Текст книги "Die Ahnen"
Автор книги: Gustav Freytag
Жанр: Классическая проза, Классика
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»Als Bote komme ich,« versetzte Gottfried, »du weißt das, denn du selbst hast durch Meginhard, den Priester, mich von meinem Herrn, dem Bischof, erbeten. Und Herr Winfried sprach, da ich schied: Mir ziemt nicht, wie ein Händler mit dem Helden Ratiz um den Kaufpreis zu markten. Aber ein Königsgeschenk will ich ihm bieten gegen die Gefangenen seines letzten Zuges, und meinen guten Willen, wenn er ihn begehrt, gegen den seinen, Gabe um Gegengabe in freundlichem Tausch. Und Held Ingram soll der Bote des Geschenkes sein.« Gottfried zog die Kapsel aus dem weiten Gewande und löste die Hülle.
Ingram hatte allmählich doch an dem Gespräch Anteil genommen, jetzt trat er zu dem Mönch und sagte schnell: »Gib ihn nicht aus der Hand; wer den Vogel verkauft, muß ihn festhalten, daß er nicht entfliege.« Er faßte den Becher und hielt ihn dem Sorben hin. »Sieh zu, wie das Prachtstück aus einem Königsschatz neben deinem Metkrug stehen wird.« Der Sorbe vermochte einen lauten Ausruf des Vergnügens nicht zu bergen, als er das glänzende Metall und die Figuren sah; auch seine Gesellen drängten sich um den Becher, Kopf an Kopf, summten einander ins Ohr und lachten über die kleinen Gestalten darauf. »Ehrwürdig ist Winfried, der Bischof, weil er mir solche Gabe sendet,« rief Ratiz, »gestatte, Held Ingram, daß ich prüfe, wie schwer sie ist.«
»Meine Hand bleibt darüber, Sorbe,« sagte Ingram, »noch ist der Becher mein.«
»Noch ist er dein«, bestätigte Ratiz nachdenkend und wog mit der Hand. Er rief den Sprecher mit weißem Bart. Dieser nahm vor dem Becher achtungsvoll die Mütze ab, besichtigte ihn unter Ingrams Hand genau und berührte ihn mit der feuchten Zunge von innen und außen, holte sein Messer hervor und machte einen Einschnitt in den unteren Rand, um nach dem Bruch zu sehen, dann sprach er leise zu seinem Herrn.
»Und dies ist die Bedingung für das Geschenk des Bischofs,« fuhr Ingram fort, »du gibst zuerst in unsere Hände ungeschädigt Walburg, die Tochter Willihalms, des Franken, den du erschlagen hast, und ihre zwei Brüder, zum zweiten die anderen Gefangenen eurer letzten Beutefahrt vom ältesten bis zum jüngsten, und zum dritten Goldfeder, das Pferd Willihalms, und zwei gute Rinder als Reisekost für die Erledigten.«
Bei dem Namen Walburg fuhr der Sorbe auf, doch bändigte er seinen Unwillen, sah prüfend auf seine Gesellen und sprach: »Sehr seltsam ist das Silber aus dem Königsschatz, das ihr uns gezeigt habt, wenn es auch nur im Innern golden ist. Gefällt es euch, ihr Franken, so räumt auf kurze Zeit die Halle, damit wir in Ruhe beraten.«
Gottfried bemerkte, daß er den Becher kälter ansah, den Ingram im Angesicht der Sorben hoch in die Höhe hielt. Der Thüring barg das Gerät in der Kapsel, und die Boten traten ins Freie. »Jetzt sinnen sie auf Hinterlist«, rief Ingram verächtlich.
»Sie scheuen meinen Herrn Winfried«, versetzte der Mönch ruhig. »Ich lobe dich, daß du die Rinder erbeten hast, denn schwer wäre es, dreißig und ein Menschenhaupt in den Bergen zu speisen. Aber wozu forderst du das Roß?«
»Fürwahr als ein unkriegerischer Mann fragst du: hoffst du, daß Willihalm in dem Grabe, das ihr ihm geschaufelt, Ruhe finden wird, wenn ein Sorbe auf seinem Leibroß reitet? Soll er zu Fuß wandeln über den Wolkenstieg, und wenn die Helden in der Nacht reiten, hinter ihnen herlaufen wie ein Troßbube?«
Gottfried bekreuzigte sich. »Im Himmel der Christen bedarf es eines Roßgespenstes nicht.«
»Er war ein Kriegsmann, wenn er auch Christ war«, versetzte Ingram stolz. »Was aber will der Slawe von der Gunst deines Bischofs?«
»Vielleicht will er Grenzgraf der Franken werden und über dem Sorbendorf seine Burg bauen«, versetzte Gottfried lächelnd.
