Текст книги "Old Firehand"
Автор книги: Karl May
Жанр: Классическая проза, Классика
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Sie wiederholte ihre Bitte; aber Firehand hielt an seiner Bestimmung fest, und so schritten wir bald wieder zu Dreien durch das Bette des Baches hinaus.
Dik Stone war nicht weniger ein Original wie Sam Hawkens. Unendlich lang und entsetzlich dürr und ausgetrocknet hing seine knochige Gestalt weit vorn über, so daß es schien, als gebe es für seine Augen keine andere Perspective als diejenige auf die beiden Füße, welche an ein Paar Beine gewachsen waren, deren Ausdehnung Einem angst und bange machen konnte. Ueber die festen, kernigen Jagdschuhe hatte er ein Paar lederne Gamaschen geschnallt, welche noch ein gut Stück des Oberschenkels bedeckten; der Leib stak in einem enganliegenden Camisol, das mittelst eines breiten Gürtels, in und an welchem neben Messer und Revolver die verschiedensten kleinen Nothwendigkeiten staken und hingen, zusammengehalten wurde; um die breiten, eckigen Schultern zog sich eine wollene Decke, deren Fäden die ausgedehnteste Erlaubniß hatten, nach allen Himmelsgegenden auseinander zu laufen, und der kurzgeschorene Kopf stak in einem Dinge, dessen Definition geradezu eine Sache der reinsten Unmöglichkeit war.
Draußen angekommen, schritten wir nach einigen kurzen Weisungen an der Wache vorüber, dem Orte zu, an welchem sich Sam Hawkens versteckt gehabt hatte. Die von dort nach der Schlucht führende Richtung war jedenfalls die für uns vortheilhafteste; denn wir hatten von beiden Seiten Deckung und waren sicher, denjenigen von den Indianern zu begegnen, welche annehmbarer Weise ihren Versteck verlassen hatten, um nach dem Verbleiben der uns Begegneten zu sehen.
Winnetou hatte kurz nach unserm frühzeitigen Aufbruche am Morgen das Lager auch verlassen und war noch nicht zurückgekehrt. Er wäre uns auf dem jetzigen Gange der willkommenste Begleiter gewesen, und ich konnte, da ich ihn wirklich liebgewonnen hatte, mich einer leisen Sorge um ihn nicht erwehren. Es war ja ein Zusammentreffen mit dem Feinde so leicht möglich, und in diesem Falle war er trotz seiner Tapferkeit verloren.
Eben dachte ich an diesen Umstand, als sich plötzlich neben uns die Büsche theilten und der Apache vor uns stand. Unsre Hände, welche beim ersten raschelnden Laute der Zweige nach den Waffen gegriffen hatten, fuhren von denselben zurück, als wir ihn erkannten.
»Winnetou wird gehen mit den weißen Männern, um zu sehen Parranoh und die Ogellalla‘s.«
Erstaunt blickten wir ihn an. Er wußte also schon von der Anwesenheit der Indianer.
»Hat mein rother Bruder die Krieger des grausamsten Stammes der Sioux gesehen?«
»Winnetou muß wachen über seinen jungen Bruder und über die Tochter Ribanna‘s. Er ist hinter ihnen gegangen und hat gesehen ihre Messer fahren in das Herz der rothen Krieger. Parranoh hat sich genommen den Schädel eines Mannes vom Volke der Osagen; sein Haar ist eine Lüge und seine Gedanken sind voller Falschheit. Winnetou wird ihn tödten.«
»Nein, der Häuptling der Apachen wird ihn nicht berühren, sondern ihn mir lassen!« entgegnete Old Firehand.
»Winnetou hat ihn schon einmal geschenkt seinem weißen Freunde!«
»Er wird mir nicht wieder entgehen; denn meine Hand —«
Nur das letzte Wort hörte ich noch; denn in dem Augenblicke, in welchem es gesprochen wurde, sah ich zwei glühende Augen hinter dem Strauche, welcher die Biegung der Fußspuren verbarg, hervorleuchten und hatte mit einem raschen Sprunge den Mann gepackt, dem sie angehörten.
Es war Der, von welchem gesprochen wurde, Parranoh, und kaum stand ich vor ihm und warf ihm die Finger um die Kehle, so raschelte es zu beiden Seiten, und eine Anzahl Indianer sprangen hervor, ihrem Häuptlinge zur Hülfe.
