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Автор книги: Старонемецкий эпос


Жанр: Зарубежная старинная литература, Зарубежная литература


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Abenteuer 16
Wie Siegfried erschlagen ward

 
944 Gunther und Hagen, die Recken wohlgethan
Gelobten mit Untreuen ein Birschen in den Tann.
Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen Schwein’
Und Bären und Wisende: was mochte Kühneres sein?
 
 
945 Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn.
Man bracht ihnen Speise aller Art dahin.
An einem kühlen Brunnen ließ er da das Leben:
Den Rath hatte Brunhild, König Gunthers Weib,
gegeben.
 
 
946 Da gieng der kühne Degen hin, wo er Kriemhild fand.
Schon war aufgeladen das edle Birschgewand
Ihm und den Gefährten: sie wollten über Rhein.
Da konnte Kriemhilden nicht leider zu Muthe sein.
 
 
947 Seine liebe Traute küsst’ er auf den Mund:
"Gott laße mich dich, Liebe, noch wiedersehn gesund
Und deine Augen mich auch; mit holden Freunden dein
Kürze dir die Stunden: ich kann nun nicht bei dir sein."
 
 
948 Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen,
Nach der sie Hagen fragte: da begann zu klagen
Die edle Königstochter, daß ihr das Leben ward:
Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart.
 
 
949 Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euer Jagen sein:
Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde
Schwein
Ueber die Haide jagten: da wurden Blumen roth.
Daß ich so bitter weine, das thut mir armem Weibe Noth.
 
 
950 "Wohl muß ich fürchten Etlicher Verrath,
Wenn man den und jenen vielleicht beleidigt hat,
Die uns verfolgen könnten mit feindlichem Haß.
Bleibt hier, lieber Herre, mit Treuen rath ich euch das."
 
 
951 Er sprach: "Liebe Traute, ich kehr in kurzer Zeit;
Ich weiß nicht, daß hier Jemand mir Haß trüg oder Neid.
Alle deine Freunde sind insgemein mir hold;
Auch verdient’ ich von den Degen wohl nicht anderlei
Sold."
 
 
952 "Ach nein, lieber Siegfried: wohl fürcht ich deinen Fall.
Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu Thal
Fielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah:
Und willst du von mir scheiden, das geht mir
inniglich nah."
 
 
953 Er umfieng mit Armen das zuchtreiche Weib,
Mit holden Küssen herzt’ er ihr den schönen Leib.
Da nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund:
Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund.
 
 
954 Da ritten sie von dannen in einen tiefen Tann
Der Kurzweile willen; manch kühner Rittersmann
Ritt mit dem König; hinaus gesendet ward
Auch viel der edeln Speise, die sie brauchten zu der Fahrt.
 
 
955 Manch Saumross zog beladen vor ihnen überrhein,
Das den Jagdgesellen das Brot trug und den Wein,
Das Fleisch mit den Fischen und Vorrath aller Art,
Wie sie ein reicher König wohl haben mag auf der Fahrt.
 
 
956 Da ließ man herbergen bei dem Walde grün
Vor des Wildes Wechsel die stolzen Jäger kühn,
Wo sie da jagen wollten, auf breitem Angergrund.
Auch Siegfried war gekommen: das ward
dem Könige kund.
 
 
957 Von den Jagdgesellen ward umhergestellt
Die Wart an allen Enden: da sprach der kühne Held,
Siegfried der starke: "Wer soll uns in den Wald
Nach dem Wilde weisen, ihr Degen kühn
und wohlgestalt?"
 
 
958 "Wollen wir uns scheiden," hub da Hagen an,
"Eh wir beginnen zu jagen hier im Tann:
So mögen wir erkennen, ich und der Herre mein,
Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei’n.
 
 
959 "Leute so wie Hunde, wir theilen uns darein:
Dann fährt, wohin ihm lüstet, Jeglicher allein"
Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank."
Da weilten die Jäger bei einander nicht mehr lang.
 
 
960 Da sprach der edle Siegfried: "Der Hunde hab ich Rath
Bis auf einen Bracken, der so genoßen hat,
Daß er die Fährte spüre der Thiere durch den Tann.
Wir kommen wohl zum Jagen!" sprach der Kriemhilde
Mann.
 
 
961 Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund hinter sich
Und brachte den Herren, eh lange Zeit verstrich,
Wo sie viel Wildes fanden: was des erstöbert ward,
Das erjagten die Gesellen, wie heut noch guter Jäger Art.
 
 
962 Was da der Brack ersprengte, das schlug mit seiner Hand
Siegfried der kühne, der Held von Niederland.
Sein Ross lief so geschwinde, daß ihm nicht viel entrann:
Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen allen gewann.
 
 
963 Er war in allen Dingen mannhaft genug.
Das erste der Thiere, die er zu Tode schlug,
War ein starker Büffel, den traf des Helden Hand:
Nicht lang darauf der Degen einen grimmen Leuen fand.
 
 
964 Als den der Hund ersprengte, schoß er ihn mit dem Bogen
Und dem scharfen Pfeile, den er darauf gezogen;
Der Leu lief nach dem Schuße nur dreier Sprünge lang.
Seine Jagdgesellen, die sagten Siegfrieden Dank.
 
