Автор книги: Генрих фон Фосслер
Жанр: Зарубежная образовательная литература, Наука и Образование
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4. Selbstzeugnisse württembergischer Kriegsteilnehmer
Aus dem frühen 19. Jahrhundert ist eine deutlich größere Zahl an soldatischen Selbstzeugnissen (v. a. Briefe, Tagebücher, Erinnerungen) überliefert als aus früheren Epochen der europäischen Geschichte.[88]88
Als soldatische „Selbstzeugnisse“ werden im Folgenden autobiografische Texte bezeichnet, die von den jeweiligen Feldzugsteilnehmern bewusst und freiwillig verfasst worden sind, um über ihre Person Auskunft zu geben. Fast immer thematisieren sie explizit die Person des schreibenden Ich (Krusenstjern). Soldatische Selbstzeugnisse zählen zur Quellengattung der Ego-Dokumente. Zur – umstrittenen – Terminologie Selbstzeugnis/ Ego-Dokument vgl. bes. Krusenstjern 1994; Schulze 1996; Rutz 2002; von Greyerz 2010. Zu den „subjektiven Zeugnissen“ aus der Zeit um 1800 vgl. bes. Planert 2007, hier S. 29 – 56. Zu soldatischen Selbstzeugnissen vgl. Epkenhans/ Förster/ Hagemann 2006.
[Закрыть] Dies hat viele Gründe.[89]89
Zum Folgenden vgl. Epkenhans/ Förster/ Hagemann 2006, S. XI–XII (Einführung).
[Закрыть] Ein wichtiger Faktor war, dass durch die lange Dauer der französischen Revolutionskriege und der napoleonischen Kriege die Zahl der Militärangehörigen stark angestiegen war. Daneben spielte eine Rolle, dass sich in vielen Staaten in der Zeit um 1800 die soziale Zusammensetzung der Heere verändert hatte. Die Einführung der „levée en masse“ in Frankreich im Jahr 1793 und die Verbreitung der Konskription in den französisch dominierten Teilen Europas bedingten, dass in größerer Zahl Bürgerliche Militärdienst leisteten. Viele von diesen neigten – nicht zuletzt aufgrund ihres zum Teil exzellenten Bildungshintergrunds – dazu, ihre Soldatenzeit sowie die Kriegsereignisse, an denen sie teilnahmen, intensiv zu reflektieren.
Die soldatischen Selbstzeugnisse des frühen 19. Jahrhunderts können in zwei Gruppen geschieden werden: die zeitgenössischen Dokumente und diejenigen, die erst nach den Kriegsereignissen, in der Regel nach dem Ende der napoleonischen Epoche, entstanden sind. Die Zahl der zeitgenössischen Aufzeichnungen ist insgesamt geringer als die Zahl der später angefertigten Texte. Die autobiografischen Dokumente von Militärangehörigen sind wie alle Selbstzeugnisse als „Ich-Konstruktionen“ (Rutz) zu verstehen.[90]90
Rutz 2002.
[Закрыть] Persönliche Kriegserfahrungen sind in diesen Quellen in medial vermittelter Form greifbar.[91]91
Tonn 2009. Zum Begriff der „Kriegserfahrung“ vgl. Schild/ Schindling 2009.
[Закрыть] Die wissenschaftliche Auswertung der Selbstzeugnisse von Soldaten, die an den Kriegen um 1800 teilgenommen haben, wirft zum Teil gravierende methodische Probleme auf. Dies gilt besonders für diejenigen Dokumente, die längere Zeit nach den geschilderten Geschehnissen entstanden sind. Bei diesen Aufzeichnungen kam es häufig zu Umdeutungen von Kriegserfahrungen durch den jeweiligen Verfasser. Wissenschaftliche Editionen von Erinnerungswerken sowie quellenkundliche Analysen liegen nur in sehr geringer Zahl vor.[92]92
Zum Forschungsstand zu diesen Dokumenten vgl. nach wie vor Scharf 2000, S. 19 – 28.
