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Текст книги "Old Firehand"


  • Текст добавлен: 4 октября 2016, 14:20


Автор книги: Karl May


Жанр: Классическая проза, Классика


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Wirklich zog sich hinter dem grünen Vorhange eine schmale, offene Linie durch das Dickicht und wir schlüpften, immer parallel mit dem Flusse, eine ansehnliche Weile zwischen dem Baum– und Strauchgewirr hindurch, bis Sam bei einem halb knurrenden, halb pfeifenden Laute, welcher vom Wasser her vernehmlich wurde, innehielt und, sich zu uns wendend, die Hand an den Mund legte.

»Wir sind da,« flüsterte Ellen, »und die Wache hat Verdacht geschöpft.«

Nach einer Weile, während welcher die tiefste Stille in der Umgebung herrschte, schlichen wir wieder vorwärts und gelangten an eine Biegung des Flusses, welche uns Gelegenheit bot, eine ansehnliche Biberkolonie zu beobachten.

Ein breiter, für einen vorsichtigen menschlichen Fuß gangbarer Damm war weit in das Wasser hinein gebaut, und die vierfüßigen Bewohner desselben waren eifrig beschäftigt, ihn zu befestigen und zu vergrößern. Drüben am andern Ufer sah ich eine Anzahl der fleißigen Thiere bemüht, vermittelst ihrer scharfen Zähne schlanke Stämmchen so zu durchnagen, daß sie in das Wasser fallen mußten; andere waren mit dem Transporte dieser Bäume beschäftigt, die sie schwimmend vor sich herschoben, und noch andere beklebten den Bau mit fettem Erdreiche, welches sie vom Ufer herbeibrachten und vermittelst der Füße und des breiten, als Kelle gebrauchten Schwanzes an das Holz-und Strauchwerk befestigten.

Mit regem Interesse betrachtete ich das Treiben des regsamen Völkchens und hatte ganz besonders meine Aufmerksamkeit auf ein ungewöhnlich großes Exemplar gerichtet, welches in wachsamer Haltung auf dem Damme saß und allem Augenscheine nach als Sicherheitsposten fungirte. Da plötzlich spitzte der dicke Kerl die kurzen Ohren, machte eine halbe Drehung um seine eigene Achse, stieß den schon erwähnten Warnungsruf aus und war im nächsten Augenblicke unter dem Wasser verschwunden.

Im Nu folgten die Andern nach, und es war höchst posierlich zu sehen, wie sie beim Untertauchen den Hinterkörper in die Höhe warfen und der Wasserfläche mit dem platten Schwanze einen Schlag versetzten, daß es weithin schallte und das Wasser hoch in die Höhe spritzte.

Freilich war es nicht Zeit, sich humoristischen Betrachtungen hinzugeben; denn diese unerwartete Störung konnte blos durch das Nahen eines feindlichen Wesens hervorgerufen worden sein, und der größte Feind dieser friedlichen und so sehr gesuchten Thiere ist – der Mensch.

Noch war deßhalb der letzte der Biber nicht unter der Wasserfläche verschwunden, so lagen wir schon, die Waffe in der Hand, unter den tief herabhängenden Zweigen einiger Pinien und erwarteten mit Spannung das Erscheinen des unwillkommenen Gastes. Nicht lange dauerte es, so bewegten sich eine Strecke aufwärts von uns die Spitzen des Röhrichts, und nur wenige Augenblicke später sahen wir zwei Indianer schleichenden Schrittes am Ufer herabkommen. Der Eine hatte mehrere Fallen über der Schulter hangen; der Andere trug eine Anzahl Felle, beide aber waren vollständig bewaffnet und beobachteten eine Haltung, welcher man es anmerkte, daß sie sich in Feindesnähe wußten.

»Zounds!« zischte Sam durch die Zähne; »sind die Schurken über unsre Fallen gerathen und haben geerntet, wo sie nicht gesät haben, wenn ich nicht irre. Wart, Ihr Hallunken, meine Liddy hier mag Euch sagen, wem die Eisen gehören und die Pelze!«

Er nahm die Büchse langsam auf und machte sich schußfertig. Ich traute wirklich dem alten Kanonenrohre keinen nur einigermaßen leidlichen Schuß zu und war auch von der Nothwendigkeit, die beiden Rothhäute ohne Lärmen niederzustoßen, so sehr überzeugt, daß ich den alten Trapper am Arme faßte. Auf dem ersten Blicke hatte ich bemerkt, daß es Ogellalla‘s seien, und die schwarze Tätowirung ihres Gesichtes gab mir die Gewißheit, daß sie sich nicht auf einem Jagdzuge, sondern auf dem Kriegspfade befanden. Sie waren also nicht allein in der Nähe und jeder Schuß konnte ihnen Helfer oder doch wenigstens Rächer herbeirufen.

