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Текст книги "Old Firehand"


  • Текст добавлен: 4 октября 2016, 14:20


Автор книги: Karl May


Жанр: Классическая проза, Классика


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Sie waren eines Ueberfalles nicht gewärtig gewesen und hatten also auch für den Fall eines solchen keine Verhaltungsmaßregeln besprochen. Deßhalb suchten sie, da sie die Ueberzahl der Weißen erkannten, zunächst aus der Nähe derselben zu kommen, um dann in einer sicheren Stellung einen Entschluß zu fassen. Daß auf der andern Seite des Dammes ein Hinterhalt liege, konnten sie nicht wissen, und es kam nun darauf an, ihre Flucht aufzuhalten.

»Have care (Achtung)!« rief ich, als sie nur noch einige Pferdelängen von uns entfernt waren. »Zielt auf die Pferde und dann drauf!«

Ich hatte einen Henrystutzen mit fünf und zwanzig Kugeln im Kolben, gegen Reiter eine fürchterliche Waffe, die ich auch nach Kräften gebrauchte. Schon bei unsrer ersten Salve bildeten die Indsmen einen Kneuel, auf welchen sich die Andern alle stürzten, während ich einstweilen meinen Standpunkt beibehielt, um Kugel auf Kugel aus dem sichern Laufe zu entsenden.

Der Kampf wüthete mit tödtlicher Erbitterung. Zwar war es einer kleinen Anzahl gelungen, unsre Linie zu durchbrechen und das Weite zu gewinnen; aber die bei Weitem Meisten waren entweder von ihren verwundeten Pferden abgeworfen oder von unsrer Uebermacht am Ausbrechen verhindert worden, und wenn sie auch wie die Teufel kämpften, so war es doch augenscheinlich, daß sie dem Untergange gewidmet waren.

Die ursprüngliche Verwirrung des Handgemenges lößte allmälig sich in einen besser zu übersehenden Einzelkampf auf, welcher einem nicht betheiligten Zuschauer Gelegenheit gegeben hätte, Thaten zu beobachten, für welche der civilisirte Boden kaum einen Platz haben dürfte. Die Schaar der Bahnarbeiter bestand begreiflicher Weise zwar meist aus Leuten, welche in den Stürmen des Lebens ihre Kräfte geübt hatten; aber der Kampfart der Indianer war wohl Keiner von ihnen gewachsen, und wo nicht Mehrere von ihnen gegen einen Indsman standen, behielt dieser gewiß die Oberhand, und die Stätte bedeckte sich immer mehr mit den unter dem wuchtigen Hiebe des Tomahawk Gefallenen.

Nur Drei von uns, Old Firehand, Winnetou und ich waren mit dieser Waffe versehen, und es zeigte sich allerdings, daß bei gleichen Waffen der intelligentere Europäer meist im Vortheile steht. Ich hatte das Gewehr längst aus der Hand gelegt und mich am Handgemenge betheiligt. Je geringer die Zahl der Feinde wurde, desto mehr glaubten die Arbeiter, ihre Pflicht gethan zu haben und traten beiseite, um sich zu erholen; um so mehr aber waren wir Andern engagirt und hatten wirklich vollauf zu thun, um den Rest der Feinde zu bemeistern.

Winnetou kannte ich genugsam und ließ ihn also unbeachtet; mit Gewalt dagegen drängte es mich in die Nähe von Old Firehand, dessen Anblick mich an jene alten Recken mahnte, von denen ich als Knabe so oft und mit Begeisterung gelesen. Mit auseinander gespreizten Beinen stand er grad und aufrecht da und ließ sich von den Andern die Indianer in das Schlachtbeil treiben, welches, von seiner riesenstarken Faust geführt, bei jedem Schlage zerschmetternd auf die Köpfe der Feinde sank. Die langen, weißen, mähnenartigen Haare wehten ihm um‘s entblößte Haupt und in seinem vom Monde hell beschienenen Angesichte sprach sich ein Gefühl der Wonne aus, welche den Zügen einen gradezu befremdenden Ausdruck gab.

Seitwärts von ihm und mir kämpfte ein Indianer, welcher seinen Gegnern sehr zu schaffen machte, so daß es ihm endlich doch gelang, sich einen Weg zu bahnen, um dem Schicksale der Uebrigen zu entgehen. Eben stieß er den letzten im Wege Stehenden weit ab von sich und wollte das Weite suchen, als sich ihm ganz unerwartet ein neuer Feind entgegenstellte. Es war Winnetou, der bei dem Anblicke des Wilden sofort herbeigesprungen kam, noch ehe ich die gleiche Absicht ausgeführt hatte.

