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Текст книги "Die Ahnen"


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Автор книги: Gustav Freytag


Жанр: Классическая проза, Классика


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»Ich bin der Flehende«, antwortete der Gast mit Selbstüberwindung, »und darf nicht hadern, ob du hoch, ob du niedrig mich reihen willst unter den Genossen deiner Bank. Meines Namens berühme ich mich nicht, aber ich berge ihn nicht, und zu ruhmloser Arbeit wirst du mich nicht stellen.«

»Er meint wie ich«, rief der Fürst.

»Stets fürchten die Helden Minderung ihrer Ehre«, sprach lächelnd die Fürstin. »Was ich bitte, ist leicht gewährt, nur kurze Zeit laß dir das Gewand gefallen, welches wir dem Fremdling im Hofe spenden; unterdes wirbt dir mein Herr im Volk gute Meinung. – Nicht ewig währt der Kriegsruf an der Grenze, dem Cäsar wird‘s an neuem Streit nicht fehlen, in wenig Monden ist das Geräusch verhallt, indes gelingt‘s wohl auch, den König zu gewinnen.«

»Ich will‘s bedenken bis zur Nacht,« sprach der Wirt, »denn klug rät meine Hausfrau, und oft habe ich ihren Rat erprobt. Bis dahin hülle dich, o Held, in demutvolles Wesen, denn vertraue mir, mit bedrängtem Herzen ersehne ich den Tag, wo ich in offener Halle künden kann, was deine und meine Ehre fordert.«

So verließen die Männer der Herrin Kammer. Als aber am Abend der Hauswirt auf seinem Lager niedersaß, rief er unwillig: »Mir frißt‘s am Herzen, daß ich ihn sehen soll zu unterst an der Bank.« Aber die Fürstin antwortete leise: »Erst prüfe doch, ob er auch wert ist deines Schutzes. Denn ungewöhnlich ist des Fremden Art und freudenlos sein Schicksal. Sein Geheimnis bergen wir vor jedem, und auch vor Irmgard, unserem Kind.«

2. Das Festmahl

Im Hofe des Fürsten wurde den Landgenossen das Fest gerüstet. Die Hausfrau schritt mit den Mägden durch die Räume, wo die Vorräte der Küche bewahrt wurden, in langer Reihe hingen dort die Schinken, runde Würste und in Rauch gedörrte Zungen der Rinder; sie freute sich des guten Vorrats, ließ abheben für die Küche und befahl den Mägden, in die besten Stücke ein Zeichen zu ritzen, damit der Vorschneider diese den Tischen der Ältesten aufsetze. Dann ging sie in den kühlen Keller, der, von Stein gewölbt, in einer Ecke lag, wo das Sonnenlicht wenig hinkam, hochbedeckt mit Erde und Rasen, dort wählte sie die Fässer mit starkem Biere und die Krüge mit Met und sah zweifelhaft auf einige große fremdartige Tongefäße, die halb im Boden vergraben in einer Ecke standen. »Ich meine nicht, daß mein Herr des Weines begehren wird, doch wenn er danach ruft, so sagt dem Schenken, daß sie das kleine nehmen, denn die anderen stehen und harren auf einen größeren Festtag. Und sehet selbst zu, daß die ungeschickten Gesellen mir den teuern Ton nicht zerschlagen, denn was mühsam im Stroh durch Rosse und Männer hergeführt wurde aus dem welschen Land, dem könnte die lange Reise durch das Ungeschick der metgefüllten Knaben wohl verdorben werden.« Ernsthaft blickte sie noch einmal durch den großen Raum: »Es ist Vorrat genug für eines Häuptlings Haus und manches liebe Jahr mag der Met das Herz der Männer erfreuen, mögen die Götter uns schaffen, daß unsere Helden alles fröhlich und in Ehren leeren. Und höre, Frida, man weiß ja wohl, was die Männer zumal gebrauchen, aber beim Trunk trügt der Anschlag, auch wenn er reichlich war. Laß noch drei Krüge von altem Met in Vorrat herausheben, und sage dem Schenken, wenn die Männer friedlich sind und in ehrlichem Gespräch, so wird ihnen am Ende noch dies geboten, wenn sie aber widereinander eifern und zwieträchtig hadern, so soll er vorsichtig sein mit dem Gießen, daß uns kein großes Unheil entstehe.«

Die Herrin schritt zu dem Küchenhause, darin brannten mächtige Feuer auf steinernen Platten. Die Jünglinge waren vor dem Hause beschäftigt, die Opfertiere zu zerlegen, große Hirsche und drei Eber des Waldes, und das Fleisch an lange Spieße zu stecken. Die Mägde aber saßen in langer Reihe vieles Geflügel rupfend, oder sie rundeten mit den Händen gewürzten Weizenteig zu ansehnlichen Bällen. Und Knaben des Dorfes warteten mit lachendem Antlitz auf die Zeit, wo sie die Spieße drehen würden, damit auch ihnen vom Fest der Helden ein wohlschmeckender Anteil werde.

