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Текст книги "Durch die Wüste"


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Автор книги: Karl May


Жанр: Классическая проза, Классика


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»Kara Ben Nemsi, du bist mein Freund, der beste Freund, den ich gefunden habe. Soll ich dir erzählen, wie Senitza in die Hände des Aegypters gekommen ist?«

»Ich möchte es sehr gerne hören, doch zu einer solchen Erzählung gehört die Ruhe und Sammlung, welche wir jetzt nicht haben können.«

»Du bist unruhig? Weshalb?«

Er hatte das hinter uns segelnde Fahrzeug noch nicht bemerkt.

»Drehe dich um, und siehe diesen Sandal.«

Er wandte sich um, sah das Schiff und fragte:

»Ist Abrahim an Bord?«

»Ich weiß es nicht, aber es ist sehr leicht möglich, weil der Kapitän ein Schurke ist, der sich von Abrahim erkaufen lassen wird.«

»Woher weißt du, daß er ein Schurke ist?«

»Abu el Reïsahn sagt es.«

»Ja,« bestätigte dieser; »ich kenne diesen Kapitän und kenne auch sein Schiff. Selbst wenn es weiter entfernt wäre, würde ich es an seinem Segel erkennen, welches dreifach ausgebessert und zusammengeflickt ist.«

»Was werden wir tun?« fragte Isla.

»Zunächst abwarten, ob Abrahim sich an Bord befindet.«

»Und wenn er da ist?«

»So kommt er nicht zu uns herüber.«

Unser Schiffsführer prüfte den Fortgang des Sandal und denjenigen, den wir selbst machten, und meinte dann:

»Er kommt uns immer näher. Ich werde eine Triketha[29]29
  Kleineres Segel.


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beisetzen lassen.«

Dies geschah, aber ich merkte bereits nach einigen Minuten, daß die Entscheidung dadurch höchstens verzögert, nicht aber aufgehoben werde. Der Sandal kam uns immer näher; endlich war er nur noch eine Schiffslänge von uns entfernt und ließ das eine Segel fallen, um seine Schnelligkeit zu vermindern. Wir sahen Abrahim-Mamur auf dem Deck stehen.

»Er ist da!« sagte Isla.

»Wo steht er?« fragte der Reïs.

»Ganz vorn am Buge.«

»Dieser? Kara Ben Nemsi, was tun wir? Sie werden uns ansprechen, und wir müssen ihnen antworten.«

»Wer hat nach deinen Gesetzen zu antworten?«

»Ich, der Inhaber meiner Dahabië.«

»Merke auf, was ich dir sage, Abu el Reïsahn. Bist du bereit, mir dein Schiff von hier bis Kahira zu vermieten?«

Der Kapitän sah mich erstaunt an, begriff dann aber gleich, was ich für einen Zweck verfolgte.

»Ja,« antwortete er.

»Dann bin also ich der Inhaber?«

»Ja.«

»Und du als Reïs mußt tun, was ich will?«

»Ja.«

»Und bist für nichts verantwortlich?«

»Nein.«

»Gut. Rufe deine Leute zusammen!«

Auf seinen Ruf kamen alle herbei, und der Kapitän erklärte ihnen:

»Ihr Männer, ich sage euch, daß dieser Effendi, welcher Kara Ben Nemsi heißt, unsere Dahabië von hier bis nach Kahira gemietet hat. Ist es nicht so?«

»Ja, es ist so,« bestätigte ich.

»Ihr könnt mir also bezeugen, daß ich nicht mehr Herr des Schiffes bin?« fragte er die Leute.

»Wir bezeugen es.«

»So geht an eure Plätze. Das aber müßt ihr wissen, daß ich die Leitung des Schiffes behalte, denn Kara Ben Nemsi hat es mir befohlen.«

Sie entfernten sich, sichtlich befremdet über die sonderbare Mitteilung, welche ihnen geworden war.

Mittlerweile war der Sandal in gleiche Linie mit uns gekommen. Der Kapitän desselben, ein alter langer, sehr hagerer Mann mit einer Reiherfeder auf dem Tarbusch, trat an die Bordung und fragte herüber:

»Ho, Dahabië; welcher Reïs?«

Ich neigte mich vor und antwortete:

»Reïs Hassan.«

»Hassan Abu el Reïsahn?«

»Ja.«

»Schön, kenne ihn,« antwortete er mit schadenfroher Miene. »Ihr habt ein Weib an Bord?«

»Ja.«

»Gebt es heraus!«

»Chalid Ben Mustapha, du bist verrückt!«

»Wird sich finden. Wir werden bei euch anlegen.«

»Das werden wir verhindern.«

»Wie willst du dies anfangen?«

»Das will ich dir sofort zeigen. Merke auf die Feder an deinem Tarbusch!«

Ich erhob sehr schnell die Büchse, welche ich, ohne daß er sie gesehen hatte, bereit gehalten hatte, zielte und drückte los. Die Feder flog herab. Selbst das entsetzlichste Unglück hätte den würdigen Ben Mustapha nicht so in Aufregung versetzen können, wie dieser Warnungsschuß. Er fuhr so hoch in die Luft, als beständen seine hageren Gliedmaßen aus elastischem Gummi, hielt sich den Kopf mit beiden Händen und floh hinter den Mast.

