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  • Текст добавлен: 8 ноября 2023, 02:10


Автор книги: Леопольд Захер-Мазох


Жанр: Иностранные языки, Наука и Образование


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«Das Leben ist doch eigentlich urkomisch», dachte ich mir, «vor kurzem hat noch das schönste Weib, Venus selbst, an deiner Brust geruht, Jetzt hast du Gelegenheit, die Hölle der Chinesen zu studieren. Wahrscheinlich haben ihre Religionsstifter auch in ungeheizten Zimmern geschlafen.»


Ich bin heute Nacht mit einem Schrei aus dem Schlaf aufgeschreckt. Ich habe von einem Eisfeld geträumt, auf dem ich mich vergebens den Ausweg suchte. Plötzlich kam ein Eskimo in einem mit Rentier bespannten Schlitten. Er hatte das Gesicht des Garçons, der mir das ungeheizte Zimmer angewiesen.

«Was suchen Sie hier, Monsieur?» rief er, «hier ist der Nordpol.»

Im nächsten Augenblicke war er verschwunden. Wanda flog auf kleinen Schlittschuhen über die Eisfläche heran. Ihr weißer Atlasrock flatterte und knisterte. Der Hermelin ihrer Jacke und Mütze, vor allem aber ihr Antlitz schimmerte weißer, als der weiße Schnee. Sie schoss auf mich zu, schloss mich in ihre Arme und begann mich zu küssen. Plötzlich fühlte ich mein warmes Blut.

«Was tust du?» fragte ich entsetzt.

Sie lachte. Wie ich sie jetzt ansah, war es nicht mehr Wanda, sondern eine große weiße Bärin. Sie bohrte ihre Tatzen in meinen Leib.

Ich schrie verzweifelt auf und hörte ihr teuflisches Gelächter noch. Als ich erwacht war, sah ich erstaunt das Zimmer herum.


Früh am Morgen stand ich bereits an Wandas Tür. Als der Garçon den Kaffee brachte, nahm ich ihm denselben und servierte ihn meiner schönen Herrin. Sie hat bereits Toilette gemacht und sah prächtig aus, frisch und rosig. Sie lächelte mir freundlich zu und rief mich zurück, als ich mich respektvoll entfernen wollte.

«Nimm auch rasch dein Frühstück, Gregor», sprach sie, «wir gehen dann sofort Wohnungen suchen. Ich will so kurz als möglich im Hotel bleiben. Hier sind wir furchtbar geniert. Wenn ich etwas länger mit dir plaudre, heißt es gleich: die Russin hat mit ihrem Bedienten ein Liebesverhältnis. Man sieht, die Rasse der Katharina stirbt nicht aus.»

Eine halbe Stunde später gingen wir aus. Wanda in ihrem Tuchkleide, ihrer russischen Mütze, ich in meinem Krakauerkostüm. Wir erregten Aufsehen. Ich ging etwa zehn Schritte entfernt hinter ihr und machte ein finsteres Gesicht, während ich jede Sekunde in lautes Lachen auszubrechen fürchtete. Es gab kaum eine Straße, in der nicht an einem der hübschen Häuser eine kleine Tafel mit dem «Camere ammobiliate «prangte. Wanda sendete mich jedesmal die Treppe hinauf. Nur wenn ich die Meldung machte, dass die Wohnung ihren Absichten zu entsprechen scheine, stieg sie selbst empor. So war ich um Mittag herum bereits so müde, wie ein Jagdhund nach einer Parforcejagd.

Wieder traten wir in ein Haus und wieder verließen wir es. Wanda war bereits etwas ärgerlich. Plötzlich sagte sie zu mir: «Severin, der Ernst, mit dem du deine Rolle spielst, ist reizend. Der Zwang regt mich geradezu auf. Ich halte es nicht mehr aus, du bist zu lieb, ich muss dir einen Kuss geben. Komm in ein Haus hinein.»

«Aber gnädige Frau —» wendete ich ein.

«Gregor!» sie trat in die nächste offene Flur, ging einige Stufen der dunklen Stiege hinauf. Sie schlang dann mit heißer Zärtlichkeit die Arme um mich und küsste mich.

«Ach! Severin, du warst sehr klug. Du bist als Sklave weit gefährlicher, als ich dachte. Ja, ich finde dich unwiderstehlich. Ich fürchte, ich werde mich noch einmal in dich verlieben.»

«Liebst du mich denn nicht mehr?» fragte ich erschrocken.

Sie schüttelte ernsthaft den Kopf, küsste mich aber wieder mit ihren schwellenden, köstlichen Lippen.