Die Freunde hatten meine Bewegung gesehen und stürzten sich sofort auf meine Angreifer. Wie es kam, ich weiß es nicht; aber ich hatte den weißen Häuptling, welcher mir an Stärke und Geschicklichkeit doch weit überlegen war, unter mir. Meine Kniee auf seiner Brust, die Finger der Linken um den Hals und die Rechte um seine Hand, welche das Messer gepackt hatte, fühlend, krümmte er sich unter mir wie ein Wurm und machte die wüthendsten Anstrengungen, mich von sich zu stoßen. Ich hatte keine Zeit, auch nur einen einzigen Blick auf das um mich herumwogende Getümmel zu werfen; denn bei dem geringsten Versehen meinerseits war ich verloren, und nie im ganzen Leben habe ich es mehr gefühlt, daß sich die Kräfte des Menschen im Augenblicke solcher Gefahr verdoppeln, ja verzehnfachen können.
Mit den Füßen wie ein angeketteter Stier um sich schlagend, versuchte er, in riesenkräftigen Rucken sich emporzuschnellen; der falsche, langbehaarte Schädel lag neben ihm; die Augen traten weit und mit Blut unterlaufen aus ihren Höhlen; vor dem Munde stand ihm der gährende Schaum der Wuth und die nackte, von dem Scalpmesser Winnetou‘s barbirte Kopfblöße schwoll unter der Anstrengung aller Fasern und Nerven und dem wilden Schlage des zusammengedrückten Pulses mit einer erschreckenden Häßlichkeit auf. Mir war, als hätte ich ein rasendes Thier unter mir, und mit mir jetzt unbegreiflicher Gewalt krampfte ich meine Finger um seine Kehle, so daß er einige Male convulsivisch zusammenzuckte, den Kopf hintenüber legte und, die Augen verdrehend, unter einem immer leiser werdenden Zittern die Glieder von sich streckte; – er war besiegt.
Jetzt endlich blickte ich, mich erhebend, um mich, und es bot sich mir eine Scene, wie sie die Feder nie zu beschreiben vermag. Keiner der Kämpfenden hatte, aus Sorge dem Feinde Hülfe herbei zu rufen, eine Schußwaffe gebraucht, sondern nur das Messer und der Tomahawk waren thätig gewesen. Keiner von ihnen stand aufrecht, sondern Alle lagen am Boden und wälzten sich in ihrem oder dem Blute ihres Gegners.
Winnetou stand eben im Begriffe, einem unter ihm Liegenden die Klinge in die Brust zu stoßen; er bedurfte meiner nicht. Old Firehand lag auf einem der Gegner und versuchte, einen zweiten, welcher ihm den Arm zerfleischte, von sich abzuhalten. Ich eilte ihm zu Hülfe und schlug den Dränger mit seinem eigenen Beile, welches ihm entfallen war, nieder. Dann ging‘s zu Dik Stone, welcher zwischen zwei todten Rothhäuten unter einem riesigen Manne lag, der sich alle Mühe gab, einen tödtlichen Stich anzubringen. Es gelang ihm nicht; das Beil des Stammesgenossen machte seiner Bemühung ein Ende.
Stone erhob sich und brachte seine langweiligen Gliedmaßen in Ordnung.
»By God, Sir, das war Hülfe zur rechten Zeit! Drei gegen Einen ist doch, wenn man nicht schießen darf, ein Wenig zu viel. Das muß so sein; habt Dank!«
Auch Old Firehand streckte mir die Hand entgegen und wollte eben sprechen, als sein Blick auf Parranoh fiel.
»Tim Finn – ists möglich? Der Häuptling selber! Wer hat‘s mit ihm zu thun gehabt?«
»Mein junger, weißer Bruder hat ihm niedergeworfen,« antwortete Winnetou statt meiner, und bemerkend, daß der Todte nicht verletzt, sondern nur durch den Druck der Hand besiegt worden war, fügte er mit einem Ausdruck des Erstaunens, wie ich ihn noch nie von ihm gehört hatte, hinzu: »Der große Geist hat ihm die Kraft des Büffels gegeben, der die Erde pflügt mit seinem Horne.«
»Mann,« rief Old Firehand, »wie Euch, so hab‘ ich noch Keinen getroffen, so weit ich auch herumgekommen bin, und Ihr wollt nach dem Westen gekommen sein, nur um Steine und Pflanzen kennen zu lernen?«
Statt aller Antwort legte ich meine Hand auf seinen Arm. Die fast übermenschliche Anstrengung hatte meine Kräfte so überschritten, daß ich wie ein Frierender am ganzen Körper zitterte und kaum im Stande war, die Hand an der Stelle festzuhalten.
