Текст книги "Old Firehand"
Автор книги: Karl May
Жанр: Классическая проза, Классика
сообщить о неприемлемом содержимом
Текущая страница: 4 (всего у книги 9 страниц)
Es war überhaupt augenfällig, welch‘ beinahe liebevolle Aufmerksamkeit und Ergebenheit die zwei Leute gegen einander zeigten. Zwei Brüder, die sich durch die Bande des Blutes mit jeder Faser des Innern an einander gefesselt fühlen, hätten nicht besorgter für einander sein können, und es dünkte mir, als begegne sich diese beiderseitige Fürsorge jetzt in meiner Person.
Als wir um die Mittagszeit Halt machten und Old Firehand sich entfernte, um die Umgebung des Lagerplatzes zu recognosciren, streckte sich, während ich den Proviant hervorholte, Winnetou an meiner Seite nieder und meinte:
»Mein Bruder ist kühn wie die große Katze des Waldes und stumm wie der Mund des Felsens.«
Ich schwieg zu dieser sonderbaren Einleitung.
»Er hat die Blume der Savanne aus dem Feuer gerissen und nicht davon gesprochen zu Winnetou, seinem Freunde.«
»Die Zunge des Mannes,« antwortete ich, »ist wie das Messer in der Scheide. Es ist scharf und spitz und taugt nicht zum Spiele.«
»Mein Bruder ist weise und hat Recht; aber Winnetou ist betrübt, wenn das Herz seines jungen Freundes sich ihm verschließt wie der Stein, in dessen Schooße die Körner des Goldes verborgen liegen.«
»Ist das Herz Winnetou‘s geöffnet gewesen dem Ohre seines Freundes?«
»Hat er ihm nicht gesagt alle Geheimnisse der Prairie? Hat er ihm nicht gezeigt und gelehrt die Spur zu sehen, den Lasso zu werfen, den Scalp zu lösen und Alles zu thun, was ein großer Krieger können muß?«
»Winnetou hat es gethan; aber hat er auch gesprochen von Old Firehand, der seine Seele besitzt und von dem Weibe, dessen Andenken nicht gestorben ist in seinem Herzen?«
»Winnetou hat sie geliebt, und die Liebe wohnt nicht in seinem Munde.«
»Nun weiß wohl auch der Apache, warum sein Bruder nicht gesprochen hat von der Jungfrau, welche er genannt hat die Blume der Savanne!«
»Hat er ihr geschenkt seine Liebe?«
»Winnetou sagt es.«
»Sie sind würdig, mit einander zu wohnen im Wigwam, und der Apache wird ihnen geben eine große Medizin, welche glücklich macht und ein Schutz ist gegen jede Gefahr und die Angriffe des bösen Geistes.«
»Hat mein Bruder die Blume gesehen?«
»Er hat sie getragen auf seinen Armen; er hat ihr gezeigt die Blumen des Feldes, die Bäume des Waldes, die Fische des Wassers und die Sterne des Himmels; er hat ihr gelehrt, den Pfeil vom Bogen schießen und das wilde Roß besteigen; er hat ihr geschenkt die Sprachen der rothen Männer und ihr zuletzt gegeben das Feuergewehr, dessen Kugel getödtet hat Ribanna, die Tochters der Assineboins.«
Erstaunt blickte ich ihn an. Es dämmerte eine Ah nung in mir auf, der ich kaum Worte zu geben wagte, und doch hätte ich es vielleicht gethan, wenn nicht gerade jetzt Old Firehand zurückgekehrt wäre und unsre Aufmerksamkeit auf das Mahl gerichtet hätte. Aber während desselben mußte ich immerfort an die Worte Winnetou‘s denken, aus denen in Verbindung mit Dem, was Ellen mir gesagt hatte, fast hervorging, daß Old Firehand ihr Vater sei. Das Benehmen desselben bei meiner Erzählung am gestrigen Abende stimmte allerdings mit dieser Vermuthung überein; aber er hatte von diesem Vater als von einem Dritten gesprochen und Nichts gesagt, was meine Vermuthung zu einer festen Ueberzeugung machen konnte.
Nach einigen Stunden der Ruhe brachen wir wieder auf. Als ob unsre Thiere wüßten, daß ein Ort mehrtägiger Erholung vor ihnen liege, trabten sie munter dahin, und wir hatten eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als mit der hereinbrechenden Dämmerung der Höhenzug, hinter welchem das Thal des Mankizila liegt, uns so nahe getreten war, daß das Terrain sich zu erheben begann und wir uns durch eine Schlucht bewegten, welche, wie es schien, uns senkrecht auf den Lauf des Flusses führen mußte.
