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Текст книги "Durch die Wüste"


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Автор книги: Karl May


Жанр: Классическая проза, Классика


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»Nein.«

»So laß sie ruhig ziehen! Es taugt nicht, sich in fremde Händel zu mischen.«

Der Mann sprach wie ein echter Beduine. Er hielt es nicht einmal für nötig, die Männer, welche ihm als Mörder geschildert worden waren, mit einem Blick zu betrachten. Auch sie hatten uns bemerkt und erkannt. Ich sah, wie sie sich beeilten, auf die Salzdecke zu kommen. Als dies geschehen war, hörten wir ein verächtliches Lachen, mit welchem sie uns den Rücken kehrten.

Wir gingen in die Hütte zurück, ruhten noch bis Mittag aus, versahen uns dann mit dem nötigen Proviante und traten die gefährliche Wanderung an.

Ich habe auf fremden, unbekannten Strömen zur Winterszeit mit Schneeschuhen meilenweite Strecken zurückgelegt und mußte jeden Augenblick gewärtig sein, einzubrechen, habe aber dabei niemals die Empfindung wahrgenommen, welche mich beschlich, als ich jetzt den heimtückischen Schott betrat. Es war nicht etwa Furcht oder Angst, sondern es mochte ungefähr das Gefühl eines Seiltänzers sein, der nicht genau weiß, ob das Tau, welches ihn trägt, auch gehörig befestigt worden ist. Statt des Eises eine Salzdecke – das war mir mehr als neu. Der eigentümliche Klang, die Farbe, die Kristallisation dieser Kruste – das alles erschien mir zu fremd, als daß ich mich hätte sicher fühlen können. Ich prüfte bei jedem Schritte und suchte nach sicheren Merkmalen für die Festigkeit unseres Fußbodens. Stellenweise war derselbe so hart und glatt, daß man hätte Schlittschuhe benutzen können, dann aber hatte er wieder das schmutzige, lockere Gefüge von niedergetautem Schnee und vermochte nicht, die geringste Last zu tragen.

Erst nachdem ich mich über das so Ungewohnte einigermaßen orientiert hatte, stieg ich zu Pferde, um mich nächst dem Führer auch zugleich auf den Instinkt meines Tieres zu verlassen. Der kleine Hengst schien gar nicht zum erstenmale einen solchen Weg zu machen. Er trabte, wo Sicherheit vorhanden war, höchst wohlgemut darauf los und zeigte dann, wenn sein Vertrauen erschüttert war, eine ganz vorzügliche Liebhaberei für die besten Stellen des oft kaum fußbreiten Pfades. Er legte dann die Ohren vor oder hinter, beschnupperte den Boden, schnaubte zweifelnd oder überlegend und trieb die Vorsicht einigemale so weit, eine zweifelhafte Stelle erst durch einige Schläge mit dem Vorderhufe zu prüfen.

Der Führer schritt voran; ich folgte ihm, und hinter mir ritt Halef. Der Weg nahm unsere Aufmerksamkeit so in Anspruch, daß nur wenig gesprochen wurde. So waren wir bereits über drei Stunden unterwegs, als sich Sadek zu mir wandte:

»Nimm dich in acht, Sihdi! Jetzt kommt die schlimmste Stelle des ganzen Weges.«

»Warum schlimm?«

»Der Pfad geht oft durch hohes Wasser und ist dabei auf eine lange Strecke so schmal, daß man ihn mit zwei Händen bedecken kann.«

»Bleibt der Boden stark genug?«

»Ich weiß es nicht genau; die Stärke unterliegt oft großen Veränderungen.«

»So werde ich absteigen, um die Last zu halbieren.«

»Sihdi, tue es nicht. Dein Pferd geht sicherer als du.«

Hier war der Führer Herr und Meister; ich gehorchte ihm also und blieb sitzen. Doch noch heute denke ich mit Schaudern an die zehn Minuten, welche nun folgten; zehn Minuten nur, aber unter solchen Verhältnissen sind sie eine Ewigkeit.

Wir hatten ein Terrain erreicht, auf welchem Tal und Hügel wechselte. Die wellenförmigen Erhebungen bestanden zwar aus hartem, haltbarem Salze, die Talmulden aber aus einer zähen, breiartigen Masse, in welcher sich nur einzelne schmale Punkte befanden, auf denen Mensch und Tier nur unter höchster Aufmerksamkeit und mit der größten Gefahr zu fußen vermochten. Und dabei ging mir, trotzdem ich auf dem Pferde saß, das grüne Wasser oft bis an die Oberschenkel heran, so daß die Stellen, auf denen man fußen konnte, erst unter der Flut gesucht werden mußten. Dabei war das allerschlimmste, daß der Führer und dann wieder auch die Tiere diese Stellen erst suchen und dann probieren mußten, ehe sie sich mit dem ganzen Gewichte darauf wagen konnten, und doch war dieser Halt so gering, so trügerisch und verräterisch, daß man keinen Augenblick zu lange darauf verweilen durfte, wenn man nicht versinken wollte – es war fürchterlich.