»Jetzt weißt du, wie ich schieße, Ben Mustapha,« rief ich hinüber. »Wenn dein Sandal noch eine einzige Minute bei uns backseits fährt, so schieße ich dir nicht die Feder vom Tarbusch, sondern die Seele aus dem Leibe; darauf kannst du dich verlassen!«

Diese Drohung hatte eine augenblickliche Wirkung. Er eilte an das Steuer, riß es aus den Händen dessen, der es bisher regiert hatte, und drehte ab. In zwei Minuten befand sich der Sandal in einer solchen Entfernung von uns, daß ihn meine Kugel nicht erreichen konnte.

»Jetzt sind wir für den Augenblick sicher,« meinte ich.

»Er wird nicht wieder so nahe kommen,« stimmte Hassan bei; »aber er wird uns auch nicht aus dem Auge lassen, bis wir irgendwo an das Ufer legen, wo er die Hilfe des Gesetzes in Anspruch nehmen wird. Die fürchte ich freilich nicht; aber ich fürchte etwas anderes.«

»Was?«

»Das da!«

Er deutete mit der Hand hinaus auf das Wasser, und wir verstanden sogleich, was er meinte.

Schon seit einiger Zeit hatten wir bemerkt, daß die Wogen mit größerer Gewalt und Schnelligkeit vorwärts strebten als vorher und die jetzt felsig gewordenen Ufer einander immer näher traten. Wir näherten uns nämlich einer jener Stromschnellen, welche, mehr oder weniger gefahrdrohend für den Schiffer, dem Verkehre auf dem Nile fast unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen. Jetzt mußte die Feindschaft der Menschen schweigen, damit sich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller auf das drohende Element richten konnte. Die Stimme des Reïs tönte laut schallend über das Deck:

»Blickt auf, ihr Männer, der Schellahl kommt, der Katarakt! Tretet zusammen und betet die heilige Fatcha!«

Die Leute folgten seinem Gebote und begannen:

»Behüte uns, o Herr, vor dem von dir gesteinigten Teufel!«

»Im Namen des Allbarmherzigen!« intonierte der Reïs.

Darauf fielen die andern ein und beteten die Fatcha, die erste Sure des Koran.

Ich muß gestehen, daß dieses Gebet auch mich ergriff, aber nicht aus Furcht vor der Gefahr, sondern aus Ehrfurcht vor der tief im Herzen wurzelnden Religiosität dieser halbwilden Menschen, welche nichts tun und beginnen, ohne sich dessen zu erinnern, der in dem Schwachen mächtig ist.

»Wohlan, ihr jungen Männer, ihr mutigen Helden, geht an euere Plätze,« gebot nun der Führer; »der Strom hat uns ergriffen.«

Das Kommando eines Nilschiffes läuft nicht so ruhig und exakt ab, wie die Führung eines europäischen Fahrzeuges. Das heiße Blut des Südens rollt durch die Adern und treibt in der Gefahr den Menschen von dem Extreme der ausschweifendsten Hoffnung herab auf dasjenige der tiefsten Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Alles schreit, ruft, brüllt, heult, betet oder flucht im Augenblicke der Gefahr, um im nächsten Momente, wenn diese Gefahr vorübergegangen ist, noch lauter zu jubeln, zu pfeifen, zu singen und zu jauchzen. Dabei arbeitet ein jeder mit Anspannung aller seiner Kräfte, und der Schiffsführer springt von einem zum andern, um jeden anzufeuern, tadelt die Säumigen in Ausdrücken, wie sie nur ein Araber sich auszusinnen vermag, und belohnt die andern mit den süßesten, zärtlichsten Namen, unter denen sich das Wort »Held« am meisten wiederholt. Hassan hatte sich auf das Passieren der Stromschnelle vorbereitet und Reservemannschaft eingenommen. Jedes Ruder war doppelt besetzt, und am Steuer standen drei Barkenführer, welche jeden Fußbreit des Stromes hier an dieser gefährlichen Stelle kannten.