 
965 Einen Wisend schlug er wieder darnach und einen Elk,
Vier starker Auer nieder und einen grimmen Schelk,
So schnell trug ihn die Mähre, daß ihm nichts entsprang:
Hinden und Hirsche wurden viele sein Fang.
 
 
966 Einen großen Eber trieb der Spürhund auf.
Als der flüchtig wurde, da kam in schnellem Lauf
Alles Jagens Meister und nahm zum Ziel ihn gleich.
Anlief das Schwein im Zorne diesen Helden tugendreich.
 
 
967 Da schlug es mit dem Schwerte der Kriemhilde Mann:
Das hätt ein andrer Jäger nicht so leicht gethan.
Als er nun gefällt lag, fieng man den Spürhund.
Seine reiche Beute wurde den Burgunden allen kund.
 
 
968 Da sprachen seine Jäger: "Kann es füglich sein,
So laßt uns, Herr Siegfried, des Wilds ein Theil gedeihn:
Ihr wollt uns heute leeren den Berg und auch den Tann."
Darob begann zu lächeln der Degen kühn
und wohlgethan.
 
 
969 Da vernahm man allenthalben Lärmen und Getos.
Von Leuten und von Hunden ward der Schall so groß,
Man hörte widerhallen den Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Meuten hatten die Jäger losgethan.
 
 
970 Da wurde viel des Wildes vom grimmen Tod ereilt.
Sie wähnten es zu fügen, daß ihnen zugetheilt
Der Preis des Jagens würde: das konnte nicht geschehn,
Als bei der Feuerstätte der starke Siegfried ward gesehn.
 
 
971 Die Jagd war zu Ende, doch nicht so ganz und gar,
Zu der Feuerstelle brachte der Jäger Schar
Häute mancher Thiere und des Wilds genug.
Hei! was des zur Küche des Königs Ingesinde trug!
 
 
972 Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn,
Daß er zum Imbiß wolle; da wurde laut ins Horn
Einmal gestoßen: so machten sie bekannt,
Daß man den edeln Fürsten nun bei den Herbergen fand.
 
 
973 Da sprach ein Jäger Siegfrieds: "Mit eines Hornes Schall
Ward uns kund gegeben, Herr, daß wir nun all
Zur Herberge sollen: erwiedre ichs, das behagt."
Da ward nach den Gesellen mit Blasen lange gefragt.
 
 
974 Da sprach der edle Siegfried: "Nun räumen wir den Wald."
Sein Ross trug ihn eben; die Andern folgten bald.
Sie ersprengten mit dem Schalle ein Waldthier
fürchterlich,
Einen wilden Bären; da sprach der Degen hinter sich:
 
 
975 "Ich schaff uns Jagdgesellen eine Kurzweil.
Da seh ich einen Bären: den Bracken löst vom Seil.
Zu den Herbergen soll mit uns der Bär:
Er kann uns nicht entrinnen, und flöh er auch noch
so sehr."
 
 
976 Da lös’ten sie den Bracken: der Bär sprang hindann.
Da wollt ihn erreiten der Kriemhilde Mann.
Er kam in eine Bergschlucht: da konnt er ihm nicht bei:
Das starke Thier wähnte von den Jägern schon sich frei.
 
 
977 Da sprang von seinem Rosse der stolze Ritter gut
Und begann ihm nachzulaufen. Das Thier war ohne Hut,
ES konnt ihm nicht entrinnen: er fieng es allzuhand;
Ohn es zu verwunden, der Degen eilig es band.
 
 
978 Kratzen oder beißen konnt es nicht den Mann.
Er band es an den Sattel; auf saß der Schnelle dann
Und bracht es an die Feuerstatt in seinem hohen Muth
Zu einer Kurzweile, dieser Degen kühn und gut.
 
 
979 Er ritt zur Herberge in welcher Herrlichkeit!
Sein Sper war gewaltig, stark dazu und breit;
Eine schmucke Waffe hieng ihm herab bis auf den Sporn;
Von rothem Golde führte der Held ein herrliches Horn.
 
 
980 Von beßerm Birschgewande hört ich niemals sagen.
Einen Rock von schwarzem Zeuge sah man ihn tragen
Und einen Hut von Zobel, der reich war genug.
Hei! was edler Borten an seinem Köcher er trug!
 
 
981 Ein Vlies von einem Panther war darauf gezogen
Des Wohlgeruches wegen. Auch trug er einen Bogen:
Mit einer Winde must ihn ziehen an,
Wer ihn spannen wollte, er hätt es selbst denn gethan.
 
 
982 Von fremden Tierhäuten war all sein Gewand,
Das man von Kopf zu Füßen bunt überhangen fand.
Aus dem lichten Rauchwerk zu beiden Seiten hold
An dem kühnen Jägermeister schien manche Flitter
von Gold.
 
 
983 Auch führt’ er Balmungen, das breite schmucke Schwert:
Das war solcher Schärfe, nichts blieb unversehrt,
Wenn man es schlug auf Helme: seine Schneiden
waren gut.
Der herrliche Jäger trug gar hoch seinen Muth.
 