Ingram stieß einen Fluch aus. »Und ihr möchtet ihm dazu helfen?«
»Du weißt, daß er Christen erschlagen und geraubt hat«, antwortete Gottfried.
In der Halle war lange Beratung und heftiger Zank der Männer. Endlich lud der Weißbart zum Eintritt. Wieder hob Ingram den Becher empor, aber die Sorben wandten die Blicke ab. Ratiz begann: »Unmäßig sind die Gaben, die ihr für euren Bischof fordert, aber meine Edeln wollen Spende um Spende geben, ohne viel zu schatzen. Die Gefangenen, welche noch nicht geteilt sind, sollt ihr als Gegengabe nehmen, dazu ein Rind, dreijährig, von fetter Weide. Nur zwei Häupter weigern wir euch, Walburg und Goldfeder, den Falben. Die Magd ist ein Ehrengeschenk meines Volkes für mich, und das Roß steht im Stalle des Helden Slavnik, welcher mir der nächste ist an Ehren und Schlachtenruhm. Ihr bringt das Geschenk nach eurer Wahl, wir senden das unsere ebenso.«
»Herr Winfried hat mit seiner Hand den Leib des Franken Willihalm bestattet und an seinem Grabhügel gelobt, für die Kinder zu sorgen,« antwortete Gottfried, »bedenke, Herr, du würdest ihm nicht freundlichen Sinn erweisen, wenn du das Christenweib zurückhieltest.«
»Nur um des Weibes willen nahm ich den Becher von dem Fremden und ließ mir gefallen, seinen Boten zu geleiten, und vor den anderen suche ich das Weib bei dir«, rief Ingram zornig.
»Darum also bist du in das Haus meiner Frauen gedrungen«, versetzte der Sorbe lauernd. »So höre meine letzten Worte: die Knaben entsende ich dem Bischof, das Weib bleibt mein. Widerstehst du dem Tausch, dann enthebe dich mit dem Becher, zu lange hast du in unserem Lager geweilt, und achte darauf, daß du ihn wohlbehalten heimwärts bringst. Ohne Geleit bist du gekommen, und ohne Geleit scheidest du.«
»Was sinnst du auf heimlichen Überfall im Walde; fürchten die Sorben den Kampf auf offenem Felde?« rief Ingram. »Hier stehe ich, du listiger Mann, und erbiete mich, um das Weib zu kämpfen gegen jeden deiner Krieger, ja gegen zwei. Stelle gegen Ingraban und den Raben zwei deiner besten Krieger auf den stärksten Sorbenrossen, und die Götter walten des Sieges.«
Auf diese Herausforderung sprangen die Sorbenkrieger von ihren Bänken und ihr Geschrei schwirrte durch die Halle, aber der Häuptling zwang sie mit einer Handbewegung auf die Sitze zurück und versetzte: »Manche rühmen die Kraft deines Armes, aber durchaus nicht rühmen kann ich den Sinn deiner Rede. Töricht wäre ich, wenn ich meine Krieger auf das Kampffeld senden wollte, um etwas zu erwerben, was ich bereits durch Speer und Roß gewonnen habe. Und wenig Ehre wäre es meinen Helden, wenn sie um eine kauernde Sklavin im Ringe kämpften. Einen anderen Kampf biete ich dir, der im Frieden besser geziemt. Ich höre, daß du des Bechers kundig bist, wie dem Manne gebührt, auch mich hat nicht leicht ein Gegner beim Trinkkruge gefällt. Wohlan, laß uns unsere Kraft prüfen; du setzest dein Roß, den Raben, und ich das Frankenweib, der Sieger empfängt beide. Das scheint mir guter Rat.«
Lauter Beifallsruf erscholl um den Tisch, nur Ingram stand betroffen. »Das Roß gehört zum Manne wie das Schwert, und unfreundlich wird dereinst der Gruß meiner Ahnen, wenn ich die Zucht meines Rosses in ein Sorbendorf liefere. Das fürchte ich sehr; dennoch setze ich dir zwei Hengste von dem Stamme des Raben, fünfjährig und vierjährig, edler als einer von deinen Gäulen. Nur mein Schlachtroß, das mein bester Freund war, wo kein Arm eines Menschen mir half, das behalte ich zurück.«
»Unbekannt sind die Gewinne, die du bietest, und weit ist der Weg zu deinem Stall. Der Rabe und die Gefangene, beide sind hier im Hofe, das ist gerechter Wettstreit.«
Ingram stand in heftigem Kampfe. »Wohlauf, bei den Schicksalsfrauen meines Geschlechtes, her die Becher, und der Streit beginne.«
Wieder scholl fröhlicher Lärm der Sorben, wie ein Schrei der Teufel klang er in Gottfrieds Ohr. »Ruchlos ist das Becherspiel um ein Menschenleben«, rief er dazwischen tretend.