»Nicht schießen, Alter! Nehmt das Messer. Sie haben den Kriegspfeil ausgegraben und sind also wohl nicht nur zu Zweien.«

Der kleine, schießlustige Mann sah mich mit einer eigenthümlich zweifelhaften Miene an und entgegnete:

»Das sehe ich natürlich auch, sollte ich meinen, und freilich ist es besser, sie im Stillen auszulöschen; aber mein alter ›Kneif‹ (Messer) ist zu sehr abgeschliffen, als daß er sich durch zwei solcher Männer hindurchbeißen könnte.«

»Pah! Ihr nehmt den Einen und ich den Andern; come on!«

»Hm! Viere von unsern besten Fallen; kostet jede drei ein halb Dollars. Würde mich freuen, wenn sie zu den gestohlenen Häuten noch ihre beiden eigenen Felle hergeben müßten, meine ich; aber wenn Euch eins von ihren Messern in die Seele fährt, Sir, dann habt Ihr Eure letzten Boudins gegessen, wenn ich mich nicht irre!«

»Vorwärts, Mann, ehe es zu spät ist!«

Die beiden Indianer standen jetzt, von uns abgewendet, grad vor uns und suchten nach Fußspuren im Boden. Leise, leise schob ich mich, die Büchse zurücklassend und das Messer zwischen die Zähne nehmend, vorwärts. Da flüsterte es ängstlich ganz nahe an meinem Ohre:

»Bleibt, Sir! Ich werde es an Eurer Stelle thun.«

»Danke, Miß Ellen! Das ist keine Frauenarbeit.«

»So wollen wir in das Lager zurückkehren und —«

Ich hörte die weiteren Worte nicht mehr, denn schon hatte ich den Rand des Gebüsches erreicht, sprang empor, hatte im nächsten Augenblicke den mir am Nächsten Stehenden der Indianer mit der Linken beim Nacken und stieß ihm mit der Rechten das Messer zwischen die Schultern, daß er sofort lautlos zusammenbrach. Rasch drehte ich mich mit der wieder zurückgezogenen Klinge zu Seite, um nöthigenfalls den Andern auch zu nehmen; aber auch dieser lag auf der Erde und Sam stand mit ausgespreizten Beinen über ihm, hatte sich die lange Scalplocke um die Linke gewickelt und zog ihm die losgeschnittene Kopfhaut vom Schädel.

»So, mein Junge; nun kannst Du in den ewigen Jagdgründen so viel Fallen stehlen, wie es Dir beliebt, wenn ich nicht irre; aber die unsrigen wirst Du dort nicht gebrauchen können.«

Und den blutenden Scalp im Grase abwischend, fügte er mit kurzem Lachen hinzu:

»Das eine Fell haben wir, und das andere – aber by god, Sir, Ihr habt einen sichern Stoß und dazu das Herz grad richtig unter dem Pfeifenfutterale. Hätt‘s nicht gedacht, meine ich, saht mir so – so – so unverheirathet aus. Aber wollt Ihr Euch nicht Euren Scalp nehmen?«

»Meinen Scalp, Sam? Den werde ich am Liebsten da behalten, wo er mir angewachsen ist.«

»Gut, gut, Sir; seid der rechte Mann, laßt Euch den Humor durch den Geruch eines Tropfens Indianersaft nicht verderben. Meinte aber dieses Rattenfell hier. Wollt wohl mir es lassen?« setzte er schmunzelnd hinzu.

»Kann es nicht gebrauchen. Nehmt es!«

»Danke, Sir, danke. Macht mir das größeste Gaudium, einen solchen Schnitt thun zu können, meine ich. Habe auch Grund dazu. Da seht her!«

Er riß sich den traurigen Filz vom Kopfe und zog dabei die eigene, langhaarige Haut mit ab. Ich erschrak fast über den Anblick, welchen der kahle, blutigrothe Schädel bot.

