Текст книги "Von Bagdad nach Stambul"
Автор книги: Karl May
Жанр: Классическая проза, Классика
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»Emir, wohin willst du?« fragte Mohammed Emin.
»Fort,« antwortete ich kurz.
»Ohne uns?«
»Wie es euch beliebt!«
»Wo ist der Rappe?«
»Drüben, wo er angehobbelt war.«
»Maschallah, er ist ja dein!«
»Er ist wieder dein. Salama – Allah gebe dir Friede!«
Ich gab meinem Pferde die Sporen, und wir sausten im Trabe davon. Kaum aber hatten wir eine kleine englische Meile zurückgelegt, so kamen uns die beiden nach. Amad el Ghandur hatte den Rappen bestiegen und führte sein Pferd an der Hand. Jetzt war es ganz unmöglich geworden, den Hengst zurückzunehmen.
Mohammed Emin kam an meine Seite, während sein Sohn zurückblieb.
»Ich denke, ich soll der Führer sein, Emir!« begann er.
»Wir brauchen einen Führer, aber keinen Tyrannen!«
»Ich will den Bebbeh bestrafen, der mich und meinen Sohn gefangen nahm. Was aber habe ich dir getan?«
»Mohammed Emin, du hast dir die Liebe und Achtung von drei Männern geraubt, die für dich und deinen Sohn ihr Leben wagten und bis heute für euch ohne Zaudern in den Tod gegangen wären.«
»Effendi, verzeihe!«
»Ich zürne dir nicht.«
»Nimm den Hengst zurück!«
»Niemals!«
»Willst du mein Alter züchtigen und meinen grauen Bart beschämen?«
»Grad dein Alter und der Schnee deines Bartes sollten dir gesagt haben, daß der Zorn nie Gutes tut.«
»Soll unter den Kindern der Beni Arab allüberall erzählt werden, daß der Scheik der Haddedihn ein Geschenk zurückerhielt, weil er nicht würdig war, es zu geben?«
»Man wird es erzählen!«
»Emir, du bist grausam, denn du wirfst Schande auf mein Haupt.«
»Du selbst hast es getan. Ich war dein Freund und ich liebte dich; auch heute verzeihe ich dir. Ich weiß, welche Schande es sein wird, wenn du zurückkehrst zu den Deinen und den Hengst wieder bringst; ich möchte dir helfen, aber ich vermag es nicht.«
»Du vermagst es. Du brauchst ja nur den Hengst wieder anzunehmen.«
»Ich würde es tun, dir zur Liebe und Ehre, aber es ist unmöglich geworden. Blicke zurück!«
Er sah sich um, schüttelte aber den Kopf.
»Ich sehe nichts. Was meinst du, Emir?«
»Siehst du nicht, daß der Rappe bereits einen Besitzer hat?«
»Jetzt verstehe ich dich, Effendi. Amad el Ghandur wird absteigen.«
»Aber ich werde das Pferd nicht nehmen. Er hat seinen Sattel aufgelegt und das Tier bestiegen; dies ist ein Zeichen, daß ihr es von mir zurückgenommen habt. Brächtest du es mir so herbei, wie ich es dir zurückgelassen habe, ungesattelt und unberührt, so würde ich denken, daß wir Freunde waren, und ich könnte die Schmach von dir nehmen. Amad el Ghandur hat mir vorgeworfen, daß ich ein Christ bin und als solcher handle; nun wohl, er ist ein Moslem, ohne als solcher zu handeln; denn er besteigt ein Pferd, dessen Rücken einen Christen trug. Erzähle dies den Gläubigen, mit denen du zusammenkommst!«
»Allah il Allah! Was haben wir für Fehler begangen!«
Der alte Scheik dauerte mich, aber ich konnte ihm nicht helfen. Sollte ich eine Schande auf mich laden, um ihm die seine zu ersparen? Nein! Ich konnte gar nicht begreifen, was den beiden so verständigen Männern auf einmal in den Kopf gefahren war. Persönliche Rücksichten waren sicher nicht der Grund. Vielleicht war der Keim zu ihrem Verhalten schon lange Zeit in ihnen versteckt gewesen und von mir gepflegt worden durch die Nachsicht, mit der ich unsere Gegner behandelt wissen wollte. Die Schonung aber, die ich gegen die beiden Bebbeh gezeigt hatte, war dann der Tropfen gewesen, der das Gefäß überlaufen läßt. Aber trotzdem mir der Verlust des Hengstes zu Herzen ging, fiel es mir gar nicht ein, meine milden Anschauungen den rachsüchtigen Gewohnheiten dieser Nomaden zu opfern.