Ratiz winkte höflich abwehrend, Ingram aber versetzte unwillig: »Wenig Glück hat mir das Silber deines Bischofs gebracht, weiche von mir, daß ich zu meinem Gott flehe, ob er mir helfe.«
Der Alte trug einen großen Metkrug und zwei Becher zu, beide ganz gleich aus Maserholz gedreht. Er wies den gefüllten Krug und die leeren Becher den Kämpfern, diese sahen ernsthaft hinein und prüften die Gefäße. Darauf füllte der Weißbart einen Becher bis zu dem Strich, welcher den Rand bezeichnete, goß den Met aus dem ersten in den zweiten, um die Größe zu erweisen, und rückte zwei gleiche Schemel ohne Lehnen an den Tisch. Die Helden ergriffen die Becher, wandten sich abwärts nach der Himmelsgegend, vor welcher sie zu den Göttern flehten, und murmelten leise das glückbringende Lied. Dann lösten beide die Waffen von ihrer Hüfte, der Slawe gab das Krummschwert einem Genossen, Ingram aber rief: »Allein bin ich in der Fremde, frage, Alter, ob einer unter den Sorbenkriegern mir ein treuer Schwerthüter sein will bis zum Ende des Kampfes.«
Gottfried machte eine Bewegung, aber Ingram wies ihn mit der Hand ab und der Mönch trat mit hochgeröteten Wangen zurück. Da erhob sich ein junger Sorbenkrieger von stolzem Aussehen, Ingram sah ihm in das Gesicht und sagte: »Wir sahen uns sonst wohl auf blutigem Felde, Held Miros.« Der Krieger gelobte treue Schwertwache und setzte sich zur Seite hinter Ingram, das Schwert haltend. Die Kämpfer ließen sich auf den Stühlen nieder, ruhig waren ihre Bewegungen und gemessen ihre Haltung, denn wer heftig den Sinn regte, der kam bei diesem Spiel in Gefahr. Und der Weißbart rief laut: »Außer den Herren, welche auf dem Kampfstuhl sitzen, schweige jeder, daß nicht seine Rede den Sinn der Zecher verwirre. Den Herren aber ziemt im Kampfgespräch zu bedenken, daß jede Wunde, die ihre Zunge schlägt, verschmerzt sein soll am nächsten Morgen.« Darauf rückte sich der Sprecher einen niedrigen Schemel mitten zwischen die beiden und wiederholte, was einer sprach geschickt in der Sprache des anderen. So weich und gewandt war die deutende Rede, daß sie wie ein Lied zwischen den harten Worten der Kämpfenden tönte.
Ratiz nahm zuerst seinen Becher, hob ihn und sprach: »Zu gleichem Kampfe bringe ich den Met, Ratiz, Sohn des Kadun, ein Herr in den Sorben«, und von der anderen Seite scholl es zurück: »Bescheid tut Ingraban, Sohn des Ingbert, ein freier Thüring.« Beide leerten die Becher und stürzten sie auf den Tisch. Der Alte füllte und verbeugte sich tief vor jedem der Herren. Wieder begann Ratiz:
»Schwarz ist der Vogel, nach dem du, wie ich höre, genannt bist, aber weiß ist der Aar, der über den Zelten meiner Krieger schwebt. Ein Reh sah ich liegen am Quell im Walde und auf ihm saß mit starken Fängen der Adler und schmauste, aber im Kreise herum krächzte die Schar der Raben und lauerte auf den Abfall.«
Ingram antwortete: »Den Namen erfinden dem Helden die lieben Eltern und ungern hört er den Namen schmähen. Nicht weiß ich den deinen zu deuten, denn selten fragte ich nach deinem Geschlecht, doch rate ich, meide ihn zu gebrauchen bei meinem Volk, denn er klingt uns wie Ratte, das diebische Tier hinter dem Mehlsack.«
»Versteht ihr nicht Worte der Sorbenkrieger, ihre Schläge habt ihr doch oft gefühlt.«
»Fünf Panzer von Linnen und fünf krumme Schwerter, die Beute der Walstatt, zähle ich an der Wand meiner Halle, meinst du, daß deine Krieger gutwillig sie boten ohne Hiebe?«
»Mancher schleicht spähend beim Mondschein über die Walstatt, hinter den Wölfen sucht er den Raub und trägt bleichwangig und zagend die Habe erschlagener Helden sich heim in den Rauchfang«, versetzte Ratiz.