»Halt!« tönte es da plötzlich aus den zur Seite stehenden Cattonsträuchern hervor, und zu gleicher Zeit ward zwischen den Zweigen der Lauf einer auf uns gerichteten Büchse sichtbar. »Wie heißt das Wort?«
»Tapfer!«
»Und?«
»Verschwiegen,« gab Old Firehand die Parole, indem er mit scharfem Blicke des Gesträuch zu durchdringen suchte. Bei dem letzten Worte theilte sich dasselbe und ließ einen Mann hindurch, bei dessen Anblicke ich mich eines leisen Lächelns nicht erwehren konnte.
Unter der wehmüthig herabhängenden Krämpe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Gestalt selbst dem schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht haben würde, blickte zwischen einem Walde von verworrenen, schwarzgrauen Barthaaren eine Nase hervor, welche fast von erschreckenden Dimensionen war und jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. In Folge des gewaltigen Bartwuchses waren außer diesem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgane von den übrigen Gesichtstheilen nur die zwei kleinen, klugen Augen zu bemerken, welche mit einer außerordentlichen Beweglichkeit begabt zu sein schienen und mit einem Ausdrucke von schalkhafter List von Einem zum Andern von uns Dreien sprangen.
Diese Oberparthie ruhte auf einem Körper, welcher uns bis auf das Knie herab vollständig unsichtbar blieb und in einem alten, bockledernen Jagdrocke stak, welcher augenscheinlich für eine bedeutend stärkere Person angefertigt worden war und dem kleinen Mann vor uns das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, welche in ausgefransten Leggins staken, die so hochbetagt waren, daß sie das Männchen schon vor einem Jahrzehnt ausgewachsen haben mußte und dabei einen umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in welche zur Noth der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können.
In der Hand trug der Mann eine alte Rifle, die ich nur mit der äußersten Vorsicht angefaßt hätte, und als sich so mit einer gewissen Würde auf uns zu bewegte, konnte ich mir keine größere Carricetur eines Prairiejägers denken, als ihn. —
»Sam Hawkens!« rief Old Firehand. »Sind Deine Aeuglein blöde geworden, so daß Du mir die Parole abverlangst?«
»Meine es nicht, Sir! Halte aber dafür, daß ein Mann auf Posten auch zuweilen zeigen muß, daß er die Losung nicht vergessen hat. Willkommen im Bajou, Mesch‘schurs! Wird Freude geben, große Freude.«
»Wer von den Männern ist vorhanden?« fragte unser Anführer, indem er ihm vom Pferde herab die Hand schüttelte.
»Alle, außer Bill Bulcher, Dick Stone und Harris, meine ich, die fort sind, um ›Fleisch zu machen‹. Die kleine Lady ist auch gekommen und wenn ich recht gesehen habe, ein Wenig groß geworden.«
»Weiß es, weiß es, daß sie da ist. Wie ist‘s sonst gegangen? Gab‘s Rothhäute?«
»Danke, danke, Sir; könnte mich nicht besinnen, welche gesehen zu haben, obgleich« – setzte er, auf sein Schießinstrument deutend, hinzu – »Liddy Hochzeitsgedanken hat.«
»Und die Fallen?«
»Haben gute Erndte gehabt, sehr gute, wenn ich mich nicht irre. Könnts selbst sehen, Sir; werdet wenig Wasser im Thore finden, meine ich.«
Er drehte sich um und schritt, während wir weiter ritten, seinem Verstecke wieder zu.
Die kleine Scene hatte mir gezeigt, daß wir in der Nähe der »Festung« angekommen seien; denn Sam Hawkens stand jedenfalls als Sicherheitswache in kurzer Entfernung vom Zugange zu derselben, und mit Aufmerksamkeit musterte ich die Umgebung, um denselben zu entdecken.
Jetzt öffnete sich links eine enge Kluft, welche von so nahe an einandertretendem und oben von Brombeerranken überdachtem Gestein gebildet wurde, daß man beide Seitenwände mit den ausgespreizten Händen erreichen konnte. Die ganze Breite des Bodens nahm ein Bach ein, dessen hartes, felsiges Bette nicht die geringste Spur eines Fußes wiedergeben konnte und sein klares, durchsichtiges Wasser in das Flüßchen leitete, an dessen Rande wir in das Thal emporgeritten waren. Old Firehand bog hier ein, und wir folgten, langsam gegen den Lauf des Wassers reitend. Jetzt verstand ich auch die Worte des Postens, daß wir wenig Wasser im Thore finden würden.