Der Haddedihn ritt lange schweigend neben mir her. Endlich fragte er zagend:
»Warum zürnest du so anhaltend?«
»Ich zürne dir nicht, Mohammed Emin; aber es betrübt mich, daß dein Herz sich nach dem Blute derjenigen sehnt, denen dein Freund verziehen hatte.«
»Wohlan, so werde ich diesen Fehler wieder gutmachen!«
Er wandte sich um. Hinter mir ritt der Engländer mit Halef; dann kam Allo mit dem Gefangenen, zuletzt Amad el Ghandur. Ich wandte mich nicht zurück, weil ich glaubte, Mohammed Emin wolle mit seinem Sohne sprechen; auch Halef und Lindsay drehten sich aus demselben Grunde nicht um. Wir taten es erst, als wir die laute Stimme des Haddedihn vernahmen:
»Reite zurück, und sei frei!«
Der erste Blick überzeugte mich, daß er die Fessel des Gefangenen zerschnitten hatte, der seinem Pferd sofort in die Zügel griff, um im Galopp davon zu sprengen.
»Scheik Mohammed, was hast du getan!« rief Halef.
»Thunder storm, was fällt dem Menschen ein!« schrie der Engländer.
»Habe ich recht gehandelt, Emir?« fragte Mohammed.
»Wie ein Knabe hast du gehandelt!« zürnte ich.
»Ich wollte deinen Willen tun,« entschuldigte er sich.
»Wer hat dir gesagt, daß ich wünsche, ihn so schnell frei zu sehen? Die Geisel ist verloren, nun sind wir wieder in Gefahr!«
»Allah istafer – Gott verzeihe ihm!« rief Halef. »Laßt uns dem Bebbeh nachjagen!«
»Wir werden ihn nicht einholen,« wandte ich ein. »Unsere Pferde sind ihm nicht überlegen; nur der Rapphengst ist schneller.«
»Amad, ihm nach!« gebot Mohammed Emin seinem Sohne. »Bringe ihn zurück oder töte ihn!«
Der Angerufene wandte den Rappen und sprengte davon. Er hatte kaum fünfhundert Schritte zurückgelegt, so weigerte sich sein Pferd, ihn weiter zu tragen, doch war er nicht der Mann, sich so leicht abwerfen zu lassen; er zwang das Tier vorwärts. Natürlich ritten wir ihm nach. Er war hinter einer Krümmung verschwunden. Als auch wir dieselbe hinter uns hatten, sahen wir ihn in ziemlicher Ferne abermals mit dem edlen Tiere kämpfen. Er brachte alle seine Kraft und alle seine Geschicklichkeit zur Geltung, doch vergeblich; denn er flog endlich doch aus dem Sattel. Das Pferd aber wandte sich zurück, kam herbeigerannt und hielt an meiner Seite an, den schönen Kopf unter zärtlichem Schnauben an meinem Schenkel reibend.
»Allah akbar – Gott ist groß!« meinte Halef; »er gibt einem Pferde ein besseres Herz, als viele Menschen es haben. Wie schade, Sihdi, daß deine Ehre nicht erlaubt, es wieder zurückzunehmen!«
Der Haddedihn hatte einen nicht leichten Fall getan, er konnte sich nur schwer erheben; doch als ich ihn untersuchte, zeigte es sich, daß er ohne wirkliche Verletzung davongekommen war.