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Auffallend viele soldatische Selbstzeugnisse, welche die Zeit der Revolutionskriege oder der napoleonischen Kriege zum Gegenstand haben, beziehen sich ausschließlich oder zum Teil auf den französischen Feldzug gegen Russland im Jahr 1812.[93]93
Quellensammlungen: Kleßmann 1964; Brett-James 1966. Vgl. daneben Bourachot 2011. Darstellungen des Feldzugs mit starker Gewichtung von Augenzeugenberichten: Holzhausen 1912; Zamoyski 2004; Kleßmann 2012; Furrer 2012.
[Закрыть] Bei diesen Dokumenten handelt es sich ebenfalls mehrheitlich um Werke, die nach 1815 entstanden sind. Zu den Selbstzeugnissen zum Russlandfeldzug Napoleons zählen neben textlichen Kriegserinnerungen auch Zeichnungen und Gemälde, welche die kriegerischen Ereignisse vergegenwärtigen. Zahlreiche autobiografische Dokumente, vor allem Kriegsmemoiren, wurden im Verlauf der vergangenen zwei Jahrhunderte ganz oder in Teilen veröffentlicht. Doch befinden sich immer noch unpublizierte Aufzeichnungen in Archiven, in Bibliotheken oder im privaten Besitz.
Unter den Selbstzeugnissen deutscher Soldaten und Offiziere, die im Jahr 1812 in Napoleons Grande Armée Dienst leisteten, nehmen die Erinnerungswerke von Württembergern eine wichtige Rolle ein.[94]94
Überblick (unvollständig): Hemmann 2001. Die folgenden Ausführungen stellen eine Zusammenfassung meines Aufsatzes „Selbstzeugnisse württembergischer Feldzugsteilnehmer – eine Bestandsaufnahme“ dar (demnächst in Bickhoff/ Mährle vgl. Anm. 1). In diesem Aufsatz finden sich detaillierte Literaturnachweise.
[Закрыть] Eine herausragende Bedeutung für die visuelle Vergegenwärtigung des Feldzugs gegen das Zarenreich erlangten die Aquarelle und Zeichnungen von Christian Wilhelm von Faber du Faur (1780 – 1857).[95]95
Vgl. Mährle 2015.
[Закрыть] Diese bildlichen Darstellungen wurden weltweit rezipiert und sind in nahezu allen Publikationen über die französische Invasion nach Russland wiedergegeben. Daneben haben aber auch zahlreiche Kriegserinnerungen schwäbischer Militärangehöriger die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Forschung auf sich gezogen. Zu nennen sind insbesondere die Memoiren von Christian von Martens, Heinrich von Roos, Karl von Suckow und Jakob Walter. Auszüge aus diesen Werken fanden Eingang sowohl in Quellensammlungen als auch in historiografische Darstellungen.[96]96
Vgl. Württemberger im Russischen Feldzug 1812 1911; Dorsch 1913, S. 58 – 94; Gebhardt 1937 sowie die in Anm. 18 genannte Literatur.
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Von insgesamt 25 württembergischen Teilnehmern am Feldzug von 1812 sind Kriegserinnerungen in Textform überliefert. Interessant ist ein Blick auf das biografische Profil der Memoirenschreiber. 17 der 25 Autoren waren Offiziere. In Schwaben griffen überwiegend junge, zumeist zwischen 1785 und 1793 geborene Offiziere (Seconde– und Premierleutnante, Hauptleute) zur Feder und hielten ihre Erinnerungen an den französisch-russischen Krieg fest. Die württembergischen Verfasser von Kriegsmemoiren waren mehrheitlich bürgerlicher Herkunft, erlangten aber in der Regel – durch militärischen Aufstieg bzw. durch Ordensverleihung – die Nobilitierung.[97]97
Zur Nobilitierung von Offizieren in Württemberg vgl. Paul 2005, S. 793 – 794: „K. Ordre betreffend den Personal=Adel der Offiziere” vom 1. Dezember 1806 (Dokument 10).