Kurze Zeit nur hatten wir diese Richtung eingeschlagen, als die Felsen zusammen rückten und uns in so geschlossener Masse entgegen traten, daß der Weg hier zu Ende zu sein schien. Aber zu meinem Erstaunen ritt Old Firehand immerzu und ich sah ihn mitten durch die Mauer verschwinden. Winnetou folgte, und als ich die räthselhafte Stelle erreichte, bemerkte ich nun allerdings, daß die dichten, von oben herabhängenden, wilden Epheuranken nicht eine Bekleidung des Steines, sondern einen Vorhang bildeten, hinter welchem die Oeffnung tunnelartig fortlief und in dichte Finsterniß führte.
Lange, lange Zeit und in verschiedenen Krümmungen folgte ich den beiden Voranreitenden durch das Dunkel, bis endlich wieder ein matter Tagesschein vor mir auftauchte und wir in eine ähnliche Kluft kamen wie diejenige, durch welche wir uns vorhin gewunden hatten.
Als dieselbe sich öffnete, blieb ich überrascht halten, und auch Winnetou ließ ein erstaunendes »Uff« hören.
Wir befanden uns nämlich am Eingange eines mächtigen und weit ausgedehnten Thalkessels, welcher rings von ungangbaren Felswänden umschlossen war. Ein blätterreicher Saum von Büschen umrahmte die mit lockigem Grase bestandene, fast kreisrunde Fläche, auf welcher mehrere Trupps von Pferden und Maulthieren weideten, zwischen denen sich zahlreichen Hunde herumtrieben, die theils jener wolfsähnlichen Race, welche den Indianern ihre Wacht– und Lastthiere liefert, theils aber auch den kleinen, schnell fett werdenden Bastardarten angehörten, deren Fleisch nächst dem des Panthers als der größte Leckerbissen gilt.
»Da habt Ihr meine Burg,« wandte sich Old Firehand an uns, »in welcher es sich sicherer noch wohnen läßt als selbst in Abrahams Schooße.«
»Giebt es eine Oeffnung dort in den Bergen?« fragt ich.
»Nicht soviel, daß ein ›Stunck‹ hindurchschlüpfen könnte, und von Außen ist es fast unmöglich, die Höhen zu erklimmen. Es ist wohl schon manche Rothhaut da draußen vorübergeschlichen, ohne zu ahnen, daß diese schroffen Felsenzacken nicht eine compacte Masse bilden, sondern ein so allerliebstes Thal umschließen.«
»Aber wie habt Ihr diesen köstlichen Ort entdeckt?«
»Ich verfolgte ein Racoon (Waschbär) in die Spalte, welche damals noch nicht vom Epheu verdeckt wurde und habe natürlich sofort Besitz von dem Platze ergriffen.«
»Allein?«
»Erst, ja, und hundert Mal bin ich dem Tode entronnen, weil ich vor den Verfolgungen der rothhäutigen Hallunken hier ein sicheres und untrügliches Versteck fand. Später aber habe ich meine ›Jungens‹ mit hergenommen, wo wir nun unsre Häute sammeln und dem Schrecken des Winters trotzen können.«
Noch während der letzten Worte tönte ein gellender Pfiff weit über den grünenden Plan, und kaum war er erklungen, so öffneten sich an verschiedenen Stellen ringsum die Büsche und es kamen eine Anzahl Gestalten zum Vorschein, denen man das Bürgerrecht des Westens auf mehrere Tausend Schritte anzusehen vermochte.
Wir trabten der Mitte des Platzes zu und waren bald von den Leuten umringt, welche ihre Freude über die Ankunft Firehands in den kernigsten Ausdrücken kund gaben.
Mitten in dem Lärmen, der allerdings nur in dieser vollständigen Abgeschlossenheit erlaubt sein konnte, sah ich Winnetou beschäftigt, sein Pferd, von welchem er gestiegen war, abzusatteln. Als dies geschehen war, gab er dem Thiere mit einem leichten Schlage die Weisung, sich um das Abendbrod zu kümmern, nahm Sattel, Zaum und Decke auf die Schulter und schritt davon, ohne die Umstehenden eines Blickes zu würdigen.
Ich folgte, da unser Anführer zu sehr in Anspruch genommen war, um sich jetzt viel mit uns beschäftigen zu können, seinem Beispiele, machte den braven Swallow vollständig frei und unternahm, die neugierigen Frager kurz abfertigend, eine Recognition des Platzes.