»Dieser Hengst ist ein Teufel!« meinte er. »Er hat mich doch früher gern getragen!«
»Du vergissest, daß er später mich getragen hat,« erklärte ich, »und ich habe es bisher immer verstanden, ein Pferd so zu gewöhnen, daß es nur denjenigen trägt, dem ich erlaube, es zu reiten.«
»Ich besteige diesen Scheïtan niemals wieder!«
»Du hättest klug getan, ihn bereits vorher nicht zu besteigen. Hätte ich in diesem Sattel gesessen, so würde uns Gasahl Gaboya nicht entkommen.«
»Steige auf, Emir, und reite ihm nach!« bat Mohammed Emin.
»Beleidige mich nicht!«
»So soll der Bebbeh entkommen?«
»Er wird es; doch nur durch deine Schuld!«
»Schauderhaft!« klagte der Engländer. »Dumme Geschichte! Höchst unangenehm! Yes!«
»Was ist zu tun, Sihdi?« fragte Halef.
»Um den Bebbeh wieder zu erlangen? Nichts. Ich hätte ihm den Hund nachgeschickt, wenn dieser mir nicht so wertvoll wäre. Nun aber gilt es, einen Entschluß zu fassen.« Mich an die Haddedihn wendend, erkundigte ich mich: »Habt ihr heute früh, als ich fern war, um den Dachs zu schießen, in Gegenwart des Bebbeh von dem Weg gesprochen, den wir einschlagen wollen?«
Sie zögerten mit der Antwort, Halef aber sagte:
»Ja, Sihdi, sie sprachen davon.«
»Aber nur Arabisch,« entschuldigte sich Mohammed.
Wäre seine Erscheinung nicht so ehrwürdig gewesen, so wäre er einer geharnischten Zurechtweisung wohl nicht entronnen; so aber zwang ich mich zu einem ruhigen Tone:
»Ihr habt nicht klug gehandelt. Was habt ihr gesagt?«
»Daß wir nach Bistan gehen.«
»Weiter nichts? Denke nach! Es kommt hier darauf an, jedes Wort zu wissen, das gesprochen worden ist. Eine Kleinigkeit, die ihr verschweigt, kann großen Schaden bringen.«
»Ich sagte, daß wir von Bistan vielleicht nach Achmed Kulwan, jedenfalls aber nach Kizzeldschi reiten würden, um an den Kiupri-See zu kommen.«
»Du warst ein Tor, Scheik Mohammed! Ich zweifle gar nicht, daß Scheik Gasahl Gaboya uns verfolgen wird. Glaubst du noch immer, unser Anführer sein zu können?«
»Emir, verzeihe mir! Aber ich bin überzeugt, daß der Bebbeh uns nicht ereilen wird. Er hat zu weit zurückzureiten, um die Seinigen zu treffen.«
»Meinst du? Ich bin bei vielen Völkern gewesen, deren Charakter ich kennen gelernt habe, und darum ist es nicht so leicht, mich zu täuschen. Der Bruder des Scheik ist ein ehrlicher Mann, aber er ist nicht der Anführer der Bebbeh. Er hat bei ihnen nur freien Abzug für uns erreichen können, und ich gebe meinen Kopf zum Pfande, daß sie uns gefolgt sind, ohne sich sehen zu lassen. Solange der Scheik sich in unseren Händen befand, waren wir sicher; nun aber müssen wir Besorgnis hegen. Sie werden sich rächen wollen für alles, auch für die Pferde, die wir ihnen töteten.«
»Wir brauchen sie nicht zu fürchten,« tröstete Amad el Ghandur; »denn eben dieser Pferde wegen können uns nicht alle folgen. Und wenn sie kommen, werden wir sie mit unseren guten Gewehren empfangen.«
»Das klingt gut, ist aber nicht so. Sie haben gesehen, daß wir ihnen im offenen Kampfe überlegen sind; sie werden uns abermals einen Hinterhalt legen oder uns gar des Nachts überfallen.«
»Wir stellen Wachen aus!«
»Wir sind nur sechs Mann, und wenigstens so viele Wachen brauchen wir, um uns leidlich sicher fühlen zu können. Wir müssen an etwas anderes denken.«
Unser Führer, der Kohlenbrenner, hielt ein wenig seitwärts von unserer Gruppe. Er befand sich in Verlegenheit, denn er erwartete Vorwürfe darüber, daß er den Haddedihn nicht gehindert hatte, den Gefangenen zu befreien.