»Was sagt Ihr dazu, Sir, wenn ich mich nicht irre? Hatte meine Haube von Kindesbeinen an ehrlich und mit vollem Rechte getragen und kein Lawyer (Advocat) hat es gewagt, sie mir streitig zu machen, bis so ein Dutzend oder zwei Pawnce‘s um mich waren und mir die Haare nahmen. Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir dort eine neue Haut gekauft. Nannten es eine Perücke und kostet mich zwei dicke Bündel Biberfelle, meine ich. Schadet aber Nichts; denn die neue ist zuweilen pracktischer als die alte, besonders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt. Aber trotzdem hat manche Rothhaut dafür untergehen müssen und ein Scalp macht mir mehr Vergnügen als der feinste Dickschwanz.«

Während dieser Worte hatte er sich Hut und Perücke wieder aufgestülpt und den zweiten Indianer die Kopfhaut genommen. Der alte Mann war von mir unterschätzt worden. Er war trotz seiner unansehnlichen Gestalt eine jener eisernen, im Kampfe mit den Elementen und in tausenderlei Gefahren gestählten Naturen, wie sie der Westen so zahlreich bietet. Und als er unter derb scherzenden Worten aber mit von Haß und Grimm verzerrten Zügen und wuthblitzenden Augen sich über die Leiche beugte und raschzuckenden Schnittes mit dem Messer um Stirn und Schläfe derselben fuhr, machte er auf mich den Eindruck der wildesten Unversöhnlichkeit.

Ich wandte mich ab, von jenem vor mir selbst grauenden und der Reue ähnlichen Gefühle erfüllt, welches in den Herzen aller Derer wohnen sollte, welche die stolzen Nationen der amerikanischen Savannen heimathslos und vogelfrei erklärt mit Gift, Feuer und Schwert gelichtet und zwischen die Cannons der Felsengebirge getrieben haben, wo ihnen nur die Wahl bleibt, ruhm– und ehrlos hinzusterben oder mit kämpfender Hand den Todtesstoß zu empfangen.

Vor mir stand Ellen. Ihr Auge ruhte mit einem Blicke auf den beiden entseelten Körpern, der mich durchfröstelte und von ihr abstieß, und erst nach und nach, als sie es zu mir erhob, bekam es einen freundlicheren Ausdruck.

»Warum nahmt Ihr den Scalp nicht für Euch, Sir?« fragte sie. »Habt schon Winnetou einen gelassen.«

Von einem weiblichen Wesen ausgesprochen, war mir diese Frage vollständig unbegreiflich und ich antwortete deßhalb auch nur mit einem Blicke des Erstaunens. Auch war hier der Ort gar nicht zu zartsinnigen Bemerkungen; denn hinter jedem Baume konnte die Sehne eines Bogens schwirren oder der Hahn einer Büchse knacken, und es war vor allen Dingen nothwendig, das Lager zu alarmiren und die Jäger auf die Nähe der Indianer aufmerksam zu machen.

»Greift zu, Sam; wollen die Indsmen unsichtbar machen.«

»Habt Recht, Sir! Ist nothwendig das, meine ich. Aber die kleine Miß mag doch ein Wenig hinter die Büsche treten; ich wette meine Moccassins gegen ein Paar Balletschuhe, daß es in kurzer Zeit hier rothe Männer geben wird.«

Sie folgte der Warnung des Alten, und ich verbarg mit seiner Hülfe die Leichen, welche wir vorsichtiger Maßen nicht in das Wasser stoßen durften, unter das Uferschilf. Als wir damit fertig waren, meinte Hawkens:

»So, das wäre gethan, und nun geht Ihr mit der kleinen Miß nach der ›Festung‹ und warnt unsre Leute, während ich diese Spuren zurückgehen werde, um Etwas mehr zu erfahren, als die beiden Braunen uns gesagt haben, scheint es mir.«

»Mögt nicht lieber Ihr zum Vater gehen, Sam Hawkens?« fragte Ellen. »Ihr versteht besser mit den Fallen umzugehen und vier Augen sehen mehr als zwei.«

»Hm! Wenn die kleine Miß es nicht anders will, so muß ichs schon thun, meine ich; aber wenn ›der Stock anders schwimmt‹, als sie es jetzt denkt, so mag ich nicht die Schuld haben.«

»Habt sie auch nicht, Alter! Wißt schon, daß ich nicht gern etwas Andres thue, als was mir beliebt. Eure zwei Scalps habt Ihr; muß sehen, daß ich mir mein Theil auch hole. Kommt, Sir!«

Sie ließ den kleinen Trapper stehen und wandt sich durch das Dickicht weiter vorwärts. Ich folgte ihr.

Obgleich es die Umstände erforderten, daß ich meine volle Aufmerksamkeit auf die Umgebung richtete, konnte ich doch nicht umhin, an das Verhalten des Mädchens zu denken, welche mit der vollständigen Gewandtheit eines erfahrenen Waldläufers sich geräuschlos durch das Gestrüpp arbeitete und in jeder ihrer Bewegungen ein Bild der angestrengtesten Vorsicht bot.