Wie eine riesenhafte Seifenblase waren die Gesteinsmassen bei der Bildung des Gebirges von den plutonischen Gewalten emporgetrieben worden und hatten bei ihrem Zerplatzen eine hohle, nach oben offene und von Außen unzugängliche Halbkugel gebildet, welche dem eingesunkenen Krater eines ungeheuren Vulkans glich. Luft und Licht, Wind und Wetter waren dann beschäftigt gewesen, den harten Boden zu zersetzen und der Vegetation zugänglich zu machen, und die angesammelten Wassermengen hatten sich nach und nach durch die eine Seite der Felswand gebohrt und den Bach gebildet, welcher heut unser Führer gewesen war. —
Ich wählte zu meinem Gange den äußersten Saum des Thales und schritt zwischen dem Gebüsch und der meist senkrecht aufsteigenden, oft sogar überhängenden Felswand entlang. In derselben bemerkt ich zahlreiche mit Thürfellen verschlossene Oeffnungen, welche jedenfalls zu Wohnungen oder Lagerräumen führten, deren die Jägerkolonie ja nothwendig bedurfte.
Jedenfalls bestand dieselbe aus mehreren Personen, als sich uns bei dem Empfange gezeigt hatten, wenigstens konnte ich das aus der Anzahl der Squaws schließen, welche ich während meines Ganges erblickte; aber die Meisten waren jedenfalls auf Jagdzügen abwesend und kehrten erst bei Beginn des Winters, dessen Nahen allerdings in nicht mehr langer Zeit zu erwarten war, zurück.
Während ich so dahin schlenderte, bemerkte ich auf einer der wie es schien unbesteigbaren Klippen eine kleine, aus knorrigen Aesten aufgeführte Hütte. Von ihr aus mußte das ganze Thal mit allen seinen Einzelheiten vollständig zu überschauen sein und ich beschloß, hinaufzusteigen. Bald fand ich, wenn auch keinen Pfad, so doch die Spuren von Fußtritten, die sich da hinaufgearbeitet hatten, und folgte ihnen empor.
Nur noch eine kurze Strecke hatte ich zurückzulegen, da sah ich aus der schmalen und niedern Thüre einen Mann schlüpfen, welcher wohl kaum durch mein Kommen gestört worden sein konnte; denn er bemerkte mich gar nicht und trat, den Rücken mir zugewendet, an den Rand des Felsens und warf, das Auge mit der erhobenen Hand beschattend, einen Blick hinunter in die Tiefe.
Er trug ein buntes, starkstoffiges Jagdhemde, an der äußern Nath von der Hüfte bis zum Knöchel mit Fransen verzierte Leggins (Lederbeinkleider) und die kleinen Moccassins waren reich mit Glasperlen und Stachelschweinsporsten besetzt. Um den Kopf war turbanartig ein rothes Tuch geschlungen, und eine ebenso gefärbte Schärpe vertrat die Stelle des gewöhnlicheren Gürtels.
Als ich den Fuß auf die kleine Plattform setzte, vernahm er das Geräusch meiner Schritte und wandte sich schnell um. War es Wahrheit oder Täuschung? Vor mir stand das Bild meiner Träume, der stetige Gegenstand meines Sinnens und Denkens, das Ziel aller meiner Wünsche und Hoffnungen, und in hellem, rückhaltslosem Jubel rief ich aus:
»Ellen! Ist‘s möglich?« und trat mit rascher Bewegung auf sie zu.
Aber ernst und kalt blickte ihr Auge, stolz und unbeweglich stand ihre der Männerkleidung jedenfalls nicht ungewohnte Gestalt und kein Zug ihres jetzt tief gebräunten Angesichtes verrieth auch nur die leiseste freundliche Regung über mein Kommen.
»Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen, Sir. Aber die Berechtigung zur Frage ist wohl mehr an mir als an Euch. Welche Ursache gab Euch die Erlaubniß, Euern Weg in unser Lager zu nehmen?«
Wie ein Strom eiskalten Wassers auf einen erhitzten Körper, so wirkten diese Worte auf mein Entzücken, das wunderbare Mädchen wiederzusehen, und kälter und gemessener als sie erwiederte ich nur das eine Wort:
»Pshaw!« (Pah) und glitt, ihr den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes wieder hinab.