»Wie weit nach Süden reiten die Bebbeh?« fragte ich ihn.
»Bis zum See hinab,« antwortete er.
»Kennen sie die Gegend genau?«
»Ganz genau. Sie kennen,« sagte er, »so gut wie ich jeden Berg und jedes Tal zwischen Derghezin und Miek, zwischen Nweizgieh und Dschenawera.«
»Wir müssen,« fuhr ich fort, »einen andern Weg einschlagen, als wir vorher wollten. Nach West dürfen wir nicht. Wie weit ist es von hier nach Ost bis an die Hauptkette des Zagrosgebirges?«
»Acht Stunden, wenn wir durch die Luft reiten könnten.«
»Da wir aber auf der Erde reiten müssen?«
»Das ist verschieden. Ich kenne weiter unten einen Paß. Wenn wir gegen Sonnenaufgang reiten, so übernachten wir in einem sichern Walde und erreichen morgen, wenn die Sonne am höchsten steht, das Zagrosgebirge.«
»Dort muß aber wohl die persische Grenze sein, wenn ich nicht irre?«
»Ja, denn dort grenzt das kurdische Land Teratul an den persischen Distrikt von Sakiz, der nach Sinna gehört.«
»Gibt es dort Kurden von Dschiaf?«
»Ja; aber sie sind sehr kriegerisch.«
»Vielleicht nehmen sie uns dennoch gut auf, denn wir haben ihnen nichts getan. Auch ist es möglich, daß der Name des Khan Heider Mirlam uns bei ihnen als eine Empfehlung dienen kann. Führe uns zu dem Passe, von welchem du sprachst. Wir reiten nach Osten!«
Dieses Gespräch war in kurdischer Sprache geführt worden; ich verdolmetschte es den Gefährten, und sie waren mit meiner Anordnung vollkommen einverstanden. Nachdem Amad el Ghandur wieder umgesattelt und sein voriges Pferd bestiegen hatte, setzten wir den Ritt fort. Mohammed Emin nahm den Hengst an die Seite.
Im Laufe dieser unangenehmen Verhandlungen und Begebenheiten war eine geraume Zeit vergangen, und es war ziemlich Mittag, als wir den erwähnten Paß erreichten. Wir befanden uns mitten in den Bergen und wandten uns nun nach Ost, nachdem wir dafür gesorgt hatten, daß keine Spur diese Veränderung unserer Reiserichtung verraten könne.
Bereits nach einer Stunde bemerkten wir, daß sich das Terrain wieder zu senken begann, und auf meine Erkundigung erfuhr ich von Allo, daß zwischen hier und der Zagroskette ein bedeutendes Längental quer zu durchreiten sei.
Der am Morgen vorgefallene Zwist hatte in unserem sonst so brüderlichen Kreise eine tiefe Verstimmung zurückgelassen, die auf meinem Gesichte wohl am deutlichsten zu lesen war. Ich durfte mein Auge gar nicht auf den Hengst richten. Der Bläßfuchs war zwar auch kein übles Pferd, aber die Kurden verstehen ein Pferd nur zu Schanden zu reiten, und ich fühlte mich im Sattel wie ein Anfänger der edlen Turnkunst auf dem dürren Klepper, dessen verborgene Eigenschaften man erst zu studieren hat. Dem Hengst gönnte ich es freilich von ganzem Herzen, daß er jetzt so frei und leicht nebenher traben durfte.
Gegen Abend erreichten wir den Wald, in dem wir unser Lager aufschlagen sollten. Wir hatten bisher keinen einzigen Menschen getroffen, waren aber auf einiges Wild gestoßen, das uns das Material zum Abendessen lieferte. Dieses wurde unter außerordentlicher Schweigsamkeit verzehrt, und dann legten wir uns zur Ruhe.
Ich hatte die erste Wache und saß abseits der andern, an einen Baum gelehnt. Da kam Halef herbei, bückte sich über mich und fragte mit leiser Stimme:
»Sihdi, dein Herz ist betrübt; aber ist das Pferd dir lieber als dein treuer Hadschi Halef Omar?«
»Nein, Halef. Für dich würde ich zehn und noch mehr solche Pferde hingeben.«
»So tröste dich, mein guter Sihdi, denn ich bin bei dir und bleibe bei dir, und kein Haddedihn soll mich von dir wegbringen!«
Er legte seine Hand an seine Brust und streckte sich dann neben mir aus.