 
984 Wenn ich euch der Märe ganz bescheiden soll,
So war sein edler Köcher guter Pfeile voll,
Mit goldenen Röhren, die Eisen händebreit.
Was er traf mit Schießen, dem war das Ende nicht weit.
 
 
985 Da ritt der edle Ritter stattlich aus dem Tann.
Gunthers Leute sahen, wie er ritt heran.
Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Ross:
Da trug er an dem Sattel einen Bären stark und groß.
 
 
986 Als er vom Ross gestiegen, löst’ er ihm das Band
Vom Mund und von den Füßen: die Hunde gleich
zur Hand
Begannen laut zu heulen, als sie den Bären sahn.
Das Thier zu Walde wollte: das erschreckte manchen
Mann.
 
 
987 Der Bär durch die Küche von dem Lärm gerieth:
Hei! was er Küchenknechte da vom Feuer schied!
Gestürzt ward mancher Keßel, verschleudert mancher
Brand;
Hei! was man guter Speisen in der Asche liegen fand!
 
 
988 Da sprang von den Sitzen Herr und Knecht zumal.
Der Bär begann zu zürnen; der König gleich befahl
Der Hunde Schar zu lösen, die an den Seilen lag;
Und war es Wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag.
 
 
989 Mit Bogen und mit Spießen, man säumte sich nicht mehr,
Liefen hin die Schnellen, wo da gieng der Bär;
Doch wollte Niemand schießen, von Hunden
wars zu voll.
So laut war das Getöse, daß rings der Bergwald erscholl.
 
 
990 Der Bär begann zu fliehen vor der Hunde Zahl;
Ihm konnte Niemand folgen als Kriemhilds Gemahl.
Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod er ihn da schlug.
Wieder zu dem Feuer das Gesind den Bären trug.
 
 
991 Da sprachen, die es sahen, er wär ein starker Mann.
Die stolzen Jagdgesellen rief man zu Tisch heran.
Auf schönem Anger saßen der Helden da genug.
Hei! was man Ritterspeise vor die stolzen Jäger trug!
 
 
992 Die Schenken waren säumig, sie brachten nicht den Wein;
So gut bewirthet mochten sonst Helden nimmer sein.
Wären manche drunter nicht so falsch dabei,
So wären wohl die Degen aller Schanden los und frei.
 
 
993 Des wurde da nicht inne der verrathne kühne Mann,
Daß man solche Tücke wider sein Leben spann.
Er war in höfschen Züchten alles Truges bar;
Seines Todes must entgelten, dem es nie ein Frommen
war.
 
 
994 Da sprach der edle Siegfried: "Mich verwundert sehr,
Man trägt uns aus der Küche doch so viel daher,
Was bringen uns die Schenken nicht dazu den Wein?
Pflegt man so der Jäger, will ich nicht Jagdgeselle sein.
 
 
995 "Ich möcht es doch verdienen, bedächte man mich gut."
Von seinem Tisch der König sprach mit falschem Muth:
"Wir büßen euch ein andermal, was heut uns muß
entgehn;
Die Schuld liegt an Hagen, der will uns verdursten sehn."
 
 
996 Da sprach von Tronje Hagen: "Lieber Herre mein,
Ich wähnte, das Birschen sollte heute sein
Fern im Spechtsharte: den Wein hin sandt ich dort.
Heute giebt es nichts zu trinken, doch vermeid ich
es hinfort."
 
 
997 Da sprach der edle Siegfried: "Dem weiß ich wenig
Dank:
Man sollte sieben Lasten mit Meth und Lautertrank
Mir hergesendet haben; konnte das nicht sein,
So sollte man uns näher gesiedelt haben dem Rhein."
 
 
998 Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edeln Ritter schnell,
Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quell:
Daß ihr mir nicht zürnet, da rath, ich hinzugehn."
Der Rath war manchem Degen zu großem Leide
geschehn.
 
 
999 Siegfried den Recken zwang des Durstes Noth;
Den Tisch hinwegzurücken der Held alsbald gebot:
Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen gehn.
Da war der Rath aus Arglist von den Degen geschehn.
 
 
1000 Man hieß das Wild auf Wagen führen in das Land,
Das da verhauen hatte Siegfriedens Hand.
Wer es auch sehen mochte, sprach großen Ruhm
ihm nach.
Hagen seine Treue sehr an Siegfrieden brach.
 
 
1001 Als sie von dannen wollten zu der Linde breit,
Da sprach von Tronje Hagen: "Ich hörte jederzeit,
Es könne Niemand folgen Kriemhilds Gemahl,
Wenn er rennen wolle; hei! schauten wir das einmal!"
 
 
1002 Da sprach von Niederlanden der Degen kühn und gut:
"Das mögt ihr wohl versuchen: wenn ihr mit mir thut
Einen Wettlauf nach dem Brunnen? Soll das geschehn,
So habe der gewonnen, den wir den vordersten sehn."
 