Jetzt kamen wir an eine Stelle, welche uns auf wohl zwanzig Meter Länge kaum einen zehn Zoll breiten, halbwegs zuverlässigen Pfad bot.

»Sihdi, aufgepaßt! Wir stehen mitten im Tode,« rief der Führer.

Er wandte sich während des Forttastens mit dem Gesichte nach Morgen und betete mit lauter Stimme die heilige Fatcha:

»Im Namen des allbarmherzigen Gottes. Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrscht am Tage des Gerichtes. Dir wollen wir dienen und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führest den rechten Weg, den Weg derer, die deiner Gnade sich freuen und nicht den Weg derer, über welche – – – »

Halef war hinter mir in das Gebet eingefallen; plötzlich aber verstummten beide zu gleicher Zeit; – zwischen den zwei nächsten Wellenhügeln hervor fiel ein Schuß. Der Führer warf beide Arme empor, stieß einen unartikulierten Schrei aus, trat fehl und war im nächsten Augenblick unter der Salzdecke verschwunden, die sich sofort wieder über ihm schloß.

In solchen Augenblicken erhält der menschliche Geist eine Spannkraft, welche ihm eine ganze Reihe von Gedanken und Schlüssen, zu denen sonst Viertelstunden oder gar Stunden gehören, mit der Schnelligkeit des Blitzes und tagesheller Deutlichkeit zum Bewußtsein bringt. Noch war der Schuß nicht verhallt und der Führer nicht ganz versunken, so wußte ich bereits alles. Die beiden Mörder wollten ihre Ankläger verderben; sie hatten ihren Führer um so leichter gewonnen, als derselbe auf den unserigen eifersüchtig war. Sie brauchten uns gar kein Leid zu tun; wenn sie unsern Führer töteten, waren wir unbedingt verloren. Sie lauerten also hier bei der gefährlichsten Stelle des ganzen Weges und schossen Sadek nieder. Nun brauchten sie nur zuzusehen, wie wir versanken.

Daß Sadek von der Kugel in den Kopf getroffen war, merkte ich trotz der Schnelligkeit, mit der alles geschah. Hatte die durchfahrende Kugel auch mein Pferd gestreift, oder war es der Schreck über den Schuß? Der kleine Berberhengst zuckte heftig zusammen, verlor hinten den Halt und brach ein.

»Sihdi!« brüllte hinter mir Halef in unbeschreiblicher Angst.

Ich war verloren, wenn mich nicht eins rettete: noch während das Pferd im Versinken war und sich mit den Vorderhufen vergeblich anzuklammern suchte, stützte ich die beiden Hände auf den Sattelknopf, warf die Beine hinten in die Luft empor und schlug eine Volte über den Kopf des armen Pferdes hinweg, welches durch den hierbei ausgeübten Druck augenblicklich unter den Salzboden gedrückt wurde. In dem Augenblick, während dessen ich durch die Luft flog, hat Gott das inbrünstigste Gebet meines ganzen Lebens gehört. Nicht lange Worte und viele Minuten gehören zum Gebete; wenn man zwischen Leben und Tod hindurchfliegt, gibt es keine Worte und keine Zeit zu messen.

Ich bekam festen Boden; er wich aber augenblicklich unter mir; halb schon im Versinken, fußte ich wieder und raffte mich empor; ich sank und erhob mich, ich strauchelte, ich trat fehl, ich fand dennoch Grund; ich wurde hinabgerissen und kam dennoch vorwärts und ging dennoch nicht unter; ich hörte nichts mehr, ich fühlte nichts mehr, ich sah nichts mehr als nur die drei Männer dort an der Salzwelle, von denen zwei mit angeschlagenem Gewehre mich erwarteten.

Da, da endlich hatte ich festen Boden unter den Füßen, festen, breiten Boden, zwar auch nur Salz, aber es trug mich sicher. Zwei Schüsse krachten – Gott wollte, daß ich noch leben sollte; ich war gestolpert und niedergestürzt; die Kugeln pfiffen an mir vorüber. Ich trug mein Gewehr noch auf dem Rücken; es war ein Wunder, daß ich es nicht verloren hatte; aber ich dachte jetzt gar nicht an die Büchse, sondern warf mich gleich mit geballten Fäusten auf die Schurken. Sie erwarteten mich nicht einmal. Der Führer floh; der ältere der beiden wußte, daß er ohne Führer verloren sei, und folgte ihm augenblicklich; ich faßte nur den jüngeren. Er riß sich los und sprang davon; ich blieb hart hinter ihm. Ihm blendete die Angst und mir der Zorn die Augen; wir achteten nicht darauf, wohin unser Lauf führte – er stieß einen entsetzlichen, heiseren Schrei aus, und ich warf mich sofort zurück. Er verschwand unter dem salzigen Gischte, und ich stand kaum dreißig Zoll vor seinem heimtückischen Grabe.

