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Текст книги "Old Firehand"


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Автор книги: Karl May


Жанр: Классическая проза, Классика


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»Das Auge meines rothen Freundes blickt finster, und seine Stirne trägt die Falten der Sorge. Welche Gedanken wohnen in seinem Herzen?« fragte ich, zu ihm tretend.

»Der Häuptling der Apachen sieht den Tod durch die Pforte dringen und das Verderben von den Bergen steigen. Es flammt das Thal von der Gluth des Feuers, und das Wasser ist roth vom Blute der Erschlagenen. Winnetou spricht mit dem großen Geiste. Das Auge der Bleichgesichter ist blind geworden vom Hasse, und ihre Klugheit ist den Gefühlen der Rache gewichen. Parranoh wird kommen und nehmen die Scalpe der Jäger; aber Winnetou ist gegürtet zum Kampfe und wird anstimmen den Todtengesang auf den Leichen seiner Feinde.«

»Wie soll der Ogellalla betreten das Lager unserer Jäger? Er vermag nicht, durch das Thor zu dringen.«

»Mein weißer Bruder spricht Worte, aber er glaubt ihnen nicht. Vermag eine Büchse aufzuhalten die Zahl der rothen Männer, wenn sie durch die Enge brechen?«

Er hatte Recht. Gegen eine geringe Anzahl Feinde konnte es wohl einem Einzigen glücken, den Paß zu vertheidigen, nicht aber gegen eine so bedeutende Horde, wie sie uns gegenüber stand; denn wenn auch nur stets eine Person einzudringen vermochte, so stand ihr doch eben auch nur Einer entgegen, und wenn die Hindersten nachdrängten, so konnten wohl einige der Vorderen getödtet, nicht aber das Eindringen der Uebrigen verhütet werden.

Ich hatte das Old Firehand gesagt, er aber mir geantwortet:

»Und wenn sie es wagen, so wird es uns leicht sein, sie nach einander auszulöschen, so wie sie durch die Schlucht kommen.«

Das klang wahr, und ich mußte mich zufrieden geben, obgleich ich wußte, daß der kleinste Umstand hinreichend sein konnte, diese Wahrheit zu Schanden zu machen.

Als der Abend hereinbrach, wurde die Wachsamkeit natürlich verdoppelt, und trotzdem ich auf meinen ausdrücklichen Wunsch erst zur Zeit des Morgengrauens Posten zu stehen hatte, zu welcher Zeit die Indsmen am Liebsten ihre Ueberfälle vornehmen, so ließ es mir doch nirgens Ruhe, und ich hielt mich für alle Fälle bereit.

Die Nacht lag still und ruhig über dem Thale, in dessen Vordergrunde das Feuer brannte und sein zitterndes Licht über die Umgebung warf. Swallow, welcher sich in dem von Bergen umschlossenen Raume frei bewegen durfte, weidete im dunklen Hindergrunde des Kessels; ich ging, nach ihm zu sehen und fand ihn ganz am Rande der steilansteigenden Höhen. Nachdem ich mit ihm die gewöhnlichen Liebkosungen gewechselt, wollte ich mich eben wieder entfernen, als ein leises Gepolter mich lauschen machte.

Auch das Pferd hob den Kopf in die Höhe; aber da der kleinste Athemzug unsre Gegenwart verrathen konnte, so ergriff ich es beim Riemen und deckte die Hand auf die sich unter dem Verdachte schon erweiternden Nüstern. Während wir von obenherab nicht leicht bemerkt werden konnten, war es mir möglich, von unten hinauf gegen den lichten Himmel jeden Gegenstand zu erkennen; und mit angestrengtem Auge suchte ich nach der Ursache, welche den herabgefallenen Stein von seinem Orte gelöst hatte.

In den ersten Augenblicken nach dem Falle des Steines war nichts Auffallendes zu bemerken. Jedenfalls hatte man das von dem Steine verursachte Geräusch ebenso gut bemerkt, wie ich und wartete nun eine Weile, um sich zu überzeugen, daß dasselbe nicht gehört oder beachtet werde.

Diese Ansicht war eine richtige, denn nachdem ich mich einige Zeit lang ruhig verhalten hatte, sah ich zuerst mehrere Gestalten, welche sich von dem dunklen Felsen lösten, und nach unten stürzen; bald aber gewahrte ich eine ganze Reihe Indianer, welche Einer hinter dem Andern über den Kamm der Höhe kamen und mit langsamen, vorsichtigen Schritten dem Ersten folgten, welcher mit der Oertlichkeit außerordentlich vertraut zu sein schien und kaum noch zweier Minuten bedurfte, um die Thalsohle zu erreichen.