 
1003 "Wohl, laßt es uns versuchen," sprach Hagen der Degen.
Da sprach der starke Siegfried: "So will ich mich legen,
Verlier ich, euch zu Füßen nieder in das Gras."
Als er das erhörte, wie lieb war König Gunthern das!
 
 
1004 Da sprach der kühne Degen: "Noch mehr will
ich euch sagen:
Gewand und Gewaffen will ich bei mir tragen,
Den Wurfspieß samt dem Schilde und all mein
Birschgewand."
Das Schwert und den Köcher um die Glieder schnell
er band.
 


 
1005 Die Kleider vom Leibe zogen die Andern da:
In zwei weißen Hemden man beide stehen sah.
Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee;
Man sah bei dem Brunnen den schnellen Siegfried
doch eh.
 
 
1006 Den Preis in allen Dingen vor Manchem man ihm gab.
Da löst’ er schnell die Waffe, den Köcher legt’ er ab,
Den starken Spieß lehnt’ er an den Lindenast.
Bei des Brunnens Fluße stand der herrliche Gast.
 
 
1007 Die höfsche Zucht erwies da Siegfried daran;
Den Schild legt’ er nieder, wo der Brunnen rann;
Wie sehr ihn auch dürstete, der Held nicht eher trank
Bis der König getrunken; dafür gewann er übeln Dank.
 
 
1008 Der Brunnen war lauter, kühl und auch gut;
Da neigte sich Gunther hernieder zu der Flut.
Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann:
Also hätt auch gerne der kühne Siegfried gethan.
 
 
1009 Da entgalt er seiner höfschen Zucht; den Bogen
und das Schwert
Trug beiseite Hagen von dem Degen werth.
Dann sprang er zurücke, wo er den Wurfspieß fand,
Und sah nach einem Zeichen an des Kühnen Gewand.
 
 
1010 Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank,
Er schoß ihn durch das Kreuze, daß aus der Wunde
sprang
Das Blut von seinem Herzen an Hagens Gewand.
Kein Held begeht wohl wieder solche Unthat nach
der Hand.
 
 
1011 Den Gerschaft im Herzen ließ er ihm stecken tief.
Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief,
So lief er wohl auf Erden nie vor einem Mann!
Als da Siegfried Kunde der schweren Wunde gewann,
 
 
1012 Der Degen mit Toben von dem Brunnen sprang;
Ihm ragte von der Achsel eine Gerstange lang.
Nun wähnt’ er da zu finden Bogen oder Schwert,
Gewiß, so hätt er Hagnen den verdienten Lohn gewährt.
 
 
1013 Als der Todwunde da sein Schwert nicht fand,
Da blieb ihm nichts weiter als der Schildesrand.
Den rafft’ er von dem Brunnen und rannte Hagen an:
Da konnt ihm nicht entrinnen König Gunthers
Unterthan.
 
 
1014 Wie wund er war zum Tode, so kräftig doch er schlug,
Daß von dem Schilde nieder wirbelte genug
Des edeln Gesteines; der Schild zerbrach auch fast:
So gern gerochen hätte sich der herrliche Gast.
 
 
1015 Da muste Hagen fallen von seiner Hand zu Thal;
Der Anger von den Schlägen erscholl im Wiederhall.
Hätt er sein Schwert in Händen, so wär er Hagens Tod.
Sehr zürnte der Wunde, es zwang ihn wahrhafte Noth.
 
 
1016 Seine Farbe war erblichen; er konnte nicht mehr stehn.
Seines Leibes Stärke muste ganz zergehn,
Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug.
Er ward hernach betrauert von schönen Frauen genug.
 
 
1017 Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann.
Das Blut von seiner Wunde stromweis nieder rann.
Da begann er die zu schelten, ihn zwang die große Noth
Die da gerathen hatten mit Untreue seinen Tod.
 
 
1018 Da sprach der Todwunde: "Weh, ihr bösen Zagen,
Was helfen meine Dienste, da ihr mich habt erschlagen?
Ich war euch stäts gewogen und sterbe nun daran.
Ihr habt an euern Freunden leider übel gethan.
 
 
1019 "Die sind davon bescholten, so viele noch geborn
Werden nach diesem Tage: ihr habt euern Zorn
Allzusehr gerochen an dem Leben mein.
Mit Schanden geschieden sollt ihr von guten
Recken sein."
 
 
1020 Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagen lag.
Es war ihrer Vielen ein freudeloser Tag.
Wer Treue kannt und Ehre, der hat ihn beklagt:
Das verdient’ auch wohl um Alle dieser Degen unverzagt.
 
 
1021 Der König der Burgunden klagt’ auch seinen Tod.
Da sprach der Todwunde: "Das thut nimmer Noth,
Daß der um Schaden weine, von dem man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten, er hätt es beßer nicht gethan."
 
 
1022 Da sprach der grimme Hagen: "Ich weiß nicht,
was euch reut:
Nun hat doch gar ein Ende, was uns je gedräut.
Es gibt nun nicht manchen, der uns darf bestehn;
Wohl mir, daß seiner Herrschaft durch mich ein End
ist geschehn."
 