»Parranoh!« rief er, der sonst nach Indianersitte während des Kampfes den Mund nicht öffnete. »Will der Hund von Athabaskah laufen vor Winnetou, dem Häuptling der Apachen? Der Mund der Erde soll sein Blut trinken und die Kralle des Geiers soll zerreißen den Leib des Verräthers; aber sein Scalp wird zieren den Gürtel des Apachen!«

Er warf den Tomahawk weit von sich, riß das Messer aus dem mit Kopfhäuten geschmückten Gürtel und packte den weißen Häuptling bei der Kehle. Aber er wurde von dem tödtlichen Stiche abgehalten.

Als er gegen seine sonstige Gewohnheit sich mit so lautem Rufe auf den Ogellalla stürzte, hatte Old Firehand einen raschen Blick herüber geworfen, welcher das Gesicht des Feindes streifte. Trotz der Flüchtigkeit dieses Blickes aber hatte er doch ein Gesicht gesehen, welches er haßte mit der tiefsten Faser seines Innern, welches er lange, lange Jahre mit fürchterlicher Anstrengung, aber vergebens gesucht, und das ihm nun so unerwartet an diesem Orte vor die Augen kam.

»Tim Finnetey,« schrie er, schlug mit den Armen die Indianer wie Grashalme auseinander und sprang mitten durch sie hindurch auf Winnetou zu, dessen soeben zum Stoße erhobene Hand er packte. »Halt, Bruder, dieser Mann gehört mir!«

Vor Schrecken starr stand Parranoh, als er seinen eigentlichen Namen rufen hörte; kaum aber hatte er einen Blick in das Angesicht Old Firehand‘s geworfen, so riß er sich von der Hand Winnetou‘s, der seine Aufmerksamkeit getheilt hatte, los und stürmte wie von der Sehne geschnellt von dannen. Im Augenblicke machte auch ich mich von dem Indianer, mit welchem ich während dieser Scene im Kampfe stand, los und setzte dem Fliehenden nach. Zwar hatte ich für meine Person keinerlei Abrechnung mit ihm zu halten, aber selbst wenn er auch nicht als der eigentliche Urheber des beabsichtigten Ueberfalles Anrecht auf eine Kugel gehabt hätte, so wußte ich doch, daß er ein Todfeind Winnetou‘s sei und ebenso hatten mich die letzten Augenblicke belehrt, daß Old Firehand an der Habhaftwerdung seiner Person gelegen sein müsse.

Beide hatten sich ebenfalls augenblicklich zur Verfolgung in Bewegung gesetzt; aber ich wußte, daß sie den Vorsprung, welchen ich vor ihnen hatte, nicht verringern würden und mußte freilich auch zu gleicher Zeit bemerken, daß ich es mit einem außerordentlich guten Läufer zu thun hatte. Obgleich Old Firehand nach Dem, was ich von ihm gehört hatte, ein Meister in allen Fertigkeiten, welche das Leben im Westen verlangt, sein mußte, so befand er sich doch schon längst nicht mehr in den Jahren, welche einen Wettlauf auf Tod und Leben begünstigen, und Winnetou hatte mir schon öfters eingestanden, daß er mich nicht einzuholen vermöge.

Zu meiner Genugthuung bemerkte ich, daß Parranoh den Fehler beging, ohne seine Kräfte gehörig abzumessen, Hals über Kopf immer gradaus zu rennen und in seiner Bestürzung die gewöhnliche Taktik der Indianer, im Zickzack zu fliehen, nicht befolgte, während ich den Odem zu sparen suchte und in vollständiger Berechnung meiner Kräfte und der möglichen Ausdauer die Anstrengung des Laufes abwechselnd von einem Beine auf das andere legte, eine Vorsicht, welche mir stets von Vortheil gewesen war.

Die beiden Andern blieben immer weiter zurück, so daß ich das Geräusch ihres Athems, welches ich erst dicht hinter mir gehört hatte, nicht mehr vernahm, und jetzt erscholl auch aus schon ziemlicher Entfernung die Stimme Winnetou‘s:

»Old Firehand mag stehen bleiben! Mein junger, weißer Bruder wird die Kröte von Athabaskah fangen und tödten. Er hat die Füße des Sturmes, und Niemand vermag, ihm zu entkommen.«

So schmeichelhaft dieser Ruf für mich klang, ich konnte mich doch nicht umsehen, um zu gewahren, ob der grimme Jäger ihm auch Folge leiste. Zwar schien der Mond, aber bei der Trüglichkeit seines Schimmers mußte ich den Flüchtling immer fest im Auge behalten.