Hätte ich meinen Stutzen bei mir gehabt, so wäre es mir leicht gewesen, ihn durch einen Schuß herunter zu holen und damit zugleich das nothwendige Alarmsignal zu geben. Er war der Führer, und die Andern durften bei dem Gefahr drohenden Terrain sich keinen Schritt weiter wagen, wenn er ihnen weggeschossen wurde. Aber leider hatte ich nur die Revolver im Gürtel, welche für einen Fernschuß untauglich waren.

Gab ich mit ihnen das Lärmzeichen, so waren die Feinde doch unten, ehe Hülfe herbeikommen konnte und ich befand mich dann in der gefährlichsten Lage; denn selbst wenn ich mich zurückziehen wollte, so mußte ich meinen von mehreren Sträuchern gedeckten Standort verlassen und mich den Schießgewehren der Rothhäute blosgeben. Deßhalb befolgte ich eine andere Taktik.

Parranoh, – denn dieser war jedenfalls der Vordere – welcher allem Anscheine nach seinen jetzigen Weg nicht zum ersten Male zurücklegte, befand sich soeben in der Nähe einer Felsenklippe, welche er umklettern mußte. Konnte ich dieselbe vor ihm erreichen, so mußte er mir grad in die Kugel laufen, und ich stieg deßhalb kurz entschlossen nach oben. Hinter dem Felsblocke verborgen und von ihm gedeckt, konnte ich ihnen allen Trotz bieten und sie einzeln, wie sie kamen, auslöschen.

Kaum hatte ich den ersten Schritt gethan, so fiel vorn am Wasserthore ein Schuß, welchem bald mehrere folgten. Ich begriff sofort die Klugheit der Indianer, welche einen Scheinangriff auf den Eingang vornahmen, um unsre Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Punkte der uns drohenden Gefahr abzulenken. Mit verdoppelter Eile und Anstrengung kletterte ich deßwegen empor und war der Klippe schon so nahe, daß ich sie fast mit der Hand erreichen konnte, als die lockere Steinmasse unter mir nachgab und ich kopfüber von Stein zu Stein, von Riff zu Riff den zurückgelegten Weg wieder hinunterstürzte und, unten angekommen, für einige Momente die Besinnung verlor.

Als ich wieder zu denken vermochte und die Augen öffnete, sah ich die ersten der Indsmen nur noch wenige Schritte von mir entfernt und sprang, obgleich furchtbar zerschlagen und zerquetscht, in die Höhe, feuerte alle Schüsse des einen Revolvers rasch hinter einander auf die dunklen Gestalten ab, warf mich auf Swallow und galoppirte dem Feuer zu; – ich durfte das brave Pferd nicht irgend einer Gefahr aussetzen, indem ich es zurück ließ.

Die Ogellalla‘s, welche sich nun doch bemerkt sahen, stießen ihren schon wiederholt vernommenen Schlachtruf aus und stürmten, wie sie Einer nach dem Andern den Boden des Kessels erreichten, mir nach.

Am Lagerplatze vom Pferde springend, fand ich ihn von den Jägern verlassen; sie hatten sich am Eingange zusammengeschaart und waren auf meine Schüsse hin eben nach der Richtung unterwegs, aus welcher sie dieselben gehört hatten. Ich wurde von ihnen mit hastigen Fragen empfangen.

»Die Indianer kommen,« rief ich; »rasch in die Höhlen!«

Es war dies das einzige Mittel, uns vom Untergange zu retten, mit welchem wir von der Uebermacht bedroht waren. In den Höhlen waren wir sicher und konnten von ihnen aus nicht nur den Indsmen Stand halten, sondern sie bis auf den letzten Mann niederschießen. Deßhalb eilte ich schon noch während meines Rufes nach dem »Boudoir«, welches mir zur Schlafstelle gedient hatte; aber es war zu spät.

Die Rothhäute waren mir auf dem Fuße gefolgt und ganz gegen ihre gewöhnliche Art und Weise, obgleich sie sich noch nicht gesammelt hatten, sofort auf die Jäger eingedrungen, welchen die unerklärliche Anwesenheit des Feindes so überrascht kam, daß sie erst an Abwehr dachten, als die feindlichen Waffen unter ihnen zu arbeiten begannen.

Vielleicht hätte ich meinen Zufluchtsort noch zu erreichen vermocht; aber ich sah Ellen, Old Firehand und Will Parker vom Feinde bedroht und sprang ihnen zu Hülfe.