»Fühlt Ihr jetzt, was für ein gewaltiger Held ich bin, Sir? Der Schwächste wehrt sich, wenn es sein Leben gilt, und hier handelte es sich nicht blos um das Meinige; denn wenn er obenauf gekommen wäre, so war es vielleicht aus mit uns allen Vieren. Die Partei des Ueberlebenden von uns Beiden mußte siegen.«
»Aber wie ist es möglich, daß er mit den Seinen hier versteckt sein konnte, da Winnetou dort in der Nähe war?«
»Der weiße Häuptling ist nicht verborgen gewesen an der Seite des Apachen. Er hat bemerkt die Spuren seiner Feinde und ist ihnen nachgegangen auf ihrem Pfade. Seine Männer werden ihm nachkommen und meine weißen Brüder müssen Winnetou schnell folgen in ihre Wigwams.«
»Hat Recht, der Mann,« bekräftigte Dik Stone. »Das muß so sein, und wir werden sehen müssen, daß wir zu den Unsrigen kommen.«
»Gut,« erwiederte Old Firehand, von dessen Arme das Blut in hellen Strömen floß; »auf alle Fälle aber müssen wir die Spuren des Kampfes möglichst beseitigen. Gehe doch ein Wenig vorwärts, Dik, damit wir nicht etwa überrascht werden.«
»Soll geschehen, Sir, aber nehmt mir doch zuvor einmal das Messer hier aus dem Fleische. Ich kann nicht gut zu dem Dinge kommen. Und erlaubt, daß ich zuvor meinen drei Vettern da nach dem Kopfe sehe; es scheint ihnen in den Haaren zu liegen.«
Nachdem er ihnen die Scalps genommen, trat er zu mir.
Einer von den Dreien hatte ihm das Messer in die Seite gestoßen, und durch das Ringen war es immer weiter hineingedrungen. Glücklicher Weise stak es an keiner gefährlichen Stelle und hinterließ bei seiner Entfernung eine für Stone‘s Eisennatur nur leichte Wunde.
In kurzer Zeit war das Nothwendige gethan und Dik Stone wurde herbeigeholt.
»Wie bringen wir unseren Gefangenen fort?« fragte Old Firehand.
»Er wird getragen werden müssen,« antwortete ich. »Wird aber seine Schwierigkeiten haben; wenn er vollständig zur Besinnung kommt.«
»Tragen?« fragte Stone. »Ist mir seid etlichen Jahren nicht so wohl geworden und möchte diesen alten Knaben dieses Herzeleid auch nicht anthun.«
Mit einigen Schnitten trennte er eine Anzahl der nebenanstehenden Stämmchen von der Wurzel, nahm die Decke Parranoh‘s wieder vor, schnitt sie in Streifen und meinte, uns vergnügt zunickend:
»Bauen da eine Schleife, einen Schlitten, ein Rutschholz oder so Etwas zusammen, binden das Mannskind darauf fest und trollen uns damit von dannen. Das muß so sein!«
Der Vorschlag ward angenommen, und ausgeführt, und bald setzten wir uns in Bewegung, die allerdings eine so deutliche Spur zurückließ, daß der hinterher gehende Winnetou alle Mühe hatte, sie nur einigermaßen zu verwischen. – – —
Es war früh am anderen Tage. Noch hatten die Strahlen der Sonne nicht die Spitzen der umliegenden Berge berührt und tiefe Ruhe herrschte im Lager. Ich aber war längst schon wach und auf den Felsen gestiegen, wo ich Ellen wiedergefunden hatte.
Unten im Thale wälzten sich dichte Nebelballen um die Büsche, oben aber war die Luft rein und klar und wehte mir mit ermunternder Kühle um die Schläfe. Drüben hüpfte ein Kernbeißer unter Brombeerranken auf und ab und lockte mit schwellender, pfirsichblüthrother Kehle sein unfolgsames Weibchen; etwas tiefer saß ein blaugrauer Katzenvogel und unterbrach seinen Gesang zuweilen durch einen possierlichen miauenden Schrei, und von unten herauf ertönte die wundervolle Stimme des Entenvogels, der am Schlusse jeder Strophe seine musikalische Bravour mit einem lauten Entengequakel applaudirte. Meine Gedanken aber waren weniger bei diesem Frühconcerte als vielmehr bei den Erlebnissen des vorhergehenden Tages.
Nach dem Berichte eines unserer heimkehrenden Jäger, welcher, still durch die Waldungen schleichend, die Ogellalla‘s auch bemerkt hatte, waren diese in noch größerer Anzahl vorhanden, als wir angenommen hatten; denn er war unten in der Ebene an einem zweiten Lagerplatze vorüber gekommen, an welchem sich auch die Pferde befunden hatten.