Bisher war ich ihm noch um keinen Schritt näher gerückt; aber als ich jetzt bemerkte, daß seine Geschwindigkeit im Abnehmen begriffen sei, holte ich weiter aus, und in kurzer Zeit flog ich so nahe hinter ihm her, daß ich sein keuchendes Schnaufen vernahm. Ich hatte keine andere Waffe bei mir, als die beiden abgeschossenen Revolver und das Bowiemesser, welches ich jetzt zog. Das Beil hätte mich am Laufe gehindert und war deßhalb schon nach den ersten Schritten von mir weggeworfen worden.

Da plötzlich sprang er zur Seite, um mich im vollen Jagen an sich vorüberschießen zu lassen und dann von hinten an mich zu kommen; aber ich war natürlich auf dieses Manöver gefaßt und bog in eben demselben Momente seitwärts, sodaß wir mit voller Gewalt zusammenprallten und ihm dabei mein Messer bis an den Griff in den Leib fuhr. —

Der Zusammenstoß war so kräftig, daß wir beide zur Erde stürzten, von welcher er sich allerdings nicht wieder erhob, während ich mich augenblicklich zusammenraffte, da ich nicht wissen konnte, ob er tödtlich getroffen sei. Aber er bewegte kein Glied, und tief Athem holend, zog ich das Messer zurück.

Es war nicht der erste Feind, welchen ich niedergestreckt, und mein Körper zeigte manches Andenken an nicht immer glücklich bestandene Rencontres mit den kampfgewandten Bewohnern der amerikanischen Steppen; aber hier lag ein Weißer vor mir, der von meiner Waffe gestorben, und ich konnte mich eines beengenden Gefühles nicht erwehren. Doch hatte er den Tod jedenfalls verdient und war des Bedauerns also nicht werth.

Noch mit mir zu Rathe gehend, welches Zeichen meines Sieges ich mit mir nehmen solle, hörte ich hinter mir den eiligen Lauf eines Menschen. Rasch warf ich mich nieder; aber ich hatte Nichts zu befürchten; denn es war Winnetou, welcher mir in freundschaftlicher Besorgniß doch gefolgt war und jetzt an meiner Seite hielt.

»Mein Bruder ist schnell wie der Pfeil des Apachen, und sein Messer trifft sicher das Ziel.«

»Wo ist Old Firehand?«

»Er ist stark wie der Bär zur Zeit des Schneefalles; aber sein Fuß wird gehalten von der Hand der Jahre. Will mein Bruder sich nicht schmücken mit der Scalplocke des Athabaskah?«

»Ich schenke sie meinem rothen Freunde!«

Mit drei Schnitten war die Kopfhaut des Gefallenen vom Schädel gelößt. Ich hatte mich, um von dieser Prozedur nicht berührt zu werden, abgewandt, da war es mir, als bewegten sich einige dunkle Punkte langsam auf uns zu.

»Winnetou mag sich zur Erde strecken, er wird den Scalp des weißen Häuptlings vertheidigen müssen!«

Die Kommenden nahten sich mit sichtbarer Vorsicht; es waren ungefähr ein halbes Dutzend Ogellalla‘s, augenscheinlich von Denen, welche uns entkommen waren, und kehrten zurück, jedenfalls um zu recognosciren und etwa versprengte Ihrige aufzusuchen.

Der Apache kroch, tief zur Erde gedrückt, seitwärts, und ich folgte, seine Absicht errathend. Längst schon hätte Old Firehand bei uns sein müssen; aber vermuthlich hatte er, sobald Winnetou ihm aus den Augen gerathen war, eine falsche Richtung eingeschlagen. Jetzt bemerkten wir, daß die Nahenden Pferde bei sich hatten, welche sie am Zügel nachführten; auf diese Weise waren sie für alle Fälle zur schnellen Flucht bereit; uns aber konnte dieser Umstand gefährlich werden und wir mußten uns deßhalb in den Besitz der Thiere setzen. Wir schlugen daher einen Bogen ein, eine Bewegung, welche uns in ihren Rücken und die Pferde zwischen uns und sie bringen mußte.

In dieser Entfernung vom eigentlichen Kampfplatze hatten sie natürlich keinen Todten vermuthet und stießen ein verwundertes »Hugh!« aus, als sie einen regungslosen menschlichen Körper vor sich erblickten. Hätten sie vermuthet, daß er hier getroffen sei, so wären sie gewiß mit weniger Eile auf ihn zugeschritten; sie schienen aber anzunehmen, daß er sich verwundet aus dem Handgemenge bis hierher geschleppt habe, bückten sich unverzüglich auf ihn nieder und stießen, als sie ihn und seine Entstellung erkannten, ein unterdrücktes Wuthgeheul aus.