Wir kehrten in das Hotel zurück. Wanda nahm das Gabelfrühstück und gebot mir, ebenfalls rasch etwas zu essen. Ich wurde aber selbstverständlich nicht so rasch bedient, wie sie. So geschah es, dass ich eben den zweiten Bissen meines Beefsteaks zum Mund führte, als der Garçon eintrat und mit seiner theatralischen Geste rief:

«Sofort zu Madame.»

Ich nahm einen raschen und schmerzlichen Abschied von meinem Frühstück und eilte müde und hungrig zu Wanda. Sie stand bereits in der Straße.

«Für so grausam habe ich Sie doch nicht gehalten, Herrin», sagte ich vorwurfsvoll, «dass Sie mich nicht einmal ruhig essen lassen.»

Wanda lachte herzlich. «Ich dachte, du bist fertig», sprach sie, «aber es ist auch so gut. Der Mensch ist zum Leiden geboren und du ganz besonders. Die Märtyrer haben auch keine Beefsteaks gegessen.»

Ich folgte ihr grollend, in meinen Hunger verbissen.

«Ich habe die Idee, eine Wohnung in der Stadt zu nehmen, aufgegeben», fuhr Wanda fort, «man findet schwer ein ganzes Stockwerk, in dem man abgeschlossen ist und tun kann, was man will. Bei einem so seltsamen, phantastischen Verhältnis muss alles zusammenstimmen. Ich werde eine ganze Villa mieten. Nun, warte nur, du wirst erstaunen. Ich erlaube dir jetzt, dich satt zu essen und dich dann etwas in Florenz umzusehen. Vor dem Abend komme ich nicht nach Hause. Wenn ich dich dann brauche, lasse ich dich schon rufen.»


Ich habe den Dom gesehen, den Palazzo vecchio, die Loggia di Lanzi. Ich bin dann lange am Arno gestanden. Immer wieder ließ ich meinen Blick auf dem herrlichen, altertümlichen Florenz ruhen. Runde Kuppeln und Türme zeichneten sich weich in den blauen, wolkenlosen Himmel. Durch prächtige Brücke trieb der schöne, gelbe Fluss seine lebhaften Wellen. Auf den grünen Hügeln standen schlanke Zypressen und weitläufige Gebäude, Paläste oder Klöster. Es ist eine andere Welt, in der wir uns befinden. Eine heitere, sinnliche und lachende. Auch die Landschaft hat nichts von dem Ernst, der Schwermut der unseren. Da ist weithin, bis zu den letzten weißen Villen. Die Menschen sind weniger ernst, wie wir, und mögen weniger denken. Sie sehen aber alle aus, wie wenn sie glücklich wären. Man behauptet auch, dass man im Süden leichter stirbt.

Mir ahnt jetzt, dass es eine Schönheit ohne Stachel und eine Sinnlichkeit ohne Qual gibt.

Wanda hat eine allerliebste kleine Villa auf einem der reizenden Hügel an dem linken Ufer des Arno, gegenüber der Cascine, entdeckt. Sie hat sie für den Winter gemietet. Sie liegt in einem hübschen Garten mit reizenden Laubgängen, Grasplätzen und einer herrlichen Camelienflur. Sie hat nur ein Stockwerk und ist im italienischen Stile im Viereck erbaut. Die eine Front entlang läuft eine offene Galerie, eine Art Loggia mit Gipsabgüssen antiker Statuen, von der steinerne Stufen in den Garten hinabführen. Aus der Galerie gelangt man in ein Badezimmer mit einem herrlichen Marmorbassin, aus dem eine Wendeltreppe in das Schlafzimmer der Herrin führt. Wanda bewohnt das erste Stockwerk allein.

Mir wurde ein Zimmer ebener Erde angewiesen. Es ist sehr hübsch und hat sogar einen Kamin.

Ich habe den Garten durchstreift und auf einem runden Hügel einen kleinen Tempel entdeckt. Das Tor war geschlossen. Aber es hat eine Ritze. Wie ich das Auge an dieselbe lege, sehe ich auf weißem Piedestal die Liebesgöttin stehen. Mich ergreift ein leiser Schauer. Mir ist, als lächle sie mir zu: «Bist du da? Ich habe dich erwartet.»


Es ist Abend. Eine hübsche kleine Zofe bringt mir den Befehl, vor der Herrin zu erscheinen. Ich steige die breite Marmortreppe empor, gehe durch den Vorsaal, einen großen prachtvoll eingerichteten Salon. Ich klopfe an die Tür des Schlafzimmers. Ich klopfe sehr leise, denn der Luxus beängstigt mich. So werde ich nicht gehört und stehe einige Zeit vor der Tür. Mir ist zumute, als stände ich vor dem Schlafgemach der großen Katharina.

Ich klopfe wieder. Wanda reißt ungeduldig den Flügel auf.

«Warum so spät?» fragt sie.