Es war also mit Bestimmtheit anzunehmen, daß ihr Kriegszug nicht gegen einzelne Personen, sondern gegen unsre ganze Niederlassung gerichtet war, und aus diesem Grunde und der bedeutenden Anzahl der Feinde wegen durften wir unsre Lage keineswegs zu den beneidenswerthen rechnen.
Die Vorbereitungen, welche getroffen werden mußten, einem Ueberfalle zu begegnen, hatten den gestrigen Nachmittag und Abend in der Weise ausgefüllt, daß wir keine Zeit gefunden hatten, über das Schicksal unsers Gefangenen eine Bestimmung zu treffen. Er lag wohlgebunden und gut bewacht, in einer der Felsenkammern, und noch vorhin erst, gleich nach meinem Erwachen, hatte ich mich von der Zuverlässigkeit seiner Fesseln überzeugt.
Die nächsten Tage, vielleicht schon die heutigen Stunden mußten uns wichtige Entscheidungen bringen, und es war wirklich ein außergewöhnlicher Ernst, mit welchem ich an meine gegenwärtige Lage dachte, als ich durch nahende Schritte aus dem Sinnen wachgerufen wurde.
»Guten Morgen, Sir! Der Schlaf scheint Euch ebenso geflohen zu sein, wie mich.«
Ich dankte dem Gruße und erhob mich aus meiner sitzenden Lage.
»Wachsamkeit ist die nothwendigste Tugend in diesem gefahrvollen Lande, Miß.«
»Fürchtet Ihr Euch vor den Braunen?« fragte sie lächelnd.
»Ich weiß, daß Ihr diese Frage nicht im Ernste aussprecht. Aber wir zählen im Ganzen dreizehn Mann und haben einen zehnfach überlegenen Feind vor uns. Offen können wir uns desselben gar nicht erwehren, und unsre einzige Hoffnung besteht nur allein darin, von ihm nicht entdeckt zu werden.«
»Ihr seht die Sache doch wohl etwas zu schwarz. Dreizehn Männer von der Art und Weise unsrer Leute vermögen schon ein Erkeckliches zu leisten, und selbst wenn die Rothhäute unser Versteck aufspürten, würden sie sich Nichts als blutige Köpfe holen.«
»Ich hege andere Meinung. Sie sind ergrimmt über unsern Ueberfall, noch mehr aber über den gestrigen Verlust ihrer Leute und wissen jedenfalls ihren Häuptling in unsern Händen. Sie haben natürlich nach den Fehlenden gesucht, die Leichen gefunden und dabei Parranoh vermißt, und wenn eine so zahlreiche Horde um irgend eines Zweckes willen solche Strecken zurücklegt wie diese, so wird dieser Zweck auch mit der möglichsten Energie und Schlauheit zu erreichen gesucht.«
»Alles ganz recht, Sir, aber noch kein Grund zu schlimmen Befürchtungen. Ich kenne diese Leute besser als Ihr. Feig und verzagt von Natur, wissen sie nur hinterrücks zu handeln und den Wehrlosen anzugreifen. Wir haben ihre Jagdgründe durchstreift vom Mississippi bis zum stillen Meere, von Mexico bis hinauf zu den See‘n, haben sie vor uns hergetrieben, uns mit ihnen herumgeschlagen, vor der Uebermacht fliehen und uns verbergen müssen, aber immer, immer wieder die Faust am Messer gehabt und die Oberhand behalten.«
Ich sah sie an, antwortete aber nicht, und es mußte in meinem Blicke etwas der Bewunderung Unähnliches gelegen haben, denn nach kurzer Pause fuhr sie fort:
»Sagt was Ihr wollt, Sir, es giebt Gefühle im Menschenherzen, denen der thatkräftige Arm gehorsamen muß, gleichviel, ob er ein männlicher oder weiblicher ist. Hätten wir gestern den bee-fork erreicht, so wäre Euch ein Grab zu Gesicht gekommen, welches zwei Wesen birgt, die mir die liebsten und theuersten gewesen sind auf der ganzen, weiten Erdenrunde. Sie wurden hingeschlachtet von Männern, welche dunkles Haar und braune Haut besaßen, und seit jenen schrecklichen Tagen zuckt mirs in der Hand, wenn ich eine Scalplocke wehen sehe und mancher Indianer ist blutend vom Pferde geglitten, wenn die Pistole blitzte, aus welcher das tödtende Blei in das Herz meiner Mutter fuhr und deren Sicherheit Ihr ja auch bei New-Venango kennen gelernt habt.«
Sie zog die Waffe aus dem Gürtel und hielt sie mir vor die Augen.