Es war gar nicht anders möglich, sie mußte schon von Jugend auf mit dem Leben im »Jagdlande« vertraut sein, mußte Eindrücke empfangen haben, welche ihre Sinne geschärft, ihr Gefühl gehärtet und dem Laufe ihres Schicksales eine so ungewöhnliche Richtung gegeben hatten. Aber trotz alledem wirkte die vorhin gezeigte Nervenstärke fast erkältend auf mich, und die Glorie, mit welcher meine Erinnerung ihr Bild umgeben hatte, ward von der rauhen, rücksichtslosen Wirklichkeit verdunkelt.

Die Angst, welche sie vorhin gezeigt, als ich im Begriffe stand, mich auf den Indianer zu stürzen, hätte mich in anderer Lage beseligen können; aber die dabei ausgesprochenen Worte »ich werde es an Eurer Stelle thun« mußten mir die Ueberzeugung geben, daß sie mit ruhigem Blute und ohne zaghaftes Bedenken ein Menschenleben zu zerstören vermöge, und ich konnte die Ansicht nicht von mir weisen, daß Büchse und Messer in den Händen des Mannes Waffen, in denen eines Weibes aber Mordinstrumente seien.

Wohl beinahe eine Stunde lang waren wir ununterbrochen vorwärts gedrungen, als wir an eine zweite Biberkolonie kamen, deren Bewohner aber nicht außerhalb ihrer Wohnungen zu erblicken waren.

»Hier hatten wir die Fallen gestellt, welche wir den Rothhäuten wieder abgenommen haben, Sir, und weiter droben theilt sich der bee-fork ab, wo wir ursprünglich hin wollten. Doch wirds wohl anders kommen; denn, seht, die Spuren laufen nach dem Walde, aus welchem sie gekommen sind. Wir müssen sie verfolgen.«

Sie stand im Begriffe, weiter zu gehen, als ich sie zurückhielt.

»Miß Ellen!«

Sie blieb stehen und sah mich fragend an.

»Wollt Ihr nicht lieber umkehren und das Andre mir allein überlassen?«

»Wie kommt Ihr auf diesen Gedanken?«

»Kennt Ihr die Gefahren, welche unsrer da vorn vielleicht warten?«

»Warum sollte ich nicht? Sie können unmöglich größer sein als diejenigen, denen ich schon getrotzt und die ich überwunden habe.«

»Ihr müßt Euch erhalten!«

»Das will und das werde ich ja auch. Oder glaubt Ihr etwa, daß mich der Anblick eines bunt bemalten Mannes zu erschrecken vermöge?«

»Ich wollte, es wäre so!«

»Wirklich?«

Sie sprach das Wort langsam und gezogen aus, und ihre Auge ruhte mit forschendem Blicke auf meinem Angesichte. Aber ich sah ein leises und nach und nach sich immer mehr vertiefendes Roth in ihre Wangen steigen und wußte nun, daß sie mich verstanden hatte.

Ihr Auge suchte den Boden, und ich bemerkte deutlich, daß sie mit ihren Gefühlen kämpfte.

»Ist ein weibliches Wesen hassenswerth, wenn es Dasselbe thut, was sonst nur dem Manne gestattet ist?«

»Hassenswerth, nein,« antwortete ich, die beiden ersten Sylben betonend; »aber der Haß ist nicht das Einzige, was man gewöhnlich zu vermeiden strebt.«

Eine ganze Weile verging im Schweigen, ehe sie den Blick wieder erhob und ihm voll und groß auf mich richtete.

»Ihr urtheilt nach dem Augenblicke und legt den Maßstab der Gewöhnlichkeit an Verhältnisse, welche mehr als ungewöhnlich sind. Ihr sollt erfahren, welche Ereignisse es gewesen sind, die meinem Leben den Wahlspruch der Rache und des Kämpfes gegeben haben; jetzt aber kommt; wir dürfen nicht unvorsichtig oder nachlässig sein.«

Wieder ging es vorwärts. Wir entfernten uns jetzt vom Flusse und schritten leicht zwischen den schlanken und freien Stämmen des Hochwaldes hin, welcher ein dichtes, grünes Dach über den mit feuchtem Moose überzogenen Boden wölbte, in Folge dessen weicher Beschaffenheit wir die Fußeindrücke ohne besonderen Scharfsinn erkennen konnten.

