Электронная библиотека » Эрнст Гофман » » онлайн чтение - страница 17


  • Текст добавлен: 6 сентября 2024, 09:21


Автор книги: Эрнст Гофман


Жанр: Зарубежная классика, Зарубежная литература


Возрастные ограничения: +6

сообщить о неприемлемом содержимом

Текущая страница: 17 (всего у книги 54 страниц) [доступный отрывок для чтения: 18 страниц]

Шрифт:
- 100% +
 
Pfot' in Pfot' und Brust an Brust
Soll uns nichts verdüstern
Katzbursch sein ist uns're Lust,
Trotzen Katzphilistern!
Chor. Ecce quam etc. etc.
 

Meine Variation fand den lautesten, unerhörtesten Beifall. Die hochherzigen Jungen stürmten jubelnd auf mich ein, umpfoteten mich, drückten mich an ihre klopfende Brust. Auch hier erkannte man also den hohen Genius in meinem Innern. Es war einer der schönsten Augenblicke meines Lebens. Nun wurde noch manchen großen, berühmten Katern, vorzüglich solchen, die ihrer Größe und Berühmtheit unerachtet sich von aller und jeder Philisterei entfernt gehalten und dies bewiesen hatten durch Wort und Tat, ein feuriges Lebehoch gebracht! und dann schieden wir auseinander.

Der Punsch war mir doch etwas zu Kopfe gestiegen, die Dächer schienen sich zu drehen, kaum vermochte ich mittels des Schweifes, den ich als Balancierstange benutzte, mich aufrecht zu erhalten. Der treue Muzius, meinen Zustand bemerkend, nahm sich meiner an, und brachte mich glücklich durch die Dachluke nach Hause.

Wüst im Kopfe, wie ich mich noch niemals gefühlt, konnte ich lange nicht —



(Mak. Bl.) »– ebensogut gewußt, als die scharfsinnige Frau Benzon, aber daß ich gerade heute, eben jetzt von Dir Nachricht erhalten sollte, Du treue Seele, das hat mein Herz nicht geahnt. «So sprach Meister Abraham, verschloß den Brief, den er erhalten, und in dessen Aufschrift er mit freudiger Überraschung Kreislers Hand erkannt hatte, ohne ihn zu öffnen, in den Schubkasten seines Schreibtisches und ging hinaus in den Park. – Meister Abraham hatte schon seit vielen Jahren die Gewohnheit, Briefe, die er erhielt, Stunden, ja oft Tage lang uneröffnet liegen zu lassen.»Ist der Inhalt gleichgültig«, sprach er,»so kommt es auf den Verzug nicht an, enthält der Brief eine böse Nachricht, so gewinn' ich noch einige frohe, oder wenigstens ungetrübte Stunden; steht eine Freudenpost darin, so kann ein gesetzter Mann wohl es abwarten, daß die Freude ihm über den Hals komme.»Diese Gewohnheit des Meisters ist zu verwerfen, denn einmal ist solch ein Mensch, der Briefe liegen läßt, ganz untauglich zum Kaufmann, zum politischen oder literarischen Zeitungsschreiber, dann leuchtet es aber auch ein, wie manches Unheil sich sonst noch bei Personen, die weder Kaufleute sind noch Zeitungsschreiber, daraus erzeugen kann. – Was gegenwärtigen Biographen betrifft, so glaubt er ganz und gar nicht an Abrahams stoischen Gleichmut, sondern rechnet jene Gewohnheit vielmehr einer gewissen ängstlichen Scheu zu, das Geheimnis eines verschlossenen Briefes zu entfalten. – Es ist eine ganz eigene Lust, Briefe zu empfangen, und darum sind uns die Personen besonders angenehm, die zunächst uns diese Lust verschaffen, nämlich: die Briefträger, wie schon irgendwo ein geistreicher Schriftsteller bemerkt hat. Dies mag eine anmutige Selbstmystifikation genannt werden. Der Biograph erinnert sich, daß, als er einst auf der Universität mit dem sehnlichsten Schmerz, lange vergebens auf einen Brief von einer geliebten Person gewartet hatte, er den Briefträger mit Tränen im Auge bat, ihm doch recht bald einen Brief aus der Vaterstadt zu bringen, er solle auch dafür ein namhaftes Trinkgeld erhalten. Der Kerl versprach, was von ihm verlangt wurde, mit pfiffiger Miene, brachte den Brief, der in der Tat nach wenigen Tagen einging, triumphierend, als habe es nur an ihm gelegen, Wort zu halten, und strich das versprochene Trinkgeld ein. – Doch weiß der Biograph, der eben vielleicht selbst gewissen Selbstmystifikationen zu sehr Raum gibt – doch weiß er nicht, ob Du, geliebter Leser, mit ihm gleichen Sinnes, mit jener Lust eine seltsame Angst fühlest, die Dir, indem Du den erhaltenen Brief öffnen willst, Herzklopfen verursacht, selbst wenn es kaum möglich, daß der Brief Wichtiges für Dein Leben enthalten sollte. – Mag es sein, daß dasselbe die Brust beengende Gefühl, mit dem wir in die Nacht der Zukunft schauen, auch hier sich regt, und daß eben deshalb, weil ein leichter Druck der Finger hinreicht, das Verborgene zu enthüllen, der Moment auf einer Spitze steht, die uns beunruhigt. Und! – wie viele schöne Hoffnungen zerbrachen schon mit dem verhängnisvollen Siegel, und die lieblichen Traumbilder, die aus unserm eigenen Innern gestaltet, unsere brünstige Sehnsucht selbst schienen, zerrannen in nichts und das kleine Blättchen war der Zauberfluch, vor dem der Blumengarten, in dem wir zu wandeln gedachten, verdorrte, und das Leben lag vor uns wie eine unwirtbare, trostlose Wüstenei. – Scheint es gut, den Geist zu sammeln, ehe jener leichte Druck der Finger das Verborgene erschließt, so kann dies vielleicht Meister Abrahams sonst verwerfliche Gewohnheit entschuldigen, die übrigens auch gegenwärtigen Biographen anklebt aus einer gewissen, verhängnisvollen Zeit, in der beinahe jeder Brief, den er erhielt, der Büchse Pandoras glich, aus der, sowie sie geöffnet, tausend Unheil und Ungemach aufstieg ins Leben. – Hat aber nun auch Meister Abraham des Kapellmeisters Brief verschlossen in seinen Schreibepult oder Schreibtischkasten, und ist er auch spazieren gegangen in den Park, doch soll der geneigte Leser den Inhalt sogleich buchstäblich erfahren. – Johannes Kreisler hatte folgendes geschrieben:



«Mein herzlieber Meister!

›La fin couronne les œuvres!‹ hätte ich rufen können, wie Lord Clifford in Shakespeares ›Heinrich dem Sechsten‹, als ihm der sehr edle Herzog von York eines versetzt hatte zum Tode. Denn bei Gott, mein Hut stürzte schwer verwundet ins Gebüsch und ich ihm nach, rücklings, wie einer, von dem man in der Schlacht zu sagen pflegt: ›Er fällt, oder er ist gefallen.‹ – Dergleichen Leute stehen aber selten wieder auf, dagegen tat das aber Euer Johannes, mein lieber Meister, und das auf der Stelle. – Um meinen schwer verwundeten Kameraden, der nicht sowohl an meiner Seite, als über oder von meinem Haupte gefallen, konnte ich mich gar nicht bekümmern, da ich genug zu tun hatte, durch einen tüchtigen Seitensatz (ich nehme das Wort Satz hier weder in philosophischem noch in musikalischem, sondern lediglich in gymnastischem Sinn) der Mündung einer Pistole auszuweichen, die jemand etwa drei Schritte davon auf mich hielt. Doch ich tat noch mehr als das, ich ging plötzlich aus der Defensive in die Offensive über, sprang auf den Pistolanten los und stieß ihm ohne weitere Umstände meinen Stockdegen in den Leib. – Immer habt Ihr mir den Vorwurf gemacht, Meister! daß ich des historischen Stils nicht mächtig und unfähig etwas zu erzählen, ohne unnütze Phrasen und Abschweifungen. Was sagt Ihr zu der bündigen Darstellung meines italienischen Abenteuers in dem Park zu Sieghartshof, den ein hochsinniger Fürst so mild beherrscht, daß er selbst Banditen toleriert vergnüglicher Abwechslung halber?