»Ihr seid ein guter Schütze, Sir; aber aus diesem alten Rohre würdet Ihr auf fünfzehn Schritte nicht den Stamm eines Hikory treffen. Ihr mögt also denken, wie oft und viel ich mich geübt habe, um meines Zieles gewiß zu sein. Ich weiß mit allen Instrumenten umzugehen; aber wenn es sich um Indianerblut handelt, dann greife ich nur zu dieser da; denn ich habe geschworen, daß jedes Körnchen Pulvers, welche jene mörderische Kugel trieb, mit dem Leben einer Rothhaut bezahlt werden müsse, und ich glaube, ich stehe nicht sehr weit von der Erfüllung dieses Schwures. Dasselbe Rohr, welches die Mutter niederstreckte, soll auch das Werkzeug meiner Rache sein!«
»Ihr bekamt die Pistole von Winnetou?«
»Hat er Euch davon erzählt?«
»Ja.«
»Alles?«
»Nichts, als was ich eben sagte.«
»Ja, sie ist von ihm. Doch, setzt Euch, Sir! Ich versprach Euch gestern eine Aufklärung, und, Ihr sollt das Nothwendigste erfahren, wenn die Sache auch nicht eine solche ist, über welche man viele Worte machen könnte.«
Sie nahm neben mir Platz, warf einen beobachtenden Blick über das unter uns liegende Thal und begann:
»Vater war Oberförster da drüben im alten Lande und lebte mit seinem Weibe und einem Sohne in ungetrübtem Glücke, bis die Zeit der politischen Gährung kam, welche so manchen braven Mann um seine Ziele betrogen hat und auch ihn in den Strudel trieb, welchem er sich schließlich nur durch die Flucht zu entziehen vermochte. Die Ueberfahrt kostete ihm die Mutter seines Kindes, und da er nach der Landung mittellos und ohne Bekannte in einer andern und neuen Welt stand, so griff er zum Ersten, was ihm geboten wurde, ging als Surveyor nach dem Westen und ließ den Knaben bei einer wohlhabenden Familie zurück, in welcher derselbe als Kind aufgenommen wurde.
Einige Jahre verflossen ihm unter Gefahren und Abenteuern, welche aus ihm einen von den Weißen geachteten, von ihren Feinden aber gefürchteten Westmann machten. Da führte ihn eine Jagdwanderung hinauf an den Quicourt, mitten unter die Stämme der Assineboins hinein, und hier traf er zum ersten Male mit Winnetou zusammen, welcher von den Ufern des Colorado kam, um sich am obern Mississippi den heiligen Thon für die Calumets seines Stammes zu holen. Beide waren Gäste des Häuptlings Tah – scha – tunga und lernten in dem Wigwam desselben Ribanna, seine Tochter kennen.
Sie war schön wie die Morgenröthe und lieblich wie die Rose des Gebirges. Keine unter den Töchtern des Stammes vermochte die Häute so zart zu gerben und das Jagdkleid so sauber zu nähen wie sie, und wenn sie ging, um Holz zu holen für das Feuer ihres Kessels, so schritt ihre schlanke Gestalt wie die einer Königin über die Ebene und von ihrem Haupte floß das Haar in langen Strömen fast bis zur Erde herab. Sie war der Liebling Manitou‘s, des großen Geistes, war der Stolz des Stammes, und die jungen Krieger brannten vor Begierde, sich die Scalps der Feinde zu holen, um sie ihr zu Füßen legen zu dürfen.
Aber Keiner von ihnen durfte die Hand an ihre Hüfte legen; denn sie liebte den weißen Jäger, welcher schöner war und tapferer als all die rothen Männer und zu ihr sprach mit sanfter, wohltönender Stimme, deren Klang tief in ihr Herze drang und ihren jungfräulichen Busen erschwellen ließ unter süßen, sehnsüchtigen Gefühlen.