Da blieb Ellen, welche immer noch voranschritt, stehen. Es waren jetzt die Spuren nicht von zwei, sondern von vier Männern zu erkennen, welche zusammen gegangen waren und sich hier getrennt hatten. Die beiden von uns unschädlich Gemachten hatten die vollständige Kriegsbewaffnung getragen, und da ich annahm, daß eine größere Anzahl ihrer Stammesgenossen vorhanden sei, welche nur durch ein wichtiges Unternehmen veranlaßt sein konnte, einen so weiten Weg mitten durch das Gebiet feindlicher Horten zu machen, so kam ich jetzt auf den Gedanken, daß dieses Unternehmen vielleicht mit dem gestörten Bahnüberfalle in Verbindung stehe und einer jener Rachezüge sei, bei denen die Indianer Alles aufbieten, um eine erlittene Beleidigung oder einen gehabten Verlust quitt zu machen.

»Was thun wir?« fragte Ellen. »Diese Spuren führen in der Richtung nach unserm Lager, welches wir der Entdeckung nicht aussetzen dürfen. Verfolgen wir sie, oder theilen wir uns, Sir?«

»Und diese vierfache Spur geht jedenfalls zum Lager der Rothhäute, welche sich natürlich verborgen haben und die Rückkehr ihrer Kundschafter abwarten. Vor allen Dingen müssen wir dieses aufsuchen, um Gewißheit über ihre Zahl und Zwecke zu bekommen. Der Eingang zu unsrer Ritterburg wird ja von einem Posten bewacht, der das Seinige schon thun wird, unser Geheimniß zu bewahren.«

»Ihr habt Recht. Gehen wir vorwärts!«

Der Wald lief von der Höhe, zu welcher das Flußthal emporstieg, eine ansehnliche Strecke in die Ebene hinein und war von tiefen, felsigen Rinnen durchschnitten, in welchen Farrenkraut und wildes Beergesträuch üppig wucherte. Eben nahten wir uns leise einer dieser Einsenkungen, als ich einen brenzlichen Geruch bemerkte und, dadurch aufmerksam gemacht, sodaß ich mit schärferen Blicke die Waldung zu durchdringen suchte, eine leichte, dünne Rauchsäule wahrnahm, welche, oft unterbrochen oder auch ganz verschwindend, in spielender Bewegung grad vor uns zu den Baumkronen in die Höhe stieg.

Dieser Rauch konnte nur von einem Indianerfeuer kommen; denn während der Weiße das Holz gleich in seiner ganzen Länge in die Gluth wirft und dadurch eine breite und hochleckende Flamme hervorbringt, welche stets eine ansehnliche und oft verrätherische Menge Rauches erzeugt, schiebt der Wilde die Scheite nur mit den Spitzen in das Feuer, wodurch nur eine kleine Flamme mit kaum wahrnehmbarem Rauche entsteht. Winnetou hatte mich auf das Vortheilhafte der letzteren Weise aufmerksam gemacht und wiederholt gesagt: »Mein Bruder macht mit seinem Feuer so viel Hitze, daß er sich nicht daran setzen kann, um sich zu wärmen.«

Ich hielt Ellen zurück und machte sie auf meine Bemerkung aufmerksam.

»Steckt Euch hinter jenes Gestrüpp, Miß; ich werde mir die Leute ansehen!«

»Warum nicht auch ich?«

»Einer genügt; bei Zweien ist die Gefahr des Entdeckens eine doppelt große.«

Sie nickte zustimmend und schritt, behutsam jede Spur verwischend, seitwärts, während ich, von Stamm zu Stamm Deckung suchend, gegen die Rinne schlich.

Auf dem Grunde derselben saßen und lagen eng aneinander gedrängt eine solche Menge der Rothhäute, daß sie die Vertiefung kaum zu fassen vermochte; unten am Ausgange derselben stand bewegungslos wie eine eherne Statue, ein junger, langhaariger Bursche, und auch hüben und drüben am Rande bemerkte ich Wachen, denen mein Nahen glücklicher Weise vollständig entgangen war.

Ich versuchte, die Lagernden zu zählen und nahm deßhalb jeden Einzelnen ins Auge, hielt aber bald in größter Ueberraschung inne. Als der Nächste am Feuer saß – war es denn nur auch möglich? – der weiße Häuptling, Parranoh oder Tim Finnetey, wie er von Old Firehand genannt worden war. Ich hatte in jener Nacht sein Gesicht beim Scheine des Mondes und dann beim Niederstoßen seiner Person zu deutlich gesehen, um mich jetzt täuschen zu können, und doch wurde ich irre an mir selbst; denn von seinem Kopfe hing die prächtigste Scalplocke herab, während Winnetou sie ihm doch genommen und nicht eine Minute lang aus seinem Gürtel gebracht hatte.

Da machte der Wachtposten, welcher diesseits der Schlucht stand, eine Bewegung nach dem Orte zu, an welchem ich, von einem Felsenstücke verborgen, lag, und ich mußte mich deßhalb schleunigst zurückziehen.