Nehmt, lieber Meister, das bisher Gesagte nur für die vorläufige epitomatische Inhaltsanzeige des historischen Kapitels, das ich, erlaubt es meine Ungeduld und der Herr Prior, statt eines ordinären Briefes für Euch aufschreiben will. – Wenig nachzuholen ist über das eigentliche Abenteuer im Walde. – Gewiß war es mir sogleich, daß, als der Schuß fiel, ich davon profitieren sollte, denn im Niederstürzen empfand ich einen brennenden Schmerz an der linken Seite meines Kopfs, den der Konrektor in Göniönesmühl mit Recht einen hartnäckigen nannte. Hartnäckigen Widerstand hatte der wackere Knochenbau nämlich geleistet dem schnöden Blei, so, daß die Streifwunde kaum zu achten. Aber sagt mir, lieber Meister, sagt mir auf der Stelle, oder heute abend, oder wenigstens morgen in aller Frühe, in wessen Leib meine Stockklinge gefahren? Sehr lieb würde es mir sein, zu vernehmen, daß ich eigentlich gar kein gemeines Menschenblut vergossen, sondern bloß einigen prinzlichen Ichor; und es will mir ahnen, als wäre dem so. – Meister! so hätte der Zufall denn zu der Tat geführt, die der finstere Geist mir verkündete, bei Euch im Fischerhäuschen. – War vielleicht diese kleine Stockklinge in dem Augenblick, als ich sie brauchte zur Notwehr gegen Mörder, das furchtbare Schwert der Blutschuld rächenden Nemesis? – Schreibt mir alles, Meister, und vor allen Dingen, was es mit der Waffe, die Ihr mir in die Hand gabt, mit dem kleinen Bilde für eine Bewandtnis hat. – Doch nein – nein, sagt mir davon nichts. Laßt mich dieses Medusenbild, vor dessen Anblick der bedrohliche Frevel erstarrt, bewahren, mir selbst ein unerklärliches Geheimnis. Es ist mir, als würde dieser Talisman seine Kraft verlieren, sobald ich wüßte, was für eine Konstellation ihn gefeit zur Zauberwaffe! – Wollt Ihr mir's glauben, Meister, daß ich bis jetzt Euer kleines Bild noch gar nicht einmal recht angeschaut? – Ist es an der Zeit, so werdet Ihr mir alles sagen, was mir zu wissen nötig, und dann gebe ich den Talisman zurück in Eure Hände. Also für jetzt kein Wort weiter davon! – Doch fortfahren will ich nun in meinem historischen Kapitel.

Als ich besagtem Jemand, besagtem Pistolanten meinen Stockdegen in den Leib gerannt, so daß er lautlos niederstürzte, sprang ich fort mit der Schnellfüßigkeit eines Ajax, da ich Stimmen im Park zu hören und mich noch in Gefahr glaubte. Ich gedachte nach Sieghartsweiler zu laufen, aber die Dunkelheit der Nacht ließ mich den Weg verfehlen. Schneller und schneller rannte ich fort, immer noch hoffend mich zurecht zu finden. Ich durchwatete Feldgraben, ich erklimmte eine steile Anhöhe und sank endlich in einem Gebüsch vor Ermattung nieder. Es war, als blitze es dicht vor meinen Augen, ich fühlte einen stechenden Schmerz am Kopf, und erwachte aus tiefem Todesschlaf. Die Wunde hatte stark geblutet, ich machte mir, das Taschentuch benutzend, einen Verband, der dem geschicktesten Kompanie-Chirurgus auf dem Schlachtfelde zur Ehre gereicht haben würde, und schaute nun ganz froh und fröhlich umher. Unfern von mir stiegen die mächtigen Ruinen eines Schlosses empor. – Ihr merkt es Meister, ich war zu meiner nicht geringen Verwunderung auf den Geierstein geraten.



