walter

     Wozu die Umständ? Einen Schritt gebrauchts.

   Adam

     Es ist schon abgemacht. Gebt Sr. Gnaden.

   Walter

     Ich hätt Euch was ins Ohr gesagt.

   Adam

     Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit —

   Walter

     Auch gut.

   Nachdem sich Licht wieder gesetzt.

     Sagt doch, Ihr Herrn, ist jemand hier im Orte,
     Der mißgeschaffne Füße hat?

   Licht

     Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum —

   Walter

     So? Wer?

   Licht

     Wollen Ew. Gnaden den Herrn Richter fragen —

   Walter

     Den Herrn Richter Adam?

   Adam

     Ich weiß von nichts.
     Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huisum,
     Soviel ich weiß, ist alles grad gewachsen.

   Walterzu Licht.

     Nun? Wen hier meint Ihr?

   Frau Marthe

     Laß Er doch seine Füße draußen!
     Was steckt Er untern Tisch verstört sie hin,
     Daß man fast meint, Er wär die Spur gegangen.

   Walter

     Wer? Der Herr Richter Adam?

   Adam

     Ich? Die Spur?
     Bin ich der Teufel? Ist das ein Pferdefuß?

   Er zeigt seinen linken Fuß.
   Walter

     Auf meine Ehr. Der Fuß ist gut.

   Heimlich.

     Macht jetzt mit der Session sogleich ein Ende.

   Adam

     Ein Fuß, wenn den der Teufel hätt,
     So könnt er auf die Bälle gehn und tanzen.

   Frau Marthe

     Das sag ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter —

   Adam

     Ach, was! Ich!

   Walter

     Macht, sag ich, gleich ein Ende.

   Frau Brigitte

     Den einz’gen Skrupel nur, Ihr würd’gen Herrn,
     Macht, dünkt mich, dieser feierliche Schmuck!

   Adam

     Was für ein feierlicher —?

   Frau Brigitte

     Hier, die Perücke!
     Wer sah den Teufel je in solcher Tracht?
     Ein Bau, getürmter, strotzender von Talg,
     Als eines Domdechanten auf der Kanzel!

   Adam

     Wir wissen hier zu Land nur unvollkommen,
     Was in der Hölle Mod ist, Frau Brigitte!
     Man sagt, gewöhnlich trägt er eignes Haar.
     Doch auf der Erde, bin ich überzeugt,
     Wirft er in die Perücke sich, um sich
     Den Honoratioren beizumischen.

   Walter

     Nichtswürd’ger! Wert, vor allem Volk ihn schmachvoll
     Vom Tribunal zu jagen! Was Euch schützt,
     Ist einzig nur die Ehre des Gerichts.
     Schließt Eure Session!

   Adam

     Ich will nicht hoffen —

   Walter

     Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht Euch aus der Sache.

   Adam

     Glaubt Ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern,
     Im Weinstock die Perücke eingebüßt?

   Walter

     Behüte Gott! Die Eur ist ja im Feuer,
     Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen.

   Licht

     Vielmehr vergebt mir, gnäd’ger Herr! die Katze
     Hat gestern in die seinige gejungt.

   Adam

     Ihr Herrn, wenn hier der Anschein mich verdammt:
     Ihr übereilt Euch nicht, bitt ich. Es gilt
     Mir Ehre oder Prostitution.
     Solang die Jungfer schweigt, begreif ich nicht,
     Mit welchem Recht ihr mich beschuldiget.
     Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz ich,
     Und lege die Perücke auf den Tisch:
     Den, der behauptet, daß sie mein gehört,
     Fordr ich vors Oberlandgericht in Utrecht.

   Licht

     Hm! Die Perücke paßt Euch doch, mein Seel,
     Als wär auf Euren Scheiteln sie gewachsen.

   Er setzt sie auf.
   Adam

     Verleumdung!

   Licht

     Nicht?

   Adam

     Als Mantel um die Schultern
     Mir noch zu weit, wieviel mehr um den Kopf.