«Ich stand vor der Tür. Du hast mein Klopfen nicht gehört», entgegnete ich schüchtern. Sie schließt die Tür, hängt sich in mich ein und führt mich zu der rotdamastenen Ottomane. Die ganze Einrichtung des Zimmers, Tapeten, Vorhänge, Portieren, Himmelbett, alles ist von rotem Damast. Die Decke bildet ein herrliches Gemälde, Simson und Delila.

Wanda empfängt mich in einem betörenden Deshabillee. Das weiße Atlasgewand fließt leicht und malerisch an ihrem schlanken Leib herab. Es lässt Arme und Büste bloß. Sie schmiegen sich weich und nachlässig in dem dunklen Fell des großen grünsamtenen Zobelpelzes. Ihr rotes Haar fällt, halb offen, von Schnüren schwarzer Perlen gehalten, über den Rücken bis zur Hüfte herab.

«Venus im Pelz», flüstre ich, während sie mich an ihre Brust zieht. Dann spreche ich kein Wort mehr und denke auch nicht mehr. Alles geht unter in einem Meer nie geahnter Seligkeit.

Wanda macht sich endlich sanft los und betrachtete sich. Ich war zu ihren Füßen herabgesunken. Sie zog mich an sich und spielte mit meinem Haar.

«Liebst du mich noch?» fragte sie, ihr Auge verschwamm in süßer Leidenschaft.

«Du fragst!» rief ich.

«Erinnerst du dich noch deines Schwures», fuhr sie mit einem reizenden Lächeln fort. «Nun ist alles bereit. Ich frage dich noch einmal: ist es wirklich dein Ernst, mein Sklave zu werden?»

«Bin ich es denn nicht bereits?» fragte ich erstaunt.

«Du hast die Dokumente noch nicht unterschrieben.»

«Dokumente – was für Dokumente?»

«Ah! ich sehe, du denkst nicht mehr daran», sagte sie, «also lassen wir es bleiben.»

«Aber Wanda», sprach ich, «du weißt ja, dass ich keine größere Seligkeit kenne, als dir zu dienen, dein Sklave zu sein. Ich kann alles um das Gefühl geben, mich ganz in deiner Hand zu wissen, mein Leben sogar —»

«Wie du schön bist», flüsterte sie, «wenn du so begeistert bist, wenn du so leidenschaftlich sprichst. Ach! Ich bin mehr als je in dich verliebt. Und da soll ich herrisch sein gegen dich und strenge und grausam. Ich fürchte, ich werde es nicht können.»

«Es stört mich nicht», entgegnete ich lächelnd, «wo hast du also die Dokumente?»

«Hier», sie zog sie halb verschämt aus ihrem Busen hervor und reichte sie mir. «Damit du das Gefühl hast, ganz in meiner Hand zu sein, habe ich noch ein zweites Dokument aufgesetzt. Darin erklärst du, dass du entschlossen bist, dir das Leben zu nehmen. Ich kann dich dann sogar töten, wenn ich will.»

«Gib.»

Während ich die Dokumente entfaltete, holte Wanda Tinte und Feder. Dann setzte sie sich zu mir, legte den Arm um meinen Nacken und blickte über meine Schultern in das Papier.

Das erste lautete:

«Vertrag zwischen Frau Wanda von Dunajew und Herrn Severin von Kusiemski.»

Herr Severin von Kusiemski hört mit dem heutigen Tage auf, der Bräutigam der Frau Wanda von Dunajew zu sein. Er verzichtet auf alle seine Rechte als Geliebter. Er verpflichtet sich dagegen mit seinem Ehrenworte als Mann und Edelmann, fortan der Sklave derselben zu sein und zwar solange sie ihm nicht selbst die Freiheit zurückgibt. Er hat als der Sklave der Frau von Dunajew den Namen Gregor zu führen. Er muss unbedingt jeden ihrer Wünsche erfüllen, jedem ihrer Befehle gehorchen, seiner Herrin mit Unterwürfigkeit begegnen, jedes Zeichen ihrer Gunst als eine außerordentliche Gnade ansehen.

Frau von Dunajew darf ihren Sklaven nicht allein bei dem geringsten Versehen oder Vergehen nach Gutdünken strafen. Sondern sie hat auch das Recht, ihn nach Laune oder nur zu ihrem Zeitvertreib zu mißhandeln, wie es ihr eben gefällt. Ja darf sie sogar töten, wenn es ihr beliebt, kurz. Er ist ihr unbeschränktes Eigentum.

Sollte Frau von Dunajew ihrem Sklaven je die Freiheit schenken, so hat Herr Severin von Kusiemski alles, was er als Sklave erfahren oder erduldet, zu vergessen und nie und niemals, unter keinen Umständen und in keiner Weise an Rache oder Wiedervergeltung zu denken.