[Закрыть] Mindestens 14 Autoren stammten aus Altwürttemberg, also aus dem Gebiet des Herzogtums in den Grenzen von 1802. Die überwältigende Mehrheit der Veteranen, die Erinnerungen hinterließen, gehörte der evangelischen Konfession an: Lediglich vier Personen waren katholisch. Memoiren sind in Württemberg von Soldaten aller Waffengattungen überliefert: 17 der 24 Autoren, deren Einheit bekannt ist, dienten in einer Infanterieformation (darunter zwei Ärzte), sechs bei der Kavallerie (darunter drei Ärzte), einer bei der Artillerie. Auffallend ist, dass viele württembergische Autoren von Kriegserinnerungen im Lauf ihrer militärischen Karriere, die sie zum Teil nach 1815 fortsetzten, hohe Auszeichnungen erlangten. Für insgesamt 15 Autoren lässt sich eine Verleihung des württembergischen Militärverdienstordens nachweisen, an drei Ärzte, die Erinnerungswerke verfassten, verlieh König Friedrich den Zivilverdienstorden. Fünf Autoren waren Ritter, zwei sogar Offiziere der französischen Ehrenlegion.
Die zeitliche Abfolge, in der die Memorialwerke der Württemberger über den Feldzug Napoleons gegen Russland 1812 entstanden, weist ein markantes Profil auf. Insgesamt vier Erinnerungstexte wurden in den Jahren unmittelbar nach dem Sturz des französischen Kaisers verfasst. Weitere Werke, insgesamt fünf, entstanden in den ausgehenden 1820er– und in den 1830er-Jahren bzw. wurden in dieser Zeit vollendet. Die Niederschrift dieser Memoiren fällt in eine Zeit, in der sowohl der Russlandfeldzug Napoleons als auch die sogenannten „Befreiungskriege“ in der württembergischen Erinnerungskultur eine zunehmende Bedeutung erlangten: Die früheren Kriegsteilnehmer organisierten sich seit Mitte der 1820er-Jahre in Veteranenbruderschaften, später auch in Vereinen, 1830 und 1837 fanden Veteranentreffen statt und nicht zuletzt erschienen seit 1831 die Aquarelle und Zeichnungen von Christian Wilhelm von Faber du Faur im Druck.[98]98
Planert 2007, v. a. S. 622 – 626, 632 – 641.
[Закрыть] Zu den Kriegserinnerungen, deren Niederschrift in die Zeit um 1830 fiel, zählt unter anderem der bedeutende Text von Heinrich von Roos, eines württembergischen Arztes, der 1812 in Kriegsgefangenschaft geraten und anschließend in Russland verblieben war.[99]99
Roos 1832 (zahlreiche Neuauflagen, Übersetzungen in das Russische und in das Französische).
[Закрыть] Stellten die 1830er-Jahre eine Phase intensiven Erinnerns an die Kriege der napoleonischen Zeit dar, so gilt dies weniger für das folgende Jahrzehnt. In den 1840er-Jahren wurde dementsprechend in Württemberg lediglich ein Erinnerungswerk an den Feldzug von 1812 publiziert.[100]100
[Riesch] 1844.
[Закрыть] Hingegen verfassten in den 1850er-Jahren und zu Beginn der 1860er-Jahre neun württembergische Veteranen ihre Texte bzw. überarbeiteten in dieser Zeit früher erstellte Textfassungen. Die Autoren, die etwa vierzig Jahre nach dem Ende des Premier Empire ihre Memoiren zu Papier brachten, waren primär von einem persönlichen Interesse geleitet. Sie blickten nach dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn auf einen bedeutenden Abschnitt ihres Lebens zurück und zielten darauf ab, ihre Erfahrungen der Nachwelt zu übermitteln.
Über die Schreibpraxis der württembergischen Autoren von Kriegsmemoiren liegen nur fragmentarische Informationen vor. Die meisten Veteranen des Feldzugs von 1812 dürften ihre Darstellung auf der Grundlage von Aufzeichnungen verfasst haben, die sie im Feld angefertigt hatten. Diese Materialien sind in der Regel nicht überliefert. Bei der Ausarbeitung der – zumeist wenig detaillierten – originalen Notizen zu ausführlichen Kriegsmemoiren schöpfte die Mehrzahl der Autoren in erster Linie aus der persönlichen Erinnerung. In verschiedenen Fällen benutzten die Veteranen bei der Niederschrift von Memorialwerken die vorhandene historiografische Literatur, die Berichte anderer Felzugsteilnehmer sowie, in seltenen Fällen, amtliche Dokumente. Nur von wenigen Soldaten, die über ihre Kriegserfahrungen in den Jahren 1812 bis 1814 berichteten, sind mindestens zwei Textzeugen erhalten; in diesen Fällen lässt sich die Entstehung der jeweiligen Memoiren etwas konkreter nachvollziehen.[101]101
Martens [vor 1861]; Martens [1862]; [Yelin] 1817a; ([Yelin], 1824); [Yelin] 1817b; [Yelin] 1856; [Yelin] 1908a; [Yelin] 1908b; [Yelin] 1911.