»Ist dir‘s verleidet, die Gefallenen zu zählen, die mein Schwert auf dem Rasen zurückließ, so zähle die Wunden derer, die leben. Mehr als einer von deinen Kriegern rühmt sich der Narben, die er mir verdankt.«
»Grund haben sie alle, dein Schwert zu preisen,« spottete Ratiz, »denn leicht heilten die Ritze, und sie lachen der Narben.«
»Schnellfüßige Läufer trifft leise der Schwertschlag, nur wer selbst starke Hiebe spendet, empfängt das gleiche Gastgeschenk«, versetzte Ingram.
»Gut sprichst du, Held,« rief Ratiz, »denn selbst birgst du nah am Herzen die Gastgeschenke, welche Sorbenschwerter dir schlugen.« Er winkte, sie tranken und stürzten die Becher.
Wieder füllte der Alte, und höflicher begann Ratiz: »Vergebens ist es, dich Held mit harten Worten zu necken, noch ist der Metkrug gefüllt und Zeit zu freundlicher Rede. Laß uns rühmen, was jedem das Liebste auf Erden ist. Vor allem gefällt mir der Herrensitz auf dem Hügel, um mich die Hütten der Krieger und vor mir, so weit das Auge reicht, die Rinderweide, die mein Schwert gewann.«
»Was das Schwert gewann, mag das Schwert verlieren; weiter als die Rinderherde schreitet und die Grenzzeichen ragen, reicht der Ruhm des tapferen Mannes«, versetzte Ingram.
»Ruhm gewinnt, wer Land gewinnt«, rief Ratiz.
»Ruhm gewinnt auch, wer sein Heimatland gegen den fremden Einbrecher verteidigt«, antwortete Ingram. »Ungleich ist unser Los. Ich stehe auf dem Erbe meiner Väter, du aber mühst dich um geraubtes Land.«
»Höher achte ich den wilden Stier, der mit seiner Herde über den Erdboden schweift, als die Jochkuh im Pferch«, rief Ratiz.
»Solange die Weisen gedenken, saß mein Geschlecht auf freiem Erbe,« sprach Ingram, »du aber kamst ostwärts aus der Fremde und niemand weiß woher.«
»Mein Volk weiß es«, versetzte der Sorbe stolz. »Dennoch tadle ich deinen Trotz nicht, denn wohlbekannt ist dein Name bei Freund und Feind. Gefällt dir‘s, Held, so verkünde uns die Abenteuer, die du erlebt.« Er bat so, um dem anderen die Redelust zu wecken.
Aber Ingram mied die Versuchung und versetzte: »Was ich erlebte, das wißt ihr wie ich, denn mein junges Leben haftete stets in der Heimat, und gewann ich Ruhm bei den Meinen, so war‘s nur in den Kämpfen mit euch, weil ich fest stand neben meinen Freunden und gegen euch als ehrlicher Feind.«
Wieder füllte der Alte die Becher.
»Oft rühmen meine Krieger«, begann Ratiz spottend, »deine erste Beutefahrt im Walde, damals als du dem Fuchse gleich nach Honigwaben ins Holz schlichest. Du hörtest die Bären und krochst hinauf in die Äste, unten schmausten die Bären den Honig, dich aber stachen die Bienen dahin, wo du saßest. Und heute noch hingst du, von den Speeren der Bienen zerstochen, am Aste, hätte dich nicht Bubbo, der Waldmann, erlöst.«
»Dafür liegen jetzt die Felle der Bären an meinem Herde«, versetzte Ingram lachend. »Wie gelang es dir doch damals, Ratiz, mit deiner Heldenfahrt, als du auszogst auf die Freite, um ein Weib der Thüringe zu gewinnen? Die Dorfknaben überfielen den Hof, in dem du lagertest, und als sie mit Schwertern die Hütte durchsuchten, entfloh deine Schar, du selbst aber bargst dich bedrängt in dem Backtrog, den die Weiber über dich stürzten, und Weizenteig hing in deinem Barte, als du schwertlos entrannst. Gern erzählen unsere Mägde am Herde von deinem harten Lager unter dem gehöhlten Holz.«
Finster packte Ratiz seinen Becher und stampfte ihn auf den Tisch. »Nützlicher war mir das gelungene Entrinnen als deinen Gesellen das fruchtlose Suchen.« – Er drückte seinen Grimm eine Weile schweigend hinab, dann rief er höhnend: »Höre dafür, was die Wila, die Schicksalsfrau der Sorben, mir einstmals sang.« Und er begann nach der Weise seines Volkes zu singen: »Alles wird dir wohlgelingen auf dem Felde, bei dem Trinkkrug, doch die allergrößte Freude sollst du haben, wenn ein fremder ungeschlachter Hüne in dein Lager dringt. Grob sind seine Worte und Gebärden, als ein armer Schlucker kommt er ungeladen und er bettelt um ein Weib für seinen Herdsitz. Doch du wirst ihn wohl empfangen, höflich zu dem Becher laden, aber enge ist sein Schädel, Starkes kann er nicht vertragen. Hast du ihn in Met berauscht, bind ihm klug das Bein mit Seilen, scher ihm dann das Haar vom Haupte, setz‘ ihn vor die Tür der Halle, daß die Weiber seiner lachen und die Kinder ihn bewerfen.«