Das war der geeignete Augenblick für uns. Im Nu hatten wir sämmtliche Pferde, welche sie im Schrecken losgelassen hatten, bei den Riemen, saßen auf und jagten im Calopp den Unsrigen zu. An einem Kampfe konnte uns Nichts gelegen sein; es war genug, daß wir, fast waffenlos, wie wir waren, den dreifach Ueberlegenen entkamen und außer dem Scalpe des feindlichen Anführers noch eine Anzahl Pferde mitbrachten.

Mit sehr verzeihlichem Vergnügen dachte ich an die verdutzten Gesichter, welche die Betrogenen uns jedenfalls nachschnitten, und selbst der so ernste Winnetou konnte ein lachendes »Uff« nicht unterdrücken. Zugleich aber war eine kleine Sorge um Old Firehand sicher gerechtfertigt, da er ebenso gut wie wir mit einer Truppe der Beschlagenen zusammengetroffen sein konnte.

Und diese Sorge erwies sich als gerechtfertigt; denn wir fanden ihn bei unsrer Rückkehr zu dem Platze des Ueberfalles nicht vor, trotzdem seit unserer Entfernung eine geraume Zeit vergangen sein mußte.

Der Kampf war beendet; man befand sich beim Verbinden der Verwundeten und trug die Gefallenen zusammen. In der Nähe derjenigen Stelle, an welcher die ausgerissenen Schienen lagen, brannten zwei hochlodernde Feuer, welche die nöthige Helle verbreiteten und zugleich dem Zugpersonale als Signal dienten.

»Da seid Ihr ja wieder!« rief uns der Ingenieur entgegen, welcher ein Tuch um den verletzten Arm trug und uns die unbeschädigte Rechte zum Gruße hinstreckte. »Habt Euch brav gehalten, Alter; hätte einem Indsman so Etwas gar nicht zugetraut; werde es zu berichten wissen! Wohin führt Euch Euer Pfad?«

»Winnetou geht, zu sehen das mächtige Volk der Bleichgesichter,« antwortete der Gefragte.

»Dann vergeßt ja nicht, nach Washington zu gehen, zur Stadt des großen Vaters, dem ich schreiben werde von dem tapfern und guten Häuptlinge der Apachen.«

»Winnetou wird ihn sehen und ihm sagen die Wünsche der rothen Männer.«

»Er wird die Worte unsers Bruders hören und mit Weisheit und Güte beantworten. Aber wo ist Old Firehand, den ich Euch nachjagen sah?«

»Mein weißer Bruder hat verloren die Fährte des rothen Mannes und ist auf einen neuen Feind gestoßen. Der Apache wird mit seinem jungen Freunde gehen, ihn zu suchen.«

Auch ich hegte diese Ansicht, da er längst wieder da sein mußte, wenn ihm Nichts begegnet gewesen wäre. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schloß ich mich deßhalb dem Indianer, nachdem wir uns unsre Waffen wieder angeeignet, sie in den gehörigen Zustand gesetzt und die erbeuteten Pferde in Sicherheit gebracht hatten, an und schritt mit ihm der Richtung zu, aus welcher wir soeben gekommen waren. —

Der Mond warf sein falbes, zweifelhaftes Licht über die vor uns ausgebreitete Weite; hinter uns flammten die beiden Feuerzungen empor, und am östlichen Punkte des Gesichtskreises wurde nun auch das scharfe Licht der nahenden Maschine sichtbar. Der Knoten, welcher uns für wenige Viertelstunden mit der Civilisation verband, war nur leicht geschlungen; vielleicht lößte er sich schon in dem gegenwärtigen Augenblicke, welcher uns in die ungewisse und gefahrvolle Nacht hinausführte.

Eine Reihe von Tagen war vergangen. Unser glücklich zurückgelegter Weg hatte uns mitten durch das Gebiet feindlicher Stämme geführt, und jetzt nun, wo die uns dabei drohenden Gefahren hinter uns lagen, konnten wir uns einmal nach Herzenslust ausruhen und pflegen.

Unsre Büchsen waren in den letzten Tagen, um durch den Knall derselben nicht die Rothhäute auf uns aufmerksam zu machen, stumm geblieben; aber trotzdem hatten wir, da wir an der Station der Bahnarbeiter mit hinreichendem Proviant und manchem Andern reichlich versehen worden waren, nicht Mangel gelitten und auch jetzt eben ließ Old Firehand den letzten Inhalt einer mitgenommenen Rumflasche in das heiße Wasser laufen und kostete mit sichtbarem Wohlbehagen den in diesen Breiten so seltenen Trank.