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Die überlieferten Erinnerungswerke württembergischer Soldaten unterscheiden sich in Form und Inhalt stark. So beziehen sich die Memoiren auf unterschiedliche Zeitspannen. Zum Teil handelt es sich um Autobiografien, die das gesamte Leben des Autors behandeln, zum Teil wird nur ein bestimmter Lebensabschnitt, zum Beispiel die Teilnahme an einem Feldzug, thematisiert. Einige Memoiren sind als Erzählung, andere in der Tagebuchform der originalen Aufzeichnungen verfasst. Die subjektive Perspektive des autobiografischen Berichts ist in den Erinnerungswerken unterschiedlich stark ausgeprägt. In einigen Werken wird sie durch eine Schilderung des allgemeinen Kriegsverlaufs ergänzt. Grundlegend verschieden ist auch der intellektuelle Anspruch der Texte. Während viele Memoiren primär eine Chronologie der Kriegsereignisse bieten, bemühen sich einige Autoren erkennbar um eine gedankliche Durchdringung und Analyse ihrer individuellen Erfahrungen. Schließlich differiert auch das sprachlich-stilistische Niveau der Memoiren enorm.
Die große Mehrzahl der württembergischen Erinnerungswerke zum Feldzug von 1812 wurde veröffentlicht.[102]102
Unpublizierte Erinnerungen: Finck 1854; Ringler 1850ff.; Stadlinger 1851. Nur zum kleinen Teil publiziert sind die Memoiren von Carl Christoph von Martens; vgl. Martens [vor 1862]; Martens 1912. Nicht publiziert ist zudem das Tagebuch von Stadlinger (vgl. Stadlinger 1809 – 1848).
[Закрыть] Die Publikation erfolgte dabei zum Teil zu Lebzeiten des jeweiligen Autors, zum Teil posthum. Nicht wenige Texte wurden erst viele Jahrzehnte nach ihrer Entstehung herausgegeben.[103]103
Vgl. bes. die Erinnerungen von Ernst Freiherr von Baumbach (Baumbach 1838, [Baumbach] 1912, Baumbach 2008), Wilhelm von König (Koenig 1863; 1812. Drei Schwaben unter Napoleon 1967 (Neuauflage 1987), S. 97 – 185), Benedikt Peter (Peter 1859, [Peter] 1937; [Peter] 1980), Ludwig Friedrich von Stockmayer (Stockmayer 1818; Stockmayer 1895) und Jakob Walter (vgl. Anm. 33).
[Закрыть] Einige derjenigen Autoren, deren Aufzeichnungen zu Lebzeiten erschienen, publizierten anonym.[104]104
Vgl. [Yelin] 1817; ([Yelin] 1824); [Schlaich] 1819; [Soden] 1832; [Kurz] 1838 (Neuauflage: [Kurz] 1912).
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Mehrere württembergische Erinnerungswerke, die bereits im 19. Jahrhundert zum Druck gelangten, stießen auf großes Interesse des Lesepublikums und erfuhren bis zum Ersten Weltkrieg mehrere Auflagen. Zu diesen Texten zählen die Kriegsmemoiren von Christian von Martens, Heinrich von Roos, Karl von Suckow und Christoph Ludwig von Yelin.[105]105
Martens 1862; [Martens] 1896; Roos 1832; [Roos] 1911 – 1914 (vgl. auch [Roos] 2003); Suckow 1862; Suckow 1910; [Yelin] 1817; ([Yelin] 1824); [Yelin] 1908a; [Yelin] 1908b; [Yelin] o. J. [1911].