Frau von Dunajew verspricht dagegen, als seine Herrin so oft als möglich im Pelz zu erscheinen, besonders, wenn sie gegen ihren Sklaven grausam sein wird.

Unter dem Vertrag stand das Datum des heutigen Tages. Das zweite Dokument enthielt nur wenige Worte.

«Seit Jahren des Daseins und seiner Täuschungen überdrüssig, habe ich meinem wertlosen Leben freiwillig ein Ende gemacht.»

Mich fasste ein tiefes Grauen, als ich zu Ende war. Noch war es Zeit, noch konnte ich zurück, aber der Wahnsinn der Leidenschaft, der Anblick des schönen Weibes rissen mich fort.

«Dieses hier musst du zuerst abschreiben, Severin», sprach Wanda. «Es muss vollkommen in deinen Schriftzügen abgefasst sein. Bei dem Vertrag ist das natürlich nicht nötig.»

Ich kopierte rasch die wenigen Zeilen, in denen ich mich als Selbstmörder bezeichnete, und gab sie Wanda. Sie las und legte sie dann lächelnd auf den Tisch.

«Nun, hast du den Mut, das zu unterzeichnen?» fragte sie, den Kopf neigend, mit einem feinen Lächeln.

Ich nahm die Feder.

«Lass mich zuerst», sprach Wanda. «Dir zittert die Hand, fürchtest du dich so sehr vor deinem Glück?»

Sie nahm den Vertrag und die Feder. Ich blickte im Kampf mit mir selbst einen Augenblick empor. Jetzt erst fiel mir, wie auf vielen Gemälden italienischer und holländischer Schule, der durchaus unhistorische Charakter des Deckengemäldes auf, der unheimliches Gepräge gab. Delila, eine üppige Dame mit flammendem roten Haare, liegt halb nackt in einem dunklen Pelzmantel auf einer roten Ottomane und beugt sich lächelnd zu Simson herab. Ihr Lächeln ist in seiner spöttischen Koketterie von wahrhaft infernalischer Grausamke. Ihr Auge begegnet jenem Simsons. Es hängt noch im letzten Blick mit wahnsinniger Liebe an dem ihren. Denn schon kniet ein Feind auf seiner Brust, bereit, ihm das glühende Eisen hineinzustoßen.

«So —» rief Wanda, «du bist ja ganz verloren. Was hast du nur, es bleibt ja doch alles beim Alten. Auch wenn du unterschrieben hast, kennst du mich denn noch immer nicht, Herzchen?»

Ich blickte in den Vertrag. Da stand in großen Zügen ihr Name. Noch einmal schaute ich in ihr zauberkräftiges Auge. Dann nahm ich die Feder und unterschrieb rasch den Vertrag.

«Du hast gezittert», sprach Wanda ruhig, «soll ich dir die Feder führen?» Sie fasste sanft meine Hand, und da stand mein Name auch auf dem zweiten Papier. Wanda sah beide Dokumente noch einmal an und schloß sie dann in den Tisch.

«So – nun gib mir noch deinen Pass und dein Geld.»

Ich ziehe meine Brieftasche hervor und reiche sie ihr. Sie blickt hinein, nickt und legt sie zu dem Übrigen, während ich mein Haupt in süßer Trunkenheit an ihrer Brust ruhen lasse.

Da stößt sie mich plötzlich mit dem Fuß von sich, springt auf und zieht die Glocke. Drei junge, schlanke Negerinnen ganz in roten Atlas gekleidet, treten herein. Jetzt begreife ich auf einmal meine Lage und will mich erheben. Aber Wanda, ihr kaltes, schönes Antlitz steht von mir als Herrin. Sie winkt mit der Hand. Ich weiß noch nicht, was mit mir geschieht. Mich haben die Negerinnen zu Boden gerissen, mir Beine und Hände fest zusammengeschnürt und die Arme auf den Rücken gebunden. So kann ich mich kaum bewegen.

«Gib mir die Peitsche, Haydée», befiehlt Wanda mit unheimlicher Ruhe.

Die Negerin reicht sie kniend der Gebieterin.

«Und nimm mir den schweren Pelz ab», fährt diese fort, «er hindert mich.»

Die Negerin gehorchte.

«Die Jacke dort!» befahl Wanda weiter.

Wanda schlüpfte mit zwei unnachahmlich reizenden Bewegungen hinein.

«Bindet ihn an die Säule hier.»

Die Negerinnen heben mich auf, schlingen ein dickes Seil um meinen Leib und binden mich an eine massive Säule des breiten italienischen Bettes.

Dann sind sie auf einmal verschwunden.