Unterdes schafften die Mannen des Häuptlings um die große Halle. In der Mitte des Hofes stand der mächtige Bau, aus dicken Fichtenbalken gefügt, eine Treppe führte zu dem geöffneten Tor, im Innern trugen zwei Reihen hoher Holzsäulen die Balken des Daches, von den Säulen bis zu den Wänden liefen auf drei Seiten erhöhte Bühnen; in der Mitte, gegenüber der Tür stand darauf der Ehrensitz des Wirtes und der vornehmsten Gäste, daneben ein schön geschmückter Raum, einer Laube gleich, für die Frauen des Hauses, damit sie dem Festmahl der Männer zuschauen konnten, so lange sie begehrten. Und die jüngsten der Mannen schmückten die Holzlaube mit blühenden Zweigen, die sie in der Flur abgehauen. Draußen aber fuhr Wolf einen großen Wagen mit Binsen und Kalmus heran, den er am Ufer des nahen Teiches geschnitten, um den Fußboden zu bestreuen.

»Hier ist gut sein, Gast,« begann Wolf grüßend zu Ingo, »auch dir war die Herrin gnädig, du wandelst in neuem Gewande, das unsere Weiber gewebt; wie trägt sich das Tuch der Mädchen aus Thüringeland?«

»Was gern geboten wird, sitzt dem Empfänger bequem,« antwortete der Fremde lächelnd, »ich freue mich, deine Stimme wieder zu hören, denn tagelang warst du auswärts.«

»Wir Herdgesellen holten mit den Hunden die Festbraten aus dem Wald«, versetzte der Mann. »Hilf, Theodulf,« rief er einem Gefährten zu, »soll ich allein den Wagen räumen?«

Theodulf, ein stolzer Mann aus dem Gefolge, griff steifarmig in die Binsen und sprach über die Schulter zu dem Fremden: »Wer gewöhnt ist, fremdes Gewand zu bitten, der soll nicht müßig stehen, wenn bessere Männer die Hände rühren.«

Ingo sah finster auf den Sprecher, eine hohe Kriegergestalt, breitbrustig, mit einer langen Narbe auf der Wange; dem Fremden begegnete mit gleichem Trotz der Mann des Fürsten, an den Augen des einen entzündete sich der Zorn des anderen, bis die Blicke beider Gegner wie Flammen gegeneinander sprühten. Aber mit Selbstbeherrschung bändigte Ingo seinen Grimm und versetzte, den Rücken kehrend: »Hättest du gutherzig gemahnt, folgte ich williger deiner Weisung.«

Der Wächter aber raunte ihm zu: »Hüte dich, den zu reizen, er ist ein unwirscher Gesell, der gern Eisen beißt, er stammt aus der Freundschaft der Herrin, und er dient nicht wie wir, denn er ist aus edlem Geschlecht, hat sich nur auf Zeit gelobt, und wird einst im reichen Erbe seiner Väter stehen. Kein Wunder, daß ihn die Binsen stechen, wenn er sie tragen soll.«

»Wer dient, muß tragen«, versetzte Ingo finster.

Aber auch die Mädchen sorgten um das Festkleid des Fremden. »Sieh, Herrin, wie stolz der Fremde in dem Wams schreitet, das ihm die Fürstin gespendet hat«, sagte Frida zu Irmgard. »Wackerer Sinn adelt geringes Kleid«, versetzte Irmgard.

»Gering?« rief Frida, »die Jacke ist vom allerbesten Tuch aus unseren Truhen, ich muß sie doch kennen, denn ich selbst habe sie einst genäht. Seltsam ist es, daß die Herrin so feines Gewand an einen fahrenden Mann wendet.«

»Auch der Mann ist ja wohl kein Alltagssohn«, antwortete Irmgard.