[Закрыть] Der Text von Roos wurde 1912 ins Russische und 1913 ins Französische übersetzt.[106]106
[Roos] 1912a; [Roos] 1912b; [Roos] 1913a; [Roos] 1913b (vgl. auch Roos 2004).
[Закрыть] Die Erinnerungen von Suckow erschienen 1901 in französischer Sprache.[107]107
Suckow 1901.
[Закрыть] Eine überaus beeindruckende Rezeptionsgeschichte wurde in jüngerer Vergangenheit den Erinnerungen des einfachen Infanteristen Jakob Walter zuteil. Das Werk Walters, 1938 erstmals in deutscher und englischer Sprache publiziert, liegt inzwischen in sieben Sprachen im Druck vor (Deutsch, Englisch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Französisch, Spanisch).[108]108
Walter [vor 1858], [Walter] 1938a; [Walter] 1938b; 1812. Drei Schwaben unter Napoleon 1967 (Neuauflage 1987), S. 13 – 94; [Walter] 1991; [Walter] 1992a; [Walter] 1992b [Walter] 1993; [Walter] 2003; [Walter] 2004.
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5. Heinrich von Vossler (1791 – 1848): Königlich-württembergischer Offizier und Beamter
Heinrich August Gottlieb Vossler (Voßler, Vosseler, Voßeler) wurde am 3. November 1791 in Tuttlingen geboren, einer etwa 3.500 Einwohner zählenden Oberamtsstadt, die im äußersten Süden des Herzogtums Württemberg gelegen war.[109]109
Die Schreibweise des Familiennamens variiert. In den Tuttlinger Kirchenbüchern lautet der Name in der Regel „Vosseler“. Heinrich nannte sich jedoch 1828 „Vossler“; diese Namensvariante wurde in der vorliegenden Edition übernommen.
[Закрыть] Er entstammt einer bürgerlichen Familie.[110]110
LKA Stuttgart, Kirchenbücher Tuttlingen, Bd. 44, fol. 181.
[Закрыть] Der Vater Johann Vossler (1735 – 1808) bekleidete in Tuttlingen das Amt eines „Heiligenvogts“. Unter der Oberaufsicht des evangelischen Kirchenrats in Stuttgart war er verantwortlich für die Verwaltung der örtlichen „pia corpora“, d. h. der frommen Stiftungen sowie der von der Kirche getragenen Sozialeinrichtungen.[111]111
Errichtung der Heiligenvogtei Tuttlingen: HStA Stuttgart, A 288, Bü 5295. Vgl. Dehlinger 1951 – 1953, hier Bd. 1, S. 279 – 281 (§ 114). Zu Vossler vgl. Pfeilsticker 1957 – 1974, hier Bd. 2, § 2939.
[Закрыть] Die Mutter Heinrichs, Maria Magdalena (1765 – 1840), stammte aus der Tuttlinger Apothekerfamilie Megenhart.[112]112
Vgl. hierzu auch Kuhnimhof 1997, hier bes. S. 178 – 182; Schuster 1997.
[Закрыть] Heinrich hatte drei Geschwister: zwei Brüder, Johann Christian Friedrich (1786 – 1866) und Gustav Friedrich Rudolph (1797 – 1847), sowie eine Schwester, Christiana Magdalena Judith (1788 – 1847).
In der Familie Vossler wurde Wissen und Bildung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Deutlich erkannte der Vater Johann die damit verbundenen Aufstiegschancen für seine Kinder. Er ließ seinen beiden ältesten Söhnen, deren Entwicklung er bis an die Schwelle des Erwachsenenseins erlebte, eine gute Ausbildung angedeihen. Dies war nicht selbstverständlich, weil die Familie Vossler wie alle Einwohner Tuttlingens am 1. November 1803 von einer Katastrophe betroffen war: An diesem Tag brannte die gesamte württembergische Oberamtsstadt innerhalb der Mauern nieder. Die Bildungs– und Karrierewege der ältesten Vossler-Söhne verliefen sehr unterschiedlich: Der Erstgeborene, Johann Christian Friederich, studierte Jurisprudenz an der Universität Tübingen und trat anschließend in den württembergischen Staatsdienst ein.[113]113
Hermelink/ Bürk/ Wille 1906 – 1954, hier Bd. 3, S. 419 (Nr. 39.976, Immatrikulation am 25. Oktober 1804).