 
1023 "Ihr mögt euch leichtlich rühmen," sprach Der
von Niederland.
"Hätt ich die mörderische Weis an euch erkannt,
Vor euch behütet hätt ich Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden als Frau Kriemhild
mein Weib.
 
 
1024 "Nun mög es Gott erbarmen, daß ich gewann den Sohn,
Der jetzt auf alle Zeiten den Vorwurf hat davon,
Daß seine Freunde Jemand meuchlerisch erschlagen:
Hätt ich Zeit und Weile, das müst ich billig beklagen.
 
 
1025 "Wohl nimmer hat begangen so großen Mord
ein Mann,"
Sprach er zu dem König, "als ihr an mir gethan.
Ich erhielt euch unbescholten in großer Angst und Noth;
Ihr habt mir schlimm vergolten, daß ich so wohl
es euch bot."
 
 
1026 Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held:
"Wollt ihr, edler König, noch auf dieser Welt
An Jemand Treue pflegen, so laßt befohlen sein
Doch auf eure Gnade euch die liebe Traute mein.
 
 
1027 "Es komm ihr zu Gute, daß sie eure Schwester ist:
Sei aller Fürsten Tugend helft ihr zu jeder Frist.
Mein mögen lange harren mein Vater und mein Lehn:
Nie ist an liebem Freunde einem Weibe so leid
geschehn."
 
 
1028 Er krümmte sich in Schmerzen, wie ihm die Noth gebot,
Und sprach aus jammerndem Herzen: "Mein
mordlicher Tod
Mag euch noch gereuen in der Zukunft Tagen:
Glaubt mir in rechten Treuen, daß ihr euch selber habt
erschlagen.
 
 
1029 Die Blumen allenthalben waren vom Blute naß.
Da rang er mit dem Tode, nicht lange that er das,
Denn des Todes Waffe schnitt ihn allzusehr.
Da konnte nicht mehr reden dieser Degen kühn
und hehr.
 
 
1030 Als die Herren sahen den edlen Helden todt,
Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde roth.
Da giengen sie zu Rathe, wie sie es stellten an,
Daß es verhohlen bliebe, Hagen hab es gethan.
 
 
1031 Da sprachen ihrer Viele: "Ein Unfall ist geschehn;
Ihr sollt es alle hehlen und Einer Rede stehn:
Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann,
Erschlugen ihn Schächer, als er fuhr durch den Tann."
 
 
1032 Da sprach von Tronje Hagen: "Ich bring ihn in das Land.
Mich soll es nicht kümmern, wird es ihr auch bekannt,
Die so betrüben konnte der Königin hohen Muth;
Ich werde wenig fragen, wie sie nun weinet und thut."
 
 
1033 Von denselben Brunnen, wo Siegfried ward erschlagen,
Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir hören sagen.
Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt Odenheim.
Da fließt noch der Brunnen, kein Zweifel kann
daran sein.
 
Abenteuer 17
Wie Siegfried beklagt und begraben ward

 
1034 Da harrten sie des Abends und fuhren über Rhein;
Es mochte nie von Helden ein schlimmer Jagen sein.
Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib:
Sein muste bald entgelten viel guter Weigande Leib.
 
 
1035 Von großem Uebermuthe mögt ihr nun hören sagen
Und schrecklicher Rache. Bringen ließ Hagen
Den erschlagen Siegfried von Nibelungenland
Vor eine Kemenate, darin sich Kriemhild befand.
 
 
1036 Er ließ ihn ihr verstohlen legen vor die Thür,
Daß sie ihn finden müße, wenn morgen sie herfür
Zu der Mette gienge frühe vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhild wohl selten eine verlag.
 
 
1037 Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut:
Kriemhild die schöne weckte manche Maid.
Ein Licht ließ sie sich bringen, dazu auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer Einer hin, wo er Siegfrieden fand.
 
 
1038 Er sah ihn roth von Blute, all sein Gewand war naß:
Daß sein Herr es wäre, mit Nichten wust er das.
Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,
Bei dem da Frau Kriemhild viel leide Märe befand.
 
 
1039 Als sie mit den Frauen zum Münster wollte gehn,
"Frau," sprach der Kämmerer, "wollt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache ein Ritter todtgeschlagen."
"O weh," sprach da Kriemhild, "was willst du solche
Botschaft sagen?"
 
 
1040 Eh sie noch selbst gesehen, es sei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens hub sie zu denken an,
Wie er ihn schützen möchte: da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte sie nun aller Fröhlichkeit.
 
 
1041 Da sank sie zur Erden, kein Wort mehr sprach sie da;
Die schöne Freudenlose man da liegen sah.
Kriemhildens Jammer wurde groß und voll;
Sie schrie nach der Ohnmacht, daß all die Kammer
erscholl.
 
 
1042 Da sprach ihr Gesinde: "Es kann ein Fremder sein."
Das Blut ihr aus dem Munde brach vor Herzenspein.
"Nein, es ist Siegfried, mein geliebter Mann:
Brunhild hats gerathen und Hagen hat es gethan."
 
 
1043 Sie ließ sich hingeleiten, wo sie den Helden fand;
Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand.
So roth er war von Blute, sie hat ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer der Held von Nibelungenland.
 