Die Wunde schmerzte nicht mehr, ich fühlte mich frisch und leicht, ich trat heraus aus dem Gebüsch, das mir zum Schlafgemach gedient, die Sonne stieg empor und warf blinkende Streiflichter auf Wald und Flur, wie fröhliche Morgengrüße. Die Vögel erwachten in den Gebüschen und badeten sich zwitschernd im kühlen Morgentau, und schwangen sich auf in die Lüfte. Noch in nächtliche Nebel gehüllt lag tief unter mir Sieghartshof, doch bald sanken die Schleier, und in flammendem Gold standen Bäume und Büsche. Der See des Parks glich einem blendend strahlenden Spiegel: ich unterschied das Fischerhäuschen wie einen kleinen weißen Punkt – sogar die Brücke glaubte ich deutlich zu schauen. – Das Gestern trat auf mich ein, aber als sei es eine längst vergangene Zeit, aus der mir nichts geblieben als die Wehmut der Erinnerung an das ewig Verlorne, die in demselben Augenblick die Brust zerreißt und mit süßer Wonne erfüllt. ›Haselant, was willst Du denn eigentlich damit sagen, was hast Du denn in dem längst vergangenen Gestern auf ewig verloren?‹ so ruft Ihr mich an, Meister, ich hör es. Ach Meister, noch einmal stelle ich mich hin auf jene hervorragende Spitze des Geiersteins – noch einmal breite ich die Arme aus wie Adlersflügel, mich dort hinzuschwingen, wo ein süßer Zauber waltete, wo jene Liebe, die nicht in Raum und Zeit bedingt, die ewig ist, wie der Weltgeist, mir aufging in den ahnungsvollen Himmelstönen, die die dürstende Sehnsucht selbst sind und das Verlangen. Ich weiß es, dicht vor meiner Nase setzt sich ein Teufelskerl von hungrigem Opponenten hin, der nur opponiert des irdischen Gerstenbrotes halber, und fragt mich höhnisch: ob es möglich sei, daß ein Ton dunkelblaue Augen haben könne? Ich führe den bündigsten Beweis, daß der Ton eigentlich auch ein Blick sei, der aus einer Lichtwelt durch zerrissene Wolkenschleier hinabstrahlet; der Opponent geht aber weiter, und frägt nach Stirn, nach Haar, nach Mund und Lippen, nach Armen, Händen, Füßen, und zweifelt durchaus mit hämischem Lächeln, daß ein bloßer, purer Ton mit diesem allen begabt sein könne. – O Gott, ich weiß, was der Schlingel meint, nämlich nichts weiter, als daß, solange ich ein glebae adscriptus sei, wie er und die übrigen, solange wir alle nicht bloß Sonnenstrahlen fräßen, und uns manchmal noch auf einen andern Stuhl setzen müßten, als auf den Lehrstuhl, es mit jener ewigen Liebe, mit jener ewigen Sehnsucht, die nichts will als sich selbst, und von der jeder Narr zu schwatzen weiß – Meister! ich wünschte nicht, daß Ihr auf die Seite des hungrigen Opponenten trätet – es würde mir unangenehm sein. – Und sagt selbst, könnte Euch wohl eine einzige vernünftige Ursache dazu treiben? – hab' ich jemals Hang gezeigt zu trister Sekundaner Narrheit? – Ja hab' ich, zu reifen Jahren gekommen, mich nicht stets nüchtern zu erhalten gewußt, hab' ich etwa jemals gewünscht ein Handschuh zu sein bloß um Julia's Wange zu küssen wie Vetter Romeo? – Glaubt es nur, Meister, die Leute mögen auch sagen, was sie wollen, im Kopf trag' ich nichts als Noten, und im Gemüt und Herzen die Klänge dazu, denn alle Teufel! wie sollt ich sonst im Stande sein, solche manierliche, bündige Kirchenstücke zu setzen, als die Vesper es ist, die da eben vollendet auf dem Pulte liegt. – Doch – schon wieder war es um die Historie geschehen – ich erzähle weiter.



Aus der Ferne vernahm ich den Gesang einer kräftigen Männerstimme, der sich immer mehr und mehr näherte. Bald gewahrte ich denn auch einen Benediktiner Geistlichen, der, auf dem Fußsteig unterwärts fortwandelnd, einen lateinischen Hymnus sang. Nicht weit von meinem Platze stand er still, hielt inne mit dem Singen und schaute, indem er den breiten Reisehut vom Kopfe nahm und sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirne trocknete, in der Gegend umher, dann verschwand er ins Gebüsch. Mir kam die Lust an, mich zu ihm zu gesellen, der Mann war mehr als wohlgenährt, die Sonne brannte stärker und stärker, und so konnt' ich wohl denken, daß er ein Ruheplätzchen gesucht haben würde im Schatten. Ich hatte mich nicht geirrt, denn in das Gebüsch tretend, erblickte ich den ehrwürdigen Herrn, der sich auf einen dickbemoosten Stein niedergelassen hatte. Ein höheres Felsstück dicht daneben diente ihm zum Tisch; – er hatte ein weißes Tuch darüber ausgebreitet, und holte eben aus dem Reisesack Brot und gebratenes Geflügel hervor, das er mit vielem Appetit zu bearbeiten begann: ›Sed praeter omnia bibendum quid‹, so rief er sich selbst zu und schenkte aus einer Korbflasche Wein ein in den kleinen, silbernen Becher, den er aus der Tasche hervorgezogen. Eben wollte er trinken, als ich mit einem ›Gelobt sei Jesus Christ‹ zu ihm hintrat. Mit dem Becher an den Lippen, schaute er auf, und ich erkannte im Augenblick meinen alten, gemütlichen Freund aus der Benediktiner-Abtei zu Kanzheim, den ehrlichen Pater und Präfectus Chori Hilarius. ›In Ewigkeit!‹ stammelte Pater Hilarius, indem er mich mit weit aufgerissenen Augen starr anblickte. Ich dachte sogleich an meinen Kopfputz, der mir vielleicht ein fremdes Ansehen geben mochte und begann: O, mein sehr geliebter, würdiger Freund Hilarius, haltet mich nicht für einen verlaufenen, vagabondierenden Hindus, auch nicht für ein auf den Kopf gefallenes Landeskind, da ich doch nun einmal nichts anderes bin und sein will, als Euer Intimus, der Kapellmeister Johannes Kreisler!‹ —