Da saß ich nun in stiller Nacht, und das Herz wurde mir groß und weit unter der Gewißheit, die Liebe eines Menschenkindes zu besitzen, eines Menschenkindes, dem auch meine Zuneigung gehörte. Wie glücklich muß ein Mann sein, der eine stille Heimat hat, die unerreicht ist von der Brandung der Schicksalswogen, ein Weib, dem er vertrauen darf, und ein Kind, in welchem er sein veredeltes Ebenbild heranwachsen sieht! Auch das rauhe Herz eines Weltläufers fühlt zuweilen, daß es im Innern des Menschen hinter öden, einsamen Flächen auch Höhen gibt, welche die Sonne mit ihrem Strahle vergolden und erwärmen darf.
Am andern Morgen setzten wir unsern Weg weiter fort, und es zeigte sich, daß Allo sich nicht getäuscht hatte; denn bereits noch vor Mittag lagen die Höhen des Zagros vor uns, und wir durften unsern ermüdeten Pferden eine kurze Ruhe gönnen. Wir lagerten in einem Tale, dessen steile Wände vollständig unzugänglich schienen. Wir ließen die Pferde frei weiden und lagerten uns in das hohe Gras, das so frisch und saftig war, weil das Tal von einem kleinen Bache bewässert wurde.
Lindsay lag neben mir. Er knabberte an einem Knochen herum und brummte unverständliches Zeug dazu. Er war in übler Laune.
Jetzt richtete er sich halb empor und deutete mit der Hand in die Richtung, der ich den Rücken zukehrte. Ich drehte mich um und erblickte drei Männer, die sich uns langsam näherten. Sie waren in dünnes, gestreiftes Zeug gekleidet, hatten keine Schuhe und keine Kopfbedeckung und waren nur mit einem Messer bewaffnet. Solchen armseligen Figuren gegenüber war es wohl nicht nötig, nach den Waffen zu greifen. Sie blieben vor unserer kleinen Gruppe stehen und grüßten ehrerbietig.
»Wer seid ihr?« fragte ich.
»Wir sind Kurden vom Stamme Mer Mamalli.«
»Was tut ihr hier?«
»Wir haben eine Blutrache und sind entflohen, um einen andern Stamm zu suchen, der uns Schutz gewährt. Wer seid ihr, Herr?«
»Wir sind fremde Wanderer.«
»Was tut ihr hier?«
»Wir ruhen aus.«
Der Sprecher schien diese kurzen Antworten gar nicht übel zu nehmen, sondern sagte:
»In diesem Wasser sind Fische. Erlaubst du, daß wir uns einige fangen?«
»Ihr habt ja weder Netz noch Angel!«
»Wir sind geübt, sie mit den Händen zu fangen.«
Auch ich hatte bemerkt, daß hier Forellen standen, und da ich neugierig war, zu sehen, wie man sie mit den Händen fangen könne, so sagte ich:
»Ihr habt gehört, daß wir fremd hier sind; wir können euch das Fischen nicht verwehren.«
Sofort begannen sie, mit ihren Messern Gras zu schneiden. Als sie die nötige Menge davon hatten, trugen sie Steine herbei, um eine bedeutende Krümmung des Baches abzudämmen. Zunächst wurde der untere und dann der obere Damm errichtet. Das Wasser lief ab, und nun konnte man allerdings leicht die trocken gelegten Fische ergreifen. Da die Sache trotz ihrer Einfachheit Interesse hatte, so griffen wir selbst mit zu. Der Fang war reichlich, und da die schlüpfrigen Tiere uns immer wieder entkamen, so richteten wir unsere Aufmerksamkeit mehr auf sie als auf die drei Kurden, bis plötzlich ein lauter Ruf unseres Führers erscholl:
»Herr, paß auf, sie stehlen!«
Ich blickte empor und sah die drei Kerls bereits auf unsern Pferden sitzen: der eine auf dem Hengste, der andere auf meinem Bläß und der dritte auf Lindsays Pferd. Sie sprengten, ehe die Gefährten sich von ihrem Schrecken erholen konnten, davon.