»Das meine ich auch,« bestätigte Frida neugierig, »denn ich sah, wie die Fürstin ihn vorher im Hofe anredete, da er ihr in den Weg trat; von beiden Seiten war‘s ein Herrengruß, sie lachte ihm zu und strich mit der Hand an seine Kleider, als ob er ein vertrauter Mann aus der Freundschaft wäre.«

»Als der Fremde gestern abend an den Herd trat, wo die Männer versammelt saßen,« versetzte Irmgard, »da hatte vorher der Vater sorglos gescherzt mit dem Gesinde, doch als er den Fremden sah, wandelte sich ihm die Gebärde, er hob sich, um dem Fremden entgegenzugehen, tat es aber nicht; doch feierlich war fortan sein Wesen und das Mahl so still, als ob ein Bote vom Königshofe am Herrentisch säße.«

»Auch der Fremde schritt,« fuhr Frida eifrig fort, »da er eintrat, kräftig auf den Herrn zu, als wollte er sich bei dem Herrensitz lagern, und einer von den Knaben mußte ihn an der Jacke zurückziehen auf seinen Platz, daß er die Ehrfurcht nicht vergaß.«

»Ich sah‘s,« nickte Irmgard, »er lachte dazu«, und bei der Erinnerung lachte sie selbst.

»Und doch sitzt er ganz unten an der Bank,« rief Frida, »und jetzt, wo der witzige Wolf wieder seine große Zunge rührt, hat er des Knaben Weisheit anzuhören.«

»Ist‘s ein Geheimnis,« sagte Irmgard leise, »so wird es uns Mädchen wohl zuletzt verkündet.«

»Du selbst aber, Herrin,« mahnte Frida, »hast ihm seither wenig Huld erwiesen. Die ersten waren wir doch, die er ehrbar grüßte, und drei Tage lang hast du ihm jede Rede geweigert. Unfreundlich wird der Mann dich schelten und hartmutig, nicht wagt er, dich anzureden, da er aus dem Elend kommt; darum biete du ihm endlich den Gruß.«

»So laß uns tun, was sich gebührt«, antwortete Irmgard. Sie trat mit Überwindung zu dem Haufen der stolzen Knaben, welche dem Fürsten folgten, wenn dieser durch die Dörfer ritt oder in den Vorkampf der Schlacht trat. Aber als sie dem Fremden nahe kam, scheute sie sich vor den anderen zu ihm zu reden, sie hielt bei Theodulf an und sprach: »Spät ertönte gestern dein Hifthorn am Tore, wie war die Jagdbeute, Vetter?«

Theodulf errötete vor Freude, weil das Herrenkind ihn eher als die anderen begrüßte, er erzählte ihr von seinem Jagdglück und führte sie zu einem Holzverschlag, wo ein zweijähriger Bär unzufrieden saß. »Die Hunde zausten ihm das Fell, ich band ihn mit Riemen und trug ihn lebend zum Hofe, er wird wohl ein Spielgesell für die Kinder im Dorfe.«

Als Irmgard den Braunen betrachtet hatte und sich mit Frida entfernte, rief diese unwillig: »Fürwahr, mit artigen Worten hast du dem Fremdling zugesprochen.«

»Nahe genug war ich bei ihm,« antwortete Irmgard, »und er schwieg doch.«

»Er weiß besser, was dem Herrenkinde geziemt«, versetzte Frida.

Aber Irmgard achtete seitdem auf den Fremden und als sie ihn abseit von den anderen am Zaun des Hofes lehnen sah, ging sie allein bei ihm vorüber, hielt wie zufällig an und sprach: »Auf dem Holunderbaum über deinem Haupt wohnt ein kleiner Grauvogel, der Nachtsänger. Die Mädchen beschwören jeden Abend das Wiesel und den Kauz, damit sie ihm nicht das Nest zerstoßen. Singt er dir, so höre ihm gütig zu, daß er sich deines wohlmeinenden Sinnes freue. Sie sagen, er mahnt im Sange jeden an das, was ihm lieb ist.«

Ingo antwortete treuherzig: »Alles Geflügel, der Habicht in der Luft und der Sänger im Busch, singen dem fremden Mann dasselbe Lied in das Ohr, sie mahnen ihn an die Heimat. Dort streute einst die liebe Mutter den Vögeln Winterkost, damit sie ihrem Sohne in seinem Leben gute Vorbedeutung sängen. Die Treue haben sie seitdem bewährt. Manches Mal haben die wilden Boten im Federkleid den unsteten Mann auf der Heide und im Holz vor Gefahr gewarnt. Sie sind die Genossen seines Schicksals geblieben; wie er wandern sie heimatlos über die Menschenerde und wie er nähren sie sich vom Raub, den sie greifen, oder von der Gabe, die ihnen ein Gastfreund spendet.«

»Und doch finden sie überall Flocken, aus denen sie ihr Nest bauen«, versetzte Irmgard.