[Закрыть] Er sollte bis zum Ober-Tribunalrat in Tübingen aufsteigen. Heinrich besuchte das Gymnasium Illustre in Stuttgart, das einzige weiterführende Gymnasium, das im Herzogtum Württemberg bestand. Er war – wie er selbst schreibt – wie sein Bruder „zum Studiren bestimmt“. Doch war es Heinrich nicht möglich, eine Universität zu besuchen, da er im Jahr 1809 die hierfür erforderliche königliche Erlaubnis nicht erhielt. Kurzzeitig in einer Schreibstube tätig, wo er nicht glücklich wurde, trat Heinrich Vossler am 8. Juni 1809, mit 17 Jahren, als Freiwilliger in das württembergische Heer ein.[114]114
Militärische Laufbahn Vosslers: HStA Stuttgart, E 297 Bd. 141, fol. 535b.
[Закрыть] Eine Einberufung zum Militär war angesichts der Zeitläufte ohnehin zu erwarten gewesen.
Kurz nach seinem Dienstbeginn in der Armee als Kadett der Depotkompanie beim Garde-Regiment zu Fuß nahm Heinrich Vossler an der Niederschlagung des Aufstands der Vorarlberger gegen die bayerische Herrschaft teil. Im Frühjahr 1810 wechselte er auf eigenen Wunsch zur Kavallerie: Er gehörte zunächst vier Wochen lang als Kadett dem Leibregiment Chevauxlegers an. Seit dem 2. Juni 1810 diente er als Unterleutnant beim Jäger-Regiment zu Pferd Herzog Louis, das seit den Militärreformen von 1811/12 offiziell den Namen Kavallerie-Regiment Nr. 3 Jäger Herzog Louis trug.[115]115
Regimentsgeschichte: Starklof 1862.
[Закрыть] Das Regiment Vosslers stellte eine Neuformation des Jahres 1805 dar; es war seit März 1807 nach Herzog Ludwig von Württemberg (1756 – 1817), einem Bruder König Friedrichs, benannt.[116]116
Kress 1997.
[Закрыть] Vosslers Garnisonsorte – Zwiefalten, Ehingen und Riedlingen – waren alle in Oberschwaben, d. h. im südlichen Landesteil des Königreichs Württemberg, gelegen.
Mit den Louisjägern nahm Heinrich Vossler im Jahr 1812 am Russlandfeldzug Napoleons teil. Seine Einheit zählte, wie bereits erwähnt, zum französischen Kavalleriereservekorps, das unter dem Befehl von Joachim Murat stand. Vossler war aktiv an den Gefechten bei Daugeliszky (5. Juli) und Inkowo (8. August) sowie an der Schlacht bei Borodino (7. September) beteiligt. Trotz verschiedener Erkrankungen und einer Verwundung, die er bei Borodino erlitt, gelang ihm Anfang 1813 die Rückkehr nach Württemberg. Er wurde am 24. Januar 1813 zum Oberleutnant befördert.
Gesundheitlich noch nicht wieder hergestellt, gehörte Heinrich Vossler als Offizier des Kavallerie-Regiments Nr. 3 Jäger Herzog Louis auch dem württembergischen Armeekorps des Jahres 1813 an. Seine Einheit, die nach dem Russlandfeldzug neu aufgestellt worden war, verließ Württemberg Mitte April in Richtung des sächsischen Kriegsschauplatzes. Vossler wurde, ohne zuvor in ein größeres Gefecht verwickelt worden zu sein, am 14. Mai bei einer Patrouille bei Schwepnitz nordöstlich von Dresden von russischen Kosaken gefangen genommen. Als Kriegsgefangener gelangte er bis nach Chernigow in „Kleinrussland“ (heute in der Nordukraine). Die Gefangenschaft Heinrich Vosslers endete offiziell im November 1813, als Württemberg sich der antifranzösischen Allianz anschloss. Vossler gelangte fünf Monate später, im März 1814, zurück nach Schwaben. In Abwesenheit war er im Zuge einer Reorganisation der württembergischen Kavallerie, die König Friedrich im November 1813 angeordnet hatte, in das neu formierte Kavallerie-Regiment Nr. 5 Jäger versetzt worden. Am 6. März 1814, ebenfalls noch vor seinem Eintreffen in der Heimat, hatte Heinrich Vossler das Ritterkreuz des württembergischen Militärverdienstordens erhalten. Diese Auszeichnung war verbunden mit der Verleihung des persönlichen Adels. Noch am Tag seiner Rückkehr nach Württemberg, am 22. März 1814, wurde Vossler dem Leib-Kavallerie-Regiment Nr. 1 zugewiesen.