Glücklich bei Ellen angelangt, winkte ich ihr, mir zu folgen und schritt nun den Weg, welchen wir gekommen waren, wieder bis zu der Stelle zurück, an welcher sich die Spuren theilten. Von hier aus verfolgten wir die neue Fährte, welche durch das dichteste Pflanzengewirr immer grad auf das Thal zu lief, durch welches wir gestern gekommen und von dem Posten angerufen worden waren.

Es war mir jetzt klar, daß uns die Ogellalla‘s Schritt um Schritt gefolgt waren, um sich an uns zu rächen. Unser Aufenthalt bei den Bahnarbeitern während der Krankheit Old Firehand‘s hatte ihnen Zeit gegeben, alle verfügbaren Kräfte zusammen zu ziehen; aber warum sich wegen uns Dreien eine so große Zahl streitbarer Krieger versammelt hatte, warum sie nicht schon längst über uns hergefallen waren und statt dessen uns ruhig hatten ziehen lassen, das konnte ich nicht begreifen, wenn ich nicht annehmen wollte, daß Parranoh von der Jägerniederlassung wisse und seine Pläne auf sämmtliche Angehörigen derselben erstrecke.

Die beiden Vorangeschlichenen hatten uns gut Bahn gebrochen, so daß wir verhältnißmäßig schnell vorwärts kamen und uns gar nicht mehr weit von dem senkrecht unsre Richtung durchschneidenden Thale befinden konnten, als ich ein leises Klirren vernahm, welches hinter einem dichten Gebüsch wilder Kirschenstämmchen hervorklang.

Ellen mit einer Handbewegung bedeutend, sich zu verstecken, legte ich mich sogleich auf den Boden nieder, zog das Messer und kroch auf einem Umwege der erwähnten Richtung zu. Das Nächste nicht an diesen Ort Gehörige, was ich erblickte, war ein Haufen eiserner Biberfallen, neben welchem ein Paar krumme Beinchen sichtbar wurden, welche in riesigen Moccasins staken. Weiter heranschleichend bemerkte ich auch ein langes, weites Sackhemde, auf dessen oberem Theile die breite, runzelige Krämpe eines uralten Filzhutes lag, und etwas abwärts von dieser Krämpe sah ich die grad und dornig abstehenden Spitzen eines verworrenen Bartes, aus welchem zwei kleine Auglein munter und aufmerksam durch das Blätterwerk lugten.

Es war Sam der Kleine. Aber wie war er nur hierher gekommen, da ich ihn doch längst in der »Burg« vermuthete? Das war jedenfalls leicht und sofort zu erfahren; ich durfte ihn ja nur fragen, und als ich deßhalb so geräuschlos wie möglich an ihn herankroch, machte mir der Schreck, welchen er über den unvermutheten Ueberfall haben mußte, schon im Voraus Vergnügen.

Leise, leise, ganz leise griff ich nach der Rifle, welche an seiner Seite lag, zog die alte, vorsündfluthliche Liddy an mich heran und öffnete den rostbedeckten Hahn derselben. Bei dem dadurch verursachten Knacken fuhr er so schnell herum, daß ihm das überhängende Zweigwerk Hut und Perücke abstreifte, und als er seine eigene Büchse auf sich gerichtet sah, wurde unmittelbar unter der in allen Regenbogenfarben spielenden Papageynase ein mächtig großes Loch sichtbar, welches vom Erstaunen immer weiter aufgerissen wurde.

»Sam Hawkens,« flüsterte ich; »wenn Ihr Euren Mund nicht bald zumacht, werde ich Euch das ganze Dutzend Fallen hineinschieben, welches hier liegt!«

»Good lack, habt Ihr mich erschreckt, Mann, wenn ich mich nicht irre!« antwortete der Trapper, welcher trotz seiner Bestürzung keinen einzigen unvorsichtigen Laut von sich gegeben hatte und schleunigst Hut und Perrücke ihren verlorenen Herrschersitz wieder anwies.