Auch in seiner Seele war aufgegangen das Feuer des Verlangens; er folgte der Spur ihres Fußes, wachte über ihrem Haupte und sprach mit ihr wie mit einer Tochter der Bleichgesichter. Da trat eines Abends Winnetou zu ihm.«
»Der weiße Mann ist nicht wie die Kinder seines Volkes. Aus ihrem Munde fallen die Lügen wie die Boudins aus einem Büffelmagen; er aber hat stets die Wahrheit gesprochen zu Winnetou, seinem Freunde.«
»Mein rother Bruder hat den Arm eines starken Kriegers und ist der Weiseste beim Feuer der großen Berathung. Er dürstet nicht nach dem Blute der Unschuldigen, und ich habe ihm gegeben die Hand eines Freundes. Er spreche!«
»Mein Bruder hat lieb Ribanna, die Tochter Tah – scha – tunga‘s?«
»Sie ist mir lieber als die Heerden der Prairie und die Scalpe aller rothen Männer.«
»Und er wird gut mit ihr sein und nicht hart reden zu ihren Ohren, sondern ihr sein Herz geben und sie schützen gegen die bösen Stürme des Lebens?«
»Ich werde sie auf meinen Händen tragen und bei ihr sein in aller Noth und Gefahr.«
»Winnetou kennt den Himmel und weiß die Namen und die Sprache der Sterne; aber der Stern seines Lebens gehet hinunter, und in seinem Herzen wird es dunkel und Nacht. Er wollte die Rose vom Quicourt nehmen in sein Wigwam und an ihre Brust legen sein müdes Haupt, wenn er zurückkehrt vom Pfade des Buffalo oder von den Dörfern seiner Feinde. Aber ihr Auge leuchtet auf seinen Bruder und ihre Lippen sprechen den Namen des guten Bleichgesichtes. Der Apache wird gehen aus dem Lande des Glückes, und sein Fuß wird einsam weilen an den Wogen des Gila. Seine Hand wird nimmermehr berühren das Haupt eines Weibes, und nie wird die Stimme eines Sohnes dringen an sein Ohr. Doch wird er zurückkehren zur Zeit, wenn das Elenn durch die Pässe geht und wird sehen, ob glücklich ist Ribanna, die Tochter Tah – scha – tunga‘s.«
Er drehte sich um, schritt in die Nacht hinaus und war am andern Morgen verschwunden.
Als er zur Zeit des Frühlings zurückkehrte, fand er Ribanna, und ihre strahlenden Augen erzählten ihm besser als Worte von dem Glücke, welches ihr beschieden war. Er nahm mich, das erst einige Tage alte Kind, von ihrem Arme, küßte mir den kleinen Mund und legte seine Hand betheuernd auf mein Haupt:
»Winnetou wird sein über Dir wie der Baum, in dessen Zweigen die Vögel schlafen und die Thiere des Feldes Schutz finden vor der Fluth, die aus den Wolken rinnt. Sein Leben sei Dein Leben und sein Blut wie Dein Blut. Nie wird der Hauch seines Athems stocken und die Kraft seines Armes erlahmen für die Tochter der Rose vom Quicourt. Möge der Thau des Morgens fallen auf Deine Wege und das Licht der Sonne auf Deine Pfade, damit Freude habe an Dir der weiße Bruder des Apachen. Howgh!« —
Jahre vergingen, und ich wuchs heran. Aber ebenso wuchs auch das Verlangen des Vaters nach dem zurückgelassenen Sohne, den ich ihn vergebens zu ersetzen strebte. Ich vergaß, ein Mädchen zu sein, nahm Theil an den muthigen Spielen der Knaben und ward erfüllt von dem Geiste des Krieges und der Waffen. Da konnte Vater seiner Sehnsucht nicht länger gebieten; er ging nach dem Osten und nahm mich mit. Mir ging an der Seite des Bruders und mitten im civilisirten Leben eine neue Welt auf, von der ich mich nicht trennen zu können vermeinte. Vater kehrte allein zurück und ließ mich bei den Pflegeeltern des Bruders. Bald aber regte sich das Heimweh nach dem Westen mit solcher Macht in mir, daß ich es kaum zu bewältigen vermochte und nach dem nächsten Besuche des Vaters mit ihm wieder in die Heimath ging.
Daselbst angekommen, fanden wir das Lager leer und vollständig ausgebrannt. Nach längerem Suchen entdeckten wir ein Wampum, welches Tah – scha – tunga zurückgelassen hatte, um uns bei unsrer Ankunft von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen.
Tim Finnetey, ein weißer Jäger, war früher oftmals in unserm Lager gewesen und hatte die Rose vom Quicourt zur Squaw begehrt; aber die Assineboins waren ihm nicht freundlich gesinnt, denn er war ein Dieb und hatte schon zu mehreren Malen ihre »Caches« geöffnet. Er wurde abgewiesen und ging, mit dem Schwur der Rache auf den Lippen. Vom Vater, der mit ihm in den Black Hills zusammengetroffen war, hatte er erfahren, daß Ribanna sein Weib sei, und er ging zu den Schwarzfüßen, um sie zu einem Kriegszuge gegen die Assineboins zu bewegen.