»Fort, fort, an die Felswand!« rief ich, mitten in den Knäuel hineinfahrend, so daß die Angreifer für einen Augenblick aus der Fassung gebracht wurden und wir Raum gewannen, das senkrecht aufsteigende Gestein zu erreichen, wo wir den Vortheil hatten, im Rücken gedeckt zu sein.

»Muß das sein, wenn ich mich nicht irre?« rief uns eine Stimme aus einem im Felsen befindlichen Risse entgegen, welcher grad so breit war, daß sich ein Mann hineinzwängen konnte. »Nun ist Sam Hawkens, der alte Trapper, verrathen!«

Das listige Männlein war der Einzige gewesen, der seine Geistesgegenwart bewahrt und die wenigen Sekunden benutzt hatte, sich zu salviren. Leider machten wir ihm diese Bemühung erfolglos, indem wir grad den Ort, an welchem sich sein Versteck befand, zum Ziele unsers Laufes wählten. Trotzdem aber streckte er schleunigst die Hand nach Ellen aus und faßte sie beim Arme.

»Die kleine Miß mag mit hereinkommen in das Nest, meine ich; ist grad noch Platz für sie, wie mir scheint.«

Natürlich waren die Rothhäute uns gefolgt und drangen mit wilder Energie auf uns ein, und ein Glück war es, daß in Folge des Scheinangriffs die Jäger alle ihre Waffen bei sich führten. Freilich waren im Nahekampf die Büchsen vollständig nutzlos, desto erfolgreicher aber wüthete das Schlachtbeil unter den Wilden.

Nur Hawkens und Ellen machten Gebrauch von ihren Schießgewehren. Ersterer lud und Letztere, welche vornan im Risse stak, gab die Schüsse ab, die zwischen Old Firehand und mir aus der Spalte hervorblitzten.

Es war ein wilder, grauenhafter Kampf, wie kaum die Phantasie ihn sich auszumalen vermag. Das halberloschene Feuer warf seinen flackernden, dunkelglühenden Schein über den Vordergrund des Thales, auf welchem sich die einzelnen kämpfenden Gruppen wie der Hölle entstiegene und einander zerfleischende Dämone abzeichneten. Durch das Geheul der Indianer drangen die einzelnen Rufe der Trapper und die scharfen, kurzen Laute der Revolverschüsse, und der Erdboden schien zu erzittern unter den schweren, stampfenden Tritten der mit einander ringenden Feinde.

Es blieb uns kein Zweifel darüber, daß wir verloren seien. Die Zahl der Ogellalla‘s war eine zu bedeutende, als daß wir hoffen durften, uns gegen sie zu halten. Eine zufällige Wendung zu unsern Gunsten war ebenso wenig zu erwarten als die Möglichkeit, uns durchzuschlagen, und deßhalb hegte ein Jeder die vollständige Ueberzeugung, daß er in kurzer Zeit aufgehört haben werde, zu den Lebenden zu gehören. Aber nicht umsonst wollten wir sterben, und wenn wir uns auch in das uns bestimmte Schicksal ergaben, so wehrten wir uns doch nach allen Kräften und mit derjenigen Kaltblütigkeit, welche dem Weißen ein so großes Uebergewicht über den rothen Bewohner der amerikanischen Steppen giebt.

Mitten in dem blutigen Ringen gedachte ich des alten Elternpaares, welches ich in der Heimath zurückgelassen hatte und dem nun keine Kunde mehr von dem in die Ferne gezogenen Sohne zukommen sollte, gedachte – doch nein, ich warf diese Gedanken alle von mir, denn der gegenwärtige Augenblick erforderte nicht nur die kräftigste körperliche Anstrengung, sondern auch die größeste geistige Aufmerksamkeit.

Ich hatte vorhergesehen, wie es kommen werde, hatte gerathen und gewarnt und nun mußte ich die Fehler der Andern mitbüßen, und wie ich dem Tode geweiht war, so auch sie, der trotz Allem und Allem mein ganzes Sinnen und Trachten gehört hatte, die nun hart hinter mir mit unerschrockenem Mannesmuthe ihr Leben vertheidigte und doch dem Schicksale, welchem sie auf der falschen Richtung ihrer Lebensbahn früher oder später entgegen geführt werden mußte, unwiderruflich verfallen war. Es überkam mich ein noch nie gefühlter Ingrimm und eine Erbitterung, welche meine Kräfte verdoppelte, sodaß ich den Tomahawk mit solcher Nachdrücklichkeit handhabte, daß es anerkennend aus der Spalte scholl:

»Recht so, Sir, recht so! Sam Hawkens und Ihr, das paßt zusammen, meine ich. Schade, das wir ausgelöscht werden! Könnten noch manches Rattenfell mit einander holen, wenn ich mich nicht irre.«

Wir kämpften still und lautlos; es war eine ruhige, aber desto fürchterliche Arbeit, und die Worte des kleinen Fallenstellers wurden deßhalb deutlich gehört. Auch Will Parker hatte sie vernommen und rief, trotz der gestern erhaltenen Verletzungen mit der umgedrehten Büchse die wuchtigsten Hiebe austheilend:

»Sam Hawkens, blick‘ hierher, altes Coon, wenn Du sehen willst, wie es zu machen ist. ‚raus aus dem Loche mit Dir und sage, ob das Greenhorn – hahaha, Will Parker ein Greenhorn, hörst Du es, Sam Hawkens? – ob das Greenhorn Etwas gelernt hat!«

Kaum zwei Schritte von meiner Rechten entfernt stand Old Firehand. Stets war es mir bisher vorgekommen, als ob der Leumund etwas zu schmeichelhaft von ihm erzähle, und es mochte wohl auch sein, daß das Alter ihn nach und nach immermehr beeinflusse; jetzt aber schien die volle, strotzende Jugendkraft in ihm zurückgekehrt zu sein, und die Art und Weise, wie er mit beiden Händen im Leben der ihn umdrängenden Gegner wühlte, flößte mir die größeste Bewunderung ein.

Ueber und über mit Blut bespritzt, lehnte er an der Felsenmauer. Die langen, grauen Haare hingen in zusammengeklebten Strähnen von seinem Kopfe; die ausgespreizten Beine schienen in der Erde zu wurzeln, und in der einen Faust das schwere Beil, in der andern das scharfe, leichtgekrümmte Messer, hielt er die mächtig an ihn Drängenden von sich ab. Noch mehr als ich war er von Wunden bedeckt; aber noch hatte keine derselben ihn zum Falle gebracht, und ich mußte immer wieder von Neuem meinen Blick auf seine hohe, reckenhafte Gestalt richten.

Da entstand eine Bewegung in dem Knäuel der Rothhäute, und Parranoh erschien, sich eine Bahn durch ihre dichte Menge brechend. Kaum erblickte er Firehand, so rief er:

»Endlich habe ich Dich; denk an Ribanna und stirb!«

Er wollte sich an mir vorüber auf ihn stürzen; da packte ich ihn bei der Schulter und holte zum tödtlichen Hiebe aus. Mich erkennend, sprang er zurück, sodaß mein Tomahawk die Luft durchsauste.

»Auch Du?« brüllte er. »Dich muß ich lebendig haben. Gebt ihn ein Lariat!« An mir vorbeispringend, noch ehe ich das Beil wieder schwingen konnte, erhob er die Pistole; der Schuß krachte los; der Getroffene schlug die Arme weit auseinander in die Luft, sprang mit einem mächtigen, krampfhaften Satze vorwärts mitten unter die Feinde und stürzte lautlos dann zusammen.

Es war mir, als sei die Kugel in meine Brust gefahren, so durchzuckte mich der Fall des Helden; ich schlug den Indianer, mit welchem ich es in diesem Augenblicke zu thun hatte, nieder und wollte auf Parranoh los, als ich eine dunkle Gestalt bemerkte, welche sich mit schlangenhafter Behendigkeit durch die Feinde wand und grad vor dem Mörder die geschmeidigen Glieder in die Höhe streckte.

»Wo ist die Kröte von Athahaskah? Hier steht Winnetou, der Häuptling der Apachen, zu rächen den Tod seines weißen Bruders!«

»Ha, der Hund von Pimo! Fahr‘ zum Teufel!«

Mehr hörte ich nicht. Der Vorgang hatte meine Aufmerksamkeit in so hohem Grade in Anspruch genommen, daß ich die Vertheidigung meiner selbst versäumte. Eine Schlinge legte sich mir um den Hals, ein Ruck – zu gleicher Zeit fühlte ich einen schmetternden Schlag auf den Kopf, und ich verlor das Bewußtsein. —

Als ich erwachte, war es vollständig dunkel und still um mich, und ich besann mich vergebens auf die Art und Weise, wie ich in diese Finsterniß gekommen sei. Ein brennender Schmerz, welchen ich im Kopfe fühlte, erinnerte mich endlich an den empfangenen Schlag und nun reihten sich die Einzelheiten des Vergangenen zu einem vollständigen Bilde des Geschehenen an einander. Zu dem erwähnten Schmerze kam noch die Qual, welche mir von den empfangenen Wunden und den Fesseln verursacht wurde, welche man mir mit raffinirter Festigkeit um Hände und Füsse gelegt hatte, so daß sie mir tief in das Fleisch einschnitten und ich kaum zu irgend welcher Bewegung fähig war.