›Beim heiligen Benedikt‹, rief Pater Hilarius freudig, ›ich hatte Euch gleich erkannt, herrlicher Kompositor und angenehmer Freund, aber per diem sagt mir, wo kommt Ihr her, was ist Euch geschehen, Euch, den ich mir in floribus dachte am Hofe des Großherzogs?‹



Ich nahm gar keinen Anstand, dem Pater kürzlich alles zu erzählen, was sich mit mir begeben und wie ich genötigt gewesen, dem, dem es beliebt nach mir, wie nach einem aufgesteckten Ziel, Probeschüsse zu tun, meinen Stockdegen in den Leib zu stoßen und wie besagter Zielschießer wahrscheinlich ein italienischer Prinz gewesen, der Hektor geheißen, wie mancher würdige Pirschhund. – ›Was nun beginnen, zurückkehren nach Sieghartsweiler, oder – ratet mir, Pater Hilarius!‹


So schloß ich meine Erzählung. – Pater Hilarius, der manches – ›Hm! – so! – ei! – heiliger Benedikt‹ – dazwischen geworfen, sah jetzt vor sich nieder, murmelte: ›Bibamus!‹ und leerte den silbernen Becher auf einen Zug.

Dann rief er lachend: ›In der Tat, Kapellmeister, der beste Rat, den ich Euch fürs erste erteilen kann, ist, daß Ihr Euch fein zu mir hersetzt und mit mir frühstückt. Ich kann Euch diese Feldhühner empfehlen, erst gestern schoß sie unser ehrwürdiger Bruder Macarius, der, wie Ihr Euch wohl erinnert, alles trifft, nur nicht die Noten in den Responsorien, und wenn Ihr den Kräuteressig vorschmeckt, mit dem sie angefeuchtet, so verdankt Ihr das der Sorgfalt des Bruders Eusebius der sie selbst gebraten mir zuliebe. Was aber den Wein betrifft, so ist er wert, die Zunge eines landflüchtigen Kapellmeisters zu netzen. Echter Bocksbeutel, carissime Johannes, echter Bocksbeutel aus dem St. Johannis-Hospital zu Würzburg, den wir, unwürdige Diener des Herrn, erhalten in bester Qualität. – Ergo bibamus!‹

Damit schenkte er den Becher voll und reichte ihn mir hin. – Ich ließ mich nicht nötigen, ich trank und aß, wie einer, der solcher Stärkung bedarf.

Pater Hilarius hatte den anmutigsten Platz gewählt, um sein Frühstück einzunehmen. Ein dichtes Birkengebüsch beschattete den blumigten Rasen des Bodens, und der kristallhelle Waldbach, der über hervorragendes Gestein plätscherte, vermehrte noch die erfrischende Kühle. Die einsiedlerische Heimlichkeit des Orts erfüllte mich mit Wohlbehagen und Ruhe, und während Pater Hilarius mir von allem erzählte, was sich seit der Zeit in der Abtei begeben, wobei er nicht vergaß, seine gewöhnlichen Schwänke und sein hübsches Küchenlatein einzumischen, horchte ich auf die Stimmen des Waldes, der Gewässer, die zu mir sprachen in tröstenden Melodien.

Pater Hilarius mochte mein Schweigen der bittern Sorge zuschreiben, die mir das Geschehene verursachte.

›Seid guten Muts, Kapellmeister!‹ begann er, indem er mir den aufs Neue gefüllten Becher hinreichte, ›Ihr habt Blut vergossen, das ist wahr, und Blutvergießen ist Sünde, doch distinguendum est inter et inter. – Jedem ist sein Leben das Liebste, er hat es nur einmal. Ihr habt das Eurige verteidigt, und das verbietet die Kirche keinesweges, wie sattsam zu erweisen, und weder unser hochwürdiger Herr Abt, noch irgendein anderer Diener des Herrn, wird Euch die Absolution versagen, seid Ihr auch unversehens in fürstliche Eingeweide gefahren. – Ergo bibamus! Vir sapiens non te abhorrebit Domine! – Aber teuerster Kreisler, kehrt Ihr zurück nach Sieghartsweiler, so wird man Euch garstig befragen über das cur, quomodo, quando, ubi und wollt Ihr den Prinzen des mörderischen Angriffs zeihen, wird man Euch glauben? Ibi iacet lepus in pipere! – Aber seht, Kapellmeister, wie – doch, bibendum quid!‹ – Er leerte den vollgeschenkten Becher und fuhr dann fort: ›Ja seht, Kapellmeister, wie der gute Rat kommt mit dem Bocksbeutel. – Erfahrt, daß ich mich eben zum Kloster Allerheiligen begeben wollte, um mir von dem dortigen Präfektus Chori Musik zu holen zu den nächsten Festen. Ich habe die Kasten schon zwei-, dreimal umgekehrt; es ist alles alt und verbraucht, und was die Musik betrifft, die Ihr uns komponiert habt während Eures Aufenthalts in der Abtei, ja, die ist gar schön und neu, aber – nehmt mir es nicht übel, Kapellmeister, so auf kuriose Weise gesetzt, daß man keinen Blick wenden darf von der Partitur. Will man nur ein bißchen durchs Gitter schielen nach dieser, jener hübschen Dirne unten im Schiff, gleich hat man einen Halt verfehlt oder sonst was und schlägt einen falschen Takt und schmeißt das Ganze um. – Pump, da liegt's und Di-di-Diedel, diedel greift Bruder Jakob in die Orgeltasten! – ad patibulum cum illis – Ich durfte also – doch bibamus!‹ —