Winnetou hatte die Wache und trat, von einem seiner Rundgänge zurückgekehrt, zum Feuer. Old Firehand bot ihm den dampfenden Becher.

»Will mein Bruder sich nicht an‘s Feuer setzen? Der Pfad des Rapaho führt nicht an diese Stelle.«

»Das Auge des Apachen steht immer offen; er traut nicht der Nacht; denn sie ist ein Weib.«

Nachdem er einen langen, behaglich schlürfenden Schluck gethan hatte, schritt er wieder in das Dunkel zurück.

»Er haßt die Frauen,« warf ich hin, um den Anfang zu geben zu einer jener traulichen Unterhaltungen, welche, geführt unter ruhig flimmernden Sternen, für lange Jahre in der Erinnerung bleiben.

Old Firehand öffnete das an seinem Halse hangende Futteral und entnahm demselben die sorglich darin verwahrte kurze Pfeife, welche er gemächlich stopfte und dann in Brand steckte.

»Meint Ihr? Vielleicht auch nicht.«

»Seine Worte schienen es zu sagen.«

»Schienen,« nickte der alte Jäger; »aber es ist nicht so. Es gab einmal Eine, um deren Besitz er mit Mensch und Teufel gekämpft hätte, und seit jener Zeit ist ihm das Wort ›Sqaw‹ (Frau) entfallen.«

»Warum führte er sie nicht in seine Hütte?«

»Sie liebte einen Andern.«

»Darnach pflegt ein Indianer nicht zu fragen.«

»Aber dieser Andere war sein Freund.«

»Und der Name dieses Freundes?«

»Ist jetzt Old Firehand.«

Ich blickte überrascht empor. Hier stand ich vor einer jener Katastrophen, an denen der Westen so reich ist und welche seinen Gestalten und Ereignissen jenen energischen Character geben, durch welchen sie sich kräftig auszeichnen. Natürlich hatte ich kein Recht, weiter zu fragen; aber das Verlangen nach Weiterem mußte sich deutlich in meinen Mienen aussprechen; denn er fuhr nach einer Pause fort:

»Laßt die Vergangenheit ruhen, Mann. Wollte ich von ihr sprechen, wahrhaftig, Ihr wärt trotz Eurer Jugend der Einzige, zu dem ich es thäte; denn ich habe Euch lieb gewonnen in der kurzen Zeit, die wir nun beisammen sind.«

»Danke, Sir! Kann Euch offen sagen, daß auch ich nicht ganz empfindungslos bin.«

»Weiß es, weiß es; Ihr habt‘s ja reichlich bewiesen, und ohne Eure Hülfe wäre ich in jener Nacht verloren gewesen. Ich hatte in der Hitze, in welche mich der Anblick Tim Finnetey‘s brachte, Eure Spur, welche ich nicht schnell genug folgen konnte, weil mir vor kurzer Zeit ein Pfeil durch‘s Bein gedrungen war, aus dem Auge gelassen und gerieth, nur mit dem Messer bewaffnet, zwischen eine Truppe der herumschleichenden Ogellalla‘s, der sich dann noch Diejenigen zugesellten, welchen Ihr mit den Pferden davongegangen wart. Ich hatte einen teufelsmäßig harten Stand und blutete wie ein vielangeschossener Büffel, als Ihr endlich kamt.«

»Das muß gesagt sein, Sir, einer andern Mutter Sohn wäre in Eurer Lage der Muth in die Beine gefahren, und an der Ehre, lebendig davon zu kommen, hätte er vollkommen genug gehabt.«

»Pah, es hat noch nie eine Rothhaut sagen können, daß Old Firehand ihr den Rücken gekehrt habe. Es war nur ärgerlich, daß ich meine Rechnung mit Tim Finnetey nicht selbst ausgleichen konnte, und ich gäbe auf der Stelle diese meine Hand darum, wenn es mir vergönnt gewesen wäre, dem Hallunken mein eigenes Eisen zu schmecken zu geben.«

Bei diesen Worten zuckte eine ingrimmige Erbitterung über das sonst so ruhige und offene Gesicht des Sprechenden, und wie er mit wuthblitzenden Augen und festgeballten Fäusten mir so gegenüber lag, konnte ich nicht anders denken, als daß die erwähnte Rechnung mit diesen Parranoh oder Finnetey eine ganz außerordentliche gewesen sein müsse.