Obgleich Heinrich von Vossler ein dekorierter Soldat war, war im Sommer 1814 eine Weiterführung seiner militärischen Karriere nicht möglich. Gesundheitliche Probleme machten dem 23jährigen zu schaffen. Vossler schreibt darüber in seinen Erinnerungen: „An den Füssen hatte ich viele offene Wunden, der Magen war in hohem Grade geschwächt, und ertrug kaum die leichteste Speise, die Brust fühlte mit Schmerzen jede heftigere Bewegung.“ Der Tuttlinger hielt sich nach seiner Rückkehr aus Russland, die zeitlich mit dem Einzug der Alliierten in Paris und damit mit dem (vorübergehenden) Kriegsende fast zusammenfiel, zunächst acht Wochen zur Kur in Wildbad im Schwarzwald auf. Seine durch die Entbehrungen der zurückliegenden zwei Jahre ruinierte Gesundheit ließ sich jedoch in dieser Zeit nicht wiederherstellen. Am 1. Juli 1814 zum Invaliden-Corps versetzt, bat er bereits wenige Tage später – am 5. Juli – um seine Entlassung aus dem Militärdienst. Sie wurde ihm gewährt. Insgesamt hatte Vossler knapp fünf Jahre lang den Waffenrock König Friedrichs I. von Württemberg getragen.
Nach dem Ende seiner Militärzeit knüpfte Heinrich von Vossler an seine ursprüngliche Berufsplanung an. Er immatrikulierte sich am 24. November 1814 als Student der Kameralwissenschaft an der Universität Tübingen.[117]117
Hermelink/ Bürk/ Wille 1906 – 1954, hier Bd. 3, S. 485 (Nr. 41.053).
[Закрыть] Sein Berufziel war eine Beamtenlaufbahn. Nach seinem Studium wirkte Vossler zunächst als Referendär bei der Hofdomänenkammer.[118]118
Königlich-Württembergisches Staats– und Regierungs-Blatt 40 (1819) vom 30. Juni 1819. Zur Tätigkeit Vosslers vgl. auch Königlich Württembergische Hof– und Staats-Handbücher, Stuttgart 1824, 1828 und 1831 (Abschnitt Hof-Etat). Zur Vermögensverwaltung des Hauses Württemberg vgl. Fritz 1997.
[Закрыть] Bei dieser Behörde, die für die Verwaltung des Kronguts zuständig war, erhielt er im Juni 1819 eine feste Anstellung als Sekretär. Verbunden war die Tätigkeit bei der Hofdomänenkammer mit der Übernahme weiterer Funktionen im württembergischen Hofstaat: So war Vossler in den Jahren nach 1819 auch als Sekretär beim Oberhofrat, der Zentralbehörde des Hofstaats, und beim Oberstkammerherrenstab tätig. Darüber hinaus bekleidete er die Position eines Ökonomieverwalters der Hofkrankenpflege. Im November 1831 gelang Vossler ein beruflicher Aufstieg. König Wilhelm ernannte ihn zum Hofkameralverwalter in Herrenberg, einem etwa 2.000 Einwohner zählenden Städtchen knapp 40 Kilometer südwestlich von Stuttgart.[119]119
Besetzungsverfahren: HStA Stuttgart, E 14 Bü 270, Schreiben vom 22. November 1831. Öffentliche Bekanntmachung der Besetzung: Königlich-Württembergisches Staats– und Regierungs-Blatt 53 (1831) vom 16. Dezember 1831. Tätigkeit Vosslers 1831 – 1848: Königlich Württembergische Hof– und Staats-Handbücher, Stuttgart 1835, 1839 – 1841, 1843 und 1847 (Abschnitt Hof-Cameral-Ämter). Zu den Eigentumsverhältnissen in Herrenberg vgl. Beschreibung des Oberamts Herrenberg, Stuttgart 1855, S. 66 – 69.
