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Автор книги: Коллектив авторов


Жанр: Зарубежные стихи, Зарубежная литература


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Was wir jetzt brauchen

Vor ein paar Tagen fand ich die deutsche Stimme eines Mannes auf meinem Anrufbeantworter, die mir von einer alten deutsch-russischen Studentenfreundschaft aus den Siebzigern erzählte, die bis heute bestünde. Ich kenne solche Geschichten, denn sie ergaben sich einst aus gelebter Völkerfreundschaft zwischen der Sowjetunion und der DDR, in der auch ich aufgewachsen bin. Sogar meine Ehefrau Sofi a würde es ohne eine solche Studentenfreundschaft, die zur Liebe wurde, nicht geben, denn auch meine Schwiegereltern studierten gemeinsam, sie Russin, er deutscher Sorbe und gründeten in Moskau ihre Familie, die viel später auch zu meiner wurde. Aber das konnte die Stimme auf meinem Anrufbeantworter nicht wissen.

Diese Stimme gehört Uwe Durak und sein russischer Kommilitone von einst heißt Wolodja Fadejev. Ich erfahre, dass die Beiden an einem Friedensbrückenprojekt arbeiten, nämlich einem Buch mit deutschen Gedichten zum Frieden, ins Russische übersetzt. Und sie hätten die Bitte an mich, ein Vorwort dazu zu schreiben.

Wir verabreden ein Telefonat und ich frage mich, ob Uwe auf meine Frage wartet: Warum gerade ich?

Aber schon nach wenigen Minuten kommt er selbst mit der Antwort herüber: Wir haben Deinen Auftritt in Moskau beim Festival «Daroga na Yaltu» (Weg nach Yalta) im Mai diesen Jahres gesehen…

Und so fi ndet sich einmal mehr zusammen, was zusammen gehört. Dem erstaunten und gleichsam interessierten Leser dieses Buches darf ich kurz meine Geschichte des poetischen Widerstandes umreißen. Seit im Jahr 2014 sichtbar wurde, dass die deutsche Außenpolitik keine russlandfreundliche Politik mehr sein würde, hatte meine Verantwortung als Künstler mir eine Idee des Brückenbauens abverlangt und ich begann, sowjetische und postsowjetische Barden und Rocksongs aus dem Russischen ins Deutsche zu dichten. Schnell sprach sich das auch bis Russland herum und ich bekam die ersten Einladungen zu Konzerten, auch auf die Krim. Es folgten Belarus, Georgien, Polen, Tschechien. Mein Album «November» entstand und 2019 erzählte ich meinem Publikum von diesen meinen Reisen in dem Buch «Das Lied vom Frieden», das meine belarussische Poetenkollegin Olga Zalesskaya für mich dann auch ins Russische übertrug. Nach zwei Jahren Pandemie konnte ich 2022 meine Arbeit als Künstler fortsetzen und da erfuhr ich von «Daroga na Yaltu», einem internationalen Wettbewerb von Sängerinnen und Sängern, die Lieder des Großen Vaterländischen Krieges in ihrer Sprache singen. Im Mai 2023 würde das wieder stattfi nden aber seit Februar lief die russische militärische Intervention in der Ukraine. Konnte in einer solchen Situation ein deutscher Sänger nach Moskau gehen? Ich beantwortete mir diese Frage mit JA, er muss! So dichtete ich das Lied «Kraniche» ins Deutsche, bewarb mich und sang es am 02. Mai 2023 im Staatlichen Kremlpalast in Moskau. Ich erzielte den zweiten Platz und als ich im fernsehaufgezeichneten Finale begann, meine deutschen Zeilen zu singen, erhob sich das sechstausend Menschen starke Publikum im Saal.

Auch diese Geschichte erzähle ich in meinem Buch «Kraniche – Shuravli» meinem deutschen Publikum.

Und ich habe Ihnen lieber Leser kurz davon berichtet, damit Sie erspüren, warum Uwe, Wolodja und ich zusammengefunden haben. Weil wir nämlich mit unseren Mitteln nach etwas zu suchen begannen, was die Welt momentan schmerzlich vermisst – die Inspiration zum Frieden. Sie ist das Wichtigste, was wir alle überall in der Welt jetzt brauchen. Frieden entsteht durch Vertrauen. Vertrauen aber entsteht aus gehaltenen Versprechen.