 
1044 Da rief in Jammerlauten die Königin mild:
"O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen! dich fällte
Meuchelmord.
Und wüst ich, wer der Thäter wär, ich wollt es rächen
immerfort."
 
 
1045 All ihr Ingesinde klagte laut und schrie
Mit seiner lieben Frauen; heftig schmerzte sie
Ihr edler Herr und König, den sie da sahn verlorn.
Gar übel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn.
 
 
1046 Da sprach die Jammerhafte: "Nun soll Einer gehn
Und mir in Eile wecken Die in Siegfrieds Lehn
Und soll auch Siegmunden meinen Jammer sagen,
Ob er mir helfen wolle den kühnen Siegfried beklagen."
 
 
1047 Da lief dahin ein Bote, wo er sie liegen fand,
Siegfriedens Helden von Nibelungenland.
Mit den leiden Mären die Freud er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinen
vernahm.
 
 
1048 Auch kam dahin der Bote, wo der König lag.
Siegmund der Herre keines Schlafes pflag,
Als ob das Herz ihm sagte, was ihm wär geschehn,
Er sollte seinen lieben Sohn lebend nimmer wiedersehn.
 
 
1049 "Wacht auf, König Siegmund, mich hieß nach euch gehn
Kriemhild, meine Herrin; der ist ein Leid geschehn,
Das ihr vor allem Leide wohl das Herz versehrt;
Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerfährt."
 
 
1050 Auf richtete sich Siegmund und sprach: "Was beklagt
Denn die schöne Kriemhild, wie du mir hast gesagt?"
Der Bote sprach mit Weinen: "Sie hat wohl Grund
zu klagen
Es liegt von Niederlanden der kühne Siegfried
erschlagen."
 
 
1051 Da sprach König Siegmund: "Laßt das Scherzen sein
Mit so böser Märe von dem Sohne mein
Und sagt es Niemand wieder, daß er sei erschlagen,
Denn ich könnt ihn nie genug bis an mein Ende
beklagen."
 
 
1052 "Und wollt ihr nicht glauben, was ihr mich höret sagen,
So vernehmet selber Kriemhilden klagen
Und all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tod."
Wie erschrak da Siegmund: es schuf ihm wahrhafte
Noth.
 
 
1053 Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang.
Sie zuckten zu den Händen die scharfen Waffen lang
Und liefen zu dem Wehruf jammersvoll heran.
Da kamen tausend Recken, dem kühnen Siegfried
unterthan.
 
 
1054 Als sie so jämmerlich die Frauen hörten klagen,
Da kam Vielen erst in Sinn, sie müsten Kleider tragen.
Wohl mochten sie vor Schmerzen des Sinnes Macht
nicht haben:
Es lag in ihrem Herzen große Schwere begraben.
 
 
1055 Da kam der König Siegmund hin, wo er Kriemhild fand.
Er sprach: "O weh der Reise hierher in dieses Land!
Wer hat euch euern Gatten, wer hat mir mein Kind
So mordlich entrißen, da wir bei guten Freunden sind?"
 
 
1056 "Ja, kennt ich Den," versetzte die edle Königin,
"Hold würd ihm nimmer mein Herz noch mein Sinn:
Ich rieth’ ihm so zum Leide, daß all die Freunde sein
Mit Jammer weinen müsten, glaubt mir, von wegen
mein."
 
 
1057 Siegmund mit Armen den Fürsten umschloß;
Da ward von seinen Freunden der Jammer also groß,
Daß von dem lauten Wehruf Palas und Saal
Und Worms die weite Veste rings erscholl
im Widerhall.
 
 
1058 Da konnte Niemand trösten Siegfriedens Weib,
Man zog aus den Kleidern seinen schönen Leib,
Wusch ihm seine Wunde und legt’ ihn auf die Bahr;
Allen seinen Leuten wie weh vor Jammer da war!
 
 
1059 Es sprachen seine Recken aus Nibelungenland:
"Immer ihn zu rächen bereit ist unsre Hand.
Er ist in diesem Hause, von dem es ist geschehn."
Da eilten sich zu waffnen die Degen in Siegfrieds Lehn.
 
 
1060 Die Auserwählten kamen in ihrer Schilde Wehr,
Elfhundert Recken; die hatt in seinem Heer
Siegmund der König: seines Sohnes Tod
Hätt er gern gerochen, wie ihm die Treue gebot.
 
 
1061 Sie wusten nicht, wen sollten sie im Streit bestehn,
Wenn es nicht Gunther wäre und Die in seinem Lehn,
Die zur Jagd mit Siegfried geritten jenen Tag.
Kriemhild sah sie gewaffnet: das schuf ihr großes
Ungemach.
 
 
1062 Wie stark auch ihr Jammer, wie groß war ihre Noth,
Sie besorgte doch so heftig der Nibelungen Tod
Von ihrer Brüder Mannen, daß sie dawider sprach:
Sie warnte sie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden
pflag.
 