Wanda tritt rasch auf mich zu. Das weiße Atlasgewand fließt ihr in langer Schleppe wie Silber, wie Mondlicht nach. Ihre Haare lodern gleich Flammen auf dem weißen Pelz der Jacke. Jetzt steht sie vor mir. Die linke Hand in die Seite gestemmt, in der Rechten die Peitsche. Sie stößt ein kurzes Lachen aus.

«Jetzt hat das Spiel zwischen uns aufgehört», spricht sie mit herzloser Kälte. «Jetzt ist es Ernst, du Tor! Ich verlache und verachte dich. Du bist nicht mehr mein Geliebter, sondern mein Sklave, auf Tod und Leben meiner Willkür preisgegeben. Du sollst mich kennen lernen! Vor allem wirst du mir jetzt einmal im Ernst die Peitsche kosten, ohne dass du etwas verschuldet hast. Du begreifst, was dich erwartet, wenn du dich ungeschickt, ungehorsam oder widerspenstig zeigst.»

Sie schürzte hierauf mit wilder Grazie den pelzbesetzten Ärmel auf und hieb mich über den Rücken.

Ich zuckte zusammen. Die Peitsche schnitt wie ein Messer in mein Fleisch.

«Nun, wie gefällt dir das?» rief sie.

Ich schwieg.

«Warte nur, du sollst mir noch wie ein Hund wimmern unter der Peitsche», drohte sie und begann mich zugleich zu peitschen.

Die Hiebe fielen rasch und dicht, mit entsetzlicher Gewalt auf meinen Rücken, meine Arme, meinen Nacken. Ich biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Jetzt traf sie mich ins Gesicht. Das warme Blut rann mir herab. Sie lachte aber und peitschte fort.

«Jetzt erst verstehe ich dich», rief sie dazwischen. «Es ist wirklich ein Genuss, einen Menschen so in seiner Gewalt zu haben. Noch dazu einen Mann, der mich liebt – du liebst mich doch? – Nicht – Oh! Ich zerfleische dich noch, so wächst mir bei jedem Hieb das Vergnügen. Nun krümme dich doch ein wenig, schreie, wimmere! Bei mir sollst du kein Erbarmen finden.»

Endlich scheint sie müde.

Sie wirft die Peitsche weg, streckt sich auf der Ottomane aus und klingelt.

Die Negerinnen treten ein.

«Bindet ihn los.»

Wie sie mir das Seil lösen, schlage ich wie ein Stück Holz zu Boden. Die schwarzen Weiber lachen und zeigen die weißen Zähne.

«Löst ihm die Stricke an den Füßen.»

Es geschieht. Ich kann mich erheben.

«Komm zu mir, Gregor.»

Ich nähere mich dem schönen Weib, das mir noch nie so verführerisch erschien wie heute in seiner Grausamkeit, in seinem Höhne. «Noch einen Schritt», gebietet Wanda, «knie nieder und küsse mir den Fuß.»

Sie streckt den Fuß unter dem weißen Atlassaum hervor. Ich presse meine Lippen darauf.

«Du wirst mich jetzt einen ganzen Monat nicht sehen, Gregor», spricht sie ernst, «damit werde ich dir fremd. Du findest dich leichter in deine neue Stellung mir gegenüber. Du wirst in dieser Zeit im Garten arbeiten und meine Befehle erwarten. Und nun marsch, Sklave!»


Ein Monat ist in monotoner Regelmäßigkeit, in schwerer Arbeit, in schwermütiger Sehnsucht vergangen. In Sehnsucht nach ihr, die mir alle diese Leiden bereitet. Ich bin dem Gärtner zugewiesen. Ich helfe ihm die Bäume, die Hecken stutzen, die Blumen umsetzen, die Beete umgraben, die Kieswege kehren. Ich teile seine grobe Kost und sein hartes Lager. Ich bin mit den Hühnern auf und gehe mit den Hühnern zur Ruhe. Ich höre von Zeit zu Zeit, dass unsere Herrin sich amüsiert. Sie ist von Anbetern umringt. Einmal höre ich sogar ihr mutwilliges Lachen bis in den Garten.

Ich komme mir so dumm vor. Bin ich es bei diesem Leben geworden. War ich es schon vorher? Der Monat geht zu Ende übermorgen. Was wird sie nun mit mir beginnen? Hat sie mich vergessen? Kann ich bis zu meinem seligen Ende Hecken stutzen und Bukette binden?

Ein schriftlicher Befehl.

«Der Sklave Gregor wird hiermit zu meinem persönlichen Dienst befohlen.

Wanda Dunajew

Mit klopfendem Herzen teile ich am nächsten Morgen die damastene Gardine und trete in das Schlafgemach meiner Göttin.