»Glaubt Ihr nun noch immer, daß ich ein new-man sei, dem Ihr lehren müßt, die Büchse zu halten?«

»Hol Euch der Teufel, Sir! Mir ist‘s in alle Glieder gefahren, meine ich; denn wenn Ihr eine Rothhaut gewesen wärt, so —«

»So hättet Ihr Eure letzten Boudins gegessen gehabt, wie Ihr vorhin sagtet. Hier habt Ihr Euer Schießgewehr! Und nun sagt, wie Ihr dazu kommt, Euch hier schlafen zu legen.«

»Schlafen? Na, hört ‚mal, Sir, von Schlafen war wohl gar kein Rede, wenn Ihr mir auch auf den Leib gerückt seid, ohne daß ich es gemerkt habe. Hatte meine drei Gedanken eben nur bei den zwei Rattenfellen, welche ich mir noch holen wollte, und Ihr braucht da drin bei den Andern bei Leibe nicht zu erzählen, daß der alte Sam überrumpelt worden ist.«

»Werde still sein.«

»Wo habt Ihr die Miß?«

»Steht da hinten. Wir hörten Eure Fallen klirren, und ich mußte natürlich wissen, was das für Glocken wären.«

»Glocken? Ists so laut gewesen? Sam Hawkens, was bist Du für ein altes dummes ‚Coon (Racoon)! Liegt das alte Maulthier da, um Scalpe zu fangen und macht dabei einen Lärm, der droben in Canada zu hören ist, wie mir scheint! Aber wie seid Ihr denn in die Richtung gerathen? Seid wohl auch hinter den beiden Rothhäuten her?«

Ich bejahte diese Frage und erzählte ihm, was ich gesehen hatte.

»Hm, wird Pulver kosten, viel Pulver, Sir! Kam da mit meinen Fallen das Wasser herauf und sah plötzlich zwei Braune, wenn ich mich nicht irre, die spionirend dort am Rande des Gebüsches, kaum acht Schritte von uns entfernt, standen. Natürlich duckte ich mich ins Gesträuch und gewahrte nun, daß der Eine abwärts, der Andere aber aufwärts ging, um das Thal abzusuchen. Wird ihnen aber schlecht bekommen, meine ich! Ich ließ den Einen an mir vorüber und machte mich dann hierher, um die Bursche zu fragen, was sie gesehen haben, wenn sie nachher hier wieder zusammentreffen.«

»Glaubt Ihr es?«

»Meine es! Wenn Ihr klug sein wollt, so macht Euch da hinüber auf die andre Seite, damit wir sie dazwischen kriegen, und laßt die Miß nicht länger warten, Sir. Könnte sonst vor lauter Ungeduld einen Fehler machen.«

Ich folgte der Weisung und kehrte zu Ellen zurück. Nachdem ich ihr in kurzen Worten Bericht erstattet hatte, nahmen wir eine Sam grad gegenüber liegende Stellung ein und warteten auf die Rückkehr der beiden Rothhäute.

Lange wurde unsre Geduld auf die Probe gestellt und es vergingen fast einige Stunden, ehe wir den leisen Schritt eines heranschleichenden Menschen hörten. Es war einer von den Erwarteten, ein alter, verwetteter Bursche, der für die erbeuteten Scalps so wenig Platz an seinen Gürtel gefunden hatte, daß er die Außennähte seiner weiten Hosen in dicken Lagen mit dem Haare seiner erlegten Feinde ausgefranst hatte.

Kaum war er in unsern Bereich getreten, als er auch schon von hüben und drüben gepackt und »ausgelöscht« wurde. Ebenso erging es dem Andern, welcher nach kurzer Zeit erschien, und nun kehrten wir, vereint, wie wir ausgegangen waren, in die Festung zurück.

Vor dem Thore suchten wir den Posten auf, welcher hinter dem beschützenden Gesträuch geborgen gelegen und den spionirenden Wilden, der in einer Entfernung von kaum einigen Schritten an ihm vorübergeschlichen war, wohl bemerkt hatte.

Sam blickte ihn erstaunt an.

»Bist ein Greenhorn gewesen, Will, und wirst ein Greenhorn bleiben, bis Dich ‚mal die red-mens beim Schopfe haben, meine ich. Hast wohl geglaubt, der Braune gehe hier nur Ameisen fangen, daß Du das Eisen stecken gelassen hast?«

»Sam Hawkens, wirf den Lariat um Deine Zunge, sonst thue ich jetzt an Dir, was ich vorhin unterlassen habe! Will Parker ein Greenhorn! – Der Spaß wäre schon einige Körner Pulver werth, altes Coon. Aber Deiner Mutter Sohn ist wohl nicht klug genug, um einzusehen, daß man einen Kundschafter laufen läßt, um nicht die Uebrigen durch seinen Untergang aufmerksam zu machen?«

»Sollst Recht haben, Mann, wenn Du nämlich nicht zu Indianerfellen kommen willst, wie mir scheint. Da« – bei diesen Worten zeigte er die erbeuteten Scalps vor, und über sein Gesicht ging ein entzücktes Grinsen, welches eine erdbebenartige Bewegung des chaotischen Bartwuchses hervorbrachte – »laß Deines Vaters Kind einmal diese prachtvollen Häute ansehen! Ist das Nichts, Will Parker, frage ich Dich, wie mir scheint, ist das Nichts?«