Da hörte ich ein Geräusch neben mir, als ob ein Mensch sich räuspere.

»Ist noch Jemand hier?« fragte ich.

»Hm, freilich! Fragt der Mann grad so, als ob Sam Hawkens Niemand wäre, wenn ich mich nicht irre.«

»Ihr seid es, Sam? Sagt doch um aller Welt willen, wo wir sind!«

»So leidlich unter Dach und Fach, Mann. Haben uns in die Lederhöhle gesteckt; wißts schon, wo die Felle lagen, meine ich, die wir so schön vergraben haben. Sollen aber keines finden, sage ich, keines!«

»Und wie ists mit den Andern?«

»Passabel, Sir. Old Firehand ist ausgelöscht, Dik Stone ist ausgelöscht, Will Parker ist ausgelöscht – war doch ein Greenhorn, der Mann, hihihi, ein Greenhorn, sage ich, wollt‘s aber nicht glauben, wenn ich mich nicht irre – Bill Bulcher ist ausgelöscht, Harry Korner ist ausgelöscht, Alle, Alle sind ausgelöscht; nur Ihr brennt noch und der Apache; auch die kleine Miß lebt ein Wenig – ist aber doch einen ganzen ›Haufen‹ gewachsen, wie mir scheint – und Sam Hawkens, hm, vielleicht haben sie auch ihn noch nicht ganz ausgelöscht, hihihi!«

»Wißt Ihr es gewiß und wahrhaftig, daß Ellen wirklich noch lebt, Sam?« fragte ich angelegentlich.

»Denkt Ihr wohl, daß so ein alter Scalper nicht weiß, was er sieht, Mann? Haben sie da neben uns gesteckt in das andre Loch und Euren rothen Freund dazu. Wollte gern auch mit da hinein, habe aber keine Audienz bekommen, wie mir scheint.«

»Wie steht es mit Winnetou?«

»Loch an Loch, Sir! Wird, wenn er davonkommt, aussehen wie der alte Rock, in welchen sie Sam Hawkens so vorsichtig eingeschnallt haben: Flick an Flick und Fleck auf Fleck, meine ich.«

»An das Davonkommen ist wohl nicht zu denken. Aber wie kam er lebendig in ihre Hände?«

»Grad so wie Ihr und ich. Hat sich gewehrt wie ein Heide – hm, ist doch wohl auch einer, wenn ich mich nicht irre, hihihi – wollte lieber untergehen, als sich am Pfahle braten lassen; half aber Nichts; wurde doch niedergeschlagen und halb entzwei gerissen. Nicht davonkommen wollt Ihr? Sam Hawkens hat große Lust dazu, wie mir scheint.«

»Was thut man mit der Lust, wenn es nicht möglich ist.«

»Nicht möglich? Hm, klingt grad wie Will Parker! Sind gute Leute, die Braunen, gute Leute; haben dem alten Coon hier Alles genommen, Alles, die Pistole, die Pfeife – hihihi, werden sich wundern, wenn sie dran riechen; duftet ganz wie Stunk! Wird ihnen aber grad lieb sein – auch die Liddy ist zum Teufel – die arme Liddy; was für ein Schakal wird sie nun wohl nehmen! – und der Hut und die Haube – werden sich wundern über den Scalp, hihihi, kostet mich zwei dicke Bündel Dickschwanzfelle damals in Dekama; wißts ja schon, meine ich – aber das Messer haben sie ihm gelassen, dem Sam Hawkens; stickt im Aermel. Der alte, graue Bär da steckte es hinein, als er merkte, daß es mit dem Quartiere in der Ritze vorüber sei, wie mir scheint.«

»Das Messer habt Ihr noch? Werdet wohl nicht gut dazukommen können, Sam!«

»Meine es auch, Sir; müßt dem Sohne meiner Mutter schon ein Wenig helfen!«

»Komme gleich! Wollen sehen, was in dieser Sache zu thun ist.«

Noch hatte ich nicht begonnen, mich zu ihm hinzuwälzen, die einzige Bewegung, durch welche es mir möglich war, an ihn zu kommen, als die Fellthüre geöffnet wurde und Parranoh mit einigen der Indianer eintrat. Er hielt den Feuerbrand, welchen er in den Hand trug, so, daß der Schein desselben uns überleuchtete. Ich gab mir nicht die Mühe, für noch bewußtlos zu gelten, würdigte ihn aber keines einzigen Blickes.