Da ertönte hinter mir ein angstvoller Ruf.

»Sihdi, Hilfe, Hilfe!«

Ich wandte mich um. Grad an der Stelle, wo ich festen Fuß gefaßt hatte, kämpfte Halef um sein Leben. Er war zwar eingebrochen, hielt sich aber an der dort zum Glücke sehr starken Salzkruste noch fest. Ich sprang hinzu, riß die Büchse herab und hielt sie ihm entgegen, indem ich mich platt niederlegte.

»Fasse den Riemen!«

»Ich habe ihn, Sihdi! O, Allah illa Allah!«

»Wirf die Beine empor; ich kann nicht ganz hin zu dir. Halte aber fest!«

Er wandte seine letzte Kraft an, um seinen Körper in die Höhe zu schnellen; ich zog zu gleicher Zeit scharf an, und es gelang – er lag auf der sicheren Decke des Sumpfes. Kaum hatte er Atem geschöpft, so erhob er sich auf die Knie und betete die vierundsechzigste Sure:

»Alles, was im Himmel und auf Erden ist, preiset Gott; sein ist das Reich, und ihm gebührt das Lob, denn er ist aller Dinge mächtig!«

Er, der Muselmann, betete; ich aber, der Christ, ich konnte nicht beten, ich konnte keine Worte finden, wie ich aufrichtig gestehe. Hinter mir lag die fürchterliche Salzfläche so ruhig, so bewegungslos, so gleißend, und doch hatte sie unsere beiden Tiere, und doch hatte sie unseren Führer verschlungen, und vor uns sah ich den Mörder entkommen, der dies alles verschuldet hatte! Jede Faser zuckte in mir, und es dauerte eine geraume Weile, bis ich ruhig wurde.

»Sihdi, bist du verwundet?«

»Nein. Aber Mensch, auf welche Weise hast du dich gerettet?«

»Ich sprang vom Pferde, grad wie du, Effendi. Und weiter weiß ich nichts. Ich konnte erst dann wieder denken, als ich dort am Rande hing. Aber wir sind nun dennoch verloren.«

»Warum?«

»Wir haben keinen Führer. O, Sadek, Freund meiner Seele, dein Geist wird mir verzeihen, daß ich schuld an deinem Tode bin. Aber ich werde dich rächen, das schwöre ich dir beim Barte des Propheten; rächen werde ich dich, wenn ich nicht hier verderbe.«

»Du wirst nicht verderben, Halef.«

»Wir werden verderben; wir werden verhungern und verdursten.«

»Wir werden einen Führer haben.«

»Wen?«

»Omar, den Sohn Sadeks.«

»Wie soll er uns hier finden?«

»Hast du nicht gehört, daß er nach Seftimi gegangen ist und heute wieder zurückkehren wird?«

»Er wird uns dennoch nicht finden.«

»Er wird uns finden. Sagte nicht Sadek, daß der Weg nach Seftimi und nach Fetnassa auf zwei Dritteile ganz derselbe sei?«

»Effendi, du gibst mir neue Hoffnung und neues Leben. Ja, wir werden warten, bis Omar hier vorüberkommt.«

»Für ihn ist es ein Glück, wenn er uns findet. Er würde hier hinter uns untergehen, da der frühere Pfad versunken ist, ohne daß er es weiß.«

Wir lagerten uns neben einander am Boden nieder; die Sonne brannte so heiß, daß unsere Kleider in wenigen Minuten getrocknet und mit einer salzigen Kruste überzogen wurden, so weit sie naß gewesen waren.

Zweites Kapitel: Vor Gericht

Obgleich ich die Ueberzeugung hegte, daß der Sohn des ermordeten Führers kommen werde, konnte er doch statt über den See, um denselben herumgegangen sein. Wir warteten also mit großer, ja mit ängstlicher Spannung. Der Nachmittag verging; es waren nur noch zwei Stunden bis zum Abend; da ließ sich eine Gestalt erkennen, welche von Osten her langsam der Stelle nahte, an welcher wir uns befanden. Sie kam näher und näher und erblickte nun auch uns.