[Закрыть] Ausschlag gebend für die Berufung waren neben Vosslers bisherigen Verdiensten im Militär– und Zivildienst seine ökonomischen Fachkenntnisse sowie seine für eine Führungsposition geeignete Persönlichkeit. Auch in seiner neuen Funktion erfüllte Heinrich von Vossler die in ihn gesetzten Erwartungen. In Anerkennung seiner langjährigen Dienste zeichnete König Wilhelm ihn im Sommer 1839 mit dem Orden der württembergischen Krone aus.[120]120
Dankschreiben Vosslers: HStA Stuttgart, E 6 Bü 238, Schreiben vom 29. September 1839.
[Закрыть] Diesen Orden hatte zwei Jahre zuvor bereits Heinrichs Bruder Johann Christian Friederich erhalten.[121]121
Königlich Württembergisches Hof– und Staats-Handbuch, Stuttgart 1839, S. 37.
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Seine Militärzeit blieb für Heinrich von Vossler auch nach 1814 eine prägende Phase seines Lebens. Dies zeigt sich am augenfälligsten daran, dass er in den Jahren 1828/29 auf der Grundlage von Aufzeichnungen, die er im Feld erstellt hatte, seine Erinnerungen an die Feldzüge der Jahre 1812 und 1813 sowie an seine anschließende Kriegsgefangenschaft in Russland niederschrieb. Vosslers Memoiren zählen zu den früh entstandenen Erinnerungswerken württembergischer Feldzugsteilnehmer der napoleonischen Zeit. Heinrich von Vossler war auch in württembergische Veteranenkreise integriert: Bei den Gedenkfeiern der Veteranen des Russlandfeldzugs, die am 23. Mai 1830 und am 6. November 1837 stattfanden, ist er jeweils unter den Anwesenden registriert.[122]122
Erinnerungsfeier am 23. Mai 1830: vgl. Loeffler 1901; Erinnerungsfeier am 6. November 1837: HStA Stuttgart, E 270a Bü 604.
[Закрыть] Er blieb jedoch während dieser Feierlichkeiten im Hintergrund, trat auch sonst – soweit erkennbar – in den Vereinigungen der Veteranen nicht hervor.
Seit dem 7. August 1821 war Heinrich von Vossler mit Charlotte Friedericke, geb. Kinzelbach (1803 – 1879) verheiratet.[123]123
LKA Stuttgart, Kirchenbücher Stuttgart, Innenstadt Bd. 5, S. 700; LKA Stuttgart, Kirchenbücher Herrenberg Bd. 31, fol. 367.
[Закрыть] Die Ehefrau des Veteranen – es handelte sich um seine Cousine – stammte aus einer Stuttgarter Handwerkerfamilie; ihr Vater wirkte gleichzeitig als Stadtrat.[124]124
Vgl. auch LKA Stuttgart, Kirchenbücher Stuttgart, Innenstadt Bd. 3, S. 173.
[Закрыть] Das Ehepaar Vossler hatte fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, die zwischen 1825 und 1835 geboren wurden.
Heinrich von Vossler bekleidete die Stelle des Kameralverwalters in Herrenberg bis zum Revolutionsjahr 1848. Im Frühjahr dieses Jahres erkrankte er schwer und musste seine Amtsgeschäfte einem Vertreter übertragen. Noch bevor ein Antrag auf Pensionierung eingereicht werden konnte, starb Heinrich von Vossler am 20. September 1848 im Alter von knapp 57 Jahren an „Schleimfieber“.[125]125
Zum letzten Dienstjahr Vosslers, in dem er während der revolutionären Unruhen im März Unmutsäußerungen ausgesetzt war vgl. Fritz 1997, S. 146. Zu Krankheit und Tod vgl. HStA Stuttgart, E 14, E 14 Bü 271, Schreiben vom 22. September 1848; Stuttgart’sches Kirchen-Register vom Jahre 1848.
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