Ingram versetzte finster: »Ich aber hörte eine Sage erzählen von Däumling, dem ruhmvollen Helden, den sie Gernegroß nannten. In dem Sandhaufen höhlte er sich mit den Händen seine Burg und deckte die Feste mit Stroh, das er von der Tenne mauste. Er sah von seiner Halle über die Maulwurfshügel und rühmte sich: alles ist mein, soweit mein Auge reicht, keinen stattlicheren Helden kenne ich auf Erden, nur eines fehlt mir zu meinem Glück, ich sende die Boten zum Hofe des Königs, daß ich Herzog werde über die Maulwürfe und Mäuse des Feldes. Da kam ein Bauer, und mit hartem Fuß zertrat er unversehens die Burg, und Held Däumling entfloh in ein Rattenloch und wand die Hände in Kummer.«
Der Sorbe fuhr mit der Hand nach der Schwertseite und griff heftig umher, als er die Waffe nicht fand; Ingram aber lachte laut über das vergebliche Suchen.
Wieder und wieder füllte der Alte. Dem Ratiz schwammen die Augen, und seine Hand wurde unsicher, wenn sie den Becher faßte. Er merkte die Gefahr und dachte schlau darauf, den Gegner zu verwirren. »Lustig sitzen wir hier im Gefecht der Zungen, lieblicher schlürft sich der Met, wenn wir mit unseren Augen auf das Weib schauen, welches der Preis des Siegers sein wird. Führt das Frankenweib her, daß wir uns am Anblick ergötzen.« Zwei seiner Genossen sprangen auf und eilten der Tür zu.
Ingram schlug auf den Tisch. »Unbillig störst du das Spiel, denn traurig ist es mir, die Tochter eines werten Mannes als Sklavin unter den Feinden zu schauen.«
»Lösen willst du sie doch, du starker Zecher, hast du Kraft, so erweise sie jetzt. Umbindet ihr nicht die Hände mit den Weiden, damit der Gast sie ohne Kränkung der Seele betrachte.«
Ingram sah finster vor sich nieder und schwer wurde ihm das Haupt; die Männer schritten hinaus und führten das Mädchen in die Halle der Schweigenden. Walburg blieb an der Tür stehen, und ihr Blick umwölkte sich, als sie auf Ingram sah, auf die Trinker und die gleichen Becher. »Tritt näher, Frankenkind,« begann Ratiz, »denn um dich geht der Streit, ohne Schwertkampf der Helden sollen die Götter entscheiden. Im Maserholz schwenken wir deine Lose, ob du heimziehst mit Held Ingram, oder ob ich dir eine Hütte baue und ein Lager darin breite für dich und mich, wie ich hoffe.«
Empört rief das Mädchen dem Thüring zu: »Einen besseren Helfer habe ich mir erkoren, schmachvoll wäre mir die Lösung durch den Trinkkrug. Denke nicht, Ingram, dir ein Weib durch Met zu gewinnen, übe den Heidenbrauch um Sorbenmädchen, nicht um mich.« Sie wandte ihm den Rücken, trat in die Ecke, in welcher Gottfried saß, kniete an seiner Seite nieder und verbarg das Gesicht mit den Händen. Heiße Röte stieg in das Gesicht Ingrams, da sich das Weib verachtend von ihm wandte, undeutlich merkte er das höhnende Lachen der Slawen, er erhob sich vom Stuhl und rief in ausbrechendem Zorn: »Falsch war das Spiel und verflucht sei der Becher, den ich noch trinke.« Er schleuderte den Becher auf den Boden und zugleich mit dem Holze sank er selbst in schwerem Fall. Wilder Jubelschrei der Sorben durchtönte die Halle, sein Helfer, welcher das Schwert gehalten, trat zu ihm und gebot: »Tragt ihn unter mein Dach, damit ich ihm meine Treue erweise und ihn bei seiner Waffe bewahre.«
Ratiz aber erhob sich siegreich in trunkenem Mut und schritt auf das Frankenmädchen zu. »Mein bist du, doppelt gewonnen ist die rundliche Wange, und mein sollst du bleiben, nicht denke ich mit der Vermählung zu säumen. Auf, führt sie zur Hütte und ladet den Sänger, daß er das Brautlied spiele.«