Ich hatte in der Ueberraschung die reinsten und heiligsten Gefühle meines Herzens blosgegeben und eine Demüthigung erlitten, die mich tiefer traf, als es der Pfeil eines Indianers thun konnte, und die Bitterkeit, welche ich jetzt empfand, war eine ganz andere als diejenige, welche ich gefühlt hatte, als sie mich an jenem Abende so energisch von sich wies.
Es war also doch so, wie ich vermuthet hatte, daß sie die Tochter Old Firehands sei, und nun war mir auch das Andere so ziemlich klar. Nie hatte ich es für möglich gehalten, daß ein Weib, ein so zartes und schönes Wesen wie sie, die den Genüssen und Ansprüchen des civilisirten Lebens ganz gewiß nicht fremd geblieben war, dieses Leben mit den Gefahren und Entbehrungen der Wildniß vertauschen könne. Daß es doch so geschehen war, mußte ganz besondere Gründe haben, und es schien mir nicht schwer, aus den einzelnen Mittheilungen, die mir gemacht worden waren, das Ganze zusammenzusetzen.
Schwieriger aber konnte ich die so deutlich gezeigte Abneigung begreifen, welche sie mir, ganz entgegengesetzt den ersten Augenblicken unserer Bekanntschaft, später an den Tag gelegt hatte. Die Behauptung Old Firehands, daß sie mich für feig gehalten habe, stimmte allerdings vollständig mit ihrer eigenen damaligen Aeußerung überein; aber es war mir absolut unmöglich, zu sagen, worin diese Feigheit denn eigentlich bestanden habe. Ein besserer Menschenkenner, als ich damals war, würde die Motive ihres Verhaltens ohne Zweifel an einem ganz andern Orte gesucht haben; doch ich war mit den Unwägbarkeiten eines Frauenherzens zu wenig bekannt, als daß ich das Richtige hätte treffen können. —
Es war Abend geworden. In der Mitte des weiten Thalkessels brannte ein hoch emporzüngelndes Feuer, um welches sämmtliche anwesende Bewohner des Lagers sich versammelt hatten. Ellen, welche, wie ich bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war, hatte mitten unter den Jägern Platz genommen; doch dünkte es mich, daß sie von der Erzählung all der Abenteuer, welche in rascher Folge vorgetragen wurden, wenig berührt werde. Träumerisch suchten ihre Augen das Weite, und wenn sie zurückkehrten, so ruhte ihr Blick mit einem eigenthümlichen Ausdrucke auf meinem Angesichte, so daß auch mein Auge immer wieder zu ihr hinüber gezogen wurde.
Auch ich hörte nur mit halbem Ohre auf die Worte der Erzählenden. Ich konnte die Empfindung nicht los werden, als sei ich der Held eines jener phantastischen Märchen, welche ihre Gestalten der Einbildungskraft des Dichters entnehmen und grad desto interessanter sind, je unmöglicher die Ereignisse genannt werden müssen, welche sie erzählen. Wie eine der verzauberten Prinzessinen, welche, verfolgt von dem Fluche einer bösen Fee, herabsteigen mußten von blinkender Höhe, um in unscheinbarer Gestalt des Erretters zu warten, lag sie vor mir, und ich fühlte in diesem Augenblicke, daß ich für sie zu jeder Anstrengung, zu Allem, Allem fähig sei, was ein Mann nur zu thun vermag für das Weib, dem jeder Pulsschlag seines Herzens gewidmet ist.
Aber was half mir diese Liebe einem Wesen gegenüber, welches eine so in die Augen fallende Abneigung für mich an den Tag legte? Ich stand auf und schritt in das Dunkel hinaus, über welches sich der klare, sternenvolle Himmel ausbreitete.
Ein leises, freudiges Wiehern am Saume des Gebüsches, welches den Bach berandete, rief mich zu Swallow, welcher mich erkannt hatte und nun den Kopf zärtlich an meiner Schulter rieb. Er war mir doppelt lieb geworden, seit er sie durch Gluth und Fluth getragen, und liebkosend drückte ich meine Wange an seinen schlanken, weichen Hals.
Ein kurzes Schnaufen seiner Nüstern, welches mir als Warnungszeichen bekannt war, ließ mich zur Seite blicken. Eine männliche Gestalt kam auf uns zugeschritten und ich sah den Zipfel des um den Kopf geschlungenen Tuches sich bewegen. Es war Ellen.