«Bist du es, Gregor?» fragt sie, während ich vor dem Kamin Knie und Feuer mache. Ich erzitterte bei dem Ton der geliebten Stimme. Sie selbst kann ich nicht sehen. Sie ruht hinter den Vorhängen des Himmelbettes.

«Ja, gnädige Frau», antworte ich.

«Wie spät?»

«Neun Uhr vorbei.»

«Das Frühstück.»

Ich eile es zu holen und knie dann mit dem Kaffeebrett vor ihrem Bett nieder.

«Hier ist das Frühstück, Herrin.»

Wanda schlägt die Vorhänge zurück. Sie erscheint mir im ersten Augenblick vollkommen fremd, ein schönes Weib. Aber die geliebten Züge sind es nicht. Dieses Antlitz ist hart und hat einen unheimlichen Ausdruck von Müdigkeit, von Übersättigung.

Oder habe ich für dies alles früher kein Auge gehabt?

Sie heftet die grünen Augen mehr neugierig als drohend oder etwa mitleidig auf mich und zieht den dunklen Schlafpelz herauf.

In diesem Augenblick ist sie so reizend, dass ich mein Blut zu Kopf und Herzen steigen fühle. Und das Brett schwankt in meiner Hand. Sie bemerkt es und greift nach der Peitsche.

«Du bist ungeschickt, Sklave», sagte sie.

Ich senke den Blick zur Erde und halte das Brett, so fest ich nur kann. Sie nimmt ihr Frühstück und und dehnt ihren üppigen Körper in dem herrlichen Pelz.


Sie hat geklingelt. Ich trete ein.

«Diesen Brief an den Fürsten Corsini.»

Ich eile in die Stadt, übergebe den Brief dem Fürsten, einem jungen schönen Mann mit glühenden schwarzen Augen, und bringe ihr die Antwort. Ich war von Eifersucht verzehrt.

«Was ist dir?» fragt sie. «Du bist so entsetzlich bleich.»

«Nichts, Herrin, ich bin nur etwas rasch gegangen.»


Beim Dejeuner ist der Fürst an ihrer Seite. Und ich bin verurteilt, sie und ihn zu bedienen. Einen Augenblick wird es mir schwarz vor den Augen. Ich schenke eben Bordeaux in sein Glas und schütte ihn über das Tischtuch, über ihre Robe.

«Wie ungeschickt», ruft Wanda und gibt mir eine Ohrfeige. Der Fürst lacht und sie lacht gleichfalls. Mir schießt das Blut ins Gesicht.


Nach dem Dejeuner fährt sie in die Cascine. Sie kutschiert selbst den kleinen Wagen mit den hübschen englischen Braunen. Ich sitze hinter ihr und sehe wie sie kokettiert und lächelnd dankt, wenn sie von einem der vornehmen Herren gegrüßt wird.

Wie ich ihr aus dem Wagen helfe, stützt sie sich leicht auf meinen Arm. Die Berührung durchzuckt mich elektrisch. Ach! Das Weib ist doch wunderbar und ich liebe sie mehr als je.


Zum Mittagessen um sechs abends ist eine kleine Gesellschaft von Damen und Herren da. Ich serviere. Diesmal schütte ich keinen Wein über das Tischtuch.

Eine Ohrfeige ist doch eigentlich mehr als zehn Vorlesungen. Man begreift so schnell, besonders wenn es eine kleine volle Frauenhand ist.


Nach dem Mittagessen fährt sie in die Pergola. Sie kommt die Treppe in ihrem schwarzen Samtkleid hinab. Sie hat ein Diadem aus weißen Rosen im Haar. Sie sieht wahrhaft blendend aus. Ich öffne den Schlag, helfe ihr in den Wagen. Vor dem Theater springe ich vom Bock. Sie stützt sich beim Aussteigen auf meinen Arm. Ich öffne ihr die Tür der Loge und warte dann im Gang. Vier Stunden dauert die Vorstellung. Ich beiße die Zähne vor Wut zusammen.


Es ist weit über Mitternacht, als die Klingel der Herrin zum letzten Male tönt.

«Feuer!» befiehlt sie kurz, «Tee«.

Als ich mit dem Samowar zurückkehre, hat sie sich bereits entkleidet und schlüpft eben mit Hilfe der Negerin in ihr weißes Negligé. Haydée entfernt sich hierauf.

«Gib mir den Schlafpelz», sagt Wanda. Ich hebe ihn vom Fauteuil und halte ihn. Dann wirft sie sich in die Polster der Ottomane.

«Ziehe mir die Schuhe aus und dann die Samtpantoffeln an.» Ich knie nieder und ziehe an dem kleinen Schuh.

«Rasch! rasch!» ruft Wanda, «du tust mir weh! Warte nur – ich werde dich noch lehren.» Sie schlägt mich mit der Peitsche. «Und jetzt marsch!» noch ein Fußtritt – dann darf ich zur Ruhe gehen.