Dicht vor ihm erhob sich von den Knien die Jungfrau, bleich war ihr Gesicht und hart der Blick, den sie auf den Häuptling warf. »Niemand vermöchte dich zu retten vor meiner Hand,« rief sie, »du Untier, das kaum den Vater gefällt hat und jetzt Unehre über die Tochter bringen will. Danke deinem Glück, daß ein Heiliger neben mir steht. Du rühmst meine glatte Wange, sieh her, ob sie dir noch gefällt.« Blitzschnell fuhr sie mit dem Messer aus dem Gewande, hielt es ihm entgegen, daß er zurückfuhr, schnitt mit dem Stahl sich eine klaffende Wunde in die Wange, daß ihr Blut herunter strömte, und hob den Stahl wieder gegen sich selbst. Da sprang Gottfried herzu und entriß ihr die Waffe. Ratiz stieß einen schweren Fluch aus und packte den Metkrug, um ihn gegen das Weib zu werfen, aber auch er taumelte und stürzte zu Boden, übermannt vom Met und vom Zorn. Die Sorben sammelten sich um ihren Häuptling und Gottfried führte mit Hilfe des Weißbarts die wunde Jungfrau nach ihrer Hütte, dort suchte er das strömende Blut zu stillen und mit dem Sorbenweibe die klaffende Wunde zu binden.
In der Hütte des Miros saß spät am nächsten Morgen Ingram, das Haupt in der Hand, und seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Auf dem Schoß hielt er das Schwert, welches sein Gastfreund ihm in die Hände zurückgelegt hatte. Miros stand vor ihm und erzählte von dem letzten Ausgang des Gelages und von der Wunde des Weibes. »Sie hätte den Faden ihres Lebens durchschnitten, denn ihr Sinn war wild, als der fremde Bote ihr das Messer entwand. Unnütz war die Mühe, das Messer wäre ihr rühmlicher gewesen, als die Keule des Ratiz sein wird.«
Ingram zuckte und griff nach seinem Schwert. »Was würdest du tun, wenn dir ein gefangenes Weib mit dem Messer drohte?« fragte Miros. Ingram nickte bestätigend mit dem Kopf. »Wäre sie tot durch rühmliche Tat, die sie selbst an sich vollbracht, und wäre der Ratiz durch mein Schwert erlegt, dann wäre ich wieder frei und könnte lachen«, murmelte er. »Jetzt aber bedrängt mich der Zauber, den die unholden Christenmänner durch ihren Gesang und durch ihr Silber auf meinen Weg geworfen haben. Darum hat mir der Gott, der des Trinkhorns mächtig waltet, seine Hilfe versagt. Auch ihn höhnten die Riesen durch ihre Wunder und ruhmlose Kämpfe mußte er ausfechten. Mir ist das Leben verleidet und die Heimkehr begehre ich wenig.«
»Bleibe bei uns,« riet der Sorbe teilnehmend, »und gewöhne dich an unseren Brauch, dann baut dir Herr Ratiz eine Hütte, und wenn du das Weib mit der zerrissenen Wange noch begehrst, so ist möglich, daß er dir sie schenkt, damit sie deinen Mühlstein drehe.«
Ingram lachte: »Könntet ihr vergessen, daß ich eure Krieger erschlug? Würde doch mein Schwert aus der Scheide springen, wenn es neben einer Sorbenkeule hinge. Wie kann Friede dauern zwischen euch und mir? Nein, Miros, anders raten mir die Schicksalsfrauen. Und du meinst, daß er sie töten wird?«
»Wie kann er anders?«
»So sage ihm, daß ich ihn zum Kampf fordere auf der Heide zwischen eurer und unserer Mark auf den sechsten Tag von heut.«
»Sage selbst solche Botschaft, wenn du Lust hast aus dem Sonnenlicht zu scheiden, auch du stehst unter seiner Hand, und wenn er dich entläßt, so weiß er, daß ein Todfeind frei von ihm reitet. Denke vor allem an das eigene Heil!«
»Du sprichst verständig, friedlich will ich von euch gehen oder gar nicht. Die Götter mögen auch mir das Los werfen. Der Becherkunst ist dein Herr mächtig, wie ich sehe, laß ihn versuchen, ob er auch das Würfelspiel versteht, sein Schicksal gegen das meine. Geh, mein Wirt, und trage ihm eine Botschaft, die er annehmen mag oder nicht nach seinem Gefallen. Noch einmal messen wir uns in friedlichem Kampf, wie der Würfel fällt, den unsere Hände gleiten lassen, um alles oder nichts; er setzt in das Spiel das Weib und mein Roß, das er gestern gewonnen, und ich —«
»Und du?«