»Er ist es,« meinte Halef, legte die Hände wie ein Sprachrohr an den Mund und rief: »Omar Ben Sadek, eile herbei!«

Der Gerufene verdoppelte seine Schritte und stand bald vor uns. Er erkannte den Freund seines Vaters.

»Sei willkommen, Halef Omar!« grüßte er.

»Hadschi Halef Omar!« verbesserte Halef.

»Verzeihe mir! Die Freude, dich zu sehen, ist schuld an diesem Fehler. Du kamst nach Kris zum Vater?«

»Ja,« antwortete Halef.

»Wo ist er? Wenn du auf dem Schott bist, muß er in der Nähe sein.«

»Er ist in der Nähe,« antwortete Halef feierlich.

»Wo?«

»Omar Ibn Sadek, dem Gläubigen geziemt es, stark zu sein, wenn ihn das Kismet trifft.«

»Rede, Halef, rede! Es ist ein Unglück geschehen?«

»Ja.«

»Welches?«

»Allah hat deinen Vater zu seinen Vätern versammelt.«

Der Jüngling stand vor uns, keines Wortes mächtig. Sein Auge starrte den Sprecher entsetzt an, und sein Angesicht war furchtbar bleich geworden. Endlich gewann er die Sprache wieder, aber er benützte sie auf ganz andere Weise, als ich vermutet hatte.

»Wer ist dieser Sihdi?« fragte er.

»Es ist Kara Ben Nemsi, den ich zu deinem Vater brachte. Wir verfolgten zwei Mörder, welche über den Schott gingen. »

»Mein Vater sollte euch führen?«

»Ja; er führte uns. Die Mörder bestachen Arfan Rakedihm und stellten uns hier einen Hinterhalt. Sie schossen deinen Vater nieder; er und die Pferde versanken in dem Sumpfe, uns aber hat Allah gerettet.«

»Wo sind die Mörder?«

»Der eine starb im Salze, der andere aber ist mit dem Chabir[14]14
  Führer.


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nach Fetnassa.«

»So ist der Pfad hier verdorben?«

»Ja. Du kannst ihn nicht betreten.«

»Wo versank mein Vater?«

»Dort, dreißig Schritte von hier.«

Omar ging so weit vorwärts, als die Decke trug, starrte eine Weile vor sich nieder und wandte sich dann nach Osten:

»Allah, du Gott der Allmacht und Gerechtigkeit, höre mich! Muhammed, du Prophet des Allerhöchsten, höre mich! Ihr Kalifen und Märtyrer des Glaubens, hört mich! Ich, Omar Ben Sadek, werde nicht eher lachen, nicht eher meinen Bart beschneiden, nicht eher die Moschee besuchen, als bis die Dschehennah aufgenommen hat den Mörder meines Vaters! Ich schwöre es!«

Ich war tief erschüttert von diesem Schwure, durfte aber nichts dagegen sagen. Nun setzte er sich zu uns und bat mit beinahe unnatürlicher Ruhe:

»Erzählt!«

Halef folgte seinem Wunsche. Als er fertig war, erhob sich der Jüngling.

»Kommt!«

Nur das eine Wort sprach er; dann schritt er voran, wieder in der Richtung zurück, aus der er gekommen war.

Wir hatten bereits vorher die schwierigsten Stellen des Weges überwunden; es war keine große Gefahr mehr zu befürchten, trotzdem wir den ganzen Abend und die ganze Nacht hindurch marschierten. Am Morgen betraten wir das Ufer der Halbinsel Nifzaua und sahen Fetnassa vor uns liegen.

»Was nun?« fragte Halef.

»Folgt mir nur!« antwortete Omar.

Dies war das erste Wort, welches ich seit gestern von ihm hörte. Er schritt auf die dem Strande zunächst gelegene Hütte zu. Ein alter Mann saß vor derselben.

»Sallam aaleïkum!« grüßte Omar.

»Aaleïkum,« dankte der Alte.

»Du bist Abdullah el Hamis, der Salzverwieger?«

»Ja.«

»Hast du gesehen den Chabir Arfan Rakedihm aus Kris?«

»Er betrat bei Tagesanbruch mit einem fremden Manne das Land.«

»Was taten sie?«

»Der Chabir ruhte bei mir aus und ging dann nach Bir Rekeb, um von da nach Kris zurückzukehren. Der Fremde aber kaufte sich bei meinem Sohne ein Pferd und fragte nach dem Wege nach Kbilli.«

»Ich danke dir, Abu el Malah[15]15
  »Vater des Salzes«.