Heute habe ich sie zu einer Soirée begleitet. Im Vorzimmer befahl sie mir, ihr den Pelz abzunehmen. Dann trat sie mit einem stolzen Lächeln ihres Sieges. Ich konnte wieder Stunde auf Stunde in trüben einförmigen Gedanken verrinnen sehen. Von Zeit zu Zeit tönte Musik zu mir heraus, wenn die Tür einen Augenblick geöffnet blieb. Ein paar Lakaien versuchten ein Gespräch mit mir einzuleiten. Da ich aber nur wenige Worte italienisch spreche, gaben sie es bald auf.

Ich schlafe endlich ein und träume, dass ich Wanda in einem wütenden Anfall von Eifersucht morde und zum Tode verurteilt werde. Ich sehe mich an das Brett geschnallt. Das Beil fällt. Ich fühle es im Nacken, aber ich lebe noch – Da schlägt mich der Henker ins Gesicht – Nein, es ist nicht der Henker, es ist Wanda, welche zornig vor mir steht und ihren Pelz verlangt. Ich bin im Augenblick bei ihr und helfe ihr hinein.

Es ist doch ein Genuss, einem schönen üppigen Weib in den. köstlichen weichen Fellen. Dann ist es um die Sinne zu verlieren, wenn sie ihn abwirft und die holde Wärme und ein leichter Duft ihres Leibes an den goldenen Haarspitzen des Zobels hängen.


Endlich ein Tag ohne Gäste, ohne Theater, ohne Gesellschaft. Ich atme auf. Wanda sitzt in der Galerie und liest. Für mich scheint sie keinen Auftrag zu haben.

Mit der Dämmerung zieht sie sich zurück. Ich bediene sie beim Mittagessen. Sie speist allein, aber sie hat keinen Blick, keine Silbe für mich, nicht einmal – eine Ohrfeige. Ach! Wie sehne ich mich nach einem Schlag von ihrer Hand. Mir kommen die Tränen. Ich fühle, wie tief sie mich erniedrigt hat, so tief, dass sie es nicht einmal der Mühe wert findet mich zu quälen. Ehe sie zu Bett geht, ruft mich ihre Klingel.

«Du wirst heute Nacht bei mir schlafen. Ich habe die vorige Nacht abscheuliche Träume gehabt. Ich fürchte mich, allein zu sein. Nimm dir ein Polster von der Ottomane und lege dich auf das Bärenfell zu meinen Füßen.»

Hierauf verlöschte Wanda die Lichter, so dass nur eine kleine Ampel von der Decke das Zimmer beleuchtete. Sie stieg in das Bett. «Rühre dich nicht, damit du mich nicht weckst.»

Ich tat es, aber ich konnte lange nicht einschlafen. Ich sah das schöne Weib, schön wie eine Göttin, in ihrem dunklen Schlafpelz ruhen. Sie lag auf dem Rücken. Die Arme unter dem Nacken, von ihren roten Haaren überflutet. Ich hörte, wie sich ihre herrliche Brust in tiefem regelmäßigen Atemholen hob. Jedesmal, wenn sie sich nur regte, war ich wach und lauschte, ob sie braucht etwas. Aber sie bedurfte meiner nicht.

Ich hatte keine andere Aufgabe zu erfüllen, keine höhere Bedeutung für sie, als ein Nachtlicht oder ein Revolver, den man sich zum Bett legt. Bin ich toll oder ist sie es? Entspringt dies alles in einem mutwilligen Frauengehirn, in der Absicht, meine übersinnlichen Phantasien zu übertreffen? Oder ist dies Weib wirklich eine jener neurotischen Naturen? Sie findet einen teuflischen Genuss darin, Menschen unter dem Fuß zu haben? Was habe ich erlebt!

Als ich mit dem Kaffeebrett vor ihrem Bett niederkniete, legte Wanda plötzlich die Hand auf meine Schulter und tauchte ihre Augen tief in die meinen.

«Was du für schöne Augen hast», sprach sie leise, «und jetzt erst recht, seitdem du leidest. Bist du recht unglücklich?»

Ich senkte den Kopf und schwieg.

«Severin! liebst du mich noch», rief sie plötzlich leidenschaftlich, «kannst du mich noch lieben «und sie riß mich mit solcher Gewalt an sich, dass das Brett umklappte. Die Kannen und Tassen fielen zu Boden. Der Kaffee lief über den Teppich.

«Wanda – meine Wanda», schrie ich auf und presste sie heftig an mich und bedeckte ihren Mund, ihr Antlitz, ihre Brust mit Küssen. «Das ist ja mein Elend, dass ich dich immer mehr, immer wahnsinniger liebe. Je mehr du mich misshandelst, je öfter du mich verratest! Oh! Ich werde noch sterben vor Schmerz und Liebe und Eifersucht.»