Nachdem wir beide getrunken, floß der Strom der Rede also weiter: ›Desunt die nicht da sind und die nicht da sind, können nicht gefragt werden, ich dächte daher, Ihr wandertet sogleich mit mir zurück nach der Abtei, die, schlägt man Richtwege ein, kaum zwei Stunden von hier entfernt ist. In der Abtei seid Ihr gesichert gegen alle Nachstellungen, contra hostium insidias, ich bringe Euch hin, als lebendige Musik und Ihr bleibt da, solange es Euch gefällt oder solange Ihr es geraten findet. Der hochwürdige Herr Abt versorgt Euch mit allem Nötigen. Ihr kleidet Euch in die feinste Wäsche und zieht das Benediktinergewand darüber, das Euch sehr wohl stehen wird. Aber damit Ihr nicht unterwegs ausseht wie der wundgeschlagene auf dem Bilde vom mitleidigen Samariter, so setzt meinen Reisehut auf, ich werde mir die Kapuze schon über die Glatze ziehn. – Bibendum quid, Liebster!‹



Damit leerte er den Becher noch einmal, schwenkte ihn aus im nahen Waldbach, packte alles schnell in seinen Reisesack, drückte mir seinen Hut auf die Stirne und rief ganz fröhlich: ›Kapellmeister, wir dürfen nur ganz langsam und bequem einen Fuß vor den andern setzen und kommen doch gerade an, wenn sie läuten ad conventum conventuales, d.h. wenn der hochwürdige Herr Abt sich zu Tische setzt.‹

Ihr dürft wohl denken, lieber Meister, daß ich gegen den Vorschlag des fröhlichen Paters Hilarius nicht das mindeste einzuwenden hatte, daß es mir vielmehr gar willkommen sein mußte, mich an einen Ort zu begeben, der mir in so mancher Hinsicht ein wohltätiges Asyl werden konnte.

Wir schritten gemächlich fort unter allerlei Gesprächen und langten so, wie Pater Hilarius es gewollt, in der Abtei an, als man gerade die Tischglocke läutete.

Um vorderhand allen Fragen zuvorzukommen, sagte Pater Hilarius dem Abt, daß, da er zufällig erfahren, wie ich mich in Sieghartsweiler aufhalte, er es vorgezogen, statt der Musik aus dem Kloster Allerheiligen, lieber den Komponisten zu holen, der ja ein ganzes unerschöpfliches Magazin von Musik in sich trage.

Der Abt Chrysostomus (mich dünkt, ich hätte Euch schon viel von ihm erzählt) empfing mich mit jener gemütlichen Freude, die nur wahrhaft guter Gesinnung eigen, und lobte den Entschluß des Paters Hilarius. —

Seht mich nun, Meister Abraham, wie ich, umgeschaffen zum passablen Benediktinermönch, in einem hohen, geräumigen Zimmer des Hauptgebäudes der Abtei, sitze und emsig Vespern und Hymnen ausarbeite, ja wie ich schon mitunter Gedanken notiere zu einem feierlichen Hochamt – wie sich die singenden und spielenden Brüder, die Chorknaben versammeln, wie ich emsig Proben halte, wie ich hinter dem Gitter des Chors dirigiere! In der Tat, so vergraben fühle ich mich in diese Einsamkeit, daß ich mich mit Tartini vergleichen möchte, der, die Rache des Kardinals Cornaro fürchtend, in das Minoritenkloster zu Assisi floh, wo ihn endlich nach Jahren ein Paduaner entdeckte, der sich in der Kirche befand und den verlornen Freund auf dem Chore erblickte, als ein Windstoß den Vorhang, der das Orchester verhüllte, einige Augenblicke aufhob. – Es hätte Euch selbst, Meister! so mit mir gehen können, wie jenem Paduaner, aber ich mußte Euch ja doch sagen, wo ich geblieben, Ihr könntet sonst wunder gedacht haben, was aus mir geworden. – Hat man vielleicht meinen Hut gefunden und sich gewundert, daß ihm der Kopf abhanden gekommen? – Meister! Eine besondere, wohltätige Ruhe ist in mein Inneres gekommen; sollte ich vielleicht hier am Ankerplatz gelandet sein? Als ich neulich an dem kleinen See, der in der Mitte des weitläuftigen Gartens der Abtei liegt, wandelte, und mein Bild neben mir wandelnd im See erblickte, da sprach ich: ›Der Mensch, der da unten neben mir hergeht, das ist ein ruhiger, besonnener Mensch, der nicht mehr wild umherschwirrend in vagen unbegrenzten Räumen, die gefundene Bahn fest hält, und es ist ein Glück für mich, daß der Mensch kein anderer ist, als ich selbst.‹ – Aus einem andern See schaute mich einst ein fataler Doppelgänger an. Doch still – still von dem allen. – Meister, nennt mir keinen Namen – erzählt mir nichts – auch nicht einmal, wen ich gespießt. – Aber von Euch selbst schreibt mir viel. – Die Brüder kommen zur Probe, ich schließe mein historisches Kapitel und zugleich meinen Brief. Lebt wohl, mein guter Meister, und gedenkt meiner! amp;c. amp;c. amp;c. amp;c.«