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Er ging schweigend weiter und führte uns in eine Hütte, wo wir einige Datteln aßen und eine Schale Lagmi tranken. Dann ging es nach Beschni, Negua und Mansurah, wo wir auf unsere Erkundigungen überall in Erfahrung brachten, daß wir dem Gesuchten auf den Fersen seien. Von Mansurah ist es gar nicht weit bis zu der großen Oase Kbilli. Dort gab es damals noch einen türkischen Wekil[16]16
  Statthalter.


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, welcher unter der Aufsicht des Regenten von Tunis den Nifzaua verwaltete. Hierzu waren ihm zehn Soldaten zur Verfügung gestellt worden.

Wir begaben uns zunächst in ein Kaffeehaus, wo Omar nicht lange Ruhe hatte. Er verließ uns, um Erkundigungen einzuziehen, und kehrte erst nach einer Stunde zurück.

»Ich habe ihn gesehen,« meldete er.

»Wo?« fragte ich.

»Beim Wekil.«

»Beim Statthalter?«

»Ja. Er ist sein Gast und trägt sehr prächtige Kleidung. Wenn ihr mit ihm reden wollt, so müßt ihr kommen, denn es ist jetzt die Zeit der Audienz.«

Mein Interesse war im höchsten Grade erregt. Ein steckbrieflich verfolgter Mörder war der Gast eines großherrlichen Statthalters!

Omar führte uns über einen freien Platz hinweg nach einem steinernen, niedrigen Hause, dessen Umfassungsmauern keine Spur von Fenstern zeigten. Vor der Tür desselben standen Nefers[17]17
  Soldaten.


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, welche vor einem Onbaschi[18]18
  Korporal.


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exerzierten, während der Saka[19]19
  Tambour.


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zuschauend an der Tür lehnte. Wir wurden ohne Widerstand eingelassen und von einem Neger um unser Begehr befragt. Er führte uns in das Selamlük, einen kahlwändigen Raum, dessen einzige Ausstattung in einem alten Teppiche bestand, der in einer Ecke des Zimmers ausgebreitet war. Auf demselben saß ein Mann mit verschwommenen Gesichtszügen, welcher aus einer uralten persischen Hukah Tabak rauchte.

»Was wollt ihr?« fragte er.

Der Ton, in dem diese Frage ausgesprochen wurde, behagte mir nicht. Ich antwortete daher mit einer Gegenfrage:

»Wer bist du?«

Er sah mich in starrem Erstaunen an und antwortete:

»Der Wekil!«

»Wir wollen mit dem Gaste reden, welcher heut oder gestern bei dir angekommen ist.«

»Wer bist du?«

»Hier ist mein Paß.«

Ich gab ihm das Dokument in die Hand. Er warf einen Blick darauf, faltete es zusammen und steckte es in die Tasche seiner weiten Pumphosen.

»Wer ist dieser Mann?« fragte er dann weiter, indem er auf Halef deutete.

»Mein Diener.«

»Wie heißt er?«

»Er nennt sich Hadschi Halef Omar.«

»Wer ist der andere?«

»Er ist der Führer Omar Ben Sadek.«

»Und wer bist du selbst?«

»Du hast es ja gelesen!«

»Ich habe es nicht gelesen.«

»Es steht in meinem Passe.«

»Er ist mit den Zeichen der Ungläubigen geschrieben. Von wem hast du ihn?«

»Von dem französischen Gouvernement in Algier.«

»Das französische Gouvernement in Algier gilt hier nichts. Dein Paß hat den Wert eines leeren Papieres. Also, wer bist du?«

Ich beschloß, den Namen zu behalten, welchen mir Halef gegeben hatte.

»Ich heiße Kara Ben Nemsi.«

»Du bist ein Sohn der Nemsi? Ich kenne sie nicht. Wo wohnen sie?«

»Vom Westen der Türkei bis an die Länder der Fransezler und Engleterri.«

»Ist die Oase groß, in der sie leben, oder haben sie mehrere kleine Oasen?«

»Sie bewohnen eine einzige Oase, die aber so groß ist, daß fünfzig Millionen Menschen auf ihr wohnen.«

»Allah akbar, Gott ist groß! Es gibt Oasen, in denen es von Geschöpfen wimmelt. Hat diese Oase auch Bäche?«

»Sie hat fünfhundert Flüsse und Millionen Bäche. Viele von diesen Flüssen sind so groß, daß Schiffe auf ihnen fahren, die mehr Menschen fassen, als Basma oder Rahmath Einwohner hat.«

»Allah kerihm, Gott ist gnädig! Welch ein Unglück, wenn alle diese Schiffe in einer Stunde von den Flüssen verschlungen würden! An welchen Gott glauben die Nemsi?«