Mit furchtbarer Gewalt rauschten die Wogen jetzt über die von dem Wasser kaum bedeckten Felsblöcke; die Wellen stürzten schäumend über das Deck, und der Donner des Kataraktes übertäubte jedes, auch das lauteste Kommandowort. Das Schiff stöhnte und krachte in allen Fugen; die Ruder versagten ihre Dienste und, dem Steuer vollständig ungehorsam, tobte die Dahabië durch die kochenden Gewässer.

Da treten die schwarzen, glänzenden Felsen vor uns eng zusammen und lassen nur noch ein Tor offen, welches kaum die Breite unseres Schiffes besitzt. Die Wogen werden förmlich durch dasselbe hindurchgepreßt und stürzen sich in einem dicken, mächtigen Strahle nach unten in ein Becken, welches übersäet ist von haarscharfen und nadelspitzen Steinblöcken.

Mit sausender Hast schießen wir dem Tore zu. Die Ruder werden eingezogen. Jetzt befinden wir uns in dem furchtbaren Loche, dessen Wände uns zu beiden Seiten so nahe sind, daß wir sie fast mit den Händen erreichen können. Als wolle sie uns hinaustreiben in die Luft, so schleudert uns die rasende Gewalt der Strömung über die sprühenden, gischtspritzenden Kämme des Falles hinaus, und wir stürzen hinab in den Schlund des Kessels. Es brodelt, spritzt, rauscht, tobt, donnert und brüllt um uns her. Da packt es uns wieder mit unwiderstehlicher Macht und reißt uns eine schief abfallende Ebene hinab, deren Wasserfläche glatt und freundlich vor uns liegt, aber grad unter dieser Glätte die gefährlichste Tücke birgt, denn wir schwimmen nicht, nein, wir fallen, wir stürzen mit rapider Vehemenz die abschüssige Bahn hinab und – – —

»Allah kerihm, Gott ist gnädig!« ertönt Hassans Stimme jetzt so schrill, daß sie gehört werden kann. »Allah il Allah, an die Ruder, an die Ruder, ihr Jünglinge, ihr Männer, ihr Helden, ihr Tiger, Panther und Löwen! Der Tod liegt vor euch. Seht ihr es denn nicht? Amahl, amahl, ïa Allah amahl, macht, macht, bei Gott, macht, ihr Hunde, ihr Feiglinge, ihr Schurken und Katzen, arbeitet, arbeitet, ihr Wackern, ihr Guten, ihr Helden, ihr Unvergleichlichen, Erprobten und Auserwählten!«

Wir schießen einer Schere zu, welche sich grad vor uns öffnet und uns im nächsten Augenblicke vernichten wird. Die Felsen sind so scharf, und der Fall des Stromes ist so reißend, daß von dem Schiffe kein Handgroß von Holz beisammen bleiben kann, wie es scheint.

»Allah ïa Sahtir, o du Bewahrer, hilf! Links, links, ihr Hunde, ihr Geier, ihr Rattenfresser, ihr Aasverdauer, links, links mit dem Steuer, ihr Braven, ihr Herrlichen, ihr Väter aller Helden! Allah, Allah, Maschallah – Gott tut Wunder, ihm sei Dank!«

Das Schiff hat den fast übermenschlichen Anstrengungen gehorcht und ist vorübergeflogen. Für einige Augenblicke befinden wir uns im ruhigen Fahrwasser, und alles stürzt sich auf die Kniee, um dem Allmächtigen zu danken.

»Esch‘hetu inu la il laha il Allah!« tönt es jubelnd über das Deck hin – »bezeuge, daß es nur einen Gott gibt! Sellem aaleïna baraktak, begnadige uns mit deinem Segen!«

Da kommt es hinter uns hergeschossen, wie von der Sehne eines Bogens geschnellt. Es ist der Sandal, welcher dieselben Gefahren hinter sich hat, wie wir. Seine Schnelligkeit ist jetzt wieder größer als die unserige, und er muß daher an uns vorüber. Aber das offene Fahrwasser ist so schmal, daß wir nur mit Mühe auszuweichen vermögen, und fast Bord an Bord rauscht er vorüber. Am Maste lehnt Abrahim-Mamur, die Rechte hinter sich versteckend. Mir grade gegenüber reißt er die verborgen gehaltene, lange arabische Flinte an die Wange – ich werfe mich nieder – die Kugel pfeift über mir weg, und im nächsten Augenblick ist der Sandal uns weit voran.