»Wo aber darf der Heimatlose sein Haus zimmern?« fragte ernsthaft der Gast. »Wer bei der Schwelle seines Hauses steht und die Rosse auf dem Erbe der Väter zählt, der weiß nicht, wie die Bedürftigkeit am Herzen des stolzen Mannes nagt, wenn er Gabe nehmen muß, der selbst anderen spenden möchte.«

»Du klagst über die Gastspenden im Hause, das dich an seinem Herd aufgenommen hat?« antwortete Irmgard vorwurfsvoll.

»Selig preise ich den Wirt und die Herrin, die im ansehnlichen Hause dem Landfremden huldreich sind«, versetzte der Gast. »Aber unsicher schweifen die Gedanken des Mannes, dem sie eine Ecke an ihrer Bank vergönnen. Denn immer späht der Fremdling sorgenvoll nach der Miene des Wirtes, ob dieser ihm auch die Gunst bewahre. Jeder im Hofe steht sicher auf seinem Recht, nur dem wildfremden Wanderer ist der Grund, auf dem er schreitet, wie dünne Eisdecke, die vielleicht morgen unter ihm bricht, und so oft sich ein Mund gegen ihn öffnet, weiß er nicht, ob die Worte ihm Ehre bedeuten oder Schmach. Zürne mir nicht um diese Klagen«, bat er. »Deine Augen und deine Worte haben geheime Sorgen meiner Brust herausgelockt und zu dreist wagte ich vertrauliche Rede. Mir wäre leidvoll, dir zu mißfallen.«

»An deine Worte gedenke ich in Zukunft,« antwortete Irmgard leise, »so oft ich einsame Wanderer in unserem Hofe sehe. Du aber vertraue, daß du manchem hier willkommen bist. Die Thüringe lieben freudigen Mut und gesellige Rede, erweise dich heut so unter den Nachbarn, und wenn ich dir Gutes raten darf, so weiche nicht abseit von den jungen Männern, wenn sie die Kampfspiele üben. Denn ich meine, daß es dir auch im Kampfe wohl gelingen mag. Gewinnst du Lob unter den Landsleuten, so freut sich unser Hof, denn dem Wirt ist es Ehre, wenn der Gast Ruhm erwirbt. Und ich merke, auch der Vater will dir wohl.« Sie neigte errötend das Haupt und entwich aus der Nähe des Fremden; er aber sah ihr freudig nach.

Der Fürst stand vor dem Herrenhause und empfing dort die Edlen und die freien Bauern, welche auf allen Wegen zu Fuß und Roß heranzogen und am geöffneten Tor von Hildebrand, dem Sprecher, begrüßt wurden. Wer zu Roß nahte, der stieg dort ab, und die Jungen führten sein Pferd in ein weites Gehege und banden es fest, damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh abrieben und alten Hafer in die Krippe schütteten. Würdig war Gruß und Anrede, in weitem Ringe standen die Gäste auf dem Hofe, eine stolze Genossenschaft, ansehnliche Männer aus zwanzig Dörfern der Gegend, alle in ihrem Kriegsschmuck, den Eschenspeer in der Hand, Schwert und Dolch an der Seite, in schöner Lederkappe, die mit Zähnen und Ohren des wilden Ebers geschmückt war; mancher ragte unter dem Eisenhut, in einem Lederkoller oder Kettenpanzer über dem weißen Hemd und in hohen Lederstrümpfen, die bis zum Leibe reichten, mancher auch, der reich war und die Ware der rheinischen Krämer beachtete, trug einen Überwurf von fremdem Zeug, das feine Haare von bunter Farbe hatte und wie das zarte Fell eines Raubtiers glänzte. Schweigend standen die Männer und freuten sich der Versammlung, nur einige, die zueinander traten, tauschten leise Worte über die Gerüchte, welche durch das Land flogen von der großen Schlacht im Westen und von bedrohlicher Zeit. Aber wer die Meinung der Menschen kannte, wie Hildebrand, der Sprecher, der merkte wohl, daß ihr Sinn kraus war und ihre Gedanken ungleich. Lange währte die Begrüßung, denn immer noch kamen einzelne, die sich verspätet hatten, bis der Sprecher an den Häuptling trat und auf den Stand der Sonne wies.