Ich gestehe gern, daß meine Wißbegierde immer größer wurde, und bei jedem Andern an meiner Stelle wäre es ebenso gewesen; aber ich mußte mich gedulden, was mir auch gar nicht schwer fiel, da ich von der Zukunft ganz sichere Aufklärung erwarten konnte.

Als ich ihn in der Nacht des Ueberfalles mit Winnetou aufsuchte, fanden wir ihn im Kampfe mit einer überlegenen Anzahl Indsmen, und die dabei erhaltenen Wunden hätten bei dem Mangel an Pflege in der Prairie in kurzer Zeit seinen Tod herbeigeführt. Glücklicher Weise aber bot sich uns in dem anwesenden Bahnzuge ein willkommenes Rettungsmittel, und mit Freuden folgten wir der vom Ingenieur ausgesprochenen Einladung, bis an den nächsten und zugleich auch am Weitesten vorgeschobenen Verwaltungspunkt der damals noch im Baue begriffenen Bahn mit zu fahren und dort die Genesung des Verwundeten abzuwarten.

Diese Genesung war schneller vorgeschritten, als wir erwartet hatten, und so brachen wir nach verhältnißmäßig kurzer Zeit auf, um unsre unterbrochene Wanderung fortzusetzen und zunächst durch das Land der Rapaho‘s und Pawnee‘s bis an den Mankizila vorzudringen, an dessen Ufer Old Firehand seine »Festung« hatte, wie er sich ausdrückte, die wir vielleicht in kurzer Zeit erreichen konnten, da wir schon vorgestern den Kehupahan überschwommen hatten. —

Dort wollten wir einige Tage Rast halten und dann über Dakotah und die Hundeprairie die See‘n zu gewinnen suchen. Während dieses Aufenthaltes bot sich hoffentlich Gelegenheit, einen Einblick in die Vergangenheit Old Firehands zu thun, und so verharrte ich jetzt schweigend in meiner Stellung, die ich nur zuweilen veränderte, um das Feuer zu schüren und ihm neue Nahrung zu geben.

Bei einer dieser Bewegungen funkelte der an mei nem Finger steckende Ring im Strahle der Flamme. Old Firehand‘s scharfes Auge hatte trotz der Schnelligkeit dieses Leuchtens den kleinen, goldenen Gegenstand genau erfaßt, und er fuhr mit betretener Miene aus seiner bequemen Lage empor.

»Was ist das für ein Ring, den Ihr hier tragt, Sir?«

»Er ist das Andenken an eine der schrecklichsten Stunden meines Lebens.«

»Wollt Ihr ihn mir einmal zur Betrachtung geben?«

Ich erfüllte seinen Wunsch. Mit sichtbarer Hast griff er zu, und kaum hatte er einen näheren Blick auf den Ring geworfen, so erklang die Frage:

»Von wem habt Ihr ihn?«

Es war eine unbeschreibliche Aufregung, die sich seiner bemächtigt hatte, und auf meine Antwort

»Ich erhielt ihn von einer jungen Dame in New-Venango,« stieß er hervor:

»In New-Venango? Wart Ihr bei Forster? Habt Ihr Ellen gesehen? Ihr spracht von einer schrecklichen Stunde, von einem Unglücke!«

»Ein Abenteuer, bei welchem ich mit meinem braven Swallow in Gefahr kam, bei lebendigem Leibe gebraten zu werden,« erwiederte ich, die Hand nach dem Ringe ausstreckend.

»Laßt das!« wehrte er ab. »Ich muß wissen, wie dieser Reif in Euren Besitz gekommen ist. Ich habe ein heiliges Anrecht auf ihn, heiliger und größer als irgend ein andres Menschenkind!«

»Laßt Euch ruhig nieder, Sir. Verweigerte mir ein Anderer die Zurückgabe, so würde ich ihn dazu zu zwingen wisse. Euch aber will ich das Nähere berichten, und Ihr werdet dann mir wohl auch Euer Anrecht beweisen können.«

»Sprecht; aber wißt auch Ihr, daß dieser Ring in der Hand eines Mannes, dem ich weniger vertraute als Euch, sehr leicht sein Todesurtheil werden könnte. Also erzählt, erzählt!«

Er kannte Ellen, er kannte auch Forster, und die Erregung, in welcher er sich befand, zeigte von dem großen Interesse, welches er an diesen Personen nahm. Ich hatte hundert Fragen auf der Zunge; aber ich drängte sie zurück und begann meinen Bericht von der Begegnung mit dem wunderbaren und räthselhaften Mädchen, dessen Bild sich meiner Erinnerung so fest eingedrückt hatte, daß ich den Gedanken an sie nur auf kurze Unterbrechungen von mir zu weisen vermochte.