Alle haben den Mordversuch gesehen, aber niemand hat Zeit zur Verwunderung oder zum Zorne, denn die Strömung packt uns wieder und treibt uns in ein Labyrinth von Klippen.

Da erschallt vor uns ein lauter Schrei. Der Sandal wurde von der Macht des Schellahl an einen Felsen geworfen; die Schiffer schlagen die Ruder in die Flut, und das nur leicht beschädigte Fahrzeug schießt, von den Wogen wieder gefaßt, befreit davon. Aber bei dem Stoße ist ein Mensch über Bord gefallen; er hängt im Wasser, sich verzweiflungsvoll an die Klippe klammernd. Ich ergreife einen der vorhandenen Dattelbaststricke, eile an das Seitenbord und werfe ihn dem Bedrohten zu. Er faßt danach – ergreift ihn – wird emporgezogen – es ist – Abrahim-Mamur.

Sobald er das Verdeck glücklich erreicht hatte, schüttelte er das Wasser aus seinen Kleidern und stürzte dann mit geballten Fäusten auf mich zu.

»Hund, du bist ein Räuber und Betrüger!«

Ich erwartete ihn stehenden Fußes, und meine Haltung bewirkte, daß er vor mir stehen blieb, ohne seine Fäuste in Anwendung zu bringen.

»Abrahim-Mamur, sei höflich, denn du befindest dich nicht in deinem Hause. Sagst du nur noch ein Wort, welches mir nicht gefällt, so lasse ich dich an den Mast binden und durchpeitschen!«

Die größte Beleidigung für einen Araber ist ein Schlag, und die zweitgrößte ist die Drohung, ihn zu schlagen. Abrahim machte eine Bewegung, bezwang sich aber augenblicklich.

»Du hast mein Weib an Bord!« rief er.

»Nein.«

»Du sagst mir nicht die Wahrheit!«

»Ich sage sie, denn die ich an Bord habe, ist nicht dein Weib, sondern die Verlobte dieses jungen Mannes, welcher neben dir steht.«

Er stürzte auf die Kajüte zu, dort aber trat ihm Halef entgegen.

»Abrahim-Mamur, ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas; dieses hier sind meine zwei Pistolen, und ich werde dich niederschießen, sobald du irgend wohin gehen willst, wohin zu gehen mein Herr dir verbietet!«

Mein kleiner Halef machte ein Gesicht, dem der Aegypter es ansehen konnte, daß es ihm mit dem Schießen ernst sei. Er wandte sich daher ab und schnaubte:

»So werde ich Euch verklagen, sobald Ihr an das Land geht, um Eure Hilfsmatrosen abzusetzen.«

»Tue es. Bis dahin aber bist du nicht mein Feind, sondern mein Gast, so lange du dich friedlich benimmst.«

Die Stromschnelle war in ihren gefährlichen Stellen glücklich durchschifft, und wir konnten uns nun mit der nötigen Muße unserer Angelegenheit zuwenden.

»Willst du uns jetzt erzählen, auf welche Weise Senitza in die Hand dieses Menschen geraten ist?« fragte ich Isla.

»Ich will sie holen,« antwortete er; »sie mag es Euch selbst erzählen.«

»Nein; sie mag in der Kajüte bleiben, denn ihr Anblick würde den Aegypter erbittern und zum Aeußersten reizen. Sage uns vor allen Dingen, ob sie Mohammedanerin oder Christin ist.«

»Sie ist eine Christin.«

»Von welcher Konfession?«

»Von der, welche Ihr griechisch nennt.«

»Sie ist nicht seine Frau geworden?«

»Er hat sie gekauft.«

»Ah! Ist es möglich?«

»Ja. Die Montenegrinerinnen gehen nicht verschleiert. Er hat sie in Scutari gesehen und ihr gesagt, er liebe sie und sie solle sein Weib werden; sie aber hat ihn ausgelacht. Dann ist er in die Czernagora zu ihrem Vater gekommen und hat eine große Summe geboten, um sie von ihm zu kaufen; dieser jedoch hat ihn zur Türe hinausgeworfen. Dann hat er den Vater der Freundin bestochen, bei welcher Senitza oft zu Besuch war, und dieser ist auf den Handel eingegangen.«

»Wie?«

»Dieser Mensch hat sie für seine Sklavin ausgegeben, hat sie an Abrahim-Mamur verkauft und ihm eine Schrift darüber ausgehändigt, in welcher sie für eine zirkassische Sklavin gilt.«

»Ah, darum also ist diese Freundin mit ihrem Vater so plötzlich verschwunden!«

»Nur darum. Er hat sie dann auf ein Schiff gebracht und ist mit ihr erst nach Cypern, dann nach Aegypten gefahren. Das übrige ist Euch bekannt.«

»Wie hieß der Mann, der sie verkaufte?« fragte ich unwillkürlich.