»All devils, mein Pferd!« rief Lindsay.
»Allah kerihm – Gott sei uns gnädig, der Hengst!« schrie Mohammed Emin.
»Ihnen nach!« brüllte Amad el Ghandur.
Ich war der einzige, welcher ruhig blieb. Wir hatten es hier weder mit Pferdedieben noch sonst gewandten Männern zu tun, sonst hätten sie uns nicht die andern Pferde zurückgelassen.
»Halt! Wartet!« rief ich. »Mohammed Emin, bekennst du, daß der Rapphengst wieder dein Eigentum ist?«
»Ja, Emir.«
»Gut! Wiederschenken durfte ich ihn mir nicht lassen, aber leihen kann ich ihn einmal. Willst du ihn mir auf einige Minuten borgen?«
»Er ist ja fort!«
»Sag schnell, ob du ihn mir borgst?«
»Ja, Emir.«
»So kommt mir langsam nach!«
Ich sprang auf das nächste beste Pferd und galoppierte den Spitzbuben nach. Was ich erwartet hatte, war bereits geschehen: eine Strecke weiter unten hing der eine Kurde mit Armen und Beinen auf dem Hengste, welcher die tollsten Sprünge machte, um den Dieb abzuwerfen. Ich war noch nicht ganz herangekommen, als der Kerl zu Boden flog. Der Rappe kam zurück und blieb auf meinen Zuruf bei mir halten. Schnell war ich im Sattel, ließ das andere Pferd stehen und trieb den Hengst vorwärts.
Der Kurde hatte sich wieder aufgerafft und suchte zu entkommen. Ich zog ein Pistol hervor, faßte es am Laufe und erhob die Hand. Hart an ihm vorbeisausend, bog ich mich nieder und schlug ihm den Kolben auf den bloßen Kopf, daß er niederstürzte. Nun steckte ich das Pistol wieder ein und wand den Lasso von der Hüfte. Weit unten sah ich die beiden andern reiten. Ich legte dem Rappen die Hand zwischen die Ohren:
»Rih!«
Er flog dahin, schneller als ein Vogel in der Luft. In kaum einer Minute hatte ich den hintersten erreicht.
»Halte an! Herab vom Pferde!« gebot ich ihm.
Er blickte sich um; ich sah ihn erschrecken; aber er gehorchte nicht, sondern trieb sein Pferd zu größerer Eile an. Jetzt war ich bereits in gleicher Breite mit ihm und warf, an ihm vorüberschießend, den unfehlbaren Riemen. Ein Ruck erfolgte. Ich riß ihn eine Strecke mit vorwärts und hielt dann an, um abzuspringen. Der Mann lag regungslos am Boden. Trotz der außerordentlich kurzen Zeit war er infolge der Schnelligkeit meines Pferdes eine bedeutende Strecke mit fortgerissen worden, so daß er die Besinnung verloren hatte.
Ich wand den Lasso ab, machte eine neue Schlinge, ließ den Kurden liegen, stieg wieder auf und ritt dem dritten und letzten nach. Auch ihn hatte ich bald erreicht. Das Terrain war sehr günstig, da weder rechts noch links ein Ausweg blieb. Ich gebot auch ihm, anzuhalten, fand aber kein Gehör. Da schwirrte der Lasso, und die Schlinge legte sich fest um seine Arme, welche an den Leib gezogen wurden. Noch ein paar Sprünge meines Pferdes, dann hielt ich es an; denn der Kurde lag ebenso wie der andere am Boden, nur daß er bei Besinnung war, da ich ihn nicht weit mit fortgerissen hatte.
Ich sprang ab und schlang ihm den Riemen vollends um den Leib; dann richtete ich ihn empor. Sein Pferd war zitternd stehen geblieben.
»Das also waren die Fische, die ihr fangen wolltet! Wie ist dein Name?«
Er antwortete nicht.
»Du warst ja vorhin nicht stumm. Erwarte keine Gnade, wenn du nicht antwortest! Wie heißest du?«
Er schwieg auch jetzt.