Auf den einen Ellbogen gestützt, lag er, das Feuer zwischen uns, mir gegenüber, und in jedem einzelnen seiner Züge sprach sich die Spannung aus, mit welcher er dem Laufe meiner Erzählung folgte. Von Wort zu Wort wuchs seine Aufmerksamkeit, und als ich zu dem Augenblicke kam, an welchem ich sie vor mir auf das Pferd gerissen hatte, sprang er auf und rief:

»Mann, das war das Einzige, sie zu retten! Ich zittre für ihr Leben; rasch, rasch, sprecht weiter!«

Auch ich hatte mich in dem Wiederfühlen jener furchtbaren Aufregung erhoben und fuhr in meiner Schilderung fort. Er trat mir näher und immer näher; seine Lippen öffneten sich, als wolle er jedes einzelne meiner Worte trinken; sein Auge hing, weit aufgerissen, an meinem Munde, und sein Körper bog sich in eine Stellung, als säße er selbst auf dem dahinbraußenden Swallow, stürze sich selbst mit in die hochaufschäumenden Fluthen des Flusses und strebe selbst in fürchterlicher Angst um das holde Wesen die steile, zackige Felswand empor. Längst schon hatte er meinen Arm erfaßt, den er unbewußt drückte, daß ich hätte die Zähne zusammenpressen mögen, und laut und ächzend drängte sich der Athem aus seiner von fürchterlicher Besorgniß zusammengepreßten Brust. —

»Heavens!« rief er mit einem tiefen, tiefen Athemzuge, als er hörte, daß ich glücklich mit ihr über den Rand der Schlucht gekommen sei und sie also in Sicherheit gebracht habe. »Das war entsetzlich – fürchterlich! Ich habe eine Angst ausgestanden, als ob mein eigener Körper in den Flammen stäke, und doch wußte ich vorher, daß Euch die Rettung gelungen sei, denn sonst hätte sie Euch ja den Ring nicht geben können.«

»Sie hat es auch nicht gethan; ich streifte ihn wider Willen von ihrem Finger, und sie hat den Verlust gar nicht bemerkt.«

»So mußtet Ihr das fremde Eigenthum der Besitzerin unbedingt zurückstellen.«

»Ich wollte es; doch floh sie mich. Zwar folgte ich ihr, doch sah ich sie erst am andern Morgen in Gesellschaft einer Familie wieder, welche dem Tode entgangen war, weil ihre Wohnung im obersten Winkel des Thales lag und der Brand seine Richtung abwärts genommen hatte.«

»Und da spracht Ihr von dem Ringe?«

»Nein, sie ließ mich gar nicht vor, und ich bin dann natürlich meines Weges fortgeritten.«

»So ist sie, ja, so ist sie! Sie haßt Nichts mehr als Feigheit und hat Euch für muthlos gehalten. Was ist aus Forster geworden?«

»Ich habe gehört, daß nur allein jene Familie davongekommen sei. Das Gluthmeer, von welchem der Thalkessel erfüllt war, hat Alles verschlungen, was in seinen Bereich gekommen ist.«

»Es ist schrecklich und eine zu furchtbare Strafe für das allerdings unnützes und lächerliches Vorhaben, das Oel fortlaufen zu lassen, um den Preis desselben in die Höhe zu bringen!«

»Auch Ihr habt ihn gekannt, Sir?« fragte ich jetzt.

»Ich war einige Male bei ihm in New-Venango. Er war ein stolzer, geldprotziger Mann, der wohl Ursache gehabt hätte, wenigstens mit mir etwas manierlicher umzuspringen.«

»Und Ellen habt Ihr bei ihm gesehen?«

»Ellen?« sagte er mit einem eigenthümlichen Lächeln in seinem jetzt wieder ruhigen Angesichte. »Ja, bei ihm und in Omaha, wo sie einen Bruder hat – vielleicht auch noch sonst irgendwo.«

»Ihr könntet mir wohl Etwas über das Mädchen mittheilen!«

»Möglich, aber jetzt nicht, jetzt nicht! Eure Erzählung hat mich so mitgenommen, daß ich keine rechte Sammlung zu einer solchen Unterhaltung verspüre; aber zu gelegener Zeit sollt Ihr mehr über sie erfahren, das heißt natürlich, soviel ich selbst von ihr weiß. Hat sie Euch nicht gesagt, was sie in Venango wollte?«

»Doch! Sie wollte ihren Vater sehen und hatte dort nur Absteigequartier genommen.«

»So so; das thut sie alle Jahre. Also Ihr behauptet, daß sie der Gefahr dort wirklich und ganz bestimmt entgangen sei?«