»Barud el Amasat.«

»El Amasat – el Amasat – dieser Name kommt mir sehr bekannt vor. Wo habe ich ihn gehört? War dieser Mensch ein Türke?«

»Nein, sondern ein Armenier.«

Ein Armenier – – ah, jetzt wußte ich es! Hamd el Amasat, jener Armenier, welcher uns auf dem Schott Dscherid verderben wollte und dann aus Kbilli entfloh – war es derselbe? – Nein, denn die Zeit stimmte nicht.

»Weißt du nicht,« fragte ich Isla, »ob dieser Barud el Amasat einen Bruder hat?«

»Nein; Senitza weiß es auch nicht; ich habe sie nach dieser Familie sehr genau befragt.«

Da kam der Diener Hamsad el Dscherbaja herbei und wandte sich an mich:

»Herr Effendim, ich habe Sie wat zu sagen.«

»Sprich!«

»Wie heißt dieser äjyptische Tunichtjut?«

»Abrahim-Mamur.«

»So! Dat will also een Mamur jewesen sein?«

»Allerdings.«

»Dat lassen Sie sich man nur nicht weismachen, denn ich kenne diesen Menschen besser als er mir!«

»Ah! Wer ist er?«

»Ich habe ihn jesehen als Eenen, der die Bastonnade kriegte, und weil es die erste Bastonnade war, die ich jesehen habe, so habe ich mir sehr einjehend nach ihm erkundigt.«

»Nun, wer und was ist er?«

»Er war bei die persische Jesandtschaft Attascheh oder so etwas und hat een Jeheimnis verraten oder so unjefähr. Er hat tot jemacht werden sollen, aber weil er Gönner jehabt hat, so ist es bei der Absetzung mit Bastonnade jeblieben. Sein Name ist Dawuhd Arafim«

Daß der Barbier aus Jüterbogk diesen Mann kannte, war ein ganz staunenswerter Zufall, und nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte ihn gesehen, und zwar in Ispahan auf dem Almeidan-Shah, wo er auf ein Kamel gebunden wurde, um als Gefangener nach Konstantinopel geschafft zu werden. Mein Weg führte mich damals eine kurze Strecke mit derselben Karawane, und so kam es, daß er auch mich gesehen und sich jetzt wieder meiner erinnert hatte.

»Ich danke dir, Hamsad, für diese Mitteilung, behalte sie aber jetzt noch für dich.«

Nun war mir nicht im mindesten mehr bange bei dem Gedanken, daß Abrahim mich verklagen werde. Ich weiß nicht, wie es kam, aber ich konnte die Vermutung nicht zurückweisen, daß er mit Barud el Amasat, welcher Senitza an ihn verkauft hatte, nicht erst durch das Mädchen bekannt geworden war. Abrahim war ein degradierter Beamter, ein Gefangener gewesen und hatte sogar die Bastonnade erhalten – jetzt trat er als Mamur auf und besaß ein Vermögen – dies waren Umstände, welche mir sehr zu denken gaben.

Ich zog es vor, die Mitteilung des Barbiers jetzt noch niemand zu sagen, damit Abrahim nicht merke, daß er durchschaut worden sei.

Am nächsten Landeplatze mußten die oberhalb der Stromschnelle auf die Dahabië genommenen Schiffer wieder an das Land gesetzt werden. Unser Fahrzeug wandte sich daher dem Ufer zu.

»Werden wir Anker werfen oder nicht?« fragte ich den Reïs.

»Nein, ich lenke sofort um, wenn die Männer das Schiff verlassen haben.«

»Warum?«

»Um die Polizei zu vermeiden.«

»Und Abrahim?«

»Wird mit den Schiffern an das Ufer gebracht.«

»Ich fürchte die Polizei nicht.«

»Du bist ein Fremdling im Lande und stehst unter deinem Konsul. Man kann dir also nichts tun. Ah!«

Dieser letzte Ausruf galt einem Boote, welches mit bewaffneten, finster blickenden Männern besetzt war. Es waren Khawassen – Polizisten.

»Du wirst wohl nicht sofort umlenken,« meinte ich zu Hassan.