«Aber ich habe dich ja noch gar nicht verraten, Severin», erwiderte Wanda lächelnd.

«Nicht? Wanda! Um Gottes willen! Scherze nicht so unbarmherzig mit mir», rief ich. «Habe ich nicht selbst den Brief zum Fürsten —»

«Allerdings, eine Einladung zum Dejeuner.»

«Du hast, seitdem wir in Florenz sind —»

«Dir die Treue vollkommen bewahrt», entgegnete Wanda, «ich schwöre es dir bei allem, was mir heilig ist. Ich habe alles nur getan, um deine Phantasie zu erfüllen, nur deinetwegen.

Aber ich werde mir einen Anbeter nehmen, sonst ist die Sache nur halb. Und du machst mir am Ende noch Vorwürfe, dass ich nicht grausam genug gegen dich war. Mein lieber, schöner Sklave! Heute aber sollst du wieder einmal Severin. Sollst du ganz nur mein Geliebter sein? Ich habe deine Kleider nicht fortgegeben. Du findest sie hier im Kasten. Ziehe dich so an, wie du damals in dem kleinen Karpatenbade warst. Wir liebten uns so innig da. Vergiss alles, was seitdem geschehen ist! O, du vergisst es leicht in meinen Armen. Ich küsse dir allen Kummer weg.»

Sie begann mich wie ein Kind zu zärteln, zu küssen, zu streicheln. Endlich bat sie mit holdem Lächeln: «Zieh dich jetzt an. Ich will auch Toilette machen. Soll ich meine Pelzjacke nehmen? Ja, ja, ich weiß schon, geh nur!»

Als ich zurückkam, stand sie in der Mitte des Zimmers in ihrer weißen Atlasrobe, das Haar weiß gepudert, ein kleines Diamantendiadem über der Stirn. Einen Augenblick erinnerte sie mich unheimlich an Katharina II. Aber sie ließ mir keine Zeit zu Erinnerungen. Sie zog mich zu sich auf die Ottomane. Wir verbrachten zwei selige Stunden. Sie war jetzt nicht die strenge, launische Herrin. Sie war ganz nur die feine Dame, die zärtliche Geliebte. Sie zeigte mir Photographien, Bücher. Sie sprach mit mir über sie mit so viel Geist und Klarheit und Geschmack, dass ich mehr als einmal entzückt ihre Hand an die Lippen führte. Sie ließ mich dann ein paar Gedichte von Lermontow vortragen. Als ich recht im Feuer war, legte sie die kleine Hand liebevoll auf die meine. Sie fragte sanft blickend: «Bist du glücklich?»

«Noch nicht.»

Sie legte sich hierauf in die Polster zurück und öffnete langsam ihre Veste. Ich aber deckte den Hermelin rasch wieder über ihre Brust. «Du machst mich wahnsinnig», stammelte ich.

«So komm.»

Schon lag ich in ihren Armen, schon küsste sie mich wie eine Schlange mit der Zunge. Da flüsterte sie noch einmal: «Bist du glücklich?»

«Unendlich!» rief ich.

Sie lachte auf. Es war ein böses, gellendes Gelächter, bei dem es mich kalt überrieselte.

«Früher träumtest du, der Sklave, das Spielzeug eines schönen Weibes zu sein. jJetzt bildest du dir ein, ein freier Mensch, ein Mann, mein Geliebter zu sein, du Tor! Ein Wink von mir, und du bist wieder Sklave. – Auf die Knie.»

Ich sank von der Ottomane herab zu ihren Füßen. Mein Auge hing noch zweifelnd an dem ihren.

«Du kannst es nicht glauben», sprach sie, «ich langweile mich, und du bist eben gut genug, mir ein paar Stunden die Zeit zu vertreiben. Sieh mich nicht so an —»

Sie trat mich mit dem Fuß.

«Du bist eben, was ich will, ein Mensch, ein Ding, ein Tier —» Sie klingelte.

Die Negerinnen traten ein.

«Bindet ihm die Hände auf den Rücken.»

Ich blieb knien und ließ es ruhig geschehen. Dann führten sie mich in den Garten bis zu dem kleinen Weinberg. Zwischen den Traubengeländen war Mais angebaut. Seitwärts stand ein Pflug.

Die Negerinnen banden mich an einen Pflock. Sie unterhielten sich damit, mich mit ihren goldenen Haarnadeln zu stechen. Es dauerte jedoch nicht lange. So kam Wanda, die Hermelinmütze auf dem Kopf, die Hände in den Taschen ihrer Jacke. Sie ließ mich losbinden und mich in den Pflug spannen.


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