»Ganz sicher.«

»Und schießen habt Ihr sie auch sehen?«

»Wie ich Euch sagte, und zwar ganz vorzüglich. Sie muß eine sehr ungewöhnliche Erziehung genossen haben.«

»Das ist so. Ihr Vater ist ein alter Scalper, der keine einzige Kugel gießt, die nicht ihren Weg zwischen die bewußten zwei Indianerrippen fände. Von ihm hat sie das Zielen gelernt, und wenn Ihr etwa glaubt, daß sie es nicht zur rechten Zeit und am richtigen Orte anzuwenden verstehe so irrt Ihr Euch ganz gewaltig.«

»Wo ist dieser Vater.«

»Er ist bald da, bald dort zu finden, und ich darf wohl sagen, daß wir einander so ziemlich kennen gelernt haben. Es ist möglich, daß ich Euch helfe, ihn einmal zu sehen.«

»Wenn Ihr das könntet, Sir!« rief ich aufspringend.

»Werden ja sehen, Mann; habt es an der Tochter verdient, daß Euch der Vater Dank sage.«

»O, das ist‘s nicht, was ich meine!«

»Versteht sich, versteht sich, kenne Euch gut genug; aber hier habt Ihr Euren Ring. Werdet später erst sehen, was es heißt, daß ich ihn Euch wieder zustelle. Für jetzt aber will ich Euch den Apachen schicken; seine Wache ist um. Legt Euch auf‘s Ohr, damit Ihr früh am Tage munter seid. Wir werden morgen einmal unsre Gäule drannehmen und zwei Tagereisen erzwingen müssen.«

»Zwei? Wollten wir morgen nicht blos bis zum Green-park?«

»Habe mich anders besonnen; good night!«

»Good guard; vergeßt nicht, mich zu wecken, wenn ich Euch abzulösen habe!«

»Schlaft nur zu! Kann‘s auch ‚mal für Euch thun, die Augen offen halten; habt für mich genug gethan!«

Mir war ganz wunderbar zu Muthe. Ich wußte nicht, was ich von der Unterredung denken sollte, und als ich nun so allein dalag, gingen mir tausenderlei Vermuthungen durch den Kopf, von denen ich nicht eine einzige stichhaltig fand. Lange noch, nachdem Winnetou zurückgekehrt war und sich zum Schlafen in seine Decke gewickelt hatte, warf ich mich ruhelos von einer Seite auf die andere. Die Erzählung hatte mich aufgeregt; jener fürchterliche Abend ging mit allen seinen Einzelheiten immer von Neuem an meiner Seele vorüber; zwischen seinen grausigen Gestaltungen tauchte immer und immer wieder Old Firehand empor, und noch im letzten Ringen zwischen Wachen und Träumen klangen mir die Worte in‘s Ohr: »Schlaft nur zu; habt genug für mich gethan!« – —

Als ich am andern Morgen erwachte, fand ich mich allein am Feuer; doch konnten die beiden Andern nicht weit entfernt sein, denn der kleine, blecherne Kessel hing mit dem kochenden Wasser über der Flamme und neben dem Stücke Bärenzunge, welches gestern Abend übrig geblieben war, lag der offene Mehlbeutel.

Ich wickelte mich aus meiner Umhüllung und schritt, um mich zu waschen, nach dem Wasser.

Dort standen, im eifrigen Gespräche begriffen, die Gefährten, und ihre Bewegungen, als sie mich erblickten, sagten mir, daß ich der Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen sei.

Kurze Zeit später waren wir zum Aufbruche bereit und schlugen eine Richtung ein, welche uns in einer Entfernung von vielleicht zwanzig Meilen vom Missouci parallel mit diesem Flusse auf das Thal des Mankizila zuführte.

Der Tag war kühl. Wir waren gut beritten, und da wir unsre Thiere während der letzten Tour geschont und immer gut gepflegt hatten, so legten wir nach und nach ein tüchtiges Stück grünes Land hinter uns.

Eigenthümlich war die Veränderung, welche ich heut in dem Verhalten meiner Gefährten zu mir bemerkte. Bisher hatten sich Beide zu mir gestellt wie alte, erfahrene Gönner zu einem wenn auch gelehrigen, aber doch noch unkundigen Schützlinge; jetzt aber lag eine deutlich erkennbare Rücksicht, ich möchte sagen Achtung in ihrem ganzen Benehmen, und es war mir ganz so, als ob in dem Blicke, den der Eine oder Andere zuweilen über mich gleiten ließ, etwas einer zurückgehaltenen Zärtlichkeit Aehnliches liege. —


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