»So bleibe liegen, bis man die beiden andern bringt!«
Ich gab ihm einen Stoß, daß er, weil er sich nicht zu rühren vermochte, steif zur Erde niederfiel. Auch ich setzte mich nieder, da ich die Gefährten von oben kommen sah. In kurzer Zeit waren wir wieder beisammen, hatten unsere Pferde wieder, die Diebe dazu, und – was uns das Willkommenste war – der wackere Allo war so weise gewesen, seine Decke abzuschnallen und, während wir Jagd auf die Kurden machten, die gefangenen Fische einzuwickeln. Er hatte sie mitgebracht, und nun wurde ein Loch in die Erde gemacht und ein Feuer darüber, um sie, wenn auch ohne Wasser und Fischgewürz, genießbar zu machen.
Der gute David Lindsay hatte darob seine gute Laune wiedergefunden. In einer desto schlechteren Stimmung aber schienen sich die drei armen Teufel zu befinden, die sich das Vergnügen einer so kurzen Reitpartie gemacht hatten. Sie wagten kein Auge zu erheben.
»Warum wolltet ihr uns die Pferde nehmen?« fragte ich die Gefangenen.
»Weil wir sie so notwendig brauchen, da wir Flüchtlinge sind.«
Das war allerdings eine Entschuldigung, die ich desto mehr geneigt war, zu berücksichtigen, als der Pferdediebstahl bei den Kurden ganz und gar nicht als ein ehrloses Gewerbe gilt.
»Du bist noch jung. Hast du Eltern zurückgelassen?«
»Ja, und die andern auch; dieser hier sogar sein Weib und ein Kind.«
»Warum sprechen sie nicht?«
»Herr, sie schämen sich!«
»Du aber nicht?«
»Muß nicht einer sein, der dir antwortet?«
»Du scheinst kein übler Bursche zu sein, und da ihr mich dauert, so will ich sehen, ob ich bei meinen Gefährten für euch bitten kann.«
Das war nun allerdings ein erfolgloses Bemühen, denn alle, auch Halef und der Engländer, bestanden darauf, daß eine Strafe unbedingt nötig sei. Lindsay wollte sie durchgeprügelt sehen, ließ aber diesen Antrag fallen, als ich ihm sagte, daß dies eine entehrende Handlung sei, während der Pferderaub als eine ritterliche Tat betrachtet werde.
»Also nicht prügeln,« meinte er. »Well! Dann Schnurrbärte wegsengen! Ausgezeichnet! Pittoresk! Yes!«
Ich mußte lachen und trug den andern den Plan Lindsays vor. Sie stimmten sofort ein. Die drei Männer wurden festgehalten und hatten nach Verlauf von zwei Minuten nur noch die Brandstummel ihrer Bärte im Gesicht. Dann durften sie gehen. Keiner von ihnen hatte sich gewehrt oder ein Wort gesprochen; aber als sie uns verließen, erschrak ich über die Blicke, mit denen sie Abschied von uns nahmen.
Nach längerer Zeit machten auch wir uns zum Aufbruch bereit. Da trat Mohammed Emin zu mir heran:
»Emir, willst du mir einen Gefallen tun?«
»Welchen?«
»Ich will dir für heute meinen Rappen borgen.«
Der schlaue Mann! Er glaubte das Mittel gefunden zu haben, mich wieder mit sich auszusöhnen und mich nach und nach wieder in den Besitz des Pferdes zu bringen.
»Ich brauche ihn nicht,« antwortete ich.
»Aber es kann in jedem Augenblick die Gelegenheit kommen, ihn abermals zu gebrauchen, wie vorhin.«
»Dann werde ich dich bitten.«
»Es kann leicht sein, daß dir keine Zeit zu dieser Bitte bleibt. Reite ihn, Effendi, da ihn kein anderer reiten darf!«
»Unter der Bedingung, daß er dein Eigentum verbleibt!«
»Er soll es bleiben!«
Ich war versöhnlich gestimmt und erfüllte ihm seinen Wunsch, freilich nur mit dem festen Vorsatz, das Pferd niemals wieder anzunehmen. Ich ahnte nicht, daß es anders kommen würde.
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