Da führte der Wirt seine Gäste vor die Halle, feierlich betraten sie im Zuge die Stufen; am Eingang empfing sie die Hausfrau, neben ihr stand die Tochter mit den Mägden. Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen; die Fürstin reichte allen die Hand und fragte gebührlich nach ihren Frauen und dem Hausstand, den Männern von der Freundschaft bot sie die Wange zum Kuß. Die Häupter des Volks nahmen gewichtig Platz auf den Sesseln der Bühne und begannen ernstes Männergespräch, während der Schenk und die Diener in langer Reihe einzogen; diese trugen in Holzkannen den Frühtrunk und behagliche Zukost, weiße gewürzte Brotkuchen und Fleisch aus dem Rauchfang.

Unterdessen rüsteten die Jungen ungeduldig auf dem Rasengrund vor dem Hofe die Bahn zu kriegerischem Spiel. Die Knaben des Dorfes begannen den Kampf, damit auch sie das Lob der Krieger erwarben, sie rannten nach dem Ziel, sprangen über ein Roß und schossen mit dem Rohrpfeil nach der Stange. Bald aber ergriff der Eifer die Jünglinge, sie warfen die Speere, sie schleuderten den schweren Felsstein und sprangen ihm nach, und als Theodulf in mächtigem Schwunge den schwersten Stein geworfen und den weitesten Sprung getan, klafterweit über die anderen hinaus, da erscholl lautes Jauchzen bis zur Halle. Und die Alten und Weisen des Volkes behielt es nicht länger auf ihren Sitzen, auch sie eilten zur Schau auf den Rasen. Groß wurde der Ring der Zuschauer, die Weiber des Dorfes standen in ihrem Festschmuck, gesondert die Männer, und im Umkreis klang immer lauter der Zuruf und das Lob der Sieger.

Unter den Schauenden stand Ingo und achtete schweigend auf die behende Kraft. Da trat zu ihm Isanbart, ein alter Häuptling des Gaues, betrachtete ihn prüfend und begann feierlich, so daß die Rede der anderen verstummte: »Auch in deinem Volke, Fremdling, woher du auch stammst, übt sich wohl der junge Krieger in Sprung und Waffen. An deinem Auge und Arm sehe ich, daß du des Spiels nicht ganz unkundig bist; vielleicht gefällt dir‘s, unseren jungen Männern zu zeigen, was in deiner Heimat Brauch ist, wenn du auch nicht die Kunst eines Häuptlings verstehst. Bist du aus dem Ostlande, wie ich vernehme, so vermagst du wenigstens die Holzkeule zu schwingen, auch dieser Wurf erweist die Kraft des Mannes, obgleich meine Landgenossen ihn wenig üben. In der Halle sah ich über dem Sitz des Wirtes ein solches Holz.«

Ingo antwortete dem ehrbaren Greise: »Wenn mir‘s der Fürst gestattet und die Häupter des Volkes, so will ich versuchen, was ich ehedem gelernt.«

Der Fürst winkte, einer aus dem Gefolge sprang nach dem Hofe und trug eine Waffe aus Eichenholz herzu, vom Griffe nach rückwärts gekrümmt, vorn mit scharfer Schneide. Die Keule ging von Hand zu Hand, lachend wogen die Männer das leichte Werkzeug. »Eine Waffe dieser ähnlich trägt unser Sauhirt, um Wölfe zu schlagen«, rief Theodulf verächtlich, aber Isanbart der Greis entgegnete strafend: »Du sprichst töricht, ich sah von solchem Holz, nicht so schwer als dies, einen Schädel brechen wie einen Tonkrug.« Und er legte die Keule dem Wirt in die Hand.

»Wer jemals in den Ostmarken über eine Walstatt geritten ist,« sprach der Fürst, »der kennt die Wunden, welche dieser Knorren schlägt. Doch von alten Kriegern habe ich gehört, daß ein Geheimnis in dem Holze liegt und daß man schwer des Wurfes mächtig wird, denn tückisch soll es dem Unvorsichtigen das eigene Haupt treffen. Nicht unwert ist dieses Holz der Hand eines Edlen, denn es war vorzeiten eines Königs Waffe, und mein Vater brachte sie aus der Fremde heim.«

»Dann soll sie ihre Kunst dem Sohn erweisen«, rief Ingo freudig und faßte danach. Mit kurzem Armschwung warf er die Keule, sie flog in krausem Bogen durch die Luft, doch als alle meinten, daß sie zu Boden schlagen würde, fuhr sie wie durch eine Schnur gezogen wieder nach dem Manne zurück; er packte sie in der Luft am Griff und warf sie wieder hierhin und dahin, immer schneller, und immer kehrte sie gehorsam vom Schwunge in seine Hand. So mühelos und lustig schien das Spiel mit dem Eichenkloben, daß die Zuschauer näher traten und lautes Gelächter durch den Kreis ging.