»Da haben wir Dich ja endlich!« knirrschte er mich an. »Bin Dir bisher ein Kleines schuldig geblieben, sollst Dich aber nun jetzt nicht zu beklagen haben. Kennst Du den da?«

Er hielt mir einen Scalp vor das Gesicht; es war derjenige, welchen Winnetou ihm selbst genommen. Er wußte also, daß ich es war, der ihn damals niederstach. Der Apache hatte ihn nicht darüber aufgeklärt, deß war ich sicher, da ich wußte, er werde jede an ihn gerichtete Frage mit stolzem Schweigen beantworten, aber Finnetey hatte mich an jenem Abende vielleicht beim Scheine des Feuers bemerkt oder im Augenblicke unsers Zusammenprallens einen Blick in mein Gesicht geworfen. Als ich nicht antwortete, fuhr er fort:

»Sollt es auch erfahren, Ihr alle, wie es ist, wenn man die Haut über die Ohren gezogen bekommt, wartet nur ein Wenig, bis es Tag geworden ist; sollt Eure Freude an meiner Dankbarkeit erleben!«

»Wird Euch nicht so wohl werden, wie mir scheint!« meinte Hawkens, der es nicht über das Herz bringen konnte, ruhig zu sein. »Wäre doch neugierig, welche Haut dem alten Sam Hawkens über das Ohr gezogen werden sollte; habt die Meinige ja schon in den Händen, ist vom hairdresser (Friseur) gemacht worden – wie hat Euch die Arbeit gefallen, alter Yambarico?«

»Schimpfe nur zu! Wirst schon noch Haut genug haben, um geschunden werden zu können.« Und nach einer Pause, während welcher er unsre Fesseln besichtigt hatte, fragte er:

»Habt wohl nicht geglaubt, daß Tim Finnetey Eure Mausefalle hier kennt? War in dem Thale, noch ehe der – der Hund von Firehand, verdamme seine Seele, Etwas von ihm geahnt hat, und wußte auch, daß Ihr Euch hergemacht hattet. Der da hat mir‘s erzählt?«

Er zog ein Messer aus dem Gürtel und hielt den hölzernen Griff desselben vor Sam‘s Augen. Dieser warf einen Blick auf die eingeschnittenen Buchstaben und rief:

»Fred Owins? Hm, war ein Hallunke allezeit! Will wünschen, daß er das Kneif hat selber kosten müssen, scheint mir.«

»Keine Sorge, Mann! Dachte, sich mit dem Geheimnisse loszukaufen, war aber Nichts, haben ihm Leben und Haut genommen, grad so, wie Ihr es auch erfahren sollt, nur umgedreht, erst die Haut und dann das Leben.«

»Macht was Ihr wollt! Sam Hawkens ist mit seinem Testamente fertig, hat Euch das Ding vermacht, das sie Perücke nennen, wenn ich mich nicht irre. Könnt‘s gut gebrauchen, hihihi!«

Parranoh versetzte ihm einen Fußtritt und schritt, gefolgt von seinen schweigsamen Begleitern, wieder hinaus.

Eine Weile verhielten wir uns schweigend und bewegungslos; dann aber, als wir uns sicher glaubten, warfen wir uns gegenseitig herum, so daß wir endlich hart neben einander zu liegen kamen. Obgleich mir die Hände fest an einander gebunden waren, gelang es mir doch, das Messer aus seinem Aermel zu ziehen und mit Hülfe desselben ihm die Armfesseln zu durchschneiden. Dadurch bekam er die Hände frei, und einige Augenblicke später standen wir mit ungebundenen Gliedern aufrecht vor einander und frottirten uns die durch die Bande taub gewordenen Körpertheile.

»So recht, Sam Hawkens, scheinst mir kein so ganz unebenes Geschöpf zu sein, meine ich!« belobte sich der kleine Mann selbst. »Hast zwar schon in mancher schlimmen Patsche gesteckt; aber so bös ist es doch noch nie gewesen wie heute. Soll mich verlangen, wie Du die Ohren aus der Mütze bringen wirst, wenn ich mich nicht irre!«

»Laßt uns vor allen Dingen sehen, wie es draußen steht, Sam!«

»Meine es auch, Sir; ist das Nothwendigste.«

»Und dann vor allen Dingen Waffen. Ihr habt ein Messer, ich aber bin vollständig leer.«

»Wird sich schon ‚was finden lassen!«

Wir traten an die Thür und zogen die beiden Felle, welche als Portieren dienten, ein Wenig auseinander.