Versprechen gibt man Freunden und Freunde gewinnt man durch gegenseitiges Kennenlernen. Wie aber lernen Völker sich kennen und lieben? Durch die Kunst. Sie verbindet die Menschen, gibt Auskunft über ihre Lebensart, über ihr Lachen, ihr Weinen, ihr Temperament, ihre Sanftmut, ihr Denken, ihre Philosophien, ihre Lebenspoesie. Wo die Politik zögert, muss die Kunst die Völker verbinden! Und dieser Idee folgt auch jenes Buch hier. Denn es gilt, Künstlerdenkmäler nicht niederzureißen, wie das mancherorts geschieht, sondern sie zu betrachten und uns die Frage zu beantworten, warum sie einst errichtet wurden und was sie uns zu sagen haben. Und wie einst zu Puschkins oder Goethes Zeiten ist auch heute die Kunst Spiegel unserer Gesellschaft und damit der beste Weg, uns kennenzulernen, unsere Freundschaft, unsere Versprechen und unser Vertrauen zu erneuern.

Nichts braucht die Welt von heute dringender, als dass die Menschen danach trachten, Teil solcher Inspiration zu werden.

Tino EISBRENNER

ein deutscher Schriftsteller, Dichter und Liedermacher, veröf entlichte über 20 Alben und fünf Bücher

Vom Gestalter

Schon seit über fünftausend Jahren gibt es auf unsere Erde Zeugnisse der Friedenssehnsucht der Menschen. Da wurden Angst vor Kriegen, Verzweifl ung und Trauer, Liebe und Hass in Stein gemeißelt oder zu Papier gebracht – in Form von Gedichten, Erzählungen und Liedern. Der Wunsch nach Frieden und Glück begleitet uns Menschen seit jeher. Wie überall auf der Welt ist das heute auch in Russland und Deutschland so.

Als Wolodja und ich uns beim Studium der Wärmephysik und Atomenergietechnik am Moskauer Energetischen Institut kennenlernten, war für uns der Krieg weit weg, er existierte in den Erzählungen der Eltern, in der Literatur und in Werken der Filmkunst. Noch vor wenigen Jahren dachten wir nicht, dass die Weltpolitik eine solche gefährliche Entwicklung nehmen und einen solchen Zustand erreichen würde, dass ein Atomkrieg unsere Erde bedroht.

Vor Monaten erhielt ich einen Brief aus Moskau. In dem stand geschrieben, dass es wohltue zu erfahren, dass es Deutsche gibt, welche die tiefen Bande der Freundschaft zum russischen Volk nicht vergessen haben, und welche die Geschichte der letzten hundert Jahre sehr gut kennen und den Regierungskurs der BRD im Ukraine-Konfl ikt nicht billigen. Da kam mir der Gedanke, dass ich in dieser Hinsicht mehr tun könnte.

Nun schlug Wolodja vor, einen gemeinsamen Anti-Kriegs-Gedichtband in Deutsch-Russisch herauszubringen. Mit Begeisterung gingen wir an die Arbeit. Ich wusste, dass seit Jahrhunderten deutsche Dichter und Liedertexter wertvolle Beiträge zu diesem Thema geleistet haben und immer aufs Neue einbringen. Beim Sammeln und Zusammenstellen der Texte, wählte ich den Zeitraum vom 18. Jahrhundert bis heute. Bei dieser interessanten Aufgabe, die mir sehr viele Anregungen und Erkenntnisse brachte, unterstützten mich viele Menschen.

Ich bedanke mich besonders bei Mitgliedern des Vereins der Greifswalder Bücherfreunde. Seit Jahren leistet dieser Verein, der mich zum Vorsitzenden gewählt hat, eine kulturhistorisch wichtige Arbeit. Insbesondere danke ich Edeltraut Felfe, die mir bei der Auswahl der Gedichte geholfen hat. Außerdem danke ich unseren Vereinsmitgliedern Helga Lange und Ursula Lietz, die eigene Texte für dieses Buch beisteuerten, sowie Lutz Meyer, der mir wertvolle Unterstützung bei der redaktionellen Arbeit gab.

Noch eine Erfahrung habe ich gemacht. Meine Anfragen an Autoren, ob ich Texte von ihnen verwenden dürfe, brachten viel Zustimmung und Sympathie für unser Projekt. Das hatte ich in dem Maße nicht erwartet. Auch diese Information, denke ich, ist für meine Freunde in Russland sehr wichtig.

Uwe DURAK

Vom Übertrager

Ein halbes Jahrhundert ist es her, da ich gemeinsam mit meinem deutschen Freund Uwe, dem Mitautor dieses Buches, am Moskauer Energetischen Institut am Lehrstuhl «Atomkraftwerke» studierte. Außer den deutschen Studenten waren in den drei Gruppen auch Tschechen, Bulgaren und Ungarn vertreten. Wir haben zusammen studiert, zusammen Urlaub gemacht, sind zusammen in die berühmten Baubrigaden der Energetiker gefahren – und alle wurden Spezialisten für das FRIEDLICHE Atom. In ihren Ländern arbeiteten sie in den Kernkraftwerken, die von der Sowjetunion gebaut worden waren: Kozloduj in Bulgarien, Paks in Ungarn, Rheinsberg und Greifswald in der DDR. Damals, Anfang der 70er Jahre, wäre es uns nie eingefallen, ein solches Buch zu schreiben – über den Frieden. Denn wir lebten in ihm und nahmen ihn nicht zur Kenntnis, so wie man die Luft nicht bemerkt, die man atmet. Und selbst in schrecklichen Träumen konnten wir nicht ahnen, dass nach nur einem Vierteljahrhundert die Länder unserer brüderlichen Mitstudenten des FRIEDLICHEN Atoms in den sehr unfriedlichen Block der NATO eintreten. Der Frieden, diese Luft zum Atmen, ist zur Mangelware geworden, und wenn diese Länder heute den ukrainischen Neonazis Waffen liefern, womit man unsere Soldaten umbringt, dann fällt das Atmen schwer. Uns, den Vertretern des FRIEDLICHEN Atoms, wurde bewusst, dass man für den Frieden, die Luft, die einzig zum Leben taugt, kämpfen muss. Kämpfen gegen die Verderber – Faschismus und Nationalismus. Gemeinsam. So verstehen auch meine deutschen Freunde die Welt, in der Tradition der fortschrittlichsten, patriotisch gesinnten Poeten Deutschlands aller Epochen. Und so entstand dieses Buch…

Wladimir FADEJEW

Wilfried Handwerk
* 1945, Kössern, Ökonom, schrieb diesen Text anläßlich der Geburt seiner Tochter im Jahr 2020
Die Augen von Anna
 
So klar, so strahlend voller Lust,
fast gierig, die Welt zu erschließen.
Sie treiben mir Tränen ins Gesicht,
ich habe Angst, ich fürchte mich.
 
 
Es ist so schwer,
die Welt jetzt zu verstehen.
Leise singt Anna ein schönes Lied,
den Text, den, kennt nur Sie.
 
 
Ihre Augen sagen mir,
es ist ein schönes Lied
von ihrer Welt in Glück und Frieden.
Sie sieht die Welt mit ihren Augen
und liebt, was sie umgibt.
 
 
Die Augen fragen: «Und was tut ihr,
die schöne Welt noch zu erhalten?»
Die Welt ist dunkel, Stürme toben,
Haß und Angst, kein friedliches Gesicht.
 
 
Sie sehen die Augen der Kinder nicht,
geblendet von Macht und Kapital.
«Hab keine Angst, du brauchst noch Zeit,
das alles zu verstehen»,
sagt zärtlich der Papa.
 
 
Ach wäre ich so jung wie du,
dann würde ich deine Hand ergreifen
und leise zu dir sagen:
«Anna, du gibst mir Kraft
Laß uns die Welt jetzt neugestalten.»
 
 
Dein Lächeln ist so wunderbar und
deine Augen sagen ja.
Sie fragen, könnt ihr denn nicht
alle zusammenstehen in Freude, Glück und Frieden?
Das sind die Augen von Anna,
sie geben Zuversicht.
 
Friedrich Gottlieb Klopstock
* 1724, Quedlinburg, † 1803, Hamburg, ein Pionier der deutschen Dichtung
Losreissung
 
Weiche von mir, Gedanke des Kriegs, du belastest
Schwer mir den Geist! du umziehst ihn, wie die Wolke,
Die den weckenden Strahl einkerkert,
Den uns die Frühe gebar;
 
 
Steckest ihn an mit Trauer, mit Gram, mit des Abscheus
Pestiger Glut, dass, verzweifelnd an der Menschheit,
Er erbebt und, ach, nichts Edles
Mehr in den Sterblichen sieht;
 
 
Kehre mir nie, Gedanke! zurück, in den Stunden
Selbst nicht zurück, wenn am schnellsten du dich regest,
Und vom leisesten Hauch der Stimme
Deiner Gefährten erwachst.
 
Christian Friedrich Daniel Schubart
* 1739, Obersontheim, † 1791, Stuttgart, ein deutscher Dichter, Organist, Komponist und Journalist
Die Welt ist nun des Menschenmordens müde
 
Die Welt ist nun des Menschenmordens müde;
Die Krieger ziehn aus fi nsterm Streit.
Vom Himmel kommt – sein schönster Sohn, der Friede,
Und mit ihm kommt die Fruchtbarkeit.
Es neigen sich vor ihm die ährenschweren Halme,
Die nun kein Pferdehuf zerknickt.
Und weit herum ertönen Friedenspsalmen
Und Volksgesänge hochentzückt.
O seid es wert, ir, Deutschlands Bürger,
Durch Tugend seid des Friedens wert.
Daß Mavors nicht, der höllentfl ohne Würger,
Auf ewig euer Land verheert.
 
Matthias Claudius
* 1740, Reinfeld, † 1815, Hamburg, ein deutscher Dichter und Journalist, bekannt als Lyriker mit volksliedhafter, intensiv empfundener Verskunst
Kriegslied
 
′s ist Krieg! ′s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
′s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
 
 
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
 
 
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fl uchten
In ihrer Todesnot?
 
 
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
 
 
Wenn Hunger, böse Seuch′ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
 
 
Was hülf′ mir Kron′ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
′s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
 
Gottfried August Bürger
*1747, Molmerswende,+ 1794, Göttingen, ein deutscher Dichter in der Zeit der Aufklärung
Für wen, du gutes deutsches Volk
 
Für wen, du gutes deutsches Volk
Behängt man dich mit Waffen?
Für wen läßt du von Weib und Kind
Und Herd hinweg dich raffen?
Für Fürsten– und für Adelsbrut,
Und fürs Geschmeiß der Pfaffen.
 
 
War's nicht genug, ihr Sklavenjoch
Mit stillem Sinn zu tragen?
Für sie im Schweiß des Angesichts
Mit Fronen dich zu plagen?
Für ihre Geißel sollst du nun
Auch Blut und Leben wagen?
 
 
Sie nennen's Streit fürs Vaterland,
In welchen sie dich treiben.
О Volk, wie lange wirst du blind
Beim Spiel der Gaukler bleiben?
Sie selbst sind das Vaterland,
Und wollen gern bekleiben.
 
 
Was ging uns Frankreichs Wesen an,
Die wir in Deutschland wohnen?
Es mochte dort nun ein Bourbon,
Ein Ohnehose thronen…
 
Johann Wolfgang Goethe
* 1749, Frankfurt am Main,+ 1832, Weimar, ein deutscher Dichter, Politiker und Naturforscher. Er gilt als einer der bedeutendsten Schöpfer deutschsprachiger Dichtung
 
Manches Herrliche der Welt
Ist in Krieg und Streit zerronnen;
Wer beschützt und erhält,
Hat das schönste Los gewonnen.
 
Friedrich Schiller
* 1759, Marbach, + 1805, Weimar, ein Dichter, Philosoph, Historiker und Arzt. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker, Lyriker und Essayisten
О schöner Tag
 
О schöner Tag, wenn endlich der Soldat
Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,
Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,
Und heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch.
Wenn alle Hüte sich und Helme schmücken
Mit grünen Maien, dem letzten Raub der Felder!
Der Städte Tore gehen auf, von selbst,
Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen;
Von Menschen sind die Wälle rings erfüllt,
Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen, —
Hell klingt von allen Türmen das Geläut,
Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.
Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt
Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd —
Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags,
dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände.
Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,
Das längst verlass'ne ein; mit breiten Ästen
Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,
Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,
Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,
Die er einst an der Amme Brust verließ.
О glücklich, wem dann auch sich eine Tür',
Sich zarte Arme sanft umschlingend öffnen.
 
Bertha von Suttner
* 1843, Prag, † 1914, Wien, eine tschechisch-österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin. Sie wurde 1905 als erste Frau mit dem seit 1901 vergebenen Friedensnobelpreis ausgezeichnet
Wettrüsten
 
Meine Rüstung ist die defensive,
Deine Rüstung ist die offensive,
Ich muss rüsten, weil du rüstest,
Weil du rüstest, rüste ich ich,
Also rüsten wir,
Rüsten wir nur immer zu.
 
Ricarda Huch
*1864, Braunschweig, † 1947, Schönberg, eine deutsche Schriftstellerin, Philosophin und Historikerin, die als eine der ersten Frauen im deutschsprachigen Raum im Fach Geschichte promoviert wurde
Friede
(Aus dem Dreißigjährigen Krieg)
 
Von dem Turme im Dorfe klingt
Ein süßes Geläute;
Man sinnt, was es deute,
daß die Glocke im Sturme nicht schwingt.
Mich dünkt, so hört ich's als Kind;
Dann kommen die Jahre der Schande;
Nun trägt's in die Weite der Wind,
Dass Friede im Lande.
Wo mein Vaterhaus einst fest stand,
Wächst wuchernde Heide;
ich pflück, eh ich scheide,
einen Zweig mit zitternder Hand.
Das ist von der Väter Gut
Mein einziges Erbe;
Nichts bleibt, wo mein Haupt sich ruht,
bis ich einsam sterbe.
Meine Kinder verwehte der Krieg;
Wer bringt sie mir wieder?
Beim Klange der Lieder
Feiern Fürsten und Herren den Sieg.
Sie freuen sich beim Friedensschmaus,
die müß'gen Soldaten fluchen —
Ich ziehe am Stabe hinaus,
mein Vaterland suchen.
 
Rainer Maria Rilke
* 1875, Prag, † 1926, Montreux, ein österreichischer Lyriker deutscher und französischer Sprache
Szene aus dem Dreißigjährigen Krieg
 
«Du kniest am Markstein, Alter sprich!
Das ist kein Heiligenbild.»
«Kein Bild? – Ich bete. Es faßte mich
Das Schicksal gar so wild.»
 
 
«Hast du kein Haus, hast du kein Land,
Das deine Hände braucht?»
«Das Land zerstampft, das Haus verbrannt.
Sieh hin – gewiß – es raucht.»
 
 
«Was baut's nicht wieder auf dein Sohn
Und hilft dir aus der Not?»
«Mein Sohn zog in den Krieg davon,
Jetzt ist er sicher tot.» —
 
 
«Was streicht dir deines Haares Schnee
Der Tochter Hand nicht weich?» —
«Der bracht ein Troßbub Schand und Weh,
Da sprang sie in den Teich.»
 
 
«So sieh mir ins Gesicht! – Und brach
das Herz dir auch vor Graus…»
«Ich kann nicht, Herr, ein Kriegsknecht stach
Mir beide Augen aus.»
 
Urheber unbekannt
Zogen einst fünf wilde Schwäne
Volks– und Antikriegslied
(um. 1918)
 
Zogen einst fünf wilde Schwäne,
Schwäne leuchtend weiß und schön.
Sing, sing, was geschah:
Keiner ward mehr gesehen, Ja
Sing, sing, was geschah:
Keiner ward mehr gesehn.
 
 
Wuchsen einst fünf junge Birken
grün und frisch an Bachesrand.
Sing, sing, was geschah:
Keine in Blüten stand, ja
Sing, sing, was geschah:
Keine in Blüten stand.
 
 
Zogen einst fünf junge Burschen
stolz und kühn zum Kampf hinaus.
Sing, sing, was geschah:
Keiner kehrt mehr nach Hause, ja.
Sing, sing, was geschah:
Keiner kehrt mehr nach Haus.
 
 
Wuchsen einst fünf junge Mädchen
schlank und schön am Memelstrand.
Sing, sing, was geschah:
Keine den Brautkranz wand, ja.
Sing, sing, was geschah:
Keine den Brautkranz wand.
 
 
Zogen einst fünf wilde Schwäne,
Schwäne leuchtend weiß und schön.
Sing, sing, was geschah:
Keiner ward mehr gesehen, Ja
Sing, sing, was geschah:
Keiner ward mehr gesehn.
 
Hermann Hesse
*1877, Calw, † 1962, Montagnola, ein deutsch-schweizerischer Schriftsteller, Dichter und Maler. 1946 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen
Friede
(1914)
 
Jeder hat's gehabt,
keiner hat's geschätzt,
jeden hat der süße Quell gelabt,
о wie klingt der Name Friede jetzt!
 
 
Klingt so fern und zag,
klingt so tränenschwer,
keiner weiß und kennt den Tag,
jeder sehnt ihn voll verlangen her.
 
 
Sei willkommen einst,
erste Friedensnacht,
milder Stern, wenn endlich du erscheinst
überm Feuerdampf der letzten Schlacht.
 
 
Dir entgegen blickt
Jede Nacht mein Traum,
ungeduldig rege Hoffnung pflückt
ahnend schon die goldne Frucht vom Baum.
 
 
Sei willkommen einst,
wenn aus Blut und Not
du am Erdenhimmel uns erscheinst,
einer andern Zukunft Morgenrot!
 
Oktober 1944
 
Leidenschaftlich strömt der Regen,
schluchzend wirft er sich ins Land,
Bäche gurgeln in den Wegen
überfülltem See entgegen,
der noch jüngst so gläsern stand.
 
 
Daß wir einmal fröhlich waren
und die Welt uns selig schien,
war ein Traum. In grauen Haaren
stehn wir herbstlich und erfahren,
leiden Krieg und hassen ihn.
 
 
Kahlgefegt und ohne Flitter
liegt die Welt, die einst gelacht;
durch entlaubter Äste Gitter
blickt der Winter todesbitter,
und es greift nach uns die Nacht.
 
Erich Mühsam
*1878, Berlin,† 1934, ermordet im KZ Oranienburg, ein anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist
Kriegslied
(März 1917)
 
Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren…
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand —
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
 
 
Aus dem Bett von Lehm und Jauche
zur Attacke auf dem Bauche!
Trommelfeuer – Handgranaten —
Wunden – Leichen – Heldentaten —
bravo, tapfere Soldaten!
So lebt der edle Kriegerstand,
das Eisenkreuz am Preußenband,
die Tapferkeit am Bayernband,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
 
 
Stillgestanden! Hoch die Beine!
Augen gradeaus, ihr Schweine!
Visitiert und schlecht befunden.
Keinen Urlaub. Angebunden.
Strafdienst extra sieben Stunden.
So lebt der edle Kriegerstand.
Jawohl, Herr Oberleutenant!
Und zu Befehl, Herr Leutenant!
Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
 
 
Vorwärts mit Tabak und Kümmel!
Bajonette, Schlachtgetümmel.
Vorwärts! Sterben oder Siegen
Deutscher kennt kein Unterliegen.
Knochen splittern, Fetzen fliegen.
So lebt der edle Kriegerstand.
Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
das Blut tropft in den Straßenrand,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
 
 
Angeschossen – hochgeschmissen —
Bauch und Därme aufgerissen.
Rote Häuser – blauer Äther —
Teufel! Alle heiligen Väter!..
Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
So stirbt der edle Kriegerstand,
in Stiefel, Maul und Ohren Sand
und auf das Grab drei Schippen Sand —
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.
 

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