Sie folgten seiner Stimme und kamen zu einer Zeit, in welcher die Krieger auf einem Jagdzug abwesend waren. Sie überfielen, plünderten und verbrannten das Lager, tödteten die Greise und Kinder und führten die jungen Frauen und Mädchen gefangen mit sich fort. Als die Krieger zurückkehrten und die eingeäscherte Stätte sahen, folgten sie den Spuren der Räuber, und da sie ihren Rachezug nur einige Tage vor unsrer Ankunft angetreten hatten, so war es uns vielleicht möglich, sie noch einzuholen.
Laßt mich‘s kurz machen. Unterwegs stießen wir auf Winnetou, welcher über die Berge gekommen war, die Freunde zu sehen. Er wandte auf des Vaters Bericht, ohne ein Wort zu verlieren, sein Pferd, und nie im Leben werde ich den Anblick der beiden Männer vergessen, welche lautlos, aber mit glühendem Herzen und drängender, angstvoller Eile den Weg der Vorangezogenen verfolgten.
Wir trafen sie am bee-fork. Sie hatten die Schwarzfüße ereilt, welche im Flußthale lagerten und erwarteten nur die Nacht, um über sie herzufallen. Ich sollte bei der Pferdewache zurückbleiben; aber es ließ mir keine Ruhe, und als der Augenblick des Ueberfalles kam, schlich ich mich zwischen die Bäume vor und kam grad an dem Rande des Gehölzes an, als der erste Schuß fiel. Es war eine furchtbare Nacht. Der Feind war uns überlegen, und das Kampfgeschrei verstummte erst, als der Morgen zu grauen begann.
Ich hatte das Gewirr der wilden Gestalten gesehen, das Aechzen und Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden gehört und betend im nassen Grase gelegen. Jetzt kehrte ich zur Wache zurück. Sie war verschwunden. Unsägliche Angst bemächtigte sich meiner, und als ich jetzt das Freudengeheul der Feinde vernahm, wußte ich, daß wir besiegt seien.
Ich versteckte mich bis zum Abend und wagte mich dann auf den Platz, wo der Kampf stattgefunden hatte.
Tiefe Stille herrschte ringsum und der helle Schein des Mondes fiel auf die leblos daliegenden Gestalten. Gepackt von grausen Entsetzen irrte ich zwischen ihren herum, und – da lag sie, die Mutter, mitten durch die Brust geschossen, die Arme krampfhaft um das kleine Schwesterchen geschlungen, dessen Köpfchen von einem tiefen Messerhiebe klaffte. Der Anblick raubte mir die Besinnung, und ich fiel ohnmächtig über sie hin.
»Wie lange ich dagelegen, ich wußte es nicht. Es wurde Tag und Abend und wieder Tag; da hörte ich leise Schritte in der Nähe. Ich richtete mich empor und – o der Wonne – ich sah den Vater und Winnetou, beide in zerfetzten Kleidern und mit Wunden bedeckt. Sie waren der Uebermacht erlegen und gefesselt fortgeschleppt worden, hatten sich aber loszumachen gewußt und waren entflohen.«
Tief Athem holend hielt sie inne und richtete ihr Auge mit starrem Ausdrucke in die Weite. Dann sich rasch zu mir wendend, fragte sie:
»Ihr habt noch Eure Mutter, Sir?«
»Ja.«
»Was würdet Ihr thun, wenn Jemand sie Euch tödtete?«
»Ich würde den Arm des Gesetzes walten lassen.«
»Gut. Und wenn derselbe zu schwach oder zu kurz ist, wie hier im Westen, so leiht man dem Gesetze den eigenen Arm.«
»Es ist ein Unterschied zwischen Strafe und Rache, Miß! Die Erstere ist eine nothwendige Folge der Sünde und eng verbunden mit dem Begriffe göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit; die Zweite aber ist häßlich und betrügt den Menschen um die hohen Vorzüge, welche ihm vor dem Thiere verliehen sind.«
»Ihr könnt nur deßhalb so sprechen, weil Euch kein Indianerblut durch die kalten Adern rinnt. Wenn der Mensch aber sich freiwillig dieser Vorzüge entäußert und zur lebensgefährlichen Bestie wird, so darf er auch nur als eine solche behandelt und muß verfolgt werden, bis ihn die tödtende Kugel ereilt hat. Als wir an jenem Tage die beiden Todten in die Erde gescharrt und so den Angriffen der Aasgeier entzogen hatten, da gab es in den Herzen von uns Dreien kein anderes Gefühl als das des glühendsten Hasses gegen die Mörder unsres Glückes,« und es war unser eigenes Gelübde, welches Winnetou aussprach, als er mit tiefgrollender Stimme schwur:
»Der Häuptling der Apachen hat in der Erde gewühlt und den Pfeil der Rache gefunden. Seine Hand ist geballt, sein Fuß ist leicht und sein Tomahawk hat die Schärfe des Blitzes. Er wird suchen und finden Tim Finnetey, den Mörder der Rose vom Quicourt und seinen Scalp nehmen für das Leben Ribanna‘s, der Tochter der Assineboins.«
»War Finnetey der Mörder, Miß?«
»Er war‘s. In den ersten Augenblicken des Kampfes, als es schien, daß die überraschten Schwarzfüße unterliegen würden, schoß er sie nieder. Winnetou sah es, stürzte sich auf ihn, entriß ihm die Waffe und würde ihn getödtet haben, wenn er nicht von Andern gepackt und nach verzweifelter Gegenwehr gefangen genommen worden wäre. Zur Verspottung ließ man ihm die ungeladene Pistole; sie kam später als sein Geschenk in meine Hand und hat mich nie verlassen, mochte ich meinen Fuß auf die Trottoirs der Städte oder den Grasboden der Prairie setzen.«
»Ich muß Euch sagen, daß —«
Sie schnitt mir die Rede durch eine hastige Handbewegung ab.