Eben brachten einige der Indianer die beiden Gefangenen aus der Nebenhöhle gezogen, und vom Lagerplatze kam Parranoh herbeigeschritten. Es war jetzt schon ziemlich hell geworden, so daß wir das Thal vollständig überblicken konnten. Nicht weit vom Wasserthore entfernt war Swallow mit dem von dem armen Will Parker erbeuteten Braunen in Zwist gerathen, und der Anblick des mir an das Herz gewachsenen Thieres ließ mich auf eine Flucht zu Fuße, die jedenfalls die gerathenste war, sofort verzichten. In nicht gar zu großer Entfernung davon graste der starkknochige und ausdauernde Klepper Winnetou‘s, ein Pferd, welchen sein Werth nur schwerlich anzusehen war, und wenn es uns gelang, zu einigen Waffen zu kommen und die Thiere zu erreichen, so war es vielleicht möglich, zu entkommen.

»Seht Ihr etwas, Sir?« fragte Hawkens kichernd.

»Was?«

»Hm, da drüben den alten Burschen, welcher sich so behaglich im Grase wälzt.«

»Sehe ihn.«

»Und auch das Ding, was daneben am Steine lehnt?«

»Auch das.«

»Hihihi, legt dem alten Coon da das Schießholz so mundrecht in den Weg! Wenn ich wirklich Sam Hawkens heiße, so muß das auch die Liddy sein, meine ich, und einen Kugelbeutel wird der Mann wohl auch haben!«

Ich konnte nicht viel auf die Freude des kleinen Helden achten; denn Parranoh nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Leider war es mir nicht möglich, zu verstehen, was er zu den beiden Gefangenen sprach, und es dauerte eine geraume Zeit, ehe er von ihnen ging; aber seine letzten Worte, welche er mit erhobener Stimme sprach, vermochte ich deutlich zu hören, und sie klärten mich auf über den Inhalt seiner ganzen Rede.

»Mach Dich gefaßt, Pimo! der Pfahl wird eben eingeschlagen, und Du« – setzte er, sich mit einem eigenthümlichen Blicke zu Ellen wendend hinzu – »hast lange genug den Mann gespielt und wirst für Ribanna die Squaw von Finnetey!«

Er gab seinen Leuten einen Wink, die Gefesselten nach dem Platze zu bringen, an welchem sich die Indsmen um das jetzt wieder helllodernde Feuer gelagert hatten und schritt dann in hochaufgerichteter und würdevoller Haltung davon.

Jetzt galt es, schleunigst zu handeln, denn waren die Beiden einmal in die Mitte der Versammlung gebracht, so war keine Hoffnung mehr, zu ihnen zu kommen.

»Sam, kann man sich auf Euch verlassen?«

»Hm, weiß es nicht, wenn Ihrs nicht wißt! Müßts ‚mal probiren, wie mir scheint.«

»Ihr nehmt den rechts und ich den Linken. Dann rasch die Riemen entzwei.«

»Und dann zu Liddy, Sir!«

»Seit Ihr fertig?«

Er nickte mit einem Ausdrucke im Gesichte, dem man deutlich das Vergnügen an dem bevorstehenden Streiche anmerkte.

»Nun, dann drauf!«

Mit leisen aber raschen Sprüngen schnellten wir hinter den die Gefangenen nach sich schleppenden Indianern her, und obgleich sie gezwungen waren, eine in Folge ihrer Last gegen uns gewendete Haltung einzunehmen, gelang es uns doch, unbemerkt an sie zu kommen.

Sam stieß den Einen von hinten mit so gut geführtem Stiche nieder, daß der Getroffene lautlos zusammenbrach; ich aber riß, da ich vollständig waffenlos war, dem Andern zuerst das Messer aus dem Gürtel und zog es ihm dann mit solchem Drucke durch die Kehle, daß der Schrei, welchen er auszustoßen im Begriffe gestanden hatte, als ein pfeifendes Gurgeln sich durch die Schnittwunde drängte und er ebenfalls niedersank.

Einige rasche Schnitte befreiten die Gebundenen von ihren Fesseln, sodaß sie sich frei sahen, noch ehe bei der Raschheit des ganzen Vorganges derselbe von irgend Einem der Feinde bemerkt worden war.

»Vorwärts, holt Euch Waffen!« rief ich, da ich wohl einsah, daß ohne dieselben ein Entkommen nicht denkbar war, riß dem von mir Getödteten den Schießbeutel vom Leibe und stürmte Winnetou nach, welcher in richtiger Erfassung der Umstände nicht nach dem Thore zu, sondern mitten unter die am Feuer Lagernden hineinsprang.