– In den fernen, wild verwachsenen Gängen des Parks einsam wandelnd, bedachte Meister Abraham das Schicksal des geliebten Freundes und wie er ihn, kaum wiedergewonnen, auf's Neue verloren. Er sah den Knaben Johannes, sich selbst in Göniösmühl vor dem Flügel des alten Onkels, der Kleine hämmerte mit stolzem Blick Sebastian Bachs schwerste Sonaten herunter, mit beinahe männlicher Faust, er steckte ihm dafür eine Tüte Zuckerwerk heimlich in die Tasche. – Es war ihm, als sei dies erst wenige Tage her und er mußte sich verwundern, daß der Knabe eben kein anderer als der Kreisler, der in ein wunderliches, launenhaftes Spiel geheimnisvoller Verhältnisse verflochten schien. Aber mit dem Gedanken an jene vergangene Zeit, an die verhängnisvolle Gegenwart, stieg das Bild seines eigenen Lebens vor ihm auf.


Sein Vater, ein strenger, eigensinniger Mann, hatte ihn beinahe mit Zwang zu der Kunst des Orgelbaues angehalten, die er selbst trieb, wie ein gewöhnliches rohes Handwerk. Er litt nicht, daß irgendein anderer, als der Orgelbauer selbst Hand anlege an das Werk, und so mußten die Lehrlinge geübte Tischler, Zinngießer usw. werden, ehe sie zu der innern Mechanik gelangten. – Genauigkeit, Dauerhaftigkeit, gute Spielart des Werks galt dem Alten für alles; für die Seele, für den Ton hatte er keinen Sinn, und merkwürdig genug sprach sich dies aus in den Orgeln, die er baute und denen man mit Recht, einen harten, spitzen Klang vorwarf. Nächstdem war der Alte den kindischen Künsteleien verjährter Zeit ganz und gar ergeben. So hatte er an einer Orgel die Könige David und Salomo angebracht, die während des Spiels wie vor Verwunderung die Köpfe drehten; so fehlte es keinem seiner Werke an paukenden, posaunenden, taktierenden Engeln, mit den Flügeln schlagenden, krähenden Hähnen u. s. w. Abraham konnte oft verdienten oder nicht verdienten Schlägen nicht anders entgehen und dem Alten eine Äußerung väterlicher Freude entlocken, als wenn er vermöge eigner Erfindungsgabe irgendeine neue Künstelei, etwa ein schärfer tönendes Kikeriki, herausgebracht für den nächsten Orgelhahn. Mit angstvoller Sehnsucht hatte Abraham die Zeit herbeigewünscht, in der er dem Handwerks-Gebrauch gemäß auf die Wanderschaft gehen sollte. Endlich kam diese Zeit heran und Abraham verließ das väterliche Haus, um nie wieder zurückzukehren.