»Mich selbst, ob ich frei davon reite oder als sein Gefangener hier bleibe, bis gütliche Schatzung vereinbart wird, welche mich löst, nach Brauch der Grenze.« Der Sorbe trat zurück. Er öffnete sein Hemd und wies eine Narbe. »Du weißt, wer mir diesen Schlag gab, denke daran, Held; unrühmlich wäre mir zu sagen, daß ein Knecht die Wunde geschlagen hat.«
Ingram reichte ihm die Hand. »Geh doch, Fremdling, tief bin ich verstrickt und meine Stunde ist gekommen, wo ich die Hohen fragen will, ob sie retten oder verderben.«
Der Sorbe ging unzufrieden hinaus, Ingram legte das Haupt auf den Tisch. »Seit der Fremde den Mühlstein unter dem Baume heraufscharrte, ist das Glück von mir gewichen und der Segen, den die Ahnen mir hinterlassen, hat seine Kraft verloren. Eine hat sich zornig von mir gewendet, ich aber will prüfen, ob ich noch die Kraft habe, sie durch meine Beschwörung zu gewinnen, oder ich will ihr Los teilen.«
Draußen klang der Tritt bewaffneter Männer. Ratiz trat ein, begleitet von einem Teil seiner Krieger. Ihm lagen die Augen noch tief im Kopf und heiser war seine Stimme, als er sprach: »Du kamst als ein eifriger Spieler. Den ersten Kampf bot ich, den zweiten bietest du. Fürwahr, hoch achtest du dich selbst, lieber mag ich das Weib und das Roß als dich, und ungern tue ich deinen Willen. Aber meine Krieger fordern, daß ich dein Spiel nicht zurückweise. Dein Einsatz gilt, Roß und Weib für dich oder du für mich, ein Würfel und ein Wurf.«
»Weib und Roß, beide unversehrt zur Stelle für mich, oder mein Lösegeld für dich, so wie mich deine Krieger ehrlich schatzen«, versetzte Ingram.
»Wir werden dich ehren als Krieger, wenn wir dich schatzen«, bestätigte der Häuptling. »Beide wollen wir‘s geloben.« Die Männer faßten an ihre Schwerter und sprachen den Eid. »Hast du einen Mann,« fuhr Ratiz fort, »dessen Würfel du vertrauen kannst, wie ich ihm vertraue, so nenne den Namen.«
»Mein Wirt Miros«, antwortete Ingram.
Miros trat in eine Ecke der Hütte, holte den Würfel aus dem Kasten und stellte ihn auf den Tisch, einen Holzbecher dazu. »Ehrlich ist der Würfel und ehrlich sei das Spiel,« sagte Miros, »und jeder, der hier steht, gelobe dem Sieger treue Erfüllung.«
Die Männer schwuren, die Kämpfer traten beiseite und sprachen leise ihre Beschwörung. »Der das Spiel gefordert hat, tue den ersten Wurf«, gebot Miros. Er legte den Würfel in den Becher und bot ihn Ingram. Das Angesicht des Thürings war bleich und ebenso das des Ratiz, Stille war in der Hütte und alle starrten auf den Tisch. Ingram schüttelte und warf. »Fünf«, rief Miros. »Ein guter Wurf,« sprach Ratiz, er nahm den Becher, schüttelte und warf. »Sechs«, rief Miros. Ein gellender Siegesruf, der weit über das Tal zog, erscholl in der Hütte, alle traten von Ingram zurück. Er stand einen Augenblick mit geneigtem Haupte, dann löste er sein Schwert und warf es auf den Boden. Ratiz legte die Hand auf ihn: »Mein Knecht bist du, holt die Weide und bindet ihm die Hände.«
Vor der Hütte des Ratiz, in welcher Walburg lag, saß der Mönch. Vor ihm tummelten sich wilde Gesellen mit den Rossen, die sie aus den Ställen gezogen hatten, und ansehnliche Sorbenkrieger eilten einzeln oder in kleinen Haufen zu der Halle des Häuptlings. Aber gleichgültig sah der Mönch auf dies fremdartige Kriegertreiben; er hatte die Nacht vor der Hütte gewacht, zuweilen war er eingetreten und hatte die Slawenfrau geweckt, welche neben dem Lager der Verwundeten lag, daß sie die Wunde mit kaltem Wasser netze, oder er hatte der Fiebernden einen Trunk gereicht und leise an ihrem Haupt gebetet. Jetzt schauerte sein erschöpfter Leib in der warmen Morgensonne, aber seine Gedanken flogen unablässig zu dem Christenmädchen in der Hütte. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er um ein Weib zu sorgen, er fühlte darüber eine wonnige Freude, lächelte vor sich hin und sah dann wieder ernsthaft und demütig nach der Höhe.