»Das ist ein Gaukelspiel des fahrenden Mannes«, rief Theodulf verachtend.

»Es ist eines Mannes Handwehr,« versetzte der Fremde entgegen, »schwerlich ist dein Schädel fester als diese Eisenkappe.« Er sprach zu Wolf, und dieser legte in Weite eines Speerwurfs einen alten Eisenhelm auf einen Pfahl. Der Fremde maß das Ziel, wog die Waffe in schwingender Hand, warf sie im Bogen nach dem Helm und sprang in gewaltigem Satze nach. Laut krachte das berstende Metall, und doch fuhr die Keule wieder zurück, und wieder packte sie Ingo mit starker Hand und hielt sie hoch. Ein Ruf des Erstaunens scholl in dem Ringe, ein Haufe sammelte sich neugierig um den zerschlagenen Helm.

»Wohlan,« begann Theodulf herablassend, »hast du uns deine Gewohnheit gezeigt, so versuch‘ es auch mit unserem Brauch. Führt den Springern die Rosse heran.«

Zuerst wurden zwei Rosse nebeneinander gestellt, Kopf an Kopf und Schweif an Schweif. Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlauf hinüber; fast allen glückte der Sprung, aber bei drei Rossen gelang es nur einer kleinen Zahl, und über vier sprang Theodulf allein, und als er hinter den Rossen zum Haufen der anderen zurücktrat, sah er herausfordernd den Fremden an und winkte mit der Hand zur Folge. Der Fremde neigte das Haupt ein wenig und tat denselben Sprung so sicher, daß das Feld vom Beifall widerhallte. Da rief Theodulf das fünfte Roß heran zum schweren Sprung, nur selten vollbrachte ihn einer der Behendsten. Aber der Thüring war gereizt und entschlossen, das Äußerste zu tun. Er selbst ordnete die Pferde anders, daß der Schimmel als fünfter stand, dann sah er um sich, empfing den Zuruf seiner Freunde und wagte den mächtigen Sprung. Und er kam hinüber, nur daß er beim Niedertauchen mit seinem Rücken den Schimmel streifte. Aber während er vortrat und sich über das Jauchzen des Volkes freute, tönte noch lauterer Zuruf hinter ihm und umgewandt sah er den Fremden, der diesmal schnell und mühelos in seinem Rücken den Sprung vollbrachte. Der Thüring erblich vor Zorn, er ging schweigend an seinen Platz und mühte sich vergebens, den Neid herabzudrücken, der ihm aus den Augen brach. Die Alten aber traten zu dem Fremden und rühmten seine Kunst, und der alte Häuptling begann: »Ich erkenne, Fremder, wenn mich nicht deine Gebärde täuscht, du bist nicht unkundig des Schwunges auch über sechs Rosse, den sie Königssprung nennen, und der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt. Ich sah ihn einmal, da ich jung war, mein Volk niemals.« Und er rief laut: »Führt das sechste Roß heran!« Da erhob sich im Kreise Gemurmel und die Entfernten drängten näher herzu, während die Jünglinge eilten, das Roß zu stellen. Neben Ingo aber trat die Fürstin, sie war bekümmert um die Niederlage ihres Verwandten und sprach leise zu dem Gaste: »Erwäge, Held, leicht trifft der Pfeil des Jägers den Auerhahn, wenn er die Flügel breitend seine Stimme erhebt.« Aber Ingo sah auf Irmgard, welche in froher Erwartung hinter der Mutter stand und ihn freundlich anlachte, und er antwortete mit heißen Wangen: »Zürne mir nicht, Herrin, ich bin gefordert, nicht habe ich mich in den Kampf gedrängt; ungern entsagt der Mann der angebotenen Ehre.« Er trat rückwärts zum Sprunge, hob sich gewaltig in die Luft und vollbrachte den Schwung, daß alles Volk jauchzte, und da er zurückkehrte, achtete er nicht auf die unwillige Miene der Fürstin, er freute sich, daß ihm die Kunst gelungen war und daß Irmgards Angesicht rosig erglänzte. Lange wogten die Zuschauer durcheinander, sprachen über die Kühnheit des Fremdlings und rühmten ihn, bis dem Wettkampf der Männer andere Ziele gesetzt wurden. Ingo stand fortan still neben den Häuptlingen und niemand forderte ihn zu neuem Streit.