 
1063 Da sprach die Jammerreiche: "Herr König Siegmund,
Was wollt ihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund,
Es hat der König Gunther so manchen kühnen Mann:
Ihr wollt euch all verderben, greift ihr solche Recken an."
 
 
1064 Mit auferhobnen Schilden that ihnen Streiten Noth.
Die edle Königstochter bat und gebot,
Daß es meiden sollten die Recken allbereit.
Daß sie’s nicht laßen wollten, das war ein grimmiges Leid.
 
 
1065 Sie sprach: "Herr König Siegmund, steht damit noch an,
Bis es sich beßer fügte: so will ich meinen Mann
Euch immer rächen helfen. Der mir ihn hat benommen,
Wird es mir bewiesen, es muß ihm noch zu Schaden
kommen.
 
 
1066 "Es sind der Uebermüthigen hier am Rhein so viel,
Daß ich euch zum Streite jetzt nicht rathen will:
Sie haben wider Einen immer dreißig Mann;
Laß ihnen Gott gelingen, wie sie uns haben gethan.
 
 
1067 "Bleibt hier im Hause und tragt mit mir das Leid,
Bis es beginnt zu tagen, ihr Helden allbereit:
Dann helft ihr mir besargen meinen lieben Mann."
Da sprachen die Degen: "Liebe Frau, das sei gethan."
 
 
1068 Es könnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen,
Die Ritter und die Frauen, wie man sie hörte klagen,
Bis man des Wehrufs ward in der Stadt gewahr.
Die edeln Bürger kamen daher in eilender Schar.
 
 
1069 Sie klagten mit den Gästen: sie schmerzte der Verlust.
Was Siegfried verschulde, war ihnen unbewust,
Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib.
Da weinte mit den Frauen manchen guten Bürgers
Weib.
 
 
1070 Schmiede hieß man eilen und würken einen Sarg
Von Silber und von Golde, mächtig und stark,
Und ließ ihn wohl beschlagen mit Stahl, der war gut.
Da war allen Leuten das Herz beschwert und der Muth.
 
 
1071 Die Nacht war vergangen: man sagt’, es wolle tagen.
Da ließ die edle Königin hin zum Münster tragen
Diesen edeln Todten, ihren lieben Mann.
Mit ihr giengen weinend, was sie der Freunde gewann.
 
 
1072 Da sie zum Münster kamen, wie manche Glocke klang!
Allenthalben hörte man der Pfaffen Sang.
Da kam der König Gunther hinzu mit seinem Lehn
Und auch der grimme Hagen; es wäre klüger nicht
geschehn.
 
 
1073 Er sprach: "Liebe Schwester, o weh des Leides dein;
Daß wir nicht ledig mochten so großen Schadens sein!
Wir müßen immer klagen um Siegfriedens Tod."
"Daran thut ihr Unrecht," sprach die Frau in
Jammersnoth.
 
 
1074 "Wenn euch das betrübte, so wär es nicht geschehn.
Ihr hattet mein vergeßen, das muß ich wohl gestehn,
Als ich so geschieden ward von meinem lieben Mann.
Wollte Gott vom Himmel, mir selber war es gethan."
 
 
1075 Sie hielten sich am Läugnen. Da hub Kriemhild an:
"Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargethan,
Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn:
Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheit
versehn."
 
 
1076 Das ist ein großes Wunder, wie es noch oft geschieht,
Wenn man den Mordbefleckten bei dem Todten sieht,
So bluten ihm die Wunden, wie es auch hier geschah;
Daher man nun der Unthat sich zu Hagen versah.
 
 
1077 Die Wunden floßen wieder so stark als je vorher.
Die erst schon heftig klagten, die weinten nun noch mehr.
Da sprach König Gunther: "Nun hört die Wahrheit an:
Ihn erschlugen Schächer; Hagen hat es nicht gethan."
 
 
1078 Sie sprach: "Diese Schächer sind mir wohl bekannt:
Nun laß es Gott noch rächen von seiner Freunde Hand!
Gunther und Hagen, ja ihr habt es gethan."
Da wollten wieder streiten Die Siegfrieden unterthan.
 
 
1079 Da sprach aber Kriemhild: "Ertragt mit mir die Noth."
Da kamen auch die Beiden, wo sie ihn fanden todt,
Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind.
Sie beklagten ihn in Treuen; ihre Augen wurden
thränenblind.
 
 
1080 Sie weinten von Herzen um Kriemhildens Mann.
Man wollte Messe singen: zum Münster heran
Sah man allenthalben Frauen und Männer ziehn,
Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten alle jetzt
um ihn.
 
 
1081 Geiselher und Gernot sprachen: "Schwester mein,
Nun tröste dich des Todes, es muß wohl also sein.
Wir wollen dirs ersetzen, so lange wir leben."
Da wust ihr auf Erden Niemand doch Trost zu geben.
 
 
1082 Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag;
Man hob ihn von der Bahre, darauf der Todte lag.
Da wollt ihn noch die Königin nicht laßen begraben:
Es musten alle Leute große Mühsal erst haben.
 
 
1083 In kostbare Zeuge man den Todten wand.
Gewiss daß man da Niemand ohne Weinen fand.
Aus ganzem Herzen klagte Ute das edle Weib
Und all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib.
 