»Was Ihr mir sagen wollt, weiß ich und habe es mir tausendmal schon selbst gesagt. Aber habt Ihr noch nie die Sage vom ›flats-ghost‹ vernommen, welcher in wilden Stürmen über die Ebene braußt und Alles vernichtet, was ihm zu wiederstehen wagt? Es liegt ein tiefer Sinn in ihr, welcher uns sagen will, daß der ungezügelte Wille sich wie ein brandendes Meer über die Ebene ergießen müsse, bevor die Ordnung civilisirter Staaten hier festen Fuß fassen kann. Auch durch meine Adern pulsirt eine Woge jenes Meeres, und ich muß ihrem Drange folgen, obgleich ich weiß, daß ich in der Fluth versinken werde.«
Es waren ahnungsvolle Worte, welche sie hiermit aussprach, und es folgte ihnen eine tiefe, gedankenreiche Stille, welche ich endlich mit einer leisen Vorstellung zu unterbrechen wagte. Sie hörte mich ruhig an und schüttelte dann den Kopf. Mit beredtem Munde gab sie eine Schilderung des Eindruckes, welchen jene Schreckensnacht auf ihr Gemüth hervorgebracht hatte, eine Beschreibung ihres spätern Lebens, welches sie zwischen den Extremen der Wildniß und Gesittung hin– und hergeworfen hatte, und ich lag vor ihr, dem Klange ihrer tiefen, sonoren Stimme lauschend und jedes ihrer Worte trinkend, welche, ohne mich zu überzeugen, doch offenen Eingang in mein Inneres fanden.
Da ertönte von unten herauf ein scharfer Pfiff. Sie unterbrach sich und meinte:
»Vater ruft die Leute zusammen. Kommt nach unten. Es wird Zeit, den Gefangenen vorzunehmen.«
Ich erhob mich und ergriff ihre Hand.
»Wollt Ihr mir eine Bitte erfüllen, Miß?«
»Gern, wenn Ihr nichts Unmögliches von mir verlangt.«
»Ueberlaßt ihn den Männern!«
»Ihr bittet grad Das, was ich nicht gewähren kann. Tausend und abertausend Male hat es mich verlangt, ihm Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und den Tod entgegenschleudern zu können; tausend und abertausend Male habe ich mir diese Stunde ausgemalt mit allen Farben, welche der menschlichen Phantasie zu Gebote stehen; sie ist das Ziel meines Lebens, der Preis aller Leiden und Entbehrungen gewesen, die ich durchkämpft und durchkostet habe und nun – da ich so nahe an der Erfüllung meines größesten Wunsches stehe, soll ich auf die Erfüllung desselben verzichten? Nein, nein, und abermals nein!«
»Dieser Wunsch wird erfüllt werden, auch ohne Eure unmittelbare Betheiligung, Miß; der Menschengeist hat nach höheren Zielen zu streben, als dasjenige ist, welches Ihr Euch vorgesteckt habt, und das Menschenherz ist eines heiligeren und größeren Glückes fähig, als die Befriedigung auch des glühendsten Rachegefühles bietet. Euch ist Alles, Alles gegeben, um glücklich zu sein und glücklich zu machen; warum wollt Ihr auf dieses Glück verzichten, indem Ihr die Hände in das Blut eines Elenden taucht und Das von Euch werft, was allein den Werth des Weibes be stimmt – die Milde, die Liebe?«
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