»Und doch, wenn du es befiehlst. Ich habe nur dir zu gehorchen.«

»Ich befehle es nicht; ich möchte im Gegenteil die hiesige Polizei einmal kennen lernen.«

Das Boot legte bei uns an, und alle seine Insassen stiegen an Bord, noch ehe wir das Ufer erreicht hatten. Die Bemannung des Sandal war hier auch gelandet, hatte erzählt, daß Abrahim im Schellahl ertrunken sei, und auch von dem Frauenraube berichtet. Sodann war, wie wir später erfuhren, der alte Reïs Chalid Ben Mustapha eilenden Fußes zum Richter gelaufen und hatte eine so wohlgesetzte Rede gehalten über mich, den ungläubigen Mörder, Aufrührer, Räuber und Empörer, daß ich eigentlich sehr zufrieden sein mußte, nur mit dem Hängen oder Säcken davonzukommen.

Da die Gerechtigkeit jener Länder von der wichtigen Erfindung der Aktenstöße noch keine Notiz genommen hat, so wird in Rechtsfällen überaus schnell und summarisch verfahren.

»Wer ist der Reïs dieses Schiffes?« fragte der Anführer der Khawassen.

»Ich,« antwortete Hassan.

»Wie heißest du?«

»Hassan Abu el Reïsahn.«

»Hast du auf deinem Schiffe einen Effendi, einen Hekim, der ein Ungläubiger ist?«

»Da steht er und heißt Kara Ben Nemsi.«

»Und ist hier auf deinem Schiffe auch ein Weib, namens Güzela?«

»Sie ist in der Kajüte.«

»Wohlan, ihr seid meine Gefangenen allesamt und folgt mir zum Richter, während ich das Schiff von meinen Leuten bewachen lasse!«

Die Dahabië legte an, und ihre ganze Bemannung nebst sämtlichen Passagieren wurde »sofort anhero transportiert«. Senitza, tief verschleiert, ward in eine bereitstehende Sänfte gehoben und mußte unserm Zuge folgen, der bei jedem weiteren Schritte größer wurde, weil jung und alt, groß und klein sich ihm anschloß. Hamsad al Dscherbaja, der Ex-Barbier, schritt hinter mir her und pfiff nach dem Takte seiner Beine munter sein »Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus!«

Der Sahbeth-Bei oder Polizeidirektor saß mit seinem Sekretär bereits unserer Ankunft gewärtig.

Er trug die Abzeichen eines Bimbaschi, eines Majors oder Befehlshabers von tausend Mann, hatte aber trotzdem weder ein kriegerisches noch ein übermäßig intelligentes Aussehen. Wie die ganze Bemannung des Sandal, so hatte auch er Abrahim-Mamur für ertrunken gehalten und empfing den vom Tode Auferstandenen mit einem Respekte, der ganz das Gegenteil von dem Blick war, den er uns zuwarf.

Wir wurden in zwei Lager geteilt: hüben die Bemannung des Sandal mit Abrahim und einigen seiner Diener, die er mitgenommen hatte, und drüben die Leute von der Dahabië mit Senitza, Isla und mir nebst Halef und dem Barbier.

»Befiehlst du eine Pfeife, Herr?« fragte der Sahbeth-Bei den vermeintlichen Mamur.

»Lasse sie bringen!«

Er erhielt sie nebst einem Teppich, um sich darauf niederzusetzen. Dann begann die Verhandlung:

»Hoheit, sage mir deinen von Allah gesegneten Namen!«

»Er lautet Abrahim-Mamur.«

»So bist du ein Mamur. In welcher Provinz?«

»In En-Nasar.«

»Du bist der Ankläger. Sprich; ich höre zu und werde richten.«

»Ich klage an diesen Giaur, der ein Hekim ist, der Tschikarma; ich klage an den Mann, der neben ihm steht, der Tschikarma, und ich klage an den Führer der Dahabië der Mithilfe beim Frauenraube. Wie weit die Diener dieser beiden Männer und die Matrosen der Dahabië beteiligt sind, das magst du bestimmen, o Bimbaschi.«

»Erzähle, wie der Raub vollendet wurde.«

Abrahim erzählte. Als er geendet hatte, wurden seine Zeugen verhört, was die Folge hatte, daß ich von dem Reïs des Sandals, Herrn Chalid Ben Mustapha, auch noch des Mordversuches bezüchtigt wurde.

In den Augen des Sahbeth-Bei leuchtete der Blitz, als er sich nun zu mir wandte.