 
1084 Als die Leute hörten, daß man im Münster sang
Und ihn besargt hatte, da hob sich großer Drang:
Um seiner Seele willen was man da Opfer trug!
Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug.
 
 
1085 Kriemhild die arme zu den Kämmerlingen sprach:
"Ihr sollt mir zu Liebe leiden Ungemach:
Die ihm Gutes gönnen und mir blieben hold,
Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold."
 
 
1086 Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben,
Das nicht zum Opfer gienge, eh er ward begraben.
Wohl an hundert Messen man des Tages sang.
Von Siegfriedens Freunden hob sich da mächtiger
Drang.
 
 
1087 Als die gesungen waren, verlief die Menge sich.
Da sprach wieder Kriemhild: "Nicht einsam sollt
ihr mich
Heunt bewachen laßen den auserwählten Degen:
Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen.
 
 
1088 "Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran,
Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann.
Vielleicht daß Gott gebietet, daß mich auch nimmt
der Tod:
So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Noth."
 
 
1089 Zur Herberge giengen die Leute von der Stadt.
Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat
Und all sein Ingesinde, das sein billig pflag.
Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag.
 
 
1090 Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann.
Wers nicht gern entbehrte, dem ward kund gethan,
Man gab ihm gern die Fülle: das schuf Herr Siegmund.
Da ward den Nibelungen viel Noth und Beschwerde
kund.
 
 
1091 In diesen dreien Tagen, so hörten wir sagen,
Muste mit Kriemhilden viel Mühsal ertragen,
Wer da singen konnte. Was man auch Opfer trug!
Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug.
 
 
1092 Was man fand der Armen, die es nicht mochten haben,
Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben
Aus seiner eignen Kammer: er durfte nicht mehr leben,
Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben.
 
 
1093 Güter und Gefälle vertheilte sie im Land,
So viel man der Klöster und guter Leute fand.
Silber gab man und Gewand den Armen auch genug.
Sie ließ es wohl erkennen, wie holde Liebe sie ihm trug.
 
 
1094 An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit
Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit
Von der Landleute Weinen also voll:
Sie dienten ihm im Tode, wie man lieben Freunden soll.
 
 
1095 In diesen vier Tagen, so hört ich immerdar,
Wol an dreißigtausend Mark oder mehr noch gar
Ward um seine Seele den Armen hingegeben,
Indes war gar zerronnen seine große Schöne wie sein
Leben.
 
 
1096 Als vom Gottesdienste verhallt war der Gesang,
Mit ungefügem Leide des Volkes Menge rang.
Man ließ ihn aus dem Münster zu dem Grabe tragen.
Da hörte man auch anders nichts als Weinen und Klagen.
 
 
1097 Das Volk mit lautem Wehruf schloß im Zug sich an:
Froh war da Niemand, weder Weib noch Mann.
Eh er bestattet wurde, las und sang man da:
Hei! was man guter Pfaffen bei seiner Bestattung sah!
 
 
1098 Bevor da zu dem Grabe kam das getreue Weib,
Rang sie mit solchem Jammer um Siegfriedens Leib,
Daß man sie mit Wasser vom Brunnen oft begoß:
Ihres Herzens Kummer war über die Maßen groß.
 
 
1099 Es war ein großes Wunder, daß sie zu Kräften kam.
Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam.
"Ihr, meines Siegfrieds Mannen," sprach die Königin,
"Erweist mir eine Gnade aus erbarmendem Sinn.
 
 
1100 "Laßt mir nach meinem Leide die kleinste Gunst
geschehn",
Daß ich sein schönes Angesicht noch einmal dürfe
sehn,"
Da bat sie im Jammer so lang und so stark,
Daß man zerbrechen muste den schön geschmiedeten
Sarg.
 
 
1101 Hin brachte man die Königin, wo sie ihn liegen fand.
Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand
Und küsste so den Todten, den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut.
 
 
1102 Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn.
Man trug sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn.
Da lag ohne Sinne das herrliche Weib:
Vor Leid wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib.
 
 
1103 Als der edle Degen also begraben war,
Sah man in großem Leide die Helden immerdar,
Die ihn begleitet hatten aus Nibelungenland:
Fröhlich gar selten man da Siegmunden fand.
 
 
1104 Wohl Mancher war darunter, der drei Tage lang
Vor dem großen Leide weder aß noch trank;
Da konnten sie’s nicht länger dem Leib entziehen mehr:
Sie genasen von den Schmerzen, wie noch Mancher
wohl seither.
 
 
1105 Kriemhild der Sinne ledig in Ohnmächten lag
Den Tag und den Abend bis an den andern Tag.
Was Jemand sprechen mochte, es ward ihr gar nicht
kund.
Es lag in gleichen Nöthen auch der König Siegmund.
 
 
1106 Kaum daß ihn zur Besinnung zu bringen noch gelang.
Seine Kräfte waren von starkem Leide krank:
Das war wohl kein Wunder. Die in seiner Pflicht
Sprachen: "Laßt uns heimziehn: es duldet uns hier
länger nicht."
 

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