Schon neigte sich die Sonne von ihrer Höhe, da nahte der Sprecher dem Fürsten und lud die Gesellschaft zum Mahle. In fröhlicher Erwartung folgten die Männer dem Rufe, sie wandten sich im Zuge nach dem Hofe zurück und schritten die Stufen der Halle hinauf. Der Sprecher und der Truchseß traten ihnen vor und ordneten an den Tafeln der Halle jeden nach Rang und Gebühr. Dies war eine sorgliche Arbeit, denn jeder begehrte den Platz, der ihm geziemte: entweder am Tisch des Häuptlings, oder nahe bei ihm, lieber auf der rechten Seite als auf der linken. Es war eine lange Reihe von Tischen, die Sitze daran für die Vornehmsten mit einer Armstütze und für die Ansehnlichen immer noch mit hoher Lehne, für die Jüngeren ein schöner Schemel. Schwer war‘s, allen mit dem Ehrensitz Genüge zu tun, aber der Sprecher verstand sein Amt und wußte manchem seinen Platz zu loben wegen der Nachbarn und der Nähe der Frauen und wegen gutem Überblick über den Saal. Zunächst der Tür lagerten die Bankgenossen des Hausherrn in langer Reihe, dort hatte den Ehrenplatz Theodulf und ihm gegenüber saß ganz unten der Fremde. Da alle erwartend saßen, trat der Schenk mit den Dienern ein und trug in schönen Holzbechern den Begrüßungstrank; der Wirt erhob sich, trank den Gästen gutes Heil zu, und alle standen auf und leerten die Becher. Darauf kam der Truchseß mit seinem Stabe und hinter ihm eine lange Reihe Diener, welche die erste Tracht auf die Tische setzten; da ergriff jeder sein Messer, das er an der Seite trug und begann rüstig das Mahl.

Im Anfang war es schweigsam um die Bänke, denn allen störte die Rede der eigene Hunger und sie rühmten nur mit leisem Dank die reichliche Fürsorge der Herrin. Doch die Ältesten in der Nähe des Fürsten tauschten ernsthafte Worte, sie dachten an vergangene Taten der Helden und lobten die Tugenden ihrer Rosse. Die anderen aber horchten essend gern auf ihr Gespräch.

Und ein Edler an der Seite des Fürsten begann laut: »Das liebste fürwahr im Sommer ist mir ein solches Hochfest, wo die Landgenossen einander auf grüner Wiese im Heergewand grüßen, die grauen Häupter erinnern sich alter Kriegsreisen, die schlachtenfrohe Jugend erweist im Spiele, daß ihre Kraft dereinst die Ehren der Väter mehren wird. Die Sonne scheint warm und das Antlitz des Wirtes lacht den Gästen entgegen; auch das Herdenvieh springt umher und die Ähren der Gerste bräunen sich im Südwind; fröhlich wird des Mannes Herz in solcher Zeit und ungern gedenkt er der Sorgen. Dennoch ziemt dem Manne, auch beim Mahle das Schwert nicht weiter von sich zu legen, als der Arm reicht, denn wechselvoll ist alles Leben in den Tälern der Menschen, bald wohl verdeckt schwarzgrauer Wolkenschild den Himmel, ein weißes Schneetuch den Grund; kein Glück der Menschenerde dauert und der nächste Tag mag neues Schicksal bringen. So geht auch jetzt durch das Volk eine Kunde aus dem Römerland, manche sorgen darum und ihre Gedanken fragen unsern Wirt, ob er Botschaft erhielt, die uns zu wissen frommt.«

Diese Rede sprach die Meinung aller aus und von allen Tafeln klang Beistimmung, dann wurde es sehr still; der Fürst aber antwortete mit Vorsicht: »Von großem Schlachtendrang vernahmen wir alle und erwägen, ob er uns zum Heile sein werde. Dennoch rate ich nicht, daß wir Waldmänner heut von dem Trinkhorn abwärts spähen mit sorgenvollem Blick. Noch wissen wir nur, was die Wanderer zutrugen aus der Fremde, vielleicht was sie selbst geschaut, vielleicht undeutliches Gerücht. Darum ritten unsere Boten über den Wald südwärts nach neuer Kunde. Wir harren ihrer Heimkehr, dann prüfen die Weisen, ob die Botschaft wert ist, daß das Volk darum sorge.«

Da diese Worte kundgaben, daß der Wirt nichts über den Römerkrieg berichten wollte, so entstand undeutliches Gemurr und Herr Answald merkte, daß die Gäste gern mehr vernommen hätten und daß sie seines Schweigens nicht froh waren.