   Er besieht sich im Spiegel.
   Ruprecht

     Ei, solch ein Donnerwetter-Kerl!

   Walter

     Still, Er!

   Frau Marthe

     Ei, solch ein blitz-verfluchter Richter, das!

   Walter

     Noch einmal, wollt Ihr gleich, soll ich die Sache enden?

   Adam

     Ja, was befehlt Ihr?

   Ruprechtzu Eve.

     Eve, sprich, ist ers?

   Walter

     Was untersteht der Unverschämte sich?

   Veit

     Schweig du, sag ich.

   Adam

     Wart, Bestie! Dich fass’ ich.

   Ruprecht

     Ei, du Blitz-Pferdefuß!

   Walter

     Heda! Der Büttel!

   Veit

     Halts Maul, sag ich.

   Ruprecht

     Wart! Heute reich ich dich.
     Heut streust du keinen Sand mir in die Augen.

   Walter

     Habt Ihr nicht soviel Witz, Herr Richter —?

   Adam

     Ja, wenn Ew. Gnaden
     Erlauben, fäll ich jetzo die Sentenz.

   Walter

     Gut. Tut das. Fällt sie.

   Adam

     Die Sache jetzt konstiert,
     Und Ruprecht dort, der Racker, ist der Täter.

   Walter

     Auch gut das. Weiter.

   Adam

     Den Hals erkenn ich
     Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich
     Sich gegen seinen Richter hat betragen,
     Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängnis.
     Wie lange, werd ich noch bestimmen.

   Eve

     Den Ruprecht —?

   Ruprecht

     Ins Gefängnis mich?

   Eve

     Ins Eisen?

   Walter

     Spart eure Sorgen, Kinder. – Seid Ihr fertig?

   Adam

     Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht.

   Walter

     Gut denn. Geschlossen ist die Session.
     Und Ruprecht appelliert an die Instanz zu Utrecht.

   Eve

     Er soll, er, erst nach Utrecht appellieren?

   Ruprecht

     Was? Ich —?

   Walter

     Zum Henker, ja! Und bis dahin —

   Eve

     Und bis dahin —?

   Ruprecht

     In das Gefängnis gehn?

   Eve

     Den Hals ins Eisen stecken? Seid Ihr auch Richter?
     Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt,
     Er selber wars —

   Walter

     Du hörsts, zum Teufel! Schweig!
     Ihm bis dahin krümmt sich kein Haar —

   Eve

     Auf, Ruprecht!
     Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!

   Ruprecht

     Ei, wart, du!

   Frau Marthe

     Er?

   Frau Brigitte

     Der dort?

   Eve

     Er, ja! Auf, Ruprecht!
     Er war bei deiner Eve gestern!
     Auf! Fass’ ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willst.

   Waltersteht auf.

     Halt dort! Wer hier Unordnungen —

   Eve

     Gleichviel!
     Das Eisen ist verdient, geh, Ruprecht!
     Geh, schmeiß ihn von dem Tribunal herunter.

   Adam

     Verzeiht, Ihr Herrn.

   Läuft weg.
   Eve

     Hier! Auf!

   Ruprecht

     Halt ihn!

   Eve

     Geschwind!

   Adam

     Was?

   Ruprecht

     Blitz-Hinketeufel!

   Eve

     Hast du ihn?

   Ruprecht

     Gotts Schlag und Wetter!
     Es ist sein Mantel bloß!

   Walter

     Fort! Ruft den Büttel!

   Ruprechtschlägt den Mantel.

     Ratz! Das ist eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch eins.
     Und noch eins! In Ermangelung des Buckels.

   Walter

     Er ungezogner Mensch! – Schafft hier mir Ordnung!
     – An Ihm, wenn Er sogleich nicht ruhig ist,
     Ihm wird der Spruch vom Eisen heut noch wahr.

   Veit

     Sei ruhig, du vertrackter Schlingel!



   Zwölfter Auftritt

   Die Vorigen ohne Adam. – Sie begeben sich alle in den Vordergrund der Bühne.
   Ruprecht

     Ei, Evchen!
     Wie hab ich heute schändlich dich beleidigt!
     Ei, Gotts Blitz, alle Wetter; und wie gestern!
     Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut!
     Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?