»Eins,« zählte der Angeredete, und es klang fast wie eine Art Neid aus seiner Stimme, »zwei – aber beim alten ›Caw‹, Mensch, wo hast Du diese kostbaren Dinger her? – drei – hörts noch nicht auf, Sam Hawkens, he? – vier – die hast Du doch nicht allein geholt, wie?«

»Allein, ganz allein, wenn ich die zwei nicht zähle, die mir der – der – der junge Scalper da abgelassen hat.«

»Abgelassen?« fragte der Andere erstaunt und warf mir einen Blick zu, in welchem sich der aufrichtigste Zweifel über meine geistige Zurechnungsfähigkeit aussprach.

»Magst‘s wohl nicht glauben? hi – hi – hi – Will Parker, he? Hast ja ‚nen echten Kingsfieldstahl und ‚ne gute Kentuckybüchse; laß Nichts vorüberlaufen, dann hast Du auch ‚was, wenn ich mich nicht irre!«

Mit den letzten Worten wandte er sich dem Wasser zu, drehte sich aber, ehe er zwischen den Felsen verschwand, noch einmal um und warnte den Wache Haltenden:

»Mach Deine Augen auf, meine ich! Da drüben im ›Gutter‹ giebts ein ganzes Nest Pfeilmänner. Können ihre Nasen auch zwischen Deine Beine stecken wollen. Wäre Schade um Dich, wie mir scheint, Schade!«

Tief unter den um ihn hängenden Fallen begraben schritt er uns voran, und bald standen wir an dem Ausgange der Schlucht und konnten den Thalkessel überblicken. Ein scharfer Pfiff des alten Trappers genügte, um sämmtliche Bewohner unsers Versteckes herbei zu rufen, und mit gespannter Aufmerksamkeit folgten alle dem Berichte unsers Abenteuers.

Schweigend hörte Old Firehand ihn bis zu Ende; aber als ich ihm von Parranoh sagte, entfuhr ihm ein Ausruf der Verwunderung und zugleich der Freude.

»Wärs möglich, daß Ihr Euch nicht getäuscht hättet, Sir? Dann könnte ich meinen Schwur wahr machen und ihn zwischen meine Fäuste nehmen, wie es Jahre lang mein einziger, mein heißester Wunsch gewesen ist.«

»Die Haare allein machen mich irre.«

»O, die sind gleichgültig. Sam Hawkens mag Euch als Beispiel dienen, und es ist doch nicht ganz unglaublich, daß Ihr ihn in jener Nacht nicht recht getroffen habt. Die Seinen haben ihn gefunden und mitgenommen. Während ich krank war, hat er sich erholt, hat uns beobachten lassen und ist uns dann gefolgt.«

»Aber warum griff er uns nicht an?«

»Weiß es nicht; wird aber jedenfalls seinen Grund haben, den wir auch erfahren. Seid Ihr müde, Sir?«

»Könnte es nicht behaupten.«

»Ich muß den Mann selbst sehen. Wollt Ihr mich begleiten?«

»Versteht sich. Nur muß ich Euch auf das Gefährliche dieses Ganges aufmerksam machen. Die Indianer werden vergebens auf ihre ausgesandten Späher warten, sich bald nach ihnen umsehen und die Todten finden. Wir gerathen zwischen die Suchenden und werden vielleicht von den Unsrigen abgeschnitten.«

»Das Alles ist möglich; aber ich kann unmöglich bleiben und ruhig zuwarten, bis sie uns finden. Dik Stone!«

»Sir!«

»Hast Du es gehört, wohin es gehen soll?«

»Denke es.«

»Hole Deine Gun (Schießgewehr) und schnür Dich ein Wenig fester, altes Gerippe! Wir sehen nach Rothhäuten.«

»Bin dabei, Sir; das muß so sein. Reiten wir?«

»Nein; es geht nur bis zum ›Gutter‹. Ihr Andern aber rührt die Hände und deckt die ›Caches‹ (Versteck für Häute) mit Rasen zu. Man kann nicht wissen, wie es geht, und wenn die Braunen ja zwischen unsre Felsen kommen, sollen sie wenigstens nichts von Dem finden, was sie brauchen können. Harris, Du gehst hinaus zu Will Parker, und Du, Bill Bulcher, magst auf Ordnung sehen, während wir fort sind!«

»Vater, laß mich bei Dir sein,« bat Ellen.

»Kannst mir zu Nichts dienen, Kind. Ruhe Dich aus; wirst schon noch zur rechten Stelle kommen!«


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