Darum trat jetzt auf ein stilles Zeichen des Herrn der Sprecher vor und rief mit lauter Stimme: »Die Schwerttänzer nahen und erbitten sich Gunst.« Da schwieg jeder und rückte den Sessel zum Schauen zurecht, die Frauen erhoben sich von den Sitzen.

Ein Pfeifer und ein Sackbläser schritten voran, hinter ihnen zwölf Tänzer, junge Krieger aus dem Volk und von des Häuptlings Bank im weißen Unterkleid mit buntem Gürtel, das blitzende Schwert in der Hand; vor ihnen als dreizehnter Wolf, der Schwertkönig, in rotem Gewande. Sie hielten am Eingang und grüßten die Waffen senkend, darauf begannen sie den Sang des Reigens und schwebten in langsamem Schritt nach dem freien Raum vor der Herrenbank. In der Mitte hielt der Schwertkönig, die zwölf Genossen umkreisten ihn feierlich mit gehobenem Schwert. Er gab ein Zeichen, die Pfeifer bliesen, schneller wurden die Bewegungen, nach rechts schwang sich die Hälfte im inneren Ringe, die andere von außen entgegengesetzt und jeder tauschte mit allen, denen er begegnete, Schwertschlag nach Ordnung der Hiebe. Dann tauchte zwischen den blinkenden Schwertern der König hindurch, bald nach außen, bald nach innen im Kreise schwebend, mit seiner Waffe fing und erwiderte er die Schläge der anderen. Kunstvoller wurden die Verschlingungen, heftiger die Bewegungen, einer nach dem anderen wand sich wie im Kampf durch die kreisende Reihe der übrigen. Dann teilten sie sich in Haufen im Takte gegeneinander eilend und mit den Waffen streitend, bis sie zugleich je drei und je vier in der Kämpferstellung sich verflochten. Plötzlich senkten alle im großen Kreise die Schwerter zur Erde und verschränkten sie im Nu am Boden zu einem künstlichen Geflecht, das aussah wie ein Schild. Der Schwertkönig trat darauf und die zwölf Genossen verstanden ihn auf dem Schilde aus Schwertern geformt vom Boden heraufzuheben bis über ihre Schultern, wo er stand und mit seinem Schwert den Fürsten, die Gäste und die Frauen grüßte. In gleicher Weise ließen sie ihn langsam zu Boden, lösten Eisen von Eisen und begannen aufs neue im Kreise gegeneinander zu springen, jetzt Sprünge und Schwertschläge schnell wie der Blitz, kaum vermochte das Auge den einzelnen Streichen zu folgen, im Wirbel flirrte der blanke Stahl und schwangen sich die Leiber der Männer unter den scharfen Waffen, die Pfeife gellte, das Sackrohr summte in wilden Klängen, die Funken sprühten von den Schwertern. So lief das Spiel der Helden in des Fürsten Halle, bis die Tänzer anhielten, wie durch Zauber gebannt, in der Stellung von Kämpfern je zwei gegenüber. Darauf begann wieder der Reigensang der Tänzer und langsamen Schrittes feierlich grüßend schwebten sie beieinander vorüber und schritten im Zuge zum Saale hinaus. Um die Sitze dröhnte der Beifallssturm, die Gäste sprangen begeistert auf und riefen den Tänzern fröhlichen Dank.

In der Nähe des Fürsten erhob sich Rothari, ein Edler, und begann:

»Ich rede, wie ich denke, kunstvolleres Schwertspiel sahen meine Augen niemals bei anderen Leuten und wir Thüringe sind auf der Männererde gerühmt wegen solcher Kunst. Dort unten aber an der Bank des Fürsten sitzt ein Fremdling, kriegerischer Werke wohl mächtig. Und wenn ich ihn nach der Tüchtigkeit schätze, die er heute erprobt hat, so würde ich ihm seinen Stuhl hoch herauf unter die Starken setzen. Doch ungleich verteilen die Götter ihre Gaben, auch ein Fremder, der seine Ahnen nicht kennt, mag ein achtbarer Kriegsmann werden. Die Leute sagen, daß zuerst aus dem Hof des Fürsten die Kunde von der Römerschlacht in unser Land geflogen sei, und da ich den Fremden sah, hielt ich ihn für den Boten; doch der Keulenwurf erwies, daß er aus dem Ostland stammt. Ich bringe dem Gaste in der Halle den Heilgruß.«

Ingo erhob sich und dankte. Da rief Theodulf laut: »Manchen sah ich springen und schwingen auf weichem Rasen, der hoher Sprünge in der Feldschlacht vergißt.«


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