Wie in jedem Augenblicke, in dem es sich um Tod und Leben handelt, der Mensch ein ganz Anderer ist als sonst, so gab auch uns die Erwägung Dessen, was auf dem Spiele stand, die nothwendige Behendigkeit. Noch ehe sich die Ueberfallenen besonnen hatten, waren wir schon, die ihnen entrissenen Waffen in der Hand, zwischen ihnen hindurch.

»Swallow, Swallow!« rief ich dem Pferde zu, saß wenige Augenblicke später auf seinem Rücken, sah Winnetou auf das Seinige springen und Hawkens den ersten besten Spritzer besteigen.

»Herauf zu mir, um des Himmels willen rasch!« bedeutete ich Ellen, welche vergebens versuchte, auf Finnetey‘s Braunen zu kommen, welcher wie rasend um sich schlug. Ich ergriff sie beim Arme, riß sie zu mir empor und wandte nach dem Ausgange um, durch welchen soeben Sam verschwand.

Es war ein Moment der höchsten Aufregung. Wüthendes Geheul erfüllte die Luft; Schüsse krachten, Pfeile schwirrten um uns, und dazwischen tönte das Getrappe und Schnauben der Pferde, auf welche sich die Wilden warfen, um uns zu verfolgen.

Ich war der Hinterste von uns Dreien und kann unmöglich sagen, wie ich durch den engen, gewundenen Paß hinaus in‘s Freie kam, ohne von dem Feinde erreicht zu werden. Hawkens war nicht mehr zu sehen, Winnetou bog rechts in das Thal hinab, welches wir vor einigen Tagen bei unserer Ankunft heraufgeritten waren, und blickte sich dabei nach mir um, ob ich ihm auch folgen werde.

Eben standen wir im Begriffe, die Biegung zurück zu legen, so fiel hinter uns ein Schuß, und ich fühlte, wie Ellen zusammenzuckte. Sie war getroffen worden.

»Swallow, mein Swallow, greif aus!« ermunterte ich in höchster Angst das Thier, und in demselben rasenden Laufe wie damals nach der Explosion in New-Venango schoß es vorwärts.

Als ich mich umblickte, sah ich Parranoh auf seinem Mustang dicht hinter mir; die Andern wurden mir durch die Krümmungen des Weges versteckt. Obgleich ich nur einen flüchtigen Blick auf ihn werfen konnte, bemerkte ich doch den wüthenden Ingrimm, mit welchem er uns zu ereilen und verdoppelte meine Zurufe an das brave Pferd, von dessen Schnelligkeit und Ausdauer Alles abhing; denn wenn ich auch einen Kampf mit dem wilden Manne nicht scheute, so wurde ich doch durch das Mädchen an jeder freien Bewegung verhindert und konnte Nichts thun, als nur vorwärts streben.

Wie im Sturme flogen wir dem Laufe des Wassers entlang. Winnetou‘s Fuchs schleuderte die langen, knochenstarken Glieder von sich, daß die Funken stoben und das lockere Geröll hinter ihm einen förmlichen Steinregen bildete. Swallow hielt ihm gleichen Schritt, obgleich er doppelte Last zu tragen hatte; aber, obwohl ich mich nicht mehr umblickte, wußte ich doch, daß Parranoh uns hart auf den Fersen blieb; denn der Hufschlag seines Braunen ließ sich in steter Nähe vernehmen.

»Ihr seid verwundet, Miß?« fragte ich in höchster Besorgniß.

»Rettet nur Euch!« hauchte sie statt einer directen Antwort. Das lebenswarme Blut rann aus der Wunde über die Hand, mit welcher ich sie um den Leib gefaßt hielt; ihr Kopf legte sich ermüdend an meine Schulter, und die Röthe der Wangen wich mehr und mehr einer Blässe, welche mich erschrecken machte.

»Ellen, seid aufrichtig! Ihr könnt nicht länger aushalten.«

»O doch!« erwiederte sie mit matter Stimme, indem sie das Auge mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke zu mir aufschlug. »Ich mag nicht fort von diesem Platze und halte bei Euch aus, bis – bis —«

»Bis —?« fragte ich mit tiefem Beben.

»Bis ich den großen, großen Fehler meines Lebens gesühnt habe mit dem Tode.«

»Nein,« rief ich, sie fester an mich drückend und das Pferd zu immer rasenderem Laufe anfeuernd, »sterben sollst Du nicht und sterben darfst Du nicht. Ich habe Dich unter zehnfacher Todesgefahr errungen und mag ohne Dich nicht sein und leben!«


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