»Giaur, wie ist dein Name?«

»Kara Ben Nemsi.«

»Wie heißt deine Heimat?«

»Dschermanistan.«

»Wo liegt diese Handvoll Erde?«

»Handvoll? Hm, Bimbaschi, du beweisest, daß du sehr unwissend bist!«

»Hund!« fuhr er auf. »Was willst du sagen?«

»Dschermanistan ist ein großes Land und hat zehnmal mehr Einwohner als ganz Aegypten. Du aber kennst es nicht. Du bist überhaupt ein schlechter Geograph und darum lässest du dich von Abrahim-Mamur belügen.«

»Wage es, noch so ein Wort zu sagen, und ich lasse dich mit dem Ohre an die Wand nageln.«

»Ich wage es! Dieser Abrahim sagt, er sei der Mamur der Provinz En-Nasar. Mamurs gibt es nur in Aegypten – —«

»Liegt En-Nasar nicht in Aegypten, Giaur? Ich bin selbst dort gewesen und kenne den Mamur wie meinen Bruder, ja, wie mich selbst.«

»Du lügst!«

»Nagelt ihn fest!« gebot der Richter.

Ich zog den Revolver, und Halef, der dies sah, seine Pistolen.

»Bimbaschi, ich sage dir, daß ich erst den niederschießen werde, der mich anrührt, und dann dich! Du lügst, ich sage es noch einmal. En-Nasar ist eine ganz kleine, geringe Oase zwischen Homrh und Tighert im Lande Tripolis; dort gibt es keinen Mamur, sondern einen armen Scheikh; er heißt Mamra Ibn Alef Abuzin, und ich kenne ihn sehr genau. Ich könnte mit dir Komödie spielen und dir erlauben, noch weiter zu fragen; aber ich will es kurz machen. Wie kommt es, daß du die Kläger stehen lässest, während der Angeklagte, der Verbrecher, sitzen darf und sogar die Pfeife von dir bekommt?«

Der gute Mann sah mich ganz verdutzt an.

»Wie meinst du das, Giaur?«

»Ich warne dich, mich mit diesem Worte zu beschimpfen! Ich habe einen Paß bei mir und auch einen Izin-gitisch[30]30
  Reiseschein.


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des Vizekönigs von Aegypten; dieser aber, mein Gefährte, ist aus Istambul; er hat ein Bu-djeruldu des Großherrn und ist also ein Giölgeda padischahnün.«

»Zeigt die Scheine her!«

Ich gab ihm den meinigen, und Isla legte ihm den seinigen vor. Er las sie und gab sie uns dann mit verlegener Miene zurück.

»Sprich weiter.«

Diese Aufforderung bewies mir, daß er nicht wußte, was er tun sollte. Ich nahm also wieder das Wort:

»Du bist ein Sahbeth-Bei und ein Bimbaschi und weißt doch nicht, was deines Amtes ist. Wenn du ein Handschreiben des Großherrn liesest, so mußt du es vorher an Stirn, Auge und Mund drücken und alle Anwesenden auffordern, sich zu verbeugen, als ob Seine Herrlichkeit selbst zugegen wäre. Ich werde dem Khedive und dem Großwesir in Istambul erzählen, welche Achtung du ihnen erweisest!«

Das hatte er nicht erwartet. Er war so erschrocken, daß er die Augen aufriß und den Mund öffnete, ohne ein Wort zu sagen. Ich aber fuhr fort:

»Du wolltest wissen, was ich vorhin mit meinen Worten meinte. Ich bin der Ankläger und muß stehen, und dieser ist der Angeklagte und darf sitzen!«

»Wer klagt ihn an?«

»Ich, dieser, dieser und wir alle.«

Abrahim staunte, aber er sagte noch nichts.

»Wessen klagst du ihn an?« fragte der Sahbeth-Bei.

»Der Tschikarma, desselben Verbrechens, dessen er uns anklagte.«

Ich sah es, daß Abrahim unruhig wurde. Der Richter gebot mir:

»Sprich!«

»Du dauerst mich, Bimbaschi, daß du eine solche Trauer erleben mußt.«

»Welche Trauer?«

»Daß du einen Mann verurteilen mußt, den du so gut kennst wie deinen Bruder, ja wie dich selbst. Du bist sogar bei ihm in En-Nasar gewesen und weißt genau, daß er ein Mamur ist. Ich aber sage dir, daß auch ich ihn kenne. Er heißt Dawuhd Arafim, war Beamter des Großherrn in Persien, wurde aber abgesetzt und bekam sogar die Bastonnade.«

Jetzt erhob sich Abrahim vom Boden.

»Hund! – Sahbeth-Bei, dieser Mann hat den Verstand verloren!«

»Sahbeth-Bei, höre mich weiter, dann wird es sich zeigen, wessen Kopf besser ist und fester sitzt, der meine oder der seine!«

»Rede!«

»Dieses Weib hier ist eine Christin, eine freie Christin aus Karadagh[31]31
  Montenegro. – Beides heißt ebenso wie das slawische Ezernagora »Schwarzer Berg«.