»Sie glauben an deinen Gott, aber sie nennen ihn nicht Allah sondern Vater.«

»So sind sie wohl nicht Sunniten, sondern Schiiten?«

»Sie sind Christen.«

»Allah iharkilik, Gott verbrenne dich! So bist du also auch ein Christ?«

»Ja.«

»Ein Giaur? Und du willst es wagen, mit dem Wekil von Kbilli zu reden! Ich werde dir die Bastonnade geben lassen, wenn du nicht sogleich dafür sorgest, daß du mir aus den Augen kommst!«

»Habe ich etwas getan, was gegen die Gesetze ist oder was dich beleidigt?«

»Ja. Ein Giaur darf sich niemals unterstehen, mir unter die Augen zu treten. Also wie heißt hier dieser dein Führer?«

»Omar Ben Sadek.«

»Gut! Omar Ben Sadek, wie lange dienst du diesem Nemsi?«

»Seit gestern.«

»Das ist nicht lange. Ich will also gnädig sein und dir nur zwanzig Hiebe auf die Fußsohle geben lassen.«

Zu mir gewendet, fuhr er fort:

»Und wie heißt dieser dein Diener hier?«

»Allah akbar, Gott ist groß, aber er hat leider dein Gedächtnis so klein gemacht, daß du dir nicht einmal zwei Namen merken kannst! Mein Diener heißt, wie ich dir bereits gesagt habe, Hadschi Halef Omar.«

»Du willst mich beschimpfen, Giaur? Ich werde nachher dein Urteil fällen! Also, Halef Omar, du bist ein Hadschi und dienst einem Ungläubigen? Das verdient doppelte Streiche. Wie lange Zeit bist du bereits bei ihm?«

»Fünf Wochen.«

»So wirst du sechzig Hiebe auf die Fußsohlen erhalten und darauf fünf Tage hungern und dürsten müssen! Und du, nun wieder; wie war dein Name?«

»Kara Ben Nemsi.«

»Gut, Kara Ben Nemsi, du hast drei große Verbrechen begangen.«

»Welche, Sihdi?«

»Ich bin kein Sihdi; du hast mich Dschenabin-iz oder Hazretin-iz, also Euer Gnaden oder Euer Hoheit zu nennen! Deine Verbrechen sind folgende: du hast erstens zwei Rechtgläubige verführt, dir zu dienen, macht fünfzehn Stockschläge; du hast zweitens es gewagt, mich in meinem Kef zu stören, macht wieder fünfzehn Stockschläge; du hast drittens an meinem Gedächtnisse gezweifelt, macht zwanzig Stockschläge; zusammen also fünfzig Hiebe auf die Fußsohle. Und da es mein Recht ist, für jeden Richterspruch das Wergi, die Abgabe, zu verlangen, so wird alles, was du besitzest und bei dir trägst, von jetzt an mir gehören; ich konfisziere es.«

»O, großer Dschenabin-iz, ich bewundere dich; deine Gerechtigkeit ist erhaben, deine Weisheit ganz erhaben, deine Gnade noch erhabener und deine Klugheit und Schlauheit am allererhabensten! Aber ich bitte dich, edler Bei von Kbilli, laß uns deinen Gast sehen, ehe wir die Streiche erhalten.«

»Was willst du von ihm?«

»Ich vermute, daß er ein Bekannter von mir ist, und möchte mich an seinem Anblick weiden.«

»Er ist kein Bekannter von dir. Denn er ist ein großer Krieger, ein edler Sohn des Sultans und ein strenger Anhänger des Kuran; er ist also nie der Bekannte eines Ungläubigen gewesen. Aber damit er sehe, wie der Wekil von Kbilli Verbrechen bestraft, werde ich ihn kommen lassen. Nicht du sollst dich an seinem Anblick weiden, sondern er soll sich an den Hieben ergötzen, welche ihr erhaltet. Er wußte, daß ihr kommen würdet.«

»Ah! Woher wußte er es?«

»Ihr seid vorhin an ihm vorübergegangen, ohne ihn zu sehen, und er hat euch sofort bei mir angezeigt. Wäret ihr nicht von selbst gekommen, so hätte ich euch holen lassen.«

»Er hat uns angezeigt? Weshalb?«

»Das werdet ihr noch hören. Ihr sollt dann eine zweite Strafe erhalten, die noch größer ist als diejenige, welche ich euch vorhin diktiert habe.«

Das war nun allerdings ein eigentümlicher, wunderlicher Verlauf, den unsere Audienz bei diesem Beamten nahm. Ein Wekil mit zehn Stück Soldaten in einer so vorgeschobenen, vergessenen Oase – er war jedenfalls einmal nichts anderes gewesen, als höchstens Tschausch oder Mülasim[20]20
  Tschausch = Feldwebel; Mülasim = Leutnant.