»Verzeiht, wenn ich störe,« klang ihre tiefe, jetzt etwas unsichere Stimme. »Ich dachte an Euren Swallow, welchem ich das Leben zu danken habe, und wollte das brave Thier gerne begrüßen.«
»Hier steht es, Miß. Ich werde die Herzlichkeit dieser Begrüßung nicht durch meine Gegenwart beeinträchtigen. Good night!«
Ich wandte mich zum Gehen, hatte aber kaum ein Dutzend Schritte gethan, als ich ihren halblauten Ruf vernahm.
»Sir!«
Ich blieb stehen. Zögernden Fußes kam sie mir nach, und das eigenthümliche Vibriren ihrer Stimme verrieth die Verlegenheit, welche sie nicht so schnell überwinden konnte.
»Ich habe Euch beleidigt!«
»Beleidigt?« erwiederte ich kühl und ruhig; »Ihr irrt, Miß. Der Mann kann einer Dame gegenüber wohl Nachsicht, nie aber das Gefühl des Beleidigtseins empfinden.«
Es dauerte eine Minute, ehe sie eine Antwort auf diese vielleicht unerwarteten Worte fand.
»Dann verzeiht meinen Irrthum.«
»Gern; ich bin an ihn gewöhnt.«
»Eure Nachsicht werde ich wohl nicht wieder in Anspruch nehmen.«
»Sie steht Euch trotzdem zu jeder Zeit zur Verfügung.«
Schon wollte ich mich wieder abwenden, als sie mir mit einem schnellen Schritte nahe trat und die Hand auf den Arm legte.
»Lassen wir Persönlichkeiten jetzt unberührt. Ihr habt mit der größten Gefahr für Euer eigenes Leben mir dasjenige meines Vaters an einem Abende zweimal erhalten; ich muß Euch danken und wenn Ihr noch so böse und abstoßende Worte sprecht.«
Warm und weich legten sich ihre Finger um meine Hand und der Hauch ihres Athems berührte mein Gesicht. Ihre großen, offenen Augen blickten voll und forschend in die Meinigen; je länger dieser magische Blick auf mir ruhte, desto näher zog er mich zu ihr, und ich mußte mich bezwingen, um nicht meine Arme um sie zu legen und denselben Fehler zu begehen, der sie in New-Venango von mir gescheucht hatte.
»Jeder ›Westmann‹ ist zu Dem bereit, was ich gethan habe, und es geschehen noch ganz andere Dinge als Das ist, was Ihr da erwähnt. Was der Eine für den Andern thut, ist ihm von noch Anderen vielleicht schon zehnfach geschehen und kaum der Rede werth. Ihr dürft nicht nach dem Maaßstabe urtheilen, welchen Eure Kindesliebe Euch in die Hand giebt.«
»Erst war ich es, jetzt aber seid Ihr‘s, der ungerecht gegen Euch selbst ist. Wollt Ihr‘s auch gegen mich sein?«
»Nein!« Nur dies eine Wort vermochte ich auszusprechen, so voll war mein Inneres von der Wirkung dieser Stimme, deren Modulation mich mit süßer Wonne durchbebte. Wie scharf und abweisend hatte sie da droben beim Felsenhäuschen geklungen, und mit welchem fesselnden Wohllaute legte sie sich jetzt so lind und beruhigend auf die Bitterkeit, welche sie mir vorher im Herzen erweckt hatte!
»Dann darf ich wohl eine Bitte sagen?«
»Sprecht, Miß!«
»Zürnt mir, Sir, seid bös auf mich, so sehr Ihr es nur immer könnt, wenn ich nicht recht thue, aber sprecht nicht wieder von Nachsicht? Wollt Ihr?«
»Ich will!«
»Danke. Und nun kehrt mit zum Feuer zurück, um den Andern gute Nacht zu sagen. Ich werde Euch Euren Schlafraum anweisen, und wir müssen bald die Ruhe suchen, da es morgen einen zeitigen Aufbruch geben wird.«
»Aus welchem Grunde?«
»Ich habe am Bee-fork meine Fallen gestellt, und Ihr sollt mit mir gehen, nach dem Fange zu sehen.«
Einige Minuten später standen wir vor einer der erwähnten Fellthüren, welche sie zurückschlug, um mich in einen dunklen Raum zu führen, der indeß bald durch eine primitive und mit Hülfe des »Punks« (Prairiefeuerzeug) entzündete Hirschtalgkerze erleuchtet wurde.