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; er hat sie geraubt und mit Gewalt nach Aegypten entführt. Hier mein Freund ist ihr rechtmäßiger Verlobter, und darum ist er nach Aegypten gekommen und hat sie sich wiedergeholt. Du kennst uns, denn du hast unsere Legitimationen gelesen, ihn aber kennst du nicht. Er ist ein Frauenräuber und Betrüger. Laß dir seine Legitimation zeigen, oder ich gehe zum Khedive und sage, wie du Gerechtigkeit übst in dem Amte, welches er dir gegeben hat. Ich bin von dem Kapitän des Sandal des Mordversuches angeklagt. Frage diese Männer! Sie alle haben es gehört, daß ich ihm die Feder vom Tarbusch schießen wollte, und ich habe sie getroffen. Der, welcher sich einen Mamur nennt, aber hat im Ernste und in der Absicht, mich zu töten, auf mich geschossen. Ich klage ihn an. Nun entscheide!«

Der brave Mann befand sich natürlich in einer großen Verlegenheit. Er konnte doch seine Worte und Taten nicht dementieren, fühlte aber sehr wohl, daß ich im Rechte sei, und so entschloß er sich, zu tun, was eben nur ein Aegypter zu tun vermag.

»Das Volk soll hinaus und in seine Häuser gehen!« gebot er. »Ich werde mir die Sache überlegen und am Nachmittage das Gericht halten. Ihr alle aber seid meine Gefangenen!«

Die Khawassen trieben die Zuschauer mit Stockschlägen hinaus; sodann wurde Abrahim-Mamur mit der Mannschaft des Sandal gefangen abgeführt, und schließlich schaffte man auch uns fort, nämlich in den Hof des Gebäudes, in welchem wir uns ungestört bewegen durften, während einige Khawassen, am Ausgange postiert, uns zu bewachen schienen. Nach einer Viertelstunde aber waren sie verschwunden.

Ich ahnte, was der Sahbeth-Bei beabsichtigte, und trat zu Isla Ben Maflei, welcher neben Senitza am Brunnen saß.

»Denkst du, daß wir heute unsern Prozeß gewinnen werden?«

»Ich denke gar nichts; ich überlasse alles dir,« antwortete er.

»Und wenn wir ihn gewinnen, was wird mit Abrahim geschehen?«

»Nichts. Ich kenne diese Leute. Abrahim wird dem Bimbaschi Geld geben oder einen der kostbaren Ringe, die er an den Fingern trägt, und der Baschi wird ihn laufen lassen.«

»Wünschest du seinen Tod?«

»Nein. Ich habe Senitza gefunden, das ist mir genug.«

»Und wie denkt deine Freundin darüber?«

Senitza antwortete selbst:

»Effendi, ich war sehr unglücklich, jetzt aber bin ich frei. Ich werde nicht mehr an ihn denken.«

Das befriedigte mich. Jetzt galt es nur noch, den Abu el Reïsahn zu befragen. Er erklärte mir rundweg, daß er sehr froh sei, mit heiler Haut davonzukommen, und so machte ich mich beruhigt an das Rekognoszieren.

Ich schritt durch den Ausgang hinaus auf die Straße. Die heiße Tageszeit war eingetreten und ich sah keinen Menschen auf der Straße. Es war klar, daß der Sahbeth-Bei wünschte, daß wir uns selbst ranzionieren und nicht auf seine Entscheidung warten möchten; ich kehrte daher in den Hof zurück, teilte den Leuten meine Ansicht mit und forderte sie auf, mir zu folgen. Sie taten es, und kein Mensch trat unserm Tun entgegen.

Als wir die Dahabië erreichten, ergab es sich, daß sie von den Khawassen verlassen worden war. Ein Freund und Bewunderer der Ladung, welche aus Sennesblättern bestand, hätte ganz ungestört eine Annexion vornehmen können.

Der Sandal lag nicht mehr am Ufer; er war verschwunden. Jedenfalls hatte der würdige Chalid Ben Mustapha noch eher als wir die Absicht des Richters begriffen und sich mit Schiff und Bemannung davon gemacht.

Wo aber befand sich Abrahim-Mamur?

Dies zu erfahren wäre uns nicht gleichgültig gewesen; denn es war nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich, daß er uns im Auge behalten werde. Ich wenigstens hatte die Ahnung, ihn früher oder später wieder einmal zu treffen.

Die Dahabië lichtete den Anker, und wir setzten unsere unterbrochene Fahrt fort mit dem wohltuenden Bewußtsein, einer sehr schlimmen Lage glücklich entronnen zu sein.

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