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, und man weiß ja, was man von einem türkischen Leutnant zu halten hat. Diese Subalternen sind oder waren nichts anderes, als die Stiefelputzer und Pfeifenstopfer der höheren Chargen. Man hatte den guten Mann nach Kbilli gesetzt, um ihm Gelegenheit zu geben, für sich selbst zu sorgen, und dann jedenfalls nie wieder an ihn gedacht, denn der Bei von Tunis hatte bereits alle türkischen Soldaten aus dem Lande gejagt, und die Beduinenstämme standen nur in der Weise unter dem Schutze des Großherrn, daß er ihren Häuptlingen jährlich die ausbedungenen Ehrenburnusse schickte, während sie sich ihm dadurch dankbar erwiesen, daß sie gar nicht mehr an ihn dachten. Der brave Wekil war also in Beziehung auf seinen Unterhalt auf Erpressung angewiesen, und da dies den Eingebornen gegenüber immer eine gefährliche Sache war, so mußte ihm ein Fremder wie ich ganz gelegen kommen. Er wußte nichts von Deutschland; er kannte nicht die Bedeutung der Konsulate; er wohnte unter räuberischen Nomaden, glaubte mich schutzlos und nahm also an, ungestraft tun zu können, was ihm beliebte.

Allerdings hatte es seine Richtigkeit, daß ich nur auf mich selbst angewiesen war, aber es fiel mir doch nicht ein, mich vor »Seiner Hoheit« zu fürchten, vielmehr machte es mir Spaß, daß er uns in so genialer Unverfrorenheit mit der Bastonnade beglücken wollte. Zugleich war ich neugierig, ob sein Gastfreund wirklich der von uns gesuchte sei. Omar konnte sich ja geirrt haben, was mir allerdings nicht wahrscheinlich erschien, wenn ich in Betracht zog, daß dieser Gastfreund uns angezeigt hatte. Welches Verbrechens er uns bezüchtigt hatte, ahnte ich. Jedenfalls war er ein früherer Bekannter des Wekil und benutzte dies, uns auf irgend eine Weise unschädlich zu machen.

Der Statthalter klatschte in die Hände, und sogleich erschien ein schwarzer Diener, der sich vor ihm, wie vor dem Sultan, auf die Erde warf. Der Wekil flüsterte ihm einige Worte zu, worauf er sich entfernte. Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür, und die zehn Soldaten mit ihrem Onbaschi traten ein. Sie boten einen kläglichen Anblick in ihren aus allen möglichen Fetzen zusammengesetzten Kleidern, die nicht im mindesten einer militärischen Uniform glichen; die meisten von ihnen waren barfuß, und alle trugen Gewehre, mit denen man alles eher tun konnte, als schießen. Sie warfen sich kunterbunt durcheinander vor dem Wekil nieder, der sie zunächst mit einem möglichst martialischen Blick musterte und dann seinen Befehl aussprach:

»Kalkyn – steht auf!«

Sie erhoben sich, und der Onbaschi riß seinen mächtigen Sarras aus der Scheide.

»Kylyn syraji – bildet die Reihe!« brüllte er mit einer Stentorstimme.

Sie stellten sich nebeneinander und hielten die Flinten nach Belieben in den braunen Händen.

»Has – dur – das Gewehr über!« kommandierte er nun.

Die Flinten flogen empor, stießen gegeneinander, gegen die Mauer oder gegen die Köpfe der stattlichen Helden, kamen aber doch nach einiger Zeit glücklich auf die Achseln ihrer Besitzer zu liegen.

»Isalam – dur – präsentiert das Gewehr!«

Wieder bildeten die Flinten einen wirren Knäuel, bei dessen Unentwirrbarkeit es kein Wunder war, daß die eine ihren Lauf verlor. Der Soldat bückte sich gemächlich nieder, hob ihn in die Höhe, betrachtete ihn von allen Seiten, hielt ihn dann gegen das Licht, um hindurchzugucken und sich zu überzeugen, daß das Loch, aus dem geschossen wird, noch vorhanden sei, zog dann eine Palmenfaserschnur aus der Tasche und band den desertierten Lauf behutsam auf dem Orte fest, wo er hingehörte, nämlich an den Schaft. Dann endlich brachte er die restaurierte Waffe mit höchst befriedigter Miene in diejenige Lage, welche mit dem letzten Kommandoworte vorgeschrieben war.

»Sessiz, söjle-me-niz – steht still und schwatzt nicht!«

Bei diesem Rufe drückten sie die Lippen mit sichtlicher Kraft und Energie zusammen und ließen durch ein sehr ernsthaftes Augenzwinkern erkennen, daß es ihr unumstößlicher Wille sei, keinen Laut von sich zu geben. Sie merkten, daß sie geholt worden seien, drei Verbrecher zu bewachen, und da galt es also, uns zu imponieren.