»Hier ist Euer bed-room (Schlafzimmer), Sir. Die Companymänner pflegen sich in diese Räume zurückzuziehen, wenn sie unter freiem Himmel einen Rheumatismus befürchten.«
»Und Ihr meint, daß dieser schlimme Gesell auch mir nicht unbekannt sei?«
»Will Euch das Gegentheil wünschen; aber das Thal ist feucht, da die rundum liegenden Berge dem Winde den Zutritt verwehren, und Vorsicht ist zu allen Dingen nütze, wie man drüben in der Heimath sagt. Schlaft wohl!«
Sie bot mir die Hand und schritt dann mit freundlichem Kopfnicken hinaus.
Als ich allein war, blickte ich mich in der kleinen Klause um. Sie war nicht eine natürliche Höhle, sondern durch menschliche Hand in das Gestein gehauen worden. Den felsigen Fußboden hatte man mit gegerbten Häuten belegt; ebenso waren die Wände mit denselben behangen, und an der hintern Wand stand die Lagerstätte, bestehend aus einer allerdings nur aus glatten Kirschbaumstämmchen zusammengesetzten Bettstelle, über welche sich auf einer dicken Lage weicher Yutafelle eine sehr hinreichende Anzahl ächter Novajodecken breitete.
Mehrere in die Ritzen eingeschlagene Holzpflöcke trugen Gegenstände, welche zur weiblichen Toilette gehörten, und eine sorgfältigere Umschau brachte mich bald zu der Ueberzeugung, daß Ellen mir ihr eigenes Cabinet abgetreten habe.
Einzig und allein nur dieser Umstand vermochte mich, in dem engen, abgeschlossenen Raume zu bleiben; denn wer seine Nächte in der Unendlichkeit der freien, offenen Prairie zugebracht hat, kann sich nur schwer entschließen, sich zur Benutzung desjenigen Gefängnisses zu bequemen, welches der civilisirte Mensch eine »Wohnung« nennt.
Aber nie hatte ich mich mit herzlicherer Befriedigung zur Ruhe gelegt, als an diesem Abende. Ihr Sträuben gegen meine »Nachsicht« machte ja Alles wieder gut, und genau genommen trug nur ich die Schuld an Dem, was sich zwischen uns gelegt hatte.
Die Abgeschlossenheit meines »Boudoirs« mochte doch wohl schuld sein, daß mich der Schlaf etwas fester als gewöhnlich in seine Arme nahm; denn noch hatte ich mich nicht erhoben, als ich durch eine weckende Stimme wach gerufen wurde.
»Pooh! (Hoho!) Mann, ich glaube gar, Ihr seid noch nicht ganz fertig, die Decken zu messen, meine ich. Streckt Euch noch ein Wenig, aber nicht in die Länge, sondern in die Höhe; das wird gut sein, wie mir scheint!«
Ich sprang empor und sah mir den Störenfried, welcher unter der zurückgeschlagenen Thür stand, an. Es war Sam Hawkens. Während er gestern nur mit der Rifle versehen gewesen war, sah ich ihn jetzt in vollständiger Trapperausrüstung meiner warten, ein Beweis, daß er uns begleiten werde. —
»Bin gleich fertig, Mann.«
»Hoffe es, Sir; die kleine Miß steht, denke ich, schon am hole. (Loch, Thür.)«
»Ihr geht mit?«
»Scheint so, wenn ich mich nicht irre. Die kleine Miß – aber gewachsen hat sie doch einen ›Haufen‹ – die kleine Miß also wollte ich sagen, soll doch das Geräth nicht etwa tragen, und Ihr« – und dabei flimmerten die kleinen Augen höchst ehrenrührig aus dem Bartwalde hervor – »na, ich meine, daß Ihr auch noch keinen Truthahnbussard geschluckt haben werdet, Sir!«
»Möglich, werde es aber lernen.«
»Gut, hoffe es; scheint mir sonst kein so unrechter new-man; habe schon manchem noch Grüneren die Rifle halten gelehrt! Na, da seid Ihr ja fertig, denke ich. Kommt!«
Ich war innerlich belustigt über die Ansicht, welche der alte Waschbär über mich hegte. Allerdings war meine äußere Erscheinung wohl nicht ganz genau diejenige eines ächten, verwitterten Gebirgsmannes, und meine immer sorgfältig blank gehaltenen Waffen mochten wohl für das Auge eines solchen ein etwas spielzeugartiges Aussehen haben, aber ich war dieser Ansicht schon so oft begegnet, daß ich mich an sie gewöhnt hatte und unmöglich durch sie gekränkt werden konnte.