Auf dieser Wanderung, die er in Gemeinschaft mit andern Gesellen, meistens wüsten, rohen Burschen, unternahm, sprach er einst ein in der Abtei St. Blasius, die im Schwarzwalde belegen und hörte dort das berühmte Orgelwerk des alten Johannes Andreas Silbermann. In den vollen, herrlichen Tönen dieses Werks ging zum erstenmal der Zauber des Wohllauts auf in seinem Innern, er fühlte sich in eine andere Welt versetzt, und von dem Augenblick an war er ganz Liebe für eine Kunst, die er sonst mit Widerwillen treiben müssen. – Nun kam ihm aber auch sein ganzes Leben in der Umgebung, wie er es bis jetzt geführt hatte, so nichtswürdig vor, daß er alle Kraft aufbot sich herauszureißen aus dem Schlamm, in den er sich versunken glaubte. – Sein natürlicher Verstand, seine Fassungsgabe ließen ihn in der wissenschaftlichen Bildung Riesenschritte machen und doch – fühlte er oft die Bleigewichte, die die frühere Erziehung, das Forttreiben in der Gemeinheit ihm angehängt. – Chiara, die Verbindung mit diesem seltsamen, geheimnisvollen Wesen, das war der zweite Lichtpunkt in seinem Leben, und so bildete beides, jenes Erwachen des Wohllauts und Chiaras Liebe einen Dualismus seines poetischen Seins, der wohltätig hineinwirkte in seine rohe aber kräftige Natur. – Kaum den Herbergen, kaum den Schenken, wo im dicken Tabaksqualm Zotenlieder ertönten, entronnen, brachte der Zufall oder vielmehr die Geschicklichkeit in mechanischen Künsteleien, denen er den Anstrich des Geheimnisses zu geben wußte (wie der geneigte Leser schon erfahren) den jungen Abraham in Umgebungen, die ihm eine neue Welt sein mußten, und in denen er, ewig Fremdling bleibend, sich nur dadurch aufrecht erhielt, daß er den festen Ton behauptete, den seine innere Natur ihm angegeben. Dieser feste Ton wurde mit der Zeit immer fester, und da er keinesweges der eines simplen Grobians, sondern auf klaren, gesunden Menschenverstand, richtiger Lebensansicht, und daraus sich erzeugendem treffenden Spott basiert war, so konnt es nicht fehlen, daß da, wo der Jüngling sich nur aufrecht erhalten und toleriert worden, der Mann als ein zu fürchtendes Prinzip großen Respekt einflößte. Es ist nichts leichter, als gewissen vornehmen Leuten zu imponieren, die immer noch weiter unter dem stehen, wofür man sie etwa halten möchte. Daran dachte nun Meister Abraham eben in dem Augenblick, als er von seinem Spaziergange wieder an das Fischerhäuschen gekommen, und schlug eine laute, herzliche Lache auf, die Luft machte seiner gepreßten Brust.

Zur innigsten Wehmut, die ihm sonst wohl gar nicht eigen, hatte den Meister nämlich das lebhafte Andenken an den Moment in der Kirche der Abtei St. Blasius gestimmt.»Warum blutet eben die Wunde jetzt so häufig, die ich längst verharscht glaubte«, sprach er zu sich selbst,»warum hänge ich jetzt leeren Träumereien nach, da es mir scheint, als müsse ich tätig eingreifen in das Maschinenwerk, das ein böser Geist falsch zu treiben scheint!«– Der Meister fühlte sich beängstigt durch den Gedanken, daß er, selbst wußte er nicht wodurch, in seinem eigentümlichsten Tun und Treiben sich gefährdet sah, bis, wie gesagt, er im Ideengange auf die vornehmen Leute kam, über die er lachte und augenblicklich merkliche Linderung verspürte.

Er trat ins Fischerhäuschen, um nun Kreislers Brief zu lesen. —

In dem fürstlichen Schlosse hatte sich Merkwürdiges begeben. Der Leibarzt sprach:»Wunderbar! – es geht über alle Praxis, über alle Erfahrung hinaus!«– Die Fürstin:»So mußte es kommen, und die Prinzessin ist nicht kompromittiert!«– der Fürst:»Hätt' ichs nicht ausdrücklich verboten, aber die Crapule der dienenden Esel hat keine Ohren. – Nun – der Oberforstmeister soll dafür sorgen, daß der Prinz kein Pulver mehr in die Hände bekommt!«die Rätin Benzon:»Dank dem Himmel, sie ist gerettet!«– Während dessen schaute Prinzessin Hedwiga zum Fenster ihres Schlafgemachs hinaus, indem sie dann und wann abgebrochene Akkorde anschlug auf derselben Guitarre, die Kreisler im Unmute von sich warf und aus Julias Händen, wie er meinte geheiligt, zurück empfing. Auf dem Sofa saß Prinz Ignatius und weinte und klagte: es tut weh,»Es tut weh«– vor ihm aber Julia, die emsig beschäftigt war, in eine kleine, silberne Schüssel hinein – rohe Kartoffeln zu schaben.


Страницы книги >> Предыдущая | 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 | Следующая
  • 0 Оценок: 0

Правообладателям!

Данное произведение размещено по согласованию с ООО "ЛитРес" (20% исходного текста). Если размещение книги нарушает чьи-либо права, то сообщите об этом.

Читателям!

Оплатили, но не знаете что делать дальше?


Популярные книги за неделю


Рекомендации