Ich mußte mir wirklich Mühe geben, bei diesem sonderbaren Exerzitium ernsthaft zu bleiben, und wie ich deutlich bemerkte, hatte meine heitere Laune zugleich den Erfolg, den Mut meiner beiden Begleiter zu befestigen.

Und wieder öffnete sich die Tür. Der Erwartete trat ein. Er war es.

Ohne uns eines Blickes zu würdigen, ging er zum Teppich, ließ sich an der Seite des Wekil nieder und nahm die Pfeife aus der Hand des Schwarzen, der mit ihm eingetreten war und sie ihm anbrannte. Dann erst erhob er das Auge und musterte uns mit einer Verachtung, die gar nicht größer gedacht werden konnte.

Jetzt nahm der Statthalter das Wort, indem er mich fragte:

»Dieser Mann ist es, den ihr sehen wolltet. Ist er ein Bekannter von dir?«

»Ja.«

»Du hast recht gesprochen; er ist ein Bekannter von dir, das heißt, du kennst ihn. Aber dein Freund ist er nicht.«

»Ich würde mich auch für seine Freundschaft sehr bedanken. Wie nennt er sich?«

»Er heißt Abu en Nassr.«

»Das ist nicht wahr! Sein Name ist Hamd el Amasat.«

»Giaur, wage es nicht, mich der Lüge zu zeihen, sonst erhältst du zwanzig Hiebe mehr! Allerdings heißt mein Freund Hamd el Amasat; aber wisse, du Hund von einem Ungläubigen, als ich noch als Miralai in Stambul stand, wurde ich einst des Nachts von griechischen Banditen angefallen; da kam Hamd el Amasat dazu, sprach mit ihnen und rettete mir das Leben. Seit jener Nacht heißt er Abu en Nassr, der Vater des Sieges, denn niemand kann ihm widerstehen, nicht einmal ein griechischer Bandit.«

Ich konnte mich nicht enthalten, lachend den Kopf zu schütteln, und fragte:

»Du willst in Stambul Miralai, also Oberst gewesen sein? Bei welcher Truppe?«

»Bei der Garde, du Sohn eines Schakals.«

Ich trat einen Schritt näher zu ihm heran und erhob die Rechte.

»Wage es noch einmal, mich zu schimpfen, so gebe ich dir eine Ssille, das heißt, eine solche Ohrfeige, daß du morgen deine Nase für ein Minaret ansehen sollst! Du wärst mir der Kerl, ein Oberst gewesen zu sein! So etwas darfst du wohl hier deinen Oasenhelden weismachen, nicht aber mir; verstanden!«

Er erhob sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit. Das war ihm noch nie vorgekommen; das ging ihm über alle seine Begriffe; er starrte mich an, als ob ich ein Gespenst sei, und stotterte dann, ich weiß nicht, ob vor Wut oder vor Verlegenheit:

»Mensch, ich hätte sogar Liwa-Pascha werden können, also General-Major, wenn mir die Stelle hier in Kbilli nicht lieber gewesen wäre!«

»Ja, du bist ein wahrer Ausbund von Mut und Tapferkeit. Du hast mit Banditen gekämpft, welche dein Freund mit bloßen Worten besiegte, hörst du es? Er ist also jedenfalls ein sehr guter Bekannter von ihnen gewesen oder gar ein Mitglied ihrer Sippe. Er hat in Algier einen Raubmord begangen; er hat im Wadi Tarfaui einen Mann getötet; er hat auf dem Schott Dscherid meinen Führer, den Vater dieses Jünglings, erschossen, weil er mich verderben wollte; er ist von mir verfolgt worden bis nach Kbilli, und ich finde diesen Menschen wieder als den Freund eines Mannes, der ein Oberst im Dienste des Großherrn gewesen zu sein behauptet. Ich klage ihn des Mordes bei dir an und verlange, daß du ihn gefangen nimmst!«

Jetzt erhob sich auch Abu en Nassr. Er rief:

»Dieser Mensch ist ein Giaur. Er hat Wein getrunken und weiß nicht, was er redet. Er mag seinen Rausch verschlafen und sich dann verantworten.«

Das war mir denn doch zu viel. Im Nu hatte ich ihn gepackt; hob ihn empor und warf ihn zu Boden. Er sprang auf und zog sein Messer.

»Hund, du hast dich an einem Gläubigen vergriffen; du mußt jetzt sterben!«

Mit diesen Worten warf er sich mit aller Gewalt auf mich. Ich aber gab ihm einen so wohlgezielten Faustschlag, daß er niederstürzte und regungslos liegen blieb.


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