In der Nähe hörte er Eisengeklirr und schnellen Tritt, Ratiz stand mit seinem Gefolge vor ihm in Waffen, zum Auszug gerüstet, unter den Kriegern Ingram, waffenlos mit gesenktem Haupt, die Arme durch starke Weiden auf den Rücken gebunden. Ratiz wies auf die Sonne. »Weit ist dein Weg, junger Bote, und widerwärtig ist dein Anblick meinem Volke. Das Spiel, welches in meiner Halle begann, ist beendigt. Sieg und Ruhm haben mir die Götter verliehen. Dennoch will ich dir halten, was ich dir gestern bot, wenn du deinem Bischof mich rühmen willst. Gib mir das Silber und nimm die Gefangenen.«
»Willst du jetzt die Antwort des Bischofs auf deine Frage hören?«
»Sprich,« antwortete Ratiz, »ich und meine Edlen, wir hören.«
»Du begehrst Gesandte an den Hof des Helden Karl nach dem Westland zu senden, und du begehrst, daß mein Herr, der Bischof, ihnen Geleit werbe und geziemenden Empfang bei dem Frankenherrn. Habe ich recht deine Meinung gesagt, so bestätige mir sie vor diesen.«
»Seine eigene Sorge hat jeder Tag,« versetzte der Sorbe, »viele Monde ist‘s her, daß ich nicht an die Gesandtschaft dachte, meine Krieger fürchten nicht die Macht der Franken, wo sind ihre Heere, wir sehen sie nicht.«
»Hast du deinen Sinn geändert, dann bin ich der Rede enthoben.« Er trat zur Seite, Ratiz aber begann einlenkend: »Auf scharfer Wage wägst du die Worte, Fremder, noch ist es möglich, daß mir‘s gefällt die Boten zu entsenden, vielleicht auch nicht.«
Gottfried schwieg.
»Will der Mann, den sie Winfried nennen, mir Bürge werden, daß meine Krieger am Hofe des Frankenherrn freundlichen Empfang finden und Gewähr ihrer Forderung?«
»Nein«, versetzte Gottfried nachdrücklich. »Deine Forderung kennt mein Herr nicht, wie kann er Fürsprech werden? Zu gewähren und zu versagen steht allein bei Herrn Karl, nur daß deine Boten das Ohr des Fürsten erreichen, dazu kann er helfen, und ob er dazu helfen wird, das steht bei dir. Auf seinem Wege sah er brennende Höfe und erschlagene Christen.«
»Du bist ein Fremder und unkundig des Grenzbrauches,« versetzte der Sorbe mit querem Blick, »nur Notwehr üben wir und Vergeltung. Auch unsere Krieger liegen erschlagen und unerträglich sind die Frevel der Franken.«
»Du klagst über Unrecht der Franken, ebenso der Franke über das eure, der große Gott im Himmel allein weiß, wer den größeren Frevel gewagt hat. Jetzt aber suchst du das Ohr des Frankenherrn. Wie mag Herr Karl anders urteilen als sein Volk? Und du suchst die gute Meinung eines Bischofs der Christen, auch der Christ sieht das Unrecht, das den Bekennern seines Glaubens zugefügt ist. Ich kann nicht gehen, Herr, ohne das Weib in der Hütte und ohne meinen Gefährten, den ich schwertlos und gebunden sehe.«
»Er war dein Gefährte, jetzt ist er mein eigener Knecht. Sein Wille war‘s, verspielt hat der Narr sein Roß und sein Schwert, und in Banden harrt er des Schicksals, das wir ihm fügen.«
Ein leiser Seufzer Ingrams wurde gehört, zitternd schwand der Ton in der Morgenluft, aber aus der Hütte klang ein lauter Schrei der Frau. Ratiz herrschte den Gebundenen an: »Rede, Knecht, damit der Mann, der dich gesandt hat, nicht deinetwegen von unserem Vertrag weiche.« Ingram wandte sich ab, aber er senkte bestätigend das Haupt.
»Die Sorge für ihn und das Weib ist mir auf die Seele gelegt,« rief Gottfried, »wie soll ich vor das Antlitz dessen treten, der mich zu dir gesandt hat, wenn ich sie nicht mitbringe?«
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