   Evewirft sich dem Gerichtsrat zu Füßen.

     Herr! Wenn Ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!

   Walter

     Verloren? Warum das?

   Ruprecht

     Herr Gott! Was gibts?

   Eve

     Errettet Ruprecht von der Konskription!
     Denn diese Konskription – der Richter Adam
     Hat mirs als ein Geheimnis anvertraut —
     Geht nach Ostindien; und von dort, Ihr wißt,
     Kehrt von drei Männern Einer nur zurück!

   Walter

     Was! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen?

   Eve

     Nach Bantam, gnäd’ger Herr; verleugnets nicht!
     Hier ist der Brief, die stille heimliche
     Instruktion, die Landmiliz betreffend,
     Die die Regierung jüngst deshalb erließ:
     Ihr seht, ich bin von allem unterrichtet.

   Walternimmt den Brief und liest ihn.

     O unerhört-arglistiger Betrug! —
     Der Brief ist falsch!

   Eve

     Falsch?

   Walter

     Falsch, so wahr ich lebe!
     Herr Schreiber Licht, sagt selbst, ist das die Ordre,
     Die man aus Utrecht jüngst an euch erließ?

   Licht

     Die Ordre! Was! Der Sünder, der! Ein Wisch,
     Den er mit eignen Händen aufgesetzt! —
     Die Truppen, die man anwarb, sind bestimmt
     Zum Dienst im Landesinneren; kein Mensch
     Denkt dran, sie nach Ostindien zu schicken!

   Eve

     Nein, nimmermehr, Ihr Herrn?

   Walter

     Bei meiner Ehre!
     Und zum Beweise meines Worts: den Ruprecht,
     Wärs so, wie du mir sagst: ich kauf ihn frei!

   Evesteht auf.

     O Himmel! Wie belog der Böswicht mich!
     Denn mit der schrecklichen Besorgnis eben
     Quält’ er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,
     Mir ein Attest für Ruprecht aufzudrängen;
     Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugnis
     Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte;
     Erklärte und versicherte und schlich,
     Um es mir auszufert’gen, in mein Zimmer:
     So Schändliches, Ihr Herren, von mir fordernd,
     Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen!

   Frau Brigitte

     Ei, der nichtswürdig-schändliche Betrüger!

   Ruprecht

     Laß, laß den Pferdehuf, mein süßes Kind!
     Sieh, hätt ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert,
     Ich wär so eifersüchtig just, als jetzt!

   Sie küssen sich.
   Veit

     Das sag ich auch! Küßt und versöhnt und liebt euch;
     Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!

   Lichtam Fenster.

     Seht, wie der Richter Adam, bitt ich euch,
     Berg auf, Berg ab, als flöh er Rad und Galgen,
     Das aufgepflügte Winterfeld durchstampft!

   Walter

     Was? Ist das Richter Adam?

   Licht

     Allerdings!

   Mehrere

     Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! seht!
     Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht!

   Walter

     Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück!
     Daß er nicht Übel rettend ärger mache.
     Von seinem Amt zwar ist er suspendiert,
     Und Euch bestell ich, bis auf weitere
     Verfügung, hier im Ort es zu verwalten;
     Doch sind die Kassen richtig, wie ich hoffe,
     Zur Desertion ihn zwingen will ich nicht.
     Fort! Tut mir den Gefallen, holt ihn wieder!

   Licht ab.


   Letzter Auftritt

   Die Vorigen ohne Licht.
   Frau Marthe

     Sagt doch, gestrenger Herr, wo find ich auch
     Den Sitz in Utrecht der Regierung?

   Walter

     Weshalb, Frau Marthe?

   Frau Martheempfindlich.

     Hm! Weshalb? Ich weiß nicht —
     Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

   Walter

     Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
     Am Dienstag ist und Freitag Session.

   Frau Marthe

     Gut! Auf die Woche stell ich dort mich ein.

   Alle ab.
   Ende