Vor die Thür tretend, bemerkte ich Ellen, welche am Eingange der Schlucht unsrer wartete. Sam nahm einige zusammengebundene Fallen auf, warf sie über die Achsel und schritt, ohne sich zu überzeugen, daß ich ihm auch nachfolge, auf die unsrer Harrende zu.
»Lassen wir die Pferde hier?«
»Meine nicht, daß Euer Thier gelernt hat, ein regelrechtes Eisen zu legen oder einen Dickschwanz (Biber) vom Grunde des Flusses herauf zu angeln. Wir müssen die Beine auseinander nehmen, wenn wir zu rechter Zeit fertig sein wollen. Kommt also!«
»Muß doch erst nach dem Pferde sehen, Alter!«
»Ist nicht nothwendig, Sir! Die kleine Miß hat‘s schon gethan, wenn ich nicht irre.«
Ohne daß er es wußte, sagte er mir mit den letzten Worten etwas höchst Erfreuliches. Sie hatte sich also schon bei grauendem Tage um Swallow bekümmert, ein Zeichen, daß sie auch an seinen Herrn gedacht habe. Jedenfalls hatte ihr Vater von mir gesprochen und den Anstoß zur Aenderung ihrer Meinung gegeben. Eben wollte es mich wundern, daß er, der Wachsame, noch nicht zu sehen sei, als er mit Winnetou und einem der Jäger durch den Bach gewaden kam.
»Good morning, Sir!« grüßte er, mir die Hand bietend. »Habe mich draußen umgesehen und die Wache abgelöst. Seid Ihr schon ‚mal mit auf Biber gewesen?«
»Nein.«
»So, da giebts also doch noch ‚was Neues für Euch. Werdet aber nicht ohne Lehrmeister sein; das ›Blitzmädel‹ weiß die Dämme zu säubern.«
Es war das erste Mal, daß er ein deutsches Wort zu mir sprach. Ellen hatte ihn also auf meine Nationalität aufmerksam gemacht. Auch Winnetou grüßte mich mit einem in seiner Art freundlichen »Howgh!« und machte dann Ellen sein indianisches Compliment:
»Die Tochter Ribanna‘s ist schön wie das erröthende Gebirge und stark wie die Krieger vom Ufer des Gila. Ihr Auge wird viele Biber sehen und ihre Hand nicht tragen können die große Zahl der Felle.« Und den Blick bemerkend, welchen ich, nach Swallow suchend, über das Thal warf, meinte er beruhigend: »Mein guter Bruder kann gehen; sein Freund wird sorgen für das Roß, welches auch besitzt die Liebe des Apachen.«
Nachdem wir durch die Kluft gegangen waren, wandten wir uns, der Richtung, aus welcher wir gestern kamen, entgegengesetzt, nach links und schritten den Lauf des Wassers abwärts, bis wir an die Stelle gelangten, an welcher es sich in den Mankizila ergoß.
Dichtes, fast undurchdringliches Gestrüpp bestand die Ufer des Flusses, und die Ranken des wilden Weines kletterten an den engstehenden Stämmen empor, liefen von Zweig zu Zweig, ließen sich, fest in einander geschlungen, von oben hernieder, stiegen am nächsten Baume wieder in die Höhe und bildeten so ein Wirrwarr, in welches man sich nur mit Hülfe des Messers Eingang zu verschaffen vermochte.
Sam der Kleine war immer vor uns hergegangen, und seine vollbepackte Gestalt erinnerte mich lebhaft an die slowakischen Mausefallenhändler, welche sich drüben in meinem freundlichen Heimathsstädtchen von Zeit zu Zeit sehen ließen. Trotzdem in der Nähe kein feindliches Wesen zu vermuthen war, vermied sein großbeschuhter Fuß mit bewundernswerther Behendigkeit jeden Punkt, welcher eine Spur seines leisen Trittes zurückbehalten konnte, und die kleinen Aeuglein streiften mit ununterbrochener Beweglichkeit bald rechts bald links über die reiche Vegetation, welche trotz der späten Jahreszeit mit der Ueppigkeit zu wetteifern vermochte, welche die jungfräulichen Bottoms des Mississippithales hervorbringen.
Jetzt hob er einige Ranken in die Höhe und kroch, sich bückend, unter ihnen hindurch.
»Kommt, Sir,« forderte Ellen, ihm folgend, mich auf. »Hier zweigt unser Biberpfad ab.«
Правообладателям!
Это произведение, предположительно, находится в статусе 'public domain'. Если это не так и размещение материала нарушает чьи-либо права, то сообщите нам об этом.