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Автор книги: Коллектив авторов


Жанр: Зарубежные стихи, Зарубежная литература


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Friedrich Wolf
*1888, Neuwied,† 1953, Lehnitz, ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker
Glockenstimme
 
Es gibt Poeten, die sagen:
Der Sturm setzte die Glocken in Gang —
Oder:
Geister, die in den Lüften klagen,
Zerrten am Glockenstrang.
Aber
Das ist faules Gerede,
Denn der Mensch ist es, der jede
Glocke bewegt,
Der Mensch ist es, der Mensch.
 
 
Es gibt Reporter, die deuten
Mit zitternder Kehle darauf hin:
Nur einmal
Im Jahr werde diese Glocke läuten,
Nur zur Weihnacht, das sei ihr Sinn.
 
 
Aber
Vielleicht wird gerade diese Glocke sprechen,
Wenn Menschen Kerkermauern zerbrechen
In einer andern Nacht,
Weil es der Mensch ist,
Der die Glocke zum Schwingen gebracht,
Weil es der Mensch ist, der Mensch.
 
 
Es gibt Priester, die sagen:
Jene Glocke läute nur ganz zart
«Friede auf Erden!»,
Weil Maria das Kindlein getragen
Und Christus geboren ward.
Aber
Wer sagt Euch, daß nicht einmal jene Frau
Den Glockenstrang wird fassen,
Damit alle Frauen auf die Straßen
Eilen, mit Hämmern und Beilen
Den gierigen Kriegsgöttern
Das Maul zu verkeilen,
 
 
Damit kein Sohn mehr am Kreuz muß leiden,
Damit keine Söldnerlanze ihm öffnet die Seiten,
Daß nicht weiter die Herren schuldlos lächeln,
Während die Verdammten am Querholz verröcheln —
Denn auch das ist Menschenstimme,
Wenn in wildem Grimme
Die zarte Glocke ihr Sturmlied gesungen,
Von einer Mutter am Strang geschwungen
Für den Sohn,
Für den Sohn,
Für des Menschen Sohn.
 
Kurt Tucholsky
*1890, Berlin, † 1935, Göteborg, ein deutscher Journalist und Schriftsteller, er zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik
Merkt ihr nischt
 
Eine ganze Industrie
schluckt die dicken Gelder,
treibt die Preise hoch – denn sie
hat die Kohlenfelder.
Sie kann schröpfen und sie schröpft
euch, die Konsumenten;
von dem Geld, euch abgeknöpft,
zahlt sie die Agenten…
Presse, Kinos, süß gemischt —
Merkt ihr nischt?
 
 
Käseblätter schelten brav
auf die Republike.
Und es tapst das deutsche Schaf
nach der Preßmusike.
Weil der Bauer profitiert
von den Feldgewächsen:
 
 
loben Filme – wie geschmiert! —
Fridericus Rexn.
Warum wird das aufgetischt?
Merkt ihr nischt —?
 
 
Was mit offnen Mäulern prahlt:
«Wir – wir sind die Stärkern!»
Das ist alles bar bezahlt —
und von euern Märkern!
Vorn der Militärsoldat
und die Ideale —
hinten steht ein Syndikat:
Zahle, Dummkopf, zahle!
 
 
Von der Welt könnt ihr nichts wissen.
Ach, wie seid ihr angelogen!
Und sie zahlen blutige Zinsen.
Und die Bauernfänger grinsen,
weil ihr alldeutsch aufgefrischt…
Merkt ihr nischt —?
 
Krieg dem Kriege
 
Sie lagen vier Jahre im Schützengraben.
Zeit, große Zeit!
Sie froren und waren verlaust und haben
daheim eine Frau und zwei kleine Knaben,
weit, weit —!
 
 
Und keiner, der ihnen die Wahrheit sagt.
Und keiner, der aufzubegehren wagt.
Monat um Monat, Jahr um Jahr…
 
 
Und wenn mal einer auf Urlaub war,
sah er zu Hause die dicken Bäuche.
Und es fraßen dort um sich wie eine Seuche
der Tanz, die Gier, das Schiebergeschäft.
Und die Horde alldeutscher Skribenten kläfft:
«Krieg! Krieg!
Großer Sieg!
Sieg in Albanien und Sieg in Flandern!»
Und es starben die andern, die andern, die andern…
 
 
Sie sahen die Kameraden fallen.
Das war das Schicksal bei fast allen:
Verwundung, Qual wie ein Tier, und Tod.
Ein kleiner Fleck, schmutzigrot —
und man trug sie fort und scharrte sie ein.
Wer wird wohl der nächste sein?
 
 
Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.
Werden die Menschen es niemals lernen?
Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt?
Wer ist das, der da oben thront,
von oben bis unten bespickt mit Orden,
und nur immer befiehlt: Morden! Morden! —
Blut und zermalmte Knochen und Dreck…
Und dann hieß es plötzlich, das Schiff sei leck.
 
 
Der Kapitän hat den Abschied genommen
und ist etwas plötzlich von dannen geschwommen.
Ratlos stehen die Feldgrauen da.
Für wen das alles? Pro patria?
 
 
Brüder! Brüder! Schließt die Reihn!
Brüder! das darf nicht wieder sein!
Geben sie uns den Vernichtungsfrieden,
ist das gleiche Losbeschieden
unsern Söhnen und euern Enkeln.
Sollen die wieder blutrot besprenkeln
die Ackergräben, das grüne Gras?
Brüder! Pfeift den Burschen was!
Es darf und soll so nicht weitergehen.
Wir haben alle, alle gesehen,
wohin ein solcher Wahnsinn führt —
 
 
Das Feuer brannte, das sie geschürt.
Löscht es aus! Die Imperialisten,
die da drüben bei jenen nisten,
schenken uns wieder Nationalisten.
Und nach abermals zwanzig Jahren
kommen neue Kanonen gefahren. —
Das wäre kein Friede.
Das wäre Wahn.
Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
Du sollst nicht töten! hat einer gesagt.
Und die Menschheit hörts, und die Menschheit klagt.
Will das niemals anders werden?
Krieg dem Kriege!
Und Friede auf Erden.
 
Erich Weinert
* 1890, Magdeburg, † 1953, Berlin, deutscher Schriftsteller, war ab 1943. Präsident des Nationalkomitees Freies Deutschland
Die Hakenrune
(1946)
 
Kaum war das tausendjährige Reich kaputt,
Da krochen sie behend, die Hakenrune
Rasch aus dem Knopfloch polkend, aus dem Schutt
Und machten, etwas vorschnell, auf Kommune.
 
 
Mit vollen Hosen standen sie parat,
Mit jeder Sorte Plebs sich zu verbrüdern,
Und drängelten sich vor, dem neuen Staat
Sich anzubieten oder anzubiedern.
 
 
Auf einmal gabs in Deutschland nichts als Opfer,
Bereit zum Eintritt in die Heilsarmee,
Und schon erschienen auch die Schulterklopfer
Und tremolierten ihr absolvo te!
 
 
Wer konnte wohl auf soviel Nachsicht hoffen!
Sie stiegen wieder ins Geschäft mit ein,
Denn alle Hintertüren standen offen,
Und jeder hatte den Entlausungsschein.
 
 
Sieg-Heil! Der erste Schock ist überwunden.
Die Amnestie begießt man auf Banketts.
Und man entschädigt sich für Schrecksekunden
Und sucht und findet Löcher im Gesetz.
 
 
Schon gehn die meisten wieder durch die Maschen.
Wie lange noch? Dann steht der Schießverein.
Denn statt das Land von Nazis reinzuwaschen,
Wäscht man die ganzen Nazis wieder rein.
 
 
Das darf sich heut schon wieder frech vermessen
Und sein Bedauern fassen ins Gebet,
Daß viel zu wenig im KZ gesessen
Und daß es nicht noch mal nach Moskau geht.
 
 
Das darf heut immer noch Soldaten spielen,
Wohin kein unberufenes Auge guckt,
Und lernt auf unbequeme Köpfe zielen,
Bereit zum Einsatz, wenn die Straße muckt.
 
 
Das läßt schon wieder Meuchelmörder frei,
Nach denen sie jahrzehntelang gefahndet,
Als ob inzwischen nichts geschehen sei.
Doch Fahnenflucht wird immer noch geahndet.
 
 
Das macht, im Schatten der Vergeßlichkeit,
In seiner Klaue noch den Stil von gestern,
Schon wieder sich in Leitartikeln breit,
Und darf, was heut sich redlich müht, verlästern.
 
 
Das darf sich wieder vor Kathedern flegeln
Und wird nicht gleich mit Prügeln relegiert.
Das spielt sich wieder auf nach Standesregeln,
Statt Schutt zu karren, wie es ihm gebührt.
 
 
Ja, haben dafür unsere kühnsten Herzen
Gekämpft, gelitten und ihr Blut verströmt,
Daß die, die wir geschworen, auszumerzen,
Heut nicht einmal mehr öffentlich verfemt?
 
 
Genauso hat es damals angefangen!
Und wo es aufhört, ist euch bekannt.
Verschlaft ihr noch einmal, die zu belangen,
Dann reicht bestimmt kein Volk uns mehr die Hand.
 
Georg Josef Britting
* 1891, Regensburg, † 1964, München, ein deutscher Schriftsteller und Dichter, sein Schaffen wurde vom literarischen Expressionismus beeinflusst
Hast du auch Knechte, Tod?
 
«Hast Du auch Knechte, Tod?» – «Ich habe Knechte!»
«So nenne sie!» – «Da sind einmal die Seuchen,
ich lobe sie. Sie sind aus dem Geschlechte,
das Unflat speit aus vollen, gelben Bäuchen.
 
 
Im Wasser dienen mir die wilden Hechte,
im Wald die Beeren auf den Giftgesträuchen,
den Baum zu stürzen, dient mir die gute Flechte,
der Marder, um das Federvieh zu scheuchen.
 
 
Das Gras zu dörren, dient die Sonne mir,
die Saaten zu ersäufen: Wasserflut.
Die Wölfe reißen mir die zarten Kälber.
 
 
Sind gute Knechte. Bess're nenn ich dir:
Gilt's hinzumähen ihre eigne Brut,
dienen am besten mir die Menschen selber.»
 
Johannes R. Becher
*1891, München, † 1958, Berlin, ein deutscher expressionistischer Dichter und SED-Politiker, war Minister für Kultur der DDR, Verfasser des Textes der Nationalhymne der DDR
Die Friedenstaube
 
Es stieg empor der Glaube:
«Bald wird es Friede sein!»
Und eine Friedenstaube
Flog auf im Dämmerschein.
 
 
Sie hat in ihrem Schweben
Uns einen Gruß gesandt
Und über unser Leben
Die Flügel ausgespannt.
 
 
Es glänzte das Gefieder
Im Fluge um die Welt
Und schien als Licht hernieder,
Das weit die Nacht erhellt.
 
 
Von einem weißen Schimmer
Umwoben war ihr Flug:
«Laßt Friede sein für immer!
Des Leides sei genug!»
 
 
Die Botschaft fliegt hoch oben,
Die Frieden uns verheißt.
Die Taube laßt uns loben,
Die hoch am Himmel kreist.
 
 
Sie hat auf ihren Schwingen
Die Botschaft uns gebracht:
«Den Frieden zu erringen,
Dazu habt ihr die Macht!»
 
Im Frühling
 
Wenn der Frühling lässt empor
hoch den Himmel steigen,
summt es in uns wie ein Chor
nach des Winters Schweigen:
Friede, Friede, sei auf Erden!
Menschen wollen Menschen werden.
Menschen wollen Menschen werden.
 
 
O, du dunkler Chor, der summt!
In uns ist ein Ahnen:
Sie, die glaubten wir verstummt,
melden sich und mahnen:
Menschen sollen Menschen werden,
Friede, Friede sei auf Erden,
Friede, Friede sei auf Erden.
 
 
Und es ist ein solcher Schrei,
dass die Berge beben.
Eine Flammenwüstenei,
Meere sich erheben,
wenn nicht Friede wird auf Erden,
was soll aus uns allen werden?
Was soll aus uns allen werden?
 
 
Ihr, gezeichnet von dem Leid
derer die gefallen,
und ihr, die ihr jung noch seid,
lasst den Ruf erschallen:
Friede, Friede sei auf Erden!
Menschen lasst uns Menschen werden.
Menschen lasst uns Menschen werden.
 
Vielleicht…
 
Vielleicht wird alles einst
Ganz anders sein auf Erden,
Und wenn alsdann du weinst,
Kannst du getröstet werden.
 
 
Vielleicht braucht keiner dann
Vor Angst mehr zu erbleichen.
Vielleicht wird jedermann
Dem eignen Traumbild gleichen.
 
 
Vielleicht ist solch ein leis
Geflüster in den Zweigen,
Vor dem vielleicht – wer weiß —
Andächtig alle schweigen.
 
 
Vielleicht wird dann und wann
Ein Bild herüberreichen
Aus unserer Zeit und kann
Euch sein ein mahnend Zeichen.
 
 
Vielleicht das Dunkel weicht
Und ist ein Licht erschienen,
Und jeder wird vielleicht
Alsdann dem Licht nur dienen.
 
 
Wenn du alsdann erscheinst,
О Licht, kann Friede werden…
Vielleicht wird alles einst
Ganz anders sein auf Erden.
 
Werner Bergengruen
*1892, Riga, † 1964, Baden-Baden, ein deutsch-baltischer Schriftsteller
Um den Frieden
 
Wir haben so lange Krieg gesehn,
Gewehr und Kanon' sollen stillestehn.
Gott der Herr war ein Ackersmann,
Er spannte zwei goldne Pferde an
und ackerte drei Furchen.
 
 
Er streute die himmlische Aussaat hinein.
Aus der ersten wuchs Weizen,
aus der zweiten wuchs Wein.
Aus der dritten wuchs Friede und gute Zeit.
Gelobt sei Gott in Ewigkeit!
 
Eugen Roth
* 1895, München, †1976, München, ein deutscher Lyriker und populärer Autor meist humoristischer Verse
Nur
 
Ein Mensch, der, sagen wir als Christ,
Streng gegen Mord und Totschlag ist,
Hält einen Krieg, wenn überhaupt,
Nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
Weil sie des wahren Glaubens spotten!
 
 
Ein andrer Mensch, ein frommer Heide,
Tut keinem Menschen was zuleide,
Nur gegenüber Christenhunden
Wӓr jedes Mitleid falsch empfunden.
 
 
Der ewigen Kriege blutige Spur
Kommt nur von diesem kleinen «nur»…
 
Bertolt Brecht
* 1898, Augsburg, † 1956, Berlin, ein Dramatiker, Librettist und Lyriker. Er zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichtern des20.Jahrhunderts
Friedenslied
(nach Pablo Neruda)
 
Friede auf unserer Erde!
Friede auf unserem Feld,
dass es auch immer gehöre
dem, der es gut bestellt.
 
 
Friede in unserem Lande!
Friede in unserer Stadt,
dass sie den gut behause,
der sie gebauet hat.
 
 
Friede in unserem Hause!
Friede im Haus nebenan!
Friede dem friedlichen Nachbarn,
dass Jedes gedeihen kann.
 
 
Friede dem Roten Platze
und dem Lincoln-Monument!
Und dem Brandenburger Tore
und der Fahne, die drauf brennt!
 
 
Friede den Kindern Koreas
und den Kumpels an Neiße und Ruhr!
Friede den New-Yorker Schoffören,
und den Kulis von Singapore!
 
 
Friede den deutschen Bauern
und den Bauern im großen Banat!
Friede den guten Gelehrten
eurer Stadt Leningrad!
 
 
Friede der Frau und dem Manne!
Friede dem Greis und dem Kind!
Friede der See und dem Lande!
Dass sie uns günstig sind.
 
Bitten der Kinder
 
Die Häuser sollen nicht brennen.
Bomber sollt man nicht kennen.
Die Nacht soll für den Schlaf sein.
Leben soll keine Straf sein.
Die Mütter sollen nicht weinen.
Keiner soll müssen töten einen.
Alle sollen was bauen.
Da kann man allen trauen.
Die Jungen sollen' s erreichen.
Die Alten desgleichen.
 
Kinderhymne
 
Anmut sparet nicht noch Mühe,
Leidenschaft nicht noch Verstand,
daß ein gutes Deutschland blühe,
wie ein andres gutes Land.
 
 
Daß die Völker nicht erbleichen
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
uns wie andern Völkern hin.
 
 
Und nicht über und nicht unter
andern Völkern wolln wir sein,
von der See bis zu den Alpen,
von der Oder bis zum Rhein.
 
 
Und weil wir dies Land verbessern,
lieben und beschirmen wir's.
Und das liebste mag's uns scheinen
so wie andern Völkern ihrs.
 
Und was bekam des Soldaten Weib
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus der alten Hauptstadt Stadt Prag?
Aus Prag bekam sie die Stöckelschuh'
Einen Gruss und dazu die Stöckelschuh'
Das bekam sie aus der Hauptstadt Prag
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Warschau am Weichselstrand?
Aus Warschau bekam sie das leinerne Hemd
So bunt und so fremd, ein polnisches Hemd
Das bekam sie vom Weichselstrand
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Oslo über dem Sund?
Aus Oslo bekam sie das Kräglein aus Pelz
Hoffentlich gefällt's, das Kräglein aus Pelz
Das bekam sie aus Oslo am Sund
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem reichen Rotterdam?
Aus Rotterdam bekam sie den Hut
Und der steht ihr so gut, der holländische Hut
Den bekam sie aus Rotterdam
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus Brüssel im Belgischen Land?
Aus Brüssel bekam sie die seltenen Spitzen
Ha, das zu besitzen, so seltene Spitzen
Die bekam sie aus Belgischem Land
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus der Lichterstadt Paris?
Aus Paris bekam sie das seidene Kleid
Zu der Nachbarin Leid, das seidene Kleid
Das bekam sie aus der Stadt Paris
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem libyschen Tripolis?
Aus Tripolis bekam sie das Kettchen
Das Amulettchen am Kopfe mit Kettchen
Das bekam sie aus Tripolis
 
 
Und was bekam des Soldaten Weib
Aus dem weiten Russland?
Aus Russland bekam sie den Witwenschleier
Zur Totenfeier den Witwenschleier
Den bekam sie aus Russland
 
Erich Kästner
* 1899, Dresden, † 1974, München, ein deutscher Schriftsteller, Publizist, Drehbuchautor und Kabarettdichter
Primaner in Uniform
 
Der Rektor trat, zum Abendbrot,
bekümmert in den
Der Klassenbruder Kern sei tot.
Das war das erste Mal.
 
 
Wir saßen bis zur Nacht im Park
und dachten lange nach.
Kurt Kern, gefallen bei Langemarck,
saß zwischen uns und sprach.
 
 
Dann lasen wir wieder Daudet und Vergil
und wurden zu Ostern versetzt.
Dann sagte man uns, daß Heimbold fiel.
Und Rochlitz sei schwer verletzt.
 
 
Herr Rektor Jobst war Theolog
für Gott und Vaterland.
Und jedem, der in den Weltkrieg zog,
gab er zuvor die Hand.
 
 
Kerns Mutter machte ihm Besuch.
Sie ging vor Kummer krumm.
Und weinte in ihr Taschentuch
vorm Lehrerkollegium.
 
 
Der Rochlitz starb im Lazarett.
Und wir begruben ihn dann.
Im Klassenzimmer hing ein Brett
mit den Namen der Toten daran.
 
 
Wir saßen oft im Park am Zaun.
Nie wurde mehr gespaßt.
Inzwischen fiel der kleine Braun.
Und Koßmann wurde vergast.
 
 
Der Rektor dankte Gott pro Sieg.
Die Lehrer trieben Latein.
Wir hatten Angst vor diesem Krieg.
Und dann zog man uns ein.
 
 
Wir hatten Angst. Und hofften gar,
es spräche einer Halt!
Wir waren damals achtzehn Jahr,
und das ist nicht sehr alt.
 
 
Wir dachten an Rochlitz, Braun und Kern.
Der Rektor wünschte uns Glück
Und blieb mit Gott und den andern Herrn
gefaßt in der Heimat zurück.
 
Aufruf
 
Schneidet das Korn und hütet die Herde,
indes der Planet um die Sonne rollt!
Keltert den Wein und striegelt die Pferde!
Schön sein, schön sein könnte die Erde,
wenn ihr nur wolltet, wenn ihr nur wollt!
 
 
Reicht euch die Hände, seid eine Gemeinde!
Frieden, Frieden heiße der Sieg.
Glaubt nicht, ihr hättet Millionen Feinde,
euer einziger Feind heißt – Krieg!
 
 
Frieden, Frieden, helft, daß er werde!
Tut, was euch freut, und nicht das, was ihr sollt.
Schneidet das Korn und hütet die Herde.
Keltert den Wein und striegelt die Pferde!
Schön sein, schön sein könnte die Erde,
wenn ihr nur wolltet, wenn ihr nur wollt!
 
Marie Luise Kaschnitz
* 1901, Karlsruhe, † 1974, Rom, eine deutsche Schriftstellerin und Dichterin
Hiroshima
 
Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehn nächtlich
Auferstandene aus Staub für ihn.
 
 
Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, daß sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.
 
Wolfgang Koeppen
* 1906, Greifswald, † 1996, München, ein deutscher Schriftsteller, ein bedeutender Autor der Nachkriegsliteratur
Pommernland
 
Pommernland ist abgebrannt,
noch nicht, noch lange nicht oder bald,
Pommernland bereitet sich gründlich auf das Feuer vor,
die Lunte wird gelegt, der Zündschwamm gehegt.
Schwefel wird verstreut und Pech,
das schwillt und fault und wächst,
auch in dir brennt der Keim,
du weißt es nicht, wie solltest du,
niemand merkt was, niemand denkt.
 
Mascha Kaleko
*1907, Chrzanów, † 1975, Zürich, zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts, floh 1938 in die USA, emigrierte 1959 nach Israel
Chor der Kriegerwaisen
(geschrieben zwischen zwei Kriegen)
 
Wir sind Kinder der «Eisernen Zeit»,
Gefüttert mit Kohlrübensuppen.
Wir haben genug von Krieg und von Streit
Und von feldgrauen Aufstehpuppen!
 
 
Kind sein, das haben wir niemals gekannt.
Uns sang nur der Hunger im Schlaf…
Weil Vater im Schützengraben stand,
zu fallen für Kaiser und Vaterland,
Wenns grade ihn mal traf.
 
 
Unser Kinderschreck war der Heldentod,
Unser Märchenbuch: Extrablätter;
Unsre Leckerbissen: Das Karten-Brot;
Kanonen – unsre Götter.
 
 
Die Schulfibel prangte so stolz schwarzweißrot,
Draus lernten wir: Tod den Franzen!
Wir übten: «man sagt nicht Adieu; nur Grüßgott»
Und schwärmten für Stahlbadehosen.
 
 
Und kam eines Tages ein Telegramm,
Wenn der Vater schon lang nicht geschrieben —
Dann zog sich die Mutter das Schwarze an,
Und wir waren kriegshinterblieben.
 
 
Wir lernten Geschichte und Revolution
Am eigenen Leibe erfahren.
Wir schwitzten für Gelder der Inflation,
die später Klosettpapier waren.
 
 
Wir spüren noch heute auf Schritt und Tritt
Jener «Herrlichen Zeiten» Vermächtnis.
Und spielt ihr Soldaten, wir machen nicht mit;
Denn wir haben ein gutes Gedächtnis!
 
Erich Fried
* 1921, Wien, + 1988, Baden-Baden, ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist
Die Maßnahmen
 
Die Faulen werden geschlachtet
Die Welt wird fleißig
 
 
Die Häßlichen werden geschlachtet
Die Welt wird schön
 
 
Die Narren werden geschlachtet
die Welt wird weise
 
 
Die Kranken werden geschlachtet
die Welt wird gesund
Die Traurigen werden geschlachtet
die Welt wird lustig
 
 
Die Alten werden geschlachtet
die Welt wird jung
 
 
Die Feinde werden geschlachtet
die Welt wird freundlich
 
 
Die Bösen werden geschlachtet
die Welt wird gut
 
Walter Niedermayer
* 1924, Österreich (weiter ist nichts über ihn bekannt, siehe Information im Quellenverzeichnis)
Warum ich den Frieden will
 
Mein Bruder war mit dem Hitlerheer
in Polen.
 
 
Am ersten Tag klopfte er noch an,
bevor er in ein Haus eintrat.
(Da lachten sie ihn aus.)
Am zweiten Tag trat er die Türen ein
und stahl den Bauern das Vieh.
(Da wurde er gefeiert.)
Am dritten Tag zündete er das Dorf an.
(Da nannten sie ihn einen Helden.)
 
 
Wie war mein Bruder vor dem Krieg?
 
 
Leute, die ihn gut kannten, meinten,
daß er kein Bösewicht,
eher ein Schwächling war.
 
 
In friedlichen Zeiten
– sagten sie —
wäre er kein Mörder
geworden.
 
Erika Schirmer
* 1926, Nettkow, eine deutsche Schriftstellerin und ehemalige Kindergärtnerin
Kleine weiße Friedenstaube
 
Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land,
allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.
 
 
Du sollst fliegen, Friedenstaube, allen sag es hier,
dass nie wieder Krieg wir wollen, Frieden wollen wir.
 
 
Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal,
bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal.
 
 
Und wir wünschen für die Reise Freude und viel Glück,
kleine weiße Friedenstaube